Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
hafften Volckes Herrschafft nicht gegen einan-der auf die Wage zu legen wäre. Aus dem be- sten Weine würde der schärffste Eßig. Zwar die freye Herrschafft eines Volckes wäre nach ih- rer Einrichtung und in ihrer ersten Blüte wol ein herrliches Ding/ aber selten gar/ niemahls auch ohne Blutstürtzung in ihr Wesen zu setzen; ja endlich veralterte sie doch/ und brächten an- fangs etliche das Volck/ endlich einer den Adel und das Volck unter seinen Gehorsam. Rom hätte sich für der Dienstbarkeit genungsam ge- wehret; aber endlich hätte doch August das durch bürgerliche Kriege abgemattete Volck unter dem scheinbaren Fürsten-Nahmen unter seine Gewalt bracht. Brutus und Caßius hät- ten zwar ihr eusserstes gethan der Freyheit auff die Beine zu helffen; aber sie wären unter einem so baufälligen Gebäue erquetschet worden; und hätten mit ihren Leichen viel tausend ihrer lieb- sten Freunde erdrückt. Marius und Cäsar hätten zwar ihre Herrschenssucht mit ihrem Blute ausgespien; die Freyheit aber wäre deß- wegen nicht wieder lebendig worden. Ja aus der Asche eines gantzen herr/ chenden Geschlech- tes komme doch ein neuer Herrscher empor/ wenn schon irgendswo die Sitten der Bürger verterbt/ und eine allzugrosse Ungleichheit ein- gerissen wäre. Daher würde mit dem sprin- genden Kopffe Brittons nicht der einköpfichten Regierung das Haupt abgeschlagen werden/ sondern der Strumpff nicht anders als die Schlange in der Pfützen Lerna stets neue Köpfe gebähren. Zumahl Fürst Jubill ein Herr von grosser Hoffnung/ und so vielen grossen Häu- sern verwandt wäre/ also Himmel und Erden vermischen würde/ seines Vaters Blut zu rä- chen/ und seine andere Seele nemlich die Herr- schafft zu erhalten. Endlich wenn auch schon eine andere Herrschens-Art an ihr selbst besser wäre; solte doch redlichen Leuten diese die liebste seyn/ unter welcher sie gebohren worden. Mar- bod antwortete lächelnde: Er hielte des Gesand- [Spaltenumbruch] ten Vortrag mehr für eine abgenöthigte Vor- bitte/ als für ein ernsthafftes Begehren der Friesen. Denn weil diese bey dem Feuer der einhäuptigen Herrschafft hätten verbrennen wollen/ wie möchten sie die Hermundurer bere- den sich darbey zu wärmen. Uber diß schiene es mehr eine Staats-Larve/ als ein Ernst zu seyn: daß die Friesen für den Britton ein Wort verlieren/ und also was sie selbst gestern gethan/ heute tadeln solten. Sie hätten aber nunmehr Zeit beyde Augen aufzusperren: daß ihnen nicht einer einen Rincken an die Nase legte/ dessen Groß-Vater ihnen eines andern loß gemacht hätte. Auf welchen Fall bey bevorstehender Noth sie von der genossenen Hülfe der Hermun- durer sie so bloß stehen dörfften/ als die Vejen- tier/ welche die Toscaner unwürdig schätzten für ihre Freyheit wieder die Römer einen Degen zu zücken/ weil sie sich selbst einem Könige un- terworffen hatten. Der Burier Botschafft ge- rieth mit dem Ober-Richter in Streit: Ob ein Volck über seinen König Urthel und Recht