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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ihrer Liebe entdecket haben. Marbod stutzte
über so schleuniger Auflösung seines Räthsels;
und fragte: gegen wem soll Julia verliebt seyn:
daß sie ihr Hertz für mir ausschütten solte? Tibe-
rius versetzte: Gegen wem pflegen wir diß eher
zu thun/ als gegen den/ der sich desselbten schon
bemächtigt hat? Sicherlich/ Marbod/ du trau-
est mir allzu blöde Augen und eine allzu gerin-
ge Kentnüß Juliens zu/ da du mir diese meine
Gedancken ausreden wilst. Wormit du aber
so wol meiner Verträuligkeit/ als des Grundes
in dieser Sache ver gewissert seyn mögest; so
glaube: daß ich auch für dir auf diesem Kampff-
Platze von Julien einen solchen Anfall über-
standen; als sie nach dem Marcellus verheyra-
thet war; welcher sie doch mit mehren Ergetz-
ligkeiten unterh ielt/ als der ernste Agrippa. U-
ber diß ist Julia gewohnet todte Bilder gleich-
sam zu Rednern für ihre Liebe zu machen. Denn
sie hat mir in dem über des Pompejus Schau-
Platze gebautem Heiligthume der Venus/ bey
Beschauung der Gemählde so viel zugemuthet;
als die Venus iemahls dem Adonis gewehret.
Marbod/ welcher ihm zwar fürgesetzt hatte/ die-
ses Geheimnüßes Wissenschafft ihm allein vor-
zubehalten/ um es weder fremdem Urthel nach
Verrath zu unterwerffen/ ward durch diese
Verträuligkeit verleitet dem Tiberius endlich
zu bekennen: daß Julia eine Zuneigung gegen
ihm hätte blicken lassen. Denn die Entdeckung
eigener/ ist der Schlüssel fremder Geheimnüs-
se. Kurtz darauf begab sich: daß der Kayser
in Gallien reisete; da denn Julia/ Tiberius
und Marbod ihn begleitende/ bey Patavium
des Geryons Wahrsagungs-Heiligthum be-
suchten/ und in dem Aponischen Brunnen mit
dem güldenen Würffel spielten. Dieser heil-
same Brunn war durchsichtig wie ein Spiegel/
unten mit Marmel gepflastert/ und mit viel-
färbichten Steinen/ darein allerhand Thiere
eingelegt. Julia warff zum ersten einen Wirf-
fel/ in welchem zwar anfangs eine sechs oben
[Spaltenumbruch] kam/ aber er wendete sich am Bodem um/
kam auf einem See-Krebse zu liegen/ und zeu-
gete den Hund/ als den geringsten Wurff. Ti-
berius und Marbod warffen beyde das beste/
nehmlich die Venus; jener Wirffel aber kam
auff einer Schnecke/ dieser auf einer Syrene
zu stehen. Der Priester des dreyköpsichten
Geryons/ oder der dardurch abgebildeten drey-
fachen Zeit/ weßwegen sein aus Porphir ge-
hauenes Bild auch am Rücken Flügel/ an den
Füssen Renne-Schuh/ in der Hand eine Si-
chel hatte/ legte die Würffe derogestalt aus: daß
sich Juliens Glücks-Blat wenden/ und sie auff
einem vom Meer umgebenen Eylande in Ein-
samkeit ihr Leben beschlüssen/ Tiberius lang-
sam/ Marbod zeitlich zu der höchsten Würde
gelangen/ mit diesem es aber am Ende auch
schlecht ablauffen würde. Diese Wahrsagung
machte Julien für Liebe gantz blind: daß/ wo
sie nur einen Augenblick Zeit hatte/ dem Mar-
bod anlag mit ihr in Deutschland zu fliehen.
Weil nun Marbod sie schlechter Dings durch
eine abschlägliche Antwort zu erzürnen Beden-
cken trug/ sondern mit annehmlicher Bezeu-
gung stets allerhand Schwerigkeiten machte/
schrieb sie ihm endlich einen Brieff/ welcher
umständlich berichtete: wie sie zu ihrer Flucht
alles bestellet/ und seine bißherige Schwerig-
keiten aus dem Wege geräumet hätte. Diesen
gab sie ihrer freygelassenen Phöbe dem Mar-
bod zu überbringen. Weil diese aber/ als Ju-
liens vertraute Kuplerin/ den Jnnhalt und An-
schlag wol wuste/ aber in einen Freygelassenen
der Vipsania verliebt war/ entdeckte sie ihm ihr
gantzes Vorhaben/ um ihn zur Nachfolge
gleichfalls zu bereden. Alleine seine Treue ü-
berwog dißmahl seine Liebe. Denn er eröffnete
alles der Vipsania/ diese dem Tiberius/ mit
Andeutung: daß sie Juliens Untreue und
Marbods Undanck ihrem Vater Agrippa
nicht verschweigen könte. Weil nun Tibe-
rius Vipsanien das letztere nicht auszureden/

noch

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ihrer Liebe entdecket haben. Marbod ſtutzte
uͤber ſo ſchleuniger Aufloͤſung ſeines Raͤthſels;
und fragte: gegen wem ſoll Julia verliebt ſeyn:
daß ſie ihr Hertz fuͤr mir ausſchuͤtten ſolte? Tibe-
rius verſetzte: Gegen wem pflegen wir diß eher
zu thun/ als gegen den/ der ſich deſſelbten ſchon
bemaͤchtigt hat? Sicherlich/ Marbod/ du trau-
eſt mir allzu bloͤde Augen und eine allzu gerin-
ge Kentnuͤß Juliens zu/ da du mir dieſe meine
Gedancken ausreden wilſt. Wormit du aber
ſo wol meiner Vertraͤuligkeit/ als des Grundes
in dieſer Sache ver gewiſſert ſeyn moͤgeſt; ſo
glaube: daß ich auch fuͤr dir auf dieſem Kampff-
Platze von Julien einen ſolchen Anfall uͤber-
ſtanden; als ſie nach dem Marcellus verheyra-
thet war; welcher ſie doch mit mehren Ergetz-
ligkeiten unterh ielt/ als der ernſte Agrippa. U-
ber diß iſt Julia gewohnet todte Bilder gleich-
ſam zu Rednern fuͤr ihre Liebe zu machen. Deñ
ſie hat mir in dem uͤber des Pompejus Schau-
Platze gebautem Heiligthume der Venus/ bey
Beſchauung der Gemaͤhlde ſo viel zugemuthet;
als die Venus iemahls dem Adonis gewehret.
