Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] hafften Volckes Herrschafft nicht gegen einan-
der auf die Wage zu legen wäre. Aus dem be-
sten Weine würde der schärffste Eßig. Zwar die
freye Herrschafft eines Volckes wäre nach ih-
rer Einrichtung und in ihrer ersten Blüte wol
ein herrliches Ding/ aber selten gar/ niemahls
auch ohne Blutstürtzung in ihr Wesen zu setzen;
ja endlich veralterte sie doch/ und brächten an-
fangs etliche das Volck/ endlich einer den Adel
und das Volck unter seinen Gehorsam. Rom
hätte sich für der Dienstbarkeit genungsam ge-
wehret; aber endlich hätte doch August das
durch bürgerliche Kriege abgemattete Volck
unter dem scheinbaren Fürsten-Nahmen unter
seine Gewalt bracht. Brutus und Caßius hät-
ten zwar ihr eusserstes gethan der Freyheit auff
die Beine zu helffen; aber sie wären unter einem
so baufälligen Gebäue erquetschet worden; und
hätten mit ihren Leichen viel tausend ihrer lieb-
sten Freunde erdrückt. Marius und Cäsar
hätten zwar ihre Herrschenssucht mit ihrem
Blute ausgespien; die Freyheit aber wäre deß-
wegen nicht wieder lebendig worden. Ja aus
der Asche eines gantzen herr/ chenden Geschlech-
tes komme doch ein neuer Herrscher empor/
wenn schon irgendswo die Sitten der Bürger
verterbt/ und eine allzugrosse Ungleichheit ein-
gerissen wäre. Daher würde mit dem sprin-
genden Kopffe Brittons nicht der einköpfichten
Regierung das Haupt abgeschlagen werden/
sondern der Strumpff nicht anders als die
Schlange in der Pfützen Lerna stets neue Köpfe
gebähren. Zumahl Fürst Jubill ein Herr von
grosser Hoffnung/ und so vielen grossen Häu-
sern verwandt wäre/ also Himmel und Erden
vermischen würde/ seines Vaters Blut zu rä-
chen/ und seine andere Seele nemlich die Herr-
schafft zu erhalten. Endlich wenn auch schon
eine andere Herrschens-Art an ihr selbst besser
wäre; solte doch redlichen Leuten diese die liebste
seyn/ unter welcher sie gebohren worden. Mar-
bod antwortete lächelnde: Er hielte des Gesand-
[Spaltenumbruch] ten Vortrag mehr für eine abgenöthigte Vor-
bitte/ als für ein ernsthafftes Begehren der
Friesen. Denn weil diese bey dem Feuer der
einhäuptigen Herrschafft hätten verbrennen
wollen/ wie möchten sie die Hermundurer bere-
den sich darbey zu wärmen. Uber diß schiene
es mehr eine Staats-Larve/ als ein Ernst zu
seyn: daß die Friesen für den Britton ein Wort
verlieren/ und also was sie selbst gestern gethan/
heute tadeln solten. Sie hätten aber nunmehr
Zeit beyde Augen aufzusperren: daß ihnen nicht
einer einen Rincken an die Nase legte/ dessen
Groß-Vater ihnen eines andern loß gemacht
hätte. Auf welchen Fall bey bevorstehender
Noth sie von der genossenen Hülfe der Hermun-
durer sie so bloß stehen dörfften/ als die Vejen-
tier/ welche die Toscaner unwürdig schätzten für
ihre Freyheit wieder die Römer einen Degen
zu zücken/ weil sie sich selbst einem Könige un-
terworffen hatten. Der Burier Botschafft ge-
rieth mit dem Ober-Richter in Streit: Ob ein
Volck über seinen König Urthel und Recht he-
gen könte. Dieser zohe an: daß wie viel ein
Brunn edler wäre/ als die daraus rinnende
