Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] entsetzlichen Zufälle. Hätte Marbod/ dessen
Leib der Himmel nicht begreiffen würde/ wenn
er mit seinem Ehrsüchtigen Gemüthe gleicher
Grösse wäre/ sich nicht zum grösten Räuber der
Welt/ und einem Mörder seines Herren ge-
macht; so hätte das erreitzete Verhängnüß ihm
keinen so sauern Blick gegeben. Ein tugend-
hafft und vergnügliches Leben ist der sicherste
Ancker und der vollkommenste Glücks-Stern.
Wie tieffsinnig aber ist die Ehrsucht der Men-
schen um ihr selbst weh zu thun; wenn sie alle
Kreiße der Vergnügung übersteigt/ und alle
Augenblick ihr in den Gedancken eine so hohe
Glücks-Staffel fürbildet; die sie gar nicht/ oder
nur mit ihrer Einäscherung erreichen kan! Wie
zwinget sie ihr Verlangen so viel höher/ als ihre
Augen tragen/ und ihre Kräfften reichen. Ja
wenn ein Herrsch süchtiger auch schon den ersten
Tag auf dem Wagen der Sonne zu sitzen kä-
me; würde er doch Morgen schon in dem aller-
höchsten Kreiße die unbeweglichen Gestirne mit
seinen Füssen zermalmen wollen. Denn ehe man
sich einer Herrschafft bemächtiget/ scheinet eine
kleine groß/ nach ihrer Uberkommung aber
auch die gröste klein zu seyn. Dannenher GOtt
gar billich der menschlichen Unersättligkeit
durch so viel ohnmächtige Schwächen die Flü-
gel verschnitten und verhangen hat: daß ein
Knecht einem Fürsten offt zum Meister werde;
und eine Hand mit einem Funcken Feuer in ei-
nem Augenblicke verterben könne/ was hundert
tausend in hundert Jahren gebaut haben. Jhr
blinden Sterblichen! Wenn wird euch die Zeit
oder euer Nachdencken die Larve vom Gesichte
ziehen? wenn werdet ihr sehen: daß in der Tu-
gend/ nicht in eusserlichem Gepränge unsere
Glückseligkeit beruhe? daß wie viel leichter in
einem kleinen Zirckel unser Augen-Maß den
Mittel-Punct zu erkiesen wüste; also in nie-
drigem Stande ehe/ als auf denen geschwancken
Gipffeln hoher Würden die Ruhe des Gemü-
thes zu finden sey! Wenn werdet ihr das We-
[Spaltenumbruch] sen für den Schatten ergreiffen; und euer Ge-
müthe mit Kost/ nicht mit Winde speisen? Jst
es nicht Thorheit oder vielmehr Boßheit: daß
der Mensch den Glantz der Tugend/ welcher
die Stralen der Sonnen vertunckelt/ darum
verächtlich hält; weil selbter eine Selbststän-
digkeit zum Grunde hat; und sich mit der Blän-
dung der Laster vergnüget; weil sie das Nichts
der Eitelkeit zum Fusse haben. Die Weißheit
hält für das höchste/ wenn sie was ist; darmit a-
ber kein Gepränge macht/ sondern ihre Dia-
manten mit rauen Steinen/ ihren köstlichen
Kern mit geringen Schalen verhüllet. Was
nichts ist/ und nichts zu seyn scheinet/ wird bil-
lich von Tugend und Boßheit verworffen. Aber
in der Welt/ weil selbte voll von eitel leeren
Dingen ist/ und eitel Einwohner hat/ die nir-
gends weniger/ als in derselben wohnen/ hält
man für nichts/ was gleich scheinet/ und wahr-
hafftig etwas ist; hingegen für das voll kommen-
ste Wesen/ was nicht ist/ und nur einen Schein
hat/ als wenn es etwas wäre. Weil der Pape-
goy zu reden scheinet/ hencken ihn Könige in
güldenen Kefichten in ihre herrlichsten Zimmer/
und speisen ihn mit Zucker; wenn aber Epictet
einen Redner abgeben wil/ schleust man ihm
die eussersten Pforten für der Nase zu. Der
grosse Alexander fand zwar beym Diogenes die
Glücksoligkeit/ und sein Faß warff den Schat-
ten weit über die Egyptischen Spitz-Seulen;
dieser grosse Weltbezwinger aber wuste keinen
Glantz diesem armen Weisen beyzusetzen;
sondern er entzog ihm vielmehr die Stralen der
Sonnen/ und beeinträchtigte die Vergnügung
seiner Niedrigkeit. Wenn Marbod in seinem
ersten Stande blieben wäre/ oder mit mir in
dieser Höle gleich seine Vergnügung sehe; wür-
de er doch lieber nach der Lufft eiteler Ehre
schnappen/ und inwendig gerne ein grausames
Ungeheuer vieler Laster werden: daß er nur in
den Augen der Eitelen ein Wunderwerck der
Glücks-Kinder seyn möge. Es ist zu erbarmen:

daß

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] entſetzlichen Zufaͤlle. Haͤtte Marbod/ deſſen
Leib der Himmel nicht begreiffen wuͤrde/ wenn
er mit ſeinem Ehrſuͤchtigen Gemuͤthe gleicher
Groͤſſe waͤre/ ſich nicht zum groͤſten Raͤuber der
Welt/ und einem Moͤrder ſeines Herꝛen ge-
macht; ſo haͤtte das erreitzete Verhaͤngnuͤß ihm
keinen ſo ſauern Blick gegeben. Ein tugend-
hafft und vergnuͤgliches Leben iſt der ſicherſte
Ancker und der vollkommenſte Gluͤcks-Stern.
