Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
grausamsten Laster ihren Unwillen zu bezeugenbeleidiget; welches letztere doch den knechtischsten Völckern unverschrenckt wäre. Alleine der Ober-Richter antwortete ihm: Ein Fürst wä- re wegen des Volckes/ nicht ein Volck wegen des Fürsten; dieser könte nicht ohne jenes/ aber jenes wol ohne den Fürsten seyn; und also wäre er zwar höher/ als ieder vom Volcke/ aber nicht über alles Volck. Dannenher hätten Für- sten/ insonderheit in dem freyen Deutschlande GOtt/ das Gesetze und den Reichs-Rath über sich; welcher das gantze Volck/ wie der Fürst nur seinen Verwalter fürstellte. Also hätten die Stadt-Vögte zu Rom/ die Auffseher zu Sparta/ der obersten Vorsteher Thun unter- sucht und geurtheilt. Ein Fürst bleibe so lange das Haupt eines Volckes/ so lange er dessen Schutz-Herr wäre. Er entsetzte sich aber seiner Würde selbst/ wenn er sich zum Wütterich machte; denn darmit höret die Einwilligung des Volckes auff/ welche allezeit diese Bedin- gung in sich begrieffe. Nach dem nun Britton auff seiner keinem Richter unterwüriffigen Ho- heit beruhete/ und auff die Anklage sich nicht hauptsächlich einlassen wolte/ ward von dem o- bersten Richter/ der bey des Hertzogs Abtritte ein blutrothes Kleid angezogen hatte/ wieder ihn zu einem denckwürdigen Beyspiele der Nach- Welt des Todes Urthel gefällt. Die Cheruskischen/ Friesischen und Burier Land
Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
grauſamſten Laſter ihren Unwillen zu bezeugenbeleidiget; welches letztere doch den knechtiſchſten Voͤlckern unverſchrenckt waͤre. Alleine der Ober-Richter antwortete ihm: Ein Fuͤrſt waͤ- re wegen des Volckes/ nicht ein Volck wegen des Fuͤrſten; dieſer koͤnte nicht ohne jenes/ aber jenes wol ohne den Fuͤrſten ſeyn; und alſo waͤre er zwar hoͤher/ als ieder vom Volcke/ aber nicht uͤber alles Volck. Dannenher haͤtten Fuͤr- ſten/ inſonderheit in dem freyen Deutſchlande GOtt/ das Geſetze und den Reichs-Rath uͤber ſich; welcher das gantze Volck/ wie der Fuͤrſt nur ſeinen Verwalter fuͤrſtellte. Alſo haͤtten die Stadt-Voͤgte zu Rom/ die Auffſeher zu Sparta/ der oberſten Vorſteher Thun unter- ſucht und geurtheilt. Ein Fuͤrſt bleibe ſo lange das Haupt eines Volckes/ ſo lange er deſſen Schutz-Herꝛ waͤre. Er entſetzte ſich aber ſeiner Wuͤrde ſelbſt/ wenn er ſich zum Wuͤtterich machte; denn darmit hoͤret die Einwilligung des Volckes auff/ welche allezeit dieſe Bedin- gung in ſich begrieffe. Nach dem nun Britton auff ſeiner keinem Richter unterwuͤriffigen Ho- heit beruhete/ und auff die Anklage ſich nicht hauptſaͤchlich einlaſſen wolte/ ward von dem o- berſten Richter/ der bey des Hertzogs Abtritte ein blutrothes Kleid angezogen hatte/ wieder ihn zu einem denckwuͤrdigen Beyſpiele der Nach- Welt des Todes Urthel gefaͤllt. Die Cheruskiſchen/ Frieſiſchen und Burier Land
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Siebendes Buch
grauſamſten Laſter ihren Unwillen zu bezeugen
beleidiget; welches letztere doch den knechtiſchſten
Voͤlckern unverſchrenckt waͤre. Alleine der
Ober-Richter antwortete ihm: Ein Fuͤrſt waͤ-
re wegen des Volckes/ nicht ein Volck wegen
des Fuͤrſten; dieſer koͤnte nicht ohne jenes/ aber
jenes wol ohne den Fuͤrſten ſeyn; und alſo waͤre
er zwar hoͤher/ als ieder vom Volcke/ aber nicht
uͤber alles Volck. Dannenher haͤtten Fuͤr-
ſten/ inſonderheit in dem freyen Deutſchlande
GOtt/ das Geſetze und den Reichs-Rath uͤber
ſich; welcher das gantze Volck/ wie der Fuͤrſt
nur ſeinen Verwalter fuͤrſtellte. Alſo haͤtten
die Stadt-Voͤgte zu Rom/ die Auffſeher zu
Sparta/ der oberſten Vorſteher Thun unter-
ſucht und geurtheilt. Ein Fuͤrſt bleibe ſo lange
das Haupt eines Volckes/ ſo lange er deſſen
Schutz-Herꝛ waͤre. Er entſetzte ſich aber ſeiner
Wuͤrde ſelbſt/ wenn er ſich zum Wuͤtterich
machte; denn darmit hoͤret die Einwilligung
des Volckes auff/ welche allezeit dieſe Bedin-
gung in ſich begrieffe. Nach dem nun Britton
auff ſeiner keinem Richter unterwuͤriffigen Ho-
heit beruhete/ und auff die Anklage ſich nicht
hauptſaͤchlich einlaſſen wolte/ ward von dem o-
berſten Richter/ der bey des Hertzogs Abtritte
ein blutrothes Kleid angezogen hatte/ wieder ihn
zu einem denckwuͤrdigen Beyſpiele der Nach-
Welt des Todes Urthel gefaͤllt.