Bach; so viel höher wäre auch das Volck/ als
ein Fürst. Könige könten nicht ohne ein Volck/
dieses aber wol/ ja besser ohne jene seyn; Und
wenn eines unter beyden solte zu Grunde gehen/
wäre der gesunden Vernunfft zu wieder: daß
das Volck hierinnen solte das Nachsehen ha-
ben. Weil nun Tyrannen dessen Untergang
suchten/ müste jenen ja ein Mittel sich zu er-
halten übrig seyn. Niemand hätte Gewalt
über sich selbst zu wüten; wie viel weniger kön-
te ein gantz Volck solche einem Wütterich ein-
räumen. Die älteste Herrschafft hätte diese
End-Ursache gehabt: daß alle Glieder unter
dem Schirme eines Oberhauptes der Gerech-
tigkeit genoßbar würden; diese wäre das Band/
das Fürsten und Unterthanen zusammen knüpfte;
wenn dieses zerrisse/ wären Reiche nichts an-
ders/ als grosse Mord-Gruben. Weßwegen

das
Erster Theil. X x x x x x

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] hafften Volckes Herꝛſchafft nicht gegen einan-
der auf die Wage zu legen waͤre. Aus dem be-
ſten Weine wuͤrde der ſchaͤrffſte Eßig. Zwar die
freye Herꝛſchafft eines Volckes waͤre nach ih-
rer Einrichtung und in ihrer erſten Bluͤte wol
ein herꝛliches Ding/ aber ſelten gar/ niemahls
auch ohne Blutſtuͤrtzung in ihr Weſen zu ſetzen;
ja endlich veralterte ſie doch/ und braͤchten an-
fangs etliche das Volck/ endlich einer den Adel
und das Volck unter ſeinen Gehorſam. Rom
haͤtte ſich fuͤr der Dienſtbarkeit genungſam ge-
wehret; aber endlich haͤtte doch Auguſt das
durch buͤrgerliche Kriege abgemattete Volck
unter dem ſcheinbaren Fuͤrſten-Nahmen unter
ſeine Gewalt bracht. Brutus und Caßius haͤt-
ten zwar ihr euſſerſtes gethan der Freyheit auff
die Beine zu helffen; aber ſie waͤren unter einem
ſo baufaͤlligen Gebaͤue erquetſchet worden; und
haͤtten mit ihren Leichen viel tauſend ihrer lieb-
ſten Freunde erdruͤckt. Marius und Caͤſar
haͤtten zwar ihre Herrſchensſucht mit ihrem
Blute ausgeſpien; die Freyheit aber waͤre deß-
wegen nicht wieder lebendig worden. Ja aus
der Aſche eines gantzen herꝛ/ chenden Geſchlech-
tes komme doch ein neuer Herꝛſcher empor/
wenn ſchon irgendswo die Sitten der Buͤrger
verterbt/ und eine allzugroſſe Ungleichheit ein-
geriſſen waͤre. Daher wuͤrde mit dem ſprin-
genden Kopffe Brittons nicht der einkoͤpfichten
Regierung das Haupt abgeſchlagen werden/
ſondern der Strumpff nicht anders als die
Schlange in der Pfuͤtzen Lerna ſtets neue Koͤpfe
gebaͤhren. Zumahl Fuͤrſt Jubill ein Herꝛ von
groſſer Hoffnung/ und ſo vielen groſſen Haͤu-
ſern verwandt waͤre/ alſo Himmel und Erden
vermiſchen wuͤrde/ ſeines Vaters Blut zu raͤ-
chen/ und ſeine andere Seele nemlich die Herꝛ-
ſchafft zu erhalten. Endlich wenn auch ſchon
eine andere Herꝛſchens-Art an ihr ſelbſt beſſer
waͤre; ſolte doch redlichen Leuten dieſe die liebſte
ſeyn/ unter welcher ſie gebohren worden. Mar-
bod antwortete laͤchelnde: Er hielte des Geſand-
[Spaltenumbruch] ten Vortrag mehr fuͤr eine abgenoͤthigte Vor-
bitte/ als fuͤr ein ernſthafftes Begehren der
Frieſen. Denn weil dieſe bey dem Feuer der
einhaͤuptigen Herꝛſchafft haͤtten verbrennen
