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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Land zur Einöde machen; aber nicht den Sa-
men der Verrätherey austilgen. Eine in hun-
dert Stücke zerkerbte Schlange wäre durch
Zuthat des Regen-Wassers und der Sonnen-
Hitze/ der Safft einer zerquetschten Raupe ein
Saam-Werck tausend anderer. Jn den Aes-
sern unschädlicher Storche steckte ein Nattern-
Brut; aus Wespen wüchsen gifftige Würmer/
aus Hünern Spinnen. Also wäre das Blut
der Verräther durch die Krafft der Verbitte-
rung ein Saamen viel hitziger Meuchelmör-
der. Ja der gewaltsamen Herrscher eigene
Bluts-Freunde würden durch des Pöfels Heu-
cheley und eigene Ehrsucht angesteckt; daß sie
wie das Blut der mit Fleckfebern oder Pest be-
haffteten Menschen in eigenen Adern Wür-
mer gebähren/ die den Drat des Lebens und der
Herrschafft mit einander zerbiessen. Diesem-
nach solte ihm ja keiner träumen lassen: daß er
sich auff Brittons zerschmettertem Stul wür-
de feste setzen können; oder auch: daß der lange
blühen könte/ der die Staude seines Glückes
mit Blute tingete/ und auf Gräber pflantzte.
Facksariff aber beruhete bey Fürschützung sei-
ner Unvermögenheit/ mit der Betheuerung:
daß er so wenig seine Erhöhung/ als Brittons
Untergang suchte. Denn er wüste wol: daß
Fürstliche Geschlechter der Keule des Hercules/
und dem Spiesse des Romulus gleich wären.
Denn wie diese mit frischen Hayn-Buchen/ je-
ne mit Oelzweigen ausgeschlagen/ als sie ieder-
man längst für verdorrt geschätzt; also kämen
Fürstliche Reyser mehrmahls empor/ wenn
man meinte/ der Stamm-Baum wäre mit
Strumpff und Stiel ausgerottet. Marbod
setzte allen Gründen der Friesischen Gesandten
entgegen: das gemeine Heil wäre das oberste
Gesetze/ welchem die Hoheit aller Könige müste
nachgeben. Die Hermundurer hätten nun
lange genung unter dem Joch ihrer blutgieri-
gen Fürsten geschmachtet; also müsten sie nun-
mehr/ da ihnen GOtt die Macht und das
[Spaltenumbruch] Recht verliehen hätte/ itzige Gelegenheit sich in
die edle Freyheit zu setzen nicht aus den Hän-
den lassen. Britton müste entweder herrschen/
oder sterben/ weil seine Geburts-Art kein Mit-
tel vertragen könte; also: daß er sich lieber des
Lebens/ als der Herrschafft verzeihen/ oder auch
seine Enteusserung durch verzweiffelte Ent-
schlüssungen den andern Augenblick zurück zie-
hen würde. Sein Sohn Jubill habe von ihm
den Ehrgeitz geerbet/ von der Mutter das
Gifft der Druyden in sich gesogen/ und würden
sie durch seine verwechselte Herrschafft das Bet-
te/ nicht die Kranckheit ändern. Fürsten von
so hohem Geblüte würden meist durch übermäs-
sige Liebe ihrer Eltern oder durch Einbildung:
daß auch die Flecken so hoher Sonnen die Welt
zu erleuchten tüchtig wären/ verzärtelt/ oder die
Höflinge/ durch derer Augen und Ohren sie al-
lein sähen und hörten/ verterbten sie/ weil ihre
Heucheley und die Begierde sich einzulieben
ihre Boßheiten als Tugenden preisete/ ihr Ehr-
Geitz ihn mehr ungeschickt als klug zu machen
bemüht wäre/ wormit seine Scharffsichtigkeit
nicht ihre Tücken ergründe/ noch ihnen durch
Anmassung eigener Herrschafft das Hefft aus
den Händen winde. Wenn nun die Wurtzel
der Untugend derogestalt bey ihnen erstarrt/
wäre durch keine Klugheit auff so wilde Stäm-
me eine süsse Frucht zu pfropffen. Die Ehr-
sucht/ welche die Niedrigen auf die Bahn der
Tugend leitete/ wäre Fürsten ein Leit-Stern
zu allen Lastern/ ja sie schämten sich auff einer
dem Pöfel erlaubten Mittelbahne zu gehen/
und durch Beobachtung der Gesetze sich einem
Bürger zu vergleichen. Gleich als wenn die
Fürstliche Hoheit in dem bestünde: daß sie nicht
was gutes; sondern was ihr beliebte/ ausüben
dörffte. Und ob zwar es eine Seltzamkeit wäre/
wenn selbte nicht einen niedrigern Geist/ als
Knechte hätten/ hielten sie doch die grössesten
Gemüther für Leibeigene: daß ihre Macht in
der Ohnmacht über ihre Begierden bestünde;

und

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Land zur Einoͤde machen; aber nicht den Sa-
men der Verraͤtherey austilgen. Eine in hun-
dert Stuͤcke zerkerbte Schlange waͤre durch
Zuthat des Regen-Waſſers und der Sonnen-
Hitze/ der Safft einer zerquetſchten Raupe ein
Saam-Werck tauſend anderer. Jn den Aeſ-
ſern unſchaͤdlicher Storche ſteckte ein Nattern-
Brut; aus Weſpen wuͤchſen gifftige Wuͤrmer/
aus Huͤnern Spinnen. Alſo waͤre das Blut
der Verraͤther durch die Krafft der Verbitte-
rung ein Saamen viel hitziger Meuchelmoͤr-
der. Ja der gewaltſamen Herꝛſcher eigene
Bluts-Freunde wuͤrden durch des Poͤfels Heu-
cheley und eigene Ehrſucht angeſteckt; daß ſie
wie das Blut der mit Fleckfebern oder Peſt be-
haffteten Menſchen in eigenen Adern Wuͤr-
mer gebaͤhren/ die den Drat des Lebens und der
Herꝛſchafft mit einander zerbieſſen. Dieſem-
nach ſolte ihm ja keiner traͤumen laſſen: daß er
ſich auff Brittons zerſchmettertem Stul wuͤr-
de feſte ſetzen koͤnnen; oder auch: daß der lange
bluͤhen koͤnte/ der die Staude ſeines Gluͤckes
mit Blute tingete/ und auf Graͤber pflantzte.