Wie tieffſinnig aber iſt die Ehrſucht der Men-
ſchen um ihr ſelbſt weh zu thun; wenn ſie alle
Kreiße der Vergnuͤgung uͤberſteigt/ und alle
Augenblick ihr in den Gedancken eine ſo hohe
Gluͤcks-Staffel fuͤrbildet; die ſie gar nicht/ oder
nur mit ihrer Einaͤſcherung erreichen kan! Wie
zwinget ſie ihr Verlangen ſo viel hoͤher/ als ihre
Augen tragen/ und ihre Kraͤfften reichen. Ja
wenn ein Herꝛſch ſuͤchtiger auch ſchon den erſten
Tag auf dem Wagen der Sonne zu ſitzen kaͤ-
me; wuͤrde er doch Morgen ſchon in dem aller-
hoͤchſten Kreiße die unbeweglichen Geſtirne mit
ſeinen Fuͤſſen zermalmen wollen. Deñ ehe man
ſich einer Herꝛſchafft bemaͤchtiget/ ſcheinet eine
kleine groß/ nach ihrer Uberkommung aber
auch die groͤſte klein zu ſeyn. Dannenher GOtt
gar billich der menſchlichen Unerſaͤttligkeit
durch ſo viel ohnmaͤchtige Schwaͤchen die Fluͤ-
gel verſchnitten und verhangen hat: daß ein
Knecht einem Fuͤrſten offt zum Meiſter werde;
und eine Hand mit einem Funcken Feuer in ei-
nem Augenblicke verterben koͤnne/ was hundert
tauſend in hundert Jahren gebaut haben. Jhr
blinden Sterblichen! Wenn wird euch die Zeit
oder euer Nachdencken die Larve vom Geſichte
ziehen? wenn werdet ihr ſehen: daß in der Tu-
gend/ nicht in euſſerlichem Gepraͤnge unſere
Gluͤckſeligkeit beruhe? daß wie viel leichter in
einem kleinen Zirckel unſer Augen-Maß den
Mittel-Punct zu erkieſen wuͤſte; alſo in nie-
drigem Stande ehe/ als auf denen geſchwancken
Gipffeln hoher Wuͤrden die Ruhe des Gemuͤ-
thes zu finden ſey! Wenn werdet ihr das We-
[Spaltenumbruch] ſen fuͤr den Schatten ergreiffen; und euer Ge-
muͤthe mit Koſt/ nicht mit Winde ſpeiſen? Jſt
es nicht Thorheit oder vielmehr Boßheit: daß
der Menſch den Glantz der Tugend/ welcher
die Stralen der Sonnen vertunckelt/ darum
veraͤchtlich haͤlt; weil ſelbter eine Selbſtſtaͤn-
digkeit zum Grunde hat; und ſich mit der Blaͤn-
dung der Laſter vergnuͤget; weil ſie das Nichts
der Eitelkeit zum Fuſſe haben. Die Weißheit
haͤlt fuͤr das hoͤchſte/ wenn ſie was iſt; darmit a-
ber kein Gepraͤnge macht/ ſondern ihre Dia-
manten mit rauen Steinen/ ihren koͤſtlichen
Kern mit geringen Schalen verhuͤllet. Was
nichts iſt/ und nichts zu ſeyn ſcheinet/ wird bil-
lich von Tugend und Boßheit verworffen. Aber
in der Welt/ weil ſelbte voll von eitel leeren
Dingen iſt/ und eitel Einwohner hat/ die nir-
gends weniger/ als in derſelben wohnen/ haͤlt
man fuͤr nichts/ was gleich ſcheinet/ und wahr-
hafftig etwas iſt; hingegen fuͤr das voll kommen-
ſte Weſen/ was nicht iſt/ und nur einen Schein
hat/ als wenn es etwas waͤre. Weil der Pape-
goy zu reden ſcheinet/ hencken ihn Koͤnige in
guͤldenen Kefichten in ihre herꝛlichſten Zim̃er/
und ſpeiſen ihn mit Zucker; wenn aber Epictet
einen Redner abgeben wil/ ſchleuſt man ihm
die euſſerſten Pforten fuͤr der Naſe zu. Der
groſſe Alexander fand zwar beym Diogenes die
Gluͤckſoligkeit/ und ſein Faß warff den Schat-