wollen/ wie moͤchten ſie die Hermundurer bere-
den ſich darbey zu waͤrmen. Uber diß ſchiene
es mehr eine Staats-Larve/ als ein Ernſt zu
ſeyn: daß die Frieſen fuͤr den Britton ein Wort
verlieren/ und alſo was ſie ſelbſt geſtern gethan/
heute tadeln ſolten. Sie haͤtten aber nunmehr
Zeit beyde Augen aufzuſperren: daß ihnen nicht
einer einen Rincken an die Naſe legte/ deſſen
Groß-Vater ihnen eines andern loß gemacht
haͤtte. Auf welchen Fall bey bevorſtehender
Noth ſie von der genoſſenen Huͤlfe der Hermun-
durer ſie ſo bloß ſtehen doͤrfften/ als die Vejen-
tier/ welche die Toſcaner unwuͤrdig ſchaͤtzten fuͤr
ihre Freyheit wieder die Roͤmer einen Degen
zu zuͤcken/ weil ſie ſich ſelbſt einem Koͤnige un-
terworffen hatten. Der Burier Botſchafft ge-
rieth mit dem Ober-Richter in Streit: Ob ein
Volck uͤber ſeinen Koͤnig Urthel und Recht he-
gen koͤnte. Dieſer zohe an: daß wie viel ein
Brunn edler waͤre/ als die daraus rinnende
Bach; ſo viel hoͤher waͤre auch das Volck/ als
ein Fuͤrſt. Koͤnige koͤnten nicht ohne ein Volck/
dieſes aber wol/ ja beſſer ohne jene ſeyn; Und
weñ eines unter beyden ſolte zu Grunde gehen/
waͤre der geſunden Vernunfft zu wieder: daß
das Volck hierinnen ſolte das Nachſehen ha-
ben. Weil nun Tyrannen deſſen Untergang
ſuchten/ muͤſte jenen ja ein Mittel ſich zu er-
halten uͤbrig ſeyn. Niemand haͤtte Gewalt
uͤber ſich ſelbſt zu wuͤten; wie viel weniger koͤn-
te ein gantz Volck ſolche einem Wuͤtterich ein-
raͤumen. Die aͤlteſte Herꝛſchafft haͤtte dieſe
End-Urſache gehabt: daß alle Glieder unter
dem Schirme eines Oberhauptes der Gerech-
tigkeit genoßbar wuͤrden; dieſe waͤre das Band/
das Fuͤrſten und Unterthanen zuſam̃en knuͤpfte;
wenn dieſes zerriſſe/ waͤren Reiche nichts an-
ders/ als groſſe Mord-Gruben. Weßwegen

das
Erſter Theil. X x x x x x
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1145" n="1081[1083]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
hafften Volckes Her&#xA75B;&#x017F;chafft nicht gegen einan-<lb/>
der auf die Wage zu legen wa&#x0364;re. Aus dem be-<lb/>
&#x017F;ten Weine wu&#x0364;rde der &#x017F;cha&#x0364;rff&#x017F;te Eßig. Zwar die<lb/>
freye Her&#xA75B;&#x017F;chafft eines Volckes wa&#x0364;re nach ih-<lb/>
rer Einrichtung und in ihrer er&#x017F;ten Blu&#x0364;te wol<lb/>
ein her&#xA75B;liches Ding/ aber &#x017F;elten gar/ niemahls<lb/>
auch ohne Blut&#x017F;tu&#x0364;rtzung in ihr We&#x017F;en zu &#x017F;etzen;<lb/>
ja endlich veralterte &#x017F;ie doch/ und bra&#x0364;chten an-<lb/>
fangs etliche das Volck/ endlich einer den Adel<lb/>
und das Volck unter &#x017F;einen Gehor&#x017F;am. Rom<lb/>
ha&#x0364;tte &#x017F;ich fu&#x0364;r der Dien&#x017F;tbarkeit genung&#x017F;am ge-<lb/>
wehret; aber endlich ha&#x0364;tte doch Augu&#x017F;t das<lb/>
durch bu&#x0364;rgerliche Kriege abgemattete Volck<lb/>
unter dem &#x017F;cheinbaren Fu&#x0364;r&#x017F;ten-Nahmen unter<lb/>
&#x017F;eine Gewalt bracht. Brutus und Caßius ha&#x0364;t-<lb/>
ten zwar ihr eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tes gethan der Freyheit auff<lb/>
die Beine zu helffen; aber &#x017F;ie wa&#x0364;ren unter einem<lb/>