Fackſariff aber beruhete bey Fuͤrſchuͤtzung ſei-
ner Unvermoͤgenheit/ mit der Betheuerung:
daß er ſo wenig ſeine Erhoͤhung/ als Brittons
Untergang ſuchte. Denn er wuͤſte wol: daß
Fuͤrſtliche Geſchlechter der Keule des Hercules/
und dem Spieſſe des Romulus gleich waͤren.
Denn wie dieſe mit friſchen Hayn-Buchen/ je-
ne mit Oelzweigen ausgeſchlagen/ als ſie ieder-
man laͤngſt fuͤr verdorrt geſchaͤtzt; alſo kaͤmen
Fuͤrſtliche Reyſer mehrmahls empor/ wenn
man meinte/ der Stamm-Baum waͤre mit
Strumpff und Stiel ausgerottet. Marbod
ſetzte allen Gruͤnden der Frieſiſchen Geſandten
entgegen: das gemeine Heil waͤre das oberſte
Geſetze/ welchem die Hoheit aller Koͤnige muͤſte
nachgeben. Die Hermundurer haͤtten nun
lange genung unter dem Joch ihrer blutgieri-
gen Fuͤrſten geſchmachtet; alſo muͤſten ſie nun-
mehr/ da ihnen GOtt die Macht und das
[Spaltenumbruch] Recht verliehen haͤtte/ itzige Gelegenheit ſich in
die edle Freyheit zu ſetzen nicht aus den Haͤn-
den laſſen. Britton muͤſte entweder herꝛſchen/
oder ſterben/ weil ſeine Geburts-Art kein Mit-
tel vertragen koͤnte; alſo: daß er ſich lieber des
Lebens/ als der Herꝛſchafft verzeihen/ oder auch
ſeine Enteuſſerung durch verzweiffelte Ent-
ſchluͤſſungen den andern Augenblick zuruͤck zie-
hen wuͤrde. Sein Sohn Jubill habe von ihm
den Ehrgeitz geerbet/ von der Mutter das
Gifft der Druyden in ſich geſogen/ und wuͤrden
ſie durch ſeine verwechſelte Herꝛſchafft das Bet-
te/ nicht die Kranckheit aͤndern. Fuͤrſten von
ſo hohem Gebluͤte wuͤrden meiſt durch uͤbermaͤſ-
ſige Liebe ihrer Eltern oder durch Einbildung:
daß auch die Flecken ſo hoher Sonnen die Welt
zu erleuchten tuͤchtig waͤren/ verzaͤrtelt/ oder die
Hoͤflinge/ durch derer Augen und Ohren ſie al-
lein ſaͤhen und hoͤrten/ verterbten ſie/ weil ihre
Heucheley und die Begierde ſich einzulieben
ihre Boßheiten als Tugenden preiſete/ ihr Ehr-
Geitz ihn mehr ungeſchickt als klug zu machen
bemuͤht waͤre/ wormit ſeine Scharffſichtigkeit
nicht ihre Tuͤcken ergruͤnde/ noch ihnen durch
Anmaſſung eigener Herꝛſchafft das Hefft aus
den Haͤnden winde. Wenn nun die Wurtzel
der Untugend derogeſtalt bey ihnen erſtarrt/
waͤre durch keine Klugheit auff ſo wilde Staͤm-
me eine ſuͤſſe Frucht zu pfropffen. Die Ehr-
ſucht/ welche die Niedrigen auf die Bahn der
Tugend leitete/ waͤre Fuͤrſten ein Leit-Stern
zu allen Laſtern/ ja ſie ſchaͤmten ſich auff einer
dem Poͤfel erlaubten Mittelbahne zu gehen/
und durch Beobachtung der Geſetze ſich einem
Buͤrger zu vergleichen. Gleich als wenn die
Fuͤrſtliche Hoheit in dem beſtuͤnde: daß ſie nicht
was gutes; ſondern was ihr beliebte/ ausuͤben
doͤrffte. Und ob zwar es eine Seltzamkeit waͤre/
wenn ſelbte nicht einen niedrigern Geiſt/ als
Knechte haͤtten/ hielten ſie doch die groͤſſeſten
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1079[1081]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1143>, abgerufen am 23.11.2024.