Marbod/ welcher ihm zwar fuͤrgeſetzt hatte/ die-
ſes Geheimnuͤßes Wiſſenſchafft ihm allein vor-
zubehalten/ um es weder fremdem Urthel nach
Verrath zu unterwerffen/ ward durch dieſe
Vertraͤuligkeit verleitet dem Tiberius endlich
zu bekennen: daß Julia eine Zuneigung gegen
ihm haͤtte blicken laſſen. Denn die Entdeckung
eigener/ iſt der Schluͤſſel fremder Geheimnuͤſ-
ſe. Kurtz darauf begab ſich: daß der Kayſer
in Gallien reiſete; da denn Julia/ Tiberius
und Marbod ihn begleitende/ bey Patavium
des Geryons Wahrſagungs-Heiligthum be-
ſuchten/ und in dem Aponiſchen Brunnen mit
dem guͤldenen Wuͤrffel ſpielten. Dieſer heil-
ſame Brunn war durchſichtig wie ein Spiegel/
unten mit Marmel gepflaſtert/ und mit viel-
faͤrbichten Steinen/ darein allerhand Thiere
eingelegt. Julia warff zum erſten einen Wirf-
fel/ in welchem zwar anfangs eine ſechs oben
[Spaltenumbruch] kam/ aber er wendete ſich am Bodem um/
kam auf einem See-Krebſe zu liegen/ und zeu-
gete den Hund/ als den geringſten Wurff. Ti-
berius und Marbod warffen beyde das beſte/
nehmlich die Venus; jener Wirffel aber kam
auff einer Schnecke/ dieſer auf einer Syrene
zu ſtehen. Der Prieſter des dreykoͤpſichten
Geryons/ oder der dardurch abgebildeten drey-
fachen Zeit/ weßwegen ſein aus Porphir ge-
hauenes Bild auch am Ruͤcken Fluͤgel/ an den
Fuͤſſen Renne-Schuh/ in der Hand eine Si-
chel hatte/ legte die Wuͤrffe derogeſtalt aus: daß
ſich Juliens Gluͤcks-Blat wenden/ und ſie auff
einem vom Meer umgebenen Eylande in Ein-
ſamkeit ihr Leben beſchluͤſſen/ Tiberius lang-
ſam/ Marbod zeitlich zu der hoͤchſten Wuͤrde
gelangen/ mit dieſem es aber am Ende auch
ſchlecht ablauffen wuͤrde. Dieſe Wahrſagung
machte Julien fuͤr Liebe gantz blind: daß/ wo
ſie nur einen Augenblick Zeit hatte/ dem Mar-
bod anlag mit ihr in Deutſchland zu fliehen.
Weil nun Marbod ſie ſchlechter Dings durch
eine abſchlaͤgliche Antwort zu erzuͤrnen Beden-
cken trug/ ſondern mit annehmlicher Bezeu-
gung ſtets allerhand Schwerigkeiten machte/
ſchrieb ſie ihm endlich einen Brieff/ welcher
umſtaͤndlich berichtete: wie ſie zu ihrer Flucht
alles beſtellet/ und ſeine bißherige Schwerig-
keiten aus dem Wege geraͤumet haͤtte. Dieſen
gab ſie ihrer freygelaſſenen Phoͤbe dem Mar-
bod zu uͤberbringen. Weil dieſe aber/ als Ju-
liens vertraute Kuplerin/ den Jnnhalt und An-
ſchlag wol wuſte/ aber in einen Freygelaſſenen
der Vipſania verliebt war/ entdeckte ſie ihm ihr
gantzes Vorhaben/ um ihn zur Nachfolge
gleichfalls zu bereden. Alleine ſeine Treue uͤ-
berwog dißmahl ſeine Liebe. Denn er eroͤffnete
alles der Vipſania/ dieſe dem Tiberius/ mit
Andeutung: daß ſie Juliens Untreue und
Marbods Undanck ihrem Vater Agrippa
nicht verſchweigen koͤnte. Weil nun Tibe-
rius Vipſanien das letztere nicht auszureden/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1071[1073]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1135>, abgerufen am 23.11.2024.