&#x017F;o baufa&#x0364;lligen Geba&#x0364;ue erquet&#x017F;chet worden; und<lb/>
ha&#x0364;tten mit ihren Leichen viel tau&#x017F;end ihrer lieb-<lb/>
&#x017F;ten Freunde erdru&#x0364;ckt. Marius und Ca&#x0364;&#x017F;ar<lb/>
ha&#x0364;tten zwar ihre Herr&#x017F;chens&#x017F;ucht mit ihrem<lb/>
Blute ausge&#x017F;pien; die Freyheit aber wa&#x0364;re deß-<lb/>
wegen nicht wieder lebendig worden. Ja aus<lb/>
der A&#x017F;che eines gantzen her&#xA75B;/ chenden Ge&#x017F;chlech-<lb/>
tes komme doch ein neuer Her&#xA75B;&#x017F;cher empor/<lb/>
wenn &#x017F;chon irgendswo die Sitten der Bu&#x0364;rger<lb/>
verterbt/ und eine allzugro&#x017F;&#x017F;e Ungleichheit ein-<lb/>
geri&#x017F;&#x017F;en wa&#x0364;re. Daher wu&#x0364;rde mit dem &#x017F;prin-<lb/>
genden Kopffe Brittons nicht der einko&#x0364;pfichten<lb/>
Regierung das Haupt abge&#x017F;chlagen werden/<lb/>
&#x017F;ondern der Strumpff nicht anders als die<lb/>
Schlange in der Pfu&#x0364;tzen Lerna &#x017F;tets neue Ko&#x0364;pfe<lb/>
geba&#x0364;hren. Zumahl Fu&#x0364;r&#x017F;t Jubill ein Her&#xA75B; von<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er Hoffnung/ und &#x017F;o vielen gro&#x017F;&#x017F;en Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;ern verwandt wa&#x0364;re/ al&#x017F;o Himmel und Erden<lb/>
vermi&#x017F;chen wu&#x0364;rde/ &#x017F;eines Vaters Blut zu ra&#x0364;-<lb/>
chen/ und &#x017F;eine andere Seele nemlich die Her&#xA75B;-<lb/>
&#x017F;chafft zu erhalten. Endlich wenn auch &#x017F;chon<lb/>
eine andere Her&#xA75B;&#x017F;chens-Art an ihr &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
wa&#x0364;re; &#x017F;olte doch redlichen Leuten die&#x017F;e die lieb&#x017F;te<lb/>
&#x017F;eyn/ unter welcher &#x017F;ie gebohren worden. Mar-<lb/>
bod antwortete la&#x0364;chelnde: Er hielte des Ge&#x017F;and-<lb/><cb/>
ten Vortrag mehr fu&#x0364;r eine abgeno&#x0364;thigte Vor-<lb/>
bitte/ als fu&#x0364;r ein ern&#x017F;thafftes Begehren der<lb/>
Frie&#x017F;en. Denn weil die&#x017F;e bey dem Feuer der<lb/>
einha&#x0364;uptigen Her&#xA75B;&#x017F;chafft ha&#x0364;tten verbrennen<lb/>
wollen/ wie mo&#x0364;chten &#x017F;ie die Hermundurer bere-<lb/>
den &#x017F;ich darbey zu wa&#x0364;rmen. Uber diß &#x017F;chiene<lb/>
es mehr eine Staats-Larve/ als ein Ern&#x017F;t zu<lb/>
&#x017F;eyn: daß die Frie&#x017F;en fu&#x0364;r den Britton ein Wort<lb/>
verlieren/ und al&#x017F;o was &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;tern gethan/<lb/>
heute tadeln &#x017F;olten. Sie ha&#x0364;tten aber nunmehr<lb/>
Zeit beyde Augen aufzu&#x017F;perren: daß ihnen nicht<lb/>
einer einen Rincken an die Na&#x017F;e legte/ de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Groß-Vater ihnen eines andern loß gemacht<lb/>
ha&#x0364;tte. Auf welchen Fall bey bevor&#x017F;tehender<lb/>
Noth &#x017F;ie von der geno&#x017F;&#x017F;enen Hu&#x0364;lfe der Hermun-<lb/>
durer &#x017F;ie &#x017F;o bloß &#x017F;tehen do&#x0364;rfften/ als die Vejen-<lb/>
tier/ welche die To&#x017F;caner unwu&#x0364;rdig &#x017F;cha&#x0364;tzten fu&#x0364;r<lb/>