he- gen könte. Dieser zohe an: daß wie viel ein Brunn edler wäre/ als die daraus rinnende Bach; so viel höher wäre auch das Volck/ als ein Fürst. Könige könten nicht ohne ein Volck/ dieses aber wol/ ja besser ohne jene seyn; Und wenn eines unter beyden solte zu Grunde gehen/ wäre der gesunden Vernunfft zu wieder: daß das Volck hierinnen solte das Nachsehen ha- ben. Weil nun Tyrannen dessen Untergang suchten/ müste jenen ja ein Mittel sich zu er- halten übrig seyn. Niemand hätte Gewalt über sich selbst zu wüten; wie viel weniger kön- te ein gantz Volck solche einem Wütterich ein- räumen. Die älteste Herrschafft hätte diese End-Ursache gehabt: daß alle Glieder unter dem Schirme eines Oberhauptes der Gerech- tigkeit genoßbar würden; diese wäre das Band/ das Fürsten und Unterthanen zusammen knüpfte; wenn dieses zerrisse/ wären Reiche nichts an- ders/ als grosse Mord-Gruben. Weßwegen das Erster Theil. X x x x x x
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
hafften Volckes Herꝛſchafft nicht gegen einan-der auf die Wage zu legen waͤre. Aus dem be- ſten Weine wuͤrde der ſchaͤrffſte Eßig. Zwar die freye Herꝛſchafft eines Volckes waͤre nach ih- rer Einrichtung und in ihrer erſten Bluͤte wol ein herꝛliches Ding/ aber ſelten gar/ niemahls auch ohne Blutſtuͤrtzung in ihr Weſen zu ſetzen; ja endlich veralterte ſie doch/ und braͤchten an- fangs etliche das Volck/ endlich einer den Adel und das Volck unter ſeinen Gehorſam. Rom haͤtte ſich fuͤr der Dienſtbarkeit genungſam ge- wehret; aber endlich haͤtte doch Auguſt das durch buͤrgerliche Kriege abgemattete Volck unter dem ſcheinbaren Fuͤrſten-Nahmen unter ſeine Gewalt bracht. Brutus und Caßius haͤt- ten zwar ihr euſſerſtes gethan der Freyheit auff die Beine zu helffen; aber ſie waͤren unter einem ſo baufaͤlligen Gebaͤue erquetſchet worden; und haͤtten mit ihren Leichen viel tauſend ihrer lieb- ſten Freunde erdruͤckt. Marius und Caͤſar haͤtten zwar ihre Herrſchensſucht mit ihrem Blute ausgeſpien; die Freyheit aber waͤre deß- wegen nicht wieder lebendig worden. Ja aus der Aſche eines gantzen herꝛ/ chenden Geſchlech- tes komme doch ein neuer Herꝛſcher empor/ wenn ſchon irgendswo die Sitten der Buͤrger verterbt/ und eine allzugroſſe Ungleichheit ein- geriſſen waͤre. Daher wuͤrde mit dem ſprin- genden Kopffe Brittons nicht der einkoͤpfichten Regierung das Haupt abgeſchlagen werden/ ſondern der Strumpff nicht anders als die Schlange in der Pfuͤtzen Lerna ſtets neue Koͤpfe gebaͤhren. Zumahl Fuͤrſt Jubill ein Herꝛ von groſſer Hoffnung/ und ſo vielen groſſen Haͤu- ſern verwandt waͤre/ alſo Himmel und Erden vermiſchen wuͤrde/ ſeines Vaters Blut zu raͤ- chen/ und ſeine andere Seele nemlich die Herꝛ- ſchafft zu erhalten. Endlich wenn auch ſchon eine andere Herꝛſchens-Art an ihr ſelbſt beſſer waͤre; ſolte doch redlichen Leuten dieſe die liebſte ſeyn/ unter welcher ſie gebohren worden. Mar- bod antwortete laͤchelnde: Er hielte des Geſand- [Spaltenumbruch] ten Vortrag mehr fuͤr eine abgenoͤthigte