Die Cheruskiſchen/ Frieſiſchen und Burier
Geſandten/ derer Fuͤrſten ſich in dieſen Jnn-
laͤndiſchen Krieg theils wegen der zwiſchen den
Catten und Cheruskern entſtandenen Unruh/
theils aus Beyſorge nicht mehr Oel ins Feuer
zu gieſſen/ mit Fleiß nicht eingemiſcht hatten/
muͤhten ſich nunmehro das zeither unglaubliche
Fuͤrnehmen der Hermundurer wieder ihren
Fuͤrſten zu hintertreiben. Sintemahl kein de-
nen Fuͤrſten ſchaͤdlicheres Geheimnuͤß iemahls
ans Licht kommen koͤnte; als daß ein Volck
Macht habe uͤber ſein Oberhaupt ein Blutge-
richte zu hegen. Es erlangte hierauff der Che-
ruskiſche beym Fackſariff/ der Frieſiſche beym
Marbod/ und der Buriſche beym Ober-Richter
wiewol mit ſchwerer Muͤh Verhoͤr. Fackſariff
zohe uͤber allem dem/ was ihm eingehalten
ward/ die Achſeln ein; und wiewol er ſich nicht
wagen dorffte das Blut-Gerichte zu unbilli-
chen/ gab er doch zu verſtehen: daß ſeine im
Felde gehabte Gewalt nach geendigtem Kriege
mercklich verfallen waͤre; und bey ihm itzt mehr
der Schatten/ als die Macht uͤber das Kriegs-
Volck beſtuͤnde. Gleichwol aber blieb er im
Verdacht: daß er die Herꝛſchens-Wuͤrde/ als
ein durch ſo viel Heldenthaten beruffener Her-
cules mit ſeinen Achſeln zu unterſtuͤtzen vorhaͤt-
te/ wenn dieſe ſchwere Kugel den Fuͤrſten Brit-
ton wuͤrde zermalmet haben. Daher der Che-
ruskiſche Geſandte auf eine weitlaͤufftige Aus-
fuͤhrung verfiel: daß niemand auf demſelben
Eiſe koͤnne feſte ſtehen bleiben/ wo er einem an-
dern das Bein unter geſchlagen haͤtte. Fuͤrſten
haͤtten nicht nur ihre Nachfolger/ ſondern auch
das Volck/ welches anfangs mit zuſammen ge-
ſchlagenen Haͤnden uͤber ſie frolockte/ verfluch-
te ſie hernach/ und brauchte ihre eigene Werck-
zeuge wieder ſie zu Raͤchern. Denn die letztern
lernten ſie wegen ihrer ſelbſt eigenen Gefahr
erſtlich fuͤrchten; hernach aber haſſen und endlich
toͤdten. Das neubegierige Volck hielte ohne diß
die Gramſchafft gegen die Obern fuͤr eine Art
ihrer Freyheit und fuͤr Ergoͤtzligkeit auff ihre
Haͤupter wuͤten. Weil es das Gute nicht
zu unterſcheiden wuͤſte/ nuͤtzete keine Tugend;
weil es ein vielkoͤpfichtes Ungeheuer/ huͤlffe
keine Gewalt; und weil es ein Thier/ welches
entweder eitel Schlangen-Gaͤnge hat/ oder gar
keine Spure nach ſich laͤſt/ waͤre keine Klugheit
genung ſelbtes im Zaume zu halten/ und ſich zu
verſichern. Die ermangelnde Gelegenheit
ihren Grimm auszuuͤben verdeckte nur/ aber
vertilgte nicht ihre Verbitterung/ wie die Win-
ter-Kaͤlte das Leben der Fliegen/ Froͤſche und
Schwalben. Muth und Eiſen koͤnten wol ein
Land
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