ihre Freyheit wieder die Ro&#x0364;mer einen Degen<lb/>
zu zu&#x0364;cken/ weil &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t einem Ko&#x0364;nige un-<lb/>
terworffen hatten. Der Burier Bot&#x017F;chafft ge-<lb/>
rieth mit dem Ober-Richter in Streit: Ob ein<lb/>
Volck u&#x0364;ber &#x017F;einen Ko&#x0364;nig Urthel und Recht he-<lb/>
gen ko&#x0364;nte. Die&#x017F;er zohe an: daß wie viel ein<lb/>
Brunn edler wa&#x0364;re/ als die daraus rinnende<lb/>
Bach; &#x017F;o viel ho&#x0364;her wa&#x0364;re auch das Volck/ als<lb/>
ein Fu&#x0364;r&#x017F;t. Ko&#x0364;nige ko&#x0364;nten nicht ohne ein Volck/<lb/>
die&#x017F;es aber wol/ ja be&#x017F;&#x017F;er ohne jene &#x017F;eyn; Und<lb/>
wen&#x0303; eines unter beyden &#x017F;olte zu Grunde gehen/<lb/>
wa&#x0364;re der ge&#x017F;unden Vernunfft zu wieder: daß<lb/>
das Volck hierinnen &#x017F;olte das Nach&#x017F;ehen ha-<lb/>
ben. Weil nun Tyrannen de&#x017F;&#x017F;en Untergang<lb/>
&#x017F;uchten/ mu&#x0364;&#x017F;te jenen ja ein Mittel &#x017F;ich zu er-<lb/>
halten u&#x0364;brig &#x017F;eyn. Niemand ha&#x0364;tte Gewalt<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu wu&#x0364;ten; wie viel weniger ko&#x0364;n-<lb/>
te ein gantz Volck &#x017F;olche einem Wu&#x0364;tterich ein-<lb/>
ra&#x0364;umen. Die a&#x0364;lte&#x017F;te Her&#xA75B;&#x017F;chafft ha&#x0364;tte die&#x017F;e<lb/>
End-Ur&#x017F;ache gehabt: daß alle Glieder unter<lb/>
dem Schirme eines Oberhauptes der Gerech-<lb/>
tigkeit genoßbar wu&#x0364;rden; die&#x017F;e wa&#x0364;re das Band/<lb/>
das Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Unterthanen zu&#x017F;am&#x0303;en knu&#x0364;pfte;<lb/>
wenn die&#x017F;es zerri&#x017F;&#x017F;e/ wa&#x0364;ren Reiche nichts an-<lb/>
ders/ als gro&#x017F;&#x017F;e Mord-Gruben. Weßwegen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. X x x x x x</fw><fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1081[1083]/1145] Arminius und Thußnelda. hafften Volckes Herꝛſchafft nicht gegen einan- der auf die Wage zu legen waͤre. Aus dem be- ſten Weine wuͤrde der ſchaͤrffſte Eßig. Zwar die freye Herꝛſchafft eines Volckes waͤre nach ih- rer Einrichtung und in ihrer erſten Bluͤte wol ein herꝛliches Ding/ aber ſelten gar/ niemahls auch ohne Blutſtuͤrtzung in ihr Weſen zu ſetzen; ja endlich veralterte ſie doch/ und braͤchten an- fangs etliche das Volck/ endlich einer den Adel und das Volck unter ſeinen Gehorſam. Rom haͤtte ſich fuͤr der Dienſtbarkeit genungſam ge- wehret; aber endlich haͤtte doch Auguſt das durch buͤrgerliche Kriege abgemattete Volck unter dem ſcheinbaren Fuͤrſten-Nahmen unter ſeine Gewalt bracht. Brutus und Caßius haͤt- ten zwar ihr euſſerſtes gethan der Freyheit auff die Beine zu helffen; aber ſie waͤren unter einem ſo baufaͤlligen Gebaͤue erquetſchet worden; und haͤtten mit ihren Leichen viel tauſend ihrer lieb- ſten Freunde erdruͤckt. Marius und Caͤſar haͤtten zwar ihre Herrſchensſucht mit ihrem Blute ausgeſpien; die Freyheit aber waͤre deß- wegen nicht wieder lebendig