Vor- bitte/ als fuͤr ein ernſthafftes Begehren der Frieſen. Denn weil dieſe bey dem Feuer der einhaͤuptigen Herꝛſchafft haͤtten verbrennen wollen/ wie moͤchten ſie die Hermundurer bere- den ſich darbey zu waͤrmen. Uber diß ſchiene es mehr eine Staats-Larve/ als ein Ernſt zu ſeyn: daß die Frieſen fuͤr den Britton ein Wort verlieren/ und alſo was ſie ſelbſt geſtern gethan/ heute tadeln ſolten. Sie haͤtten aber nunmehr Zeit beyde Augen aufzuſperren: daß ihnen nicht einer einen Rincken an die Naſe legte/ deſſen Groß-Vater ihnen eines andern loß gemacht haͤtte. Auf welchen Fall bey bevorſtehender Noth ſie von der genoſſenen Huͤlfe der Hermun- durer ſie ſo bloß ſtehen doͤrfften/ als die Vejen- tier/ welche die Toſcaner unwuͤrdig ſchaͤtzten fuͤr ihre Freyheit wieder die Roͤmer einen Degen zu zuͤcken/ weil ſie ſich ſelbſt einem Koͤnige un- terworffen hatten. Der Burier Botſchafft ge- rieth mit dem Ober-Richter in Streit: Ob ein Volck uͤber ſeinen Koͤnig Urthel und Recht he- gen koͤnte. Dieſer zohe an: daß wie viel ein Brunn edler waͤre/ als die daraus rinnende Bach; ſo viel hoͤher waͤre auch das Volck/ als ein Fuͤrſt. Koͤnige koͤnten nicht ohne ein Volck/ dieſes aber wol/ ja beſſer ohne jene ſeyn; Und weñ eines unter beyden ſolte zu Grunde gehen/ waͤre der geſunden Vernunfft zu wieder: daß das Volck hierinnen ſolte das Nachſehen ha- ben. Weil nun Tyrannen deſſen Untergang ſuchten/ muͤſte jenen ja ein Mittel ſich zu er- halten uͤbrig ſeyn. Niemand haͤtte Gewalt uͤber ſich ſelbſt zu wuͤten; wie viel weniger koͤn- te ein gantz Volck ſolche einem Wuͤtterich ein- raͤumen. Die aͤlteſte Herꝛſchafft haͤtte dieſe End-Urſache gehabt: daß alle Glieder unter dem Schirme eines Oberhauptes der Gerech- tigkeit genoßbar wuͤrden; dieſe waͤre das Band/ das Fuͤrſten und Unterthanen zuſam̃en knuͤpfte; wenn dieſes zerriſſe/ waͤren Reiche nichts an- ders/ als groſſe Mord-Gruben. Weßwegen das Erſter Theil. X x x x x x
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Arminius und Thußnelda.
hafften Volckes Herꝛſchafft nicht gegen einan-
der auf die Wage zu legen waͤre. Aus dem be-
ſten Weine wuͤrde der ſchaͤrffſte Eßig. Zwar die
freye Herꝛſchafft eines Volckes waͤre nach ih-
rer Einrichtung und in ihrer erſten Bluͤte wol
ein herꝛliches Ding/ aber ſelten gar/ niemahls
auch ohne Blutſtuͤrtzung in ihr Weſen zu ſetzen;
ja endlich veralterte ſie doch/ und braͤchten an-
fangs etliche das Volck/ endlich einer den Adel
und das Volck unter ſeinen Gehorſam. Rom
haͤtte ſich fuͤr der Dienſtbarkeit genungſam ge-
wehret; aber endlich haͤtte doch Auguſt das
durch buͤrgerliche Kriege abgemattete Volck
unter dem ſcheinbaren Fuͤrſten-Nahmen unter
ſeine Gewalt bracht. Brutus und Caßius haͤt-
ten zwar ihr euſſerſtes gethan der Freyheit auff
die Beine zu helffen; aber ſie waͤren unter einem
ſo baufaͤlligen Gebaͤue erquetſchet worden; und
haͤtten mit ihren Leichen viel tauſend ihrer lieb-
ſten Freunde erdruͤckt. Marius und Caͤſar
haͤtten zwar ihre Herrſchensſucht mit ihrem