ten weit uͤber die Egyptiſchen Spitz-Seulen;
dieſer groſſe Weltbezwinger aber wuſte keinen
Glantz dieſem armen Weiſen beyzuſetzen;
ſondern er entzog ihm vielmehr die Stralen der
Sonnen/ und beeintraͤchtigte die Vergnuͤgung
ſeiner Niedrigkeit. Wenn Marbod in ſeinem
erſten Stande blieben waͤre/ oder mit mir in
dieſer Hoͤle gleich ſeine Vergnuͤgung ſehe; wuͤr-
de er doch lieber nach der Lufft eiteler Ehre
ſchnappen/ und inwendig gerne ein grauſames
Ungeheuer vieler Laſter werden: daß er nur in
den Augen der Eitelen ein Wunderwerck der
Gluͤcks-Kinder ſeyn moͤge. Es iſt zu erbarmen:

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1160" n="1096[1098]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebendes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
ent&#x017F;etzlichen Zufa&#x0364;lle. Ha&#x0364;tte Marbod/ de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Leib der Himmel nicht begreiffen wu&#x0364;rde/ wenn<lb/>
er mit &#x017F;einem Ehr&#x017F;u&#x0364;chtigen Gemu&#x0364;the gleicher<lb/>
Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e wa&#x0364;re/ &#x017F;ich nicht zum gro&#x0364;&#x017F;ten Ra&#x0364;uber der<lb/>
Welt/ und einem Mo&#x0364;rder &#x017F;eines Her&#xA75B;en ge-<lb/>
macht; &#x017F;o ha&#x0364;tte das erreitzete Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß ihm<lb/>
keinen &#x017F;o &#x017F;auern Blick gegeben. Ein tugend-<lb/>
hafft und vergnu&#x0364;gliches Leben i&#x017F;t der &#x017F;icher&#x017F;te<lb/>
Ancker und der vollkommen&#x017F;te Glu&#x0364;cks-Stern.<lb/>
Wie tieff&#x017F;innig aber i&#x017F;t die Ehr&#x017F;ucht der Men-<lb/>
&#x017F;chen um ihr &#x017F;elb&#x017F;t weh zu thun; wenn &#x017F;ie alle<lb/>
Kreiße der Vergnu&#x0364;gung u&#x0364;ber&#x017F;teigt/ und alle<lb/>
Augenblick ihr in den Gedancken eine &#x017F;o hohe<lb/>
Glu&#x0364;cks-Staffel fu&#x0364;rbildet; die &#x017F;ie gar nicht/ oder<lb/>
nur mit ihrer Eina&#x0364;&#x017F;cherung erreichen kan! Wie<lb/>
zwinget &#x017F;ie ihr Verlangen &#x017F;o viel ho&#x0364;her/ als ihre<lb/>
Augen tragen/ und ihre Kra&#x0364;fften reichen. Ja<lb/>
wenn ein Her&#xA75B;&#x017F;ch &#x017F;u&#x0364;chtiger auch &#x017F;chon den er&#x017F;ten<lb/>
Tag auf dem Wagen der Sonne zu &#x017F;itzen ka&#x0364;-<lb/>
me; wu&#x0364;rde er doch Morgen &#x017F;chon in dem aller-<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Kreiße die unbeweglichen Ge&#x017F;tirne mit<lb/>
&#x017F;einen Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zermalmen wollen. Den&#x0303; ehe man<lb/>
&#x017F;ich einer Her&#xA75B;&#x017F;chafft bema&#x0364;chtiget/ &#x017F;cheinet eine<lb/>
kleine groß/ nach ihrer Uberkommung aber<lb/>
auch die gro&#x0364;&#x017F;te klein zu &#x017F;eyn. Dannenher GOtt<lb/>
gar billich der men&#x017F;chlichen Uner&#x017F;a&#x0364;ttligkeit<lb/>
durch &#x017F;o viel ohnma&#x0364;chtige Schwa&