worden. Ja aus der Aſche eines gantzen herꝛ/ chenden Geſchlech- tes komme doch ein neuer Herꝛſcher empor/ wenn ſchon irgendswo die Sitten der Buͤrger verterbt/ und eine allzugroſſe Ungleichheit ein- geriſſen waͤre. Daher wuͤrde mit dem ſprin- genden Kopffe Brittons nicht der einkoͤpfichten Regierung das Haupt abgeſchlagen werden/ ſondern der Strumpff nicht anders als die Schlange in der Pfuͤtzen Lerna ſtets neue Koͤpfe gebaͤhren. Zumahl Fuͤrſt Jubill ein Herꝛ von groſſer Hoffnung/ und ſo vielen groſſen Haͤu- ſern verwandt waͤre/ alſo Himmel und Erden vermiſchen wuͤrde/ ſeines Vaters Blut zu raͤ- chen/ und ſeine andere Seele nemlich die Herꝛ- ſchafft zu erhalten. Endlich wenn auch ſchon eine andere Herꝛſchens-Art an ihr ſelbſt beſſer waͤre; ſolte doch redlichen Leuten dieſe die liebſte ſeyn/ unter welcher ſie gebohren worden. Mar- bod antwortete laͤchelnde: Er hielte des Geſand- ten Vortrag mehr fuͤr eine abgenoͤthigte Vor- bitte/ als fuͤr ein ernſthafftes Begehren der Frieſen. Denn weil dieſe bey dem Feuer der einhaͤuptigen Herꝛſchafft haͤtten verbrennen wollen/ wie moͤchten ſie die Hermundurer bere- den ſich darbey zu waͤrmen. Uber diß ſchiene es mehr eine Staats-Larve/ als ein Ernſt zu ſeyn: daß die Frieſen fuͤr den Britton ein Wort verlieren/ und alſo was ſie ſelbſt geſtern gethan/ heute tadeln ſolten. Sie haͤtten aber nunmehr Zeit beyde Augen aufzuſperren: daß ihnen nicht einer einen Rincken an die Naſe legte/ deſſen Groß-Vater ihnen eines andern loß gemacht haͤtte. Auf welchen Fall bey bevorſtehender Noth ſie von der genoſſenen Huͤlfe der Hermun- durer ſie ſo bloß ſtehen doͤrfften/ als die Vejen- tier/ welche die Toſcaner unwuͤrdig ſchaͤtzten fuͤr ihre Freyheit wieder die Roͤmer einen Degen zu zuͤcken/ weil ſie ſich ſelbſt einem Koͤnige un- terworffen hatten. Der Burier Botſchafft ge- rieth mit dem Ober-Richter in Streit: Ob ein Volck uͤber ſeinen Koͤnig Urthel und Recht he- gen koͤnte. Dieſer zohe an: daß wie viel ein Brunn edler waͤre/ als die daraus rinnende Bach; ſo viel hoͤher waͤre auch das Volck/ als ein Fuͤrſt. Koͤnige koͤnten nicht ohne ein Volck/ dieſes aber wol/ ja beſſer ohne jene ſeyn; Und weñ eines unter beyden ſolte zu Grunde gehen/ waͤre der geſunden Vernunfft zu wieder: daß das Volck hierinnen ſolte das Nachſehen ha- ben. Weil nun Tyrannen deſſen Untergang ſuchten/ muͤſte jenen ja ein Mittel ſich zu er- halten uͤbrig ſeyn. Niemand haͤtte Gewalt uͤber ſich ſelbſt zu wuͤten; wie viel weniger koͤn- te ein gantz Volck ſolche einem Wuͤtterich ein- raͤumen. Die aͤlteſte Herꝛſchafft haͤtte dieſe End-Urſache gehabt: daß alle Glieder unter dem Schirme eines Oberhauptes der Gerech- tigkeit genoßbar wuͤrden; dieſe waͤre das Band/ das Fuͤrſten und Unterthanen zuſam̃en knuͤpfte; wenn dieſes zerriſſe/ waͤren Reiche nichts an- ders/ als groſſe Mord-Gruben. Weßwegen das Erſter Theil. X x x x x x

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1145
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1081[1083]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1145>, abgerufen am 23.11.2024.