Blute ausgeſpien; die Freyheit aber waͤre deß-
wegen nicht wieder lebendig worden. Ja aus
der Aſche eines gantzen herꝛ/ chenden Geſchlech-
tes komme doch ein neuer Herꝛſcher empor/
wenn ſchon irgendswo die Sitten der Buͤrger
verterbt/ und eine allzugroſſe Ungleichheit ein-
geriſſen waͤre. Daher wuͤrde mit dem ſprin-
genden Kopffe Brittons nicht der einkoͤpfichten
Regierung das Haupt abgeſchlagen werden/
ſondern der Strumpff nicht anders als die
Schlange in der Pfuͤtzen Lerna ſtets neue Koͤpfe
gebaͤhren. Zumahl Fuͤrſt Jubill ein Herꝛ von
groſſer Hoffnung/ und ſo vielen groſſen Haͤu-
ſern verwandt waͤre/ alſo Himmel und Erden
vermiſchen wuͤrde/ ſeines Vaters Blut zu raͤ-
chen/ und ſeine andere Seele nemlich die Herꝛ-
ſchafft zu erhalten. Endlich wenn auch ſchon
eine andere Herꝛſchens-Art an ihr ſelbſt beſſer
waͤre; ſolte doch redlichen Leuten dieſe die liebſte
ſeyn/ unter welcher ſie gebohren worden. Mar-
bod antwortete laͤchelnde: Er hielte des Geſand-
ten Vortrag mehr fuͤr eine abgenoͤthigte Vor-
bitte/ als fuͤr ein ernſthafftes Begehren der
Frieſen. Denn weil dieſe bey dem Feuer der
einhaͤuptigen Herꝛſchafft haͤtten verbrennen
wollen/ wie moͤchten ſie die Hermundurer bere-
den ſich darbey zu waͤrmen. Uber diß ſchiene
es mehr eine Staats-Larve/ als ein Ernſt zu
ſeyn: daß die Frieſen fuͤr den Britton ein Wort
verlieren/ und alſo was ſie ſelbſt geſtern gethan/
heute tadeln ſolten. Sie haͤtten aber nunmehr
Zeit beyde Augen aufzuſperren: daß ihnen nicht
einer einen Rincken an die Naſe legte/ deſſen
Groß-Vater ihnen eines andern loß gemacht
haͤtte. Auf welchen Fall bey bevorſtehender
Noth ſie von der genoſſenen Huͤlfe der Hermun-
durer ſie ſo bloß ſtehen doͤrfften/ als die Vejen-
tier/ welche die Toſcaner unwuͤrdig ſchaͤtzten fuͤr
ihre Freyheit wieder die Roͤmer einen Degen
zu zuͤcken/ weil ſie ſich ſelbſt einem Koͤnige un-
terworffen hatten. Der Burier Botſchafft ge-
rieth mit dem Ober-Richter in Streit: Ob ein
Volck uͤber ſeinen Koͤnig Urthel und Recht he-
gen koͤnte. Dieſer zohe an: daß wie viel ein
Brunn edler waͤre/ als die daraus rinnende
Bach; ſo viel hoͤher waͤre auch das Volck/ als
ein Fuͤrſt. Koͤnige koͤnten nicht ohne ein Volck/
dieſes aber wol/ ja beſſer ohne jene ſeyn; Und
weñ eines unter beyden ſolte zu Grunde gehen/
waͤre der geſunden Vernunfft zu wieder: daß
das Volck hierinnen ſolte das Nachſehen ha-
ben. Weil nun Tyrannen deſſen Untergang
ſuchten/ muͤſte jenen ja ein Mittel ſich zu er-
halten uͤbrig ſeyn. Niemand haͤtte Gewalt
uͤber ſich ſelbſt zu wuͤten; wie viel weniger koͤn-
te ein gantz Volck ſolche einem Wuͤtterich ein-
raͤumen. Die aͤlteſte Herꝛſchafft haͤtte dieſe
End-Urſache gehabt: daß alle Glieder unter
dem Schirme eines Oberhauptes der Gerech-
tigkeit genoßbar wuͤrden; dieſe waͤre das Band/
das Fuͤrſten und Unterthanen zuſam̃en knuͤpfte;
wenn dieſes zerriſſe/ waͤren Reiche nichts an-
ders/ als groſſe Mord-Gruben. Weßwegen
das
Erſter Theil. X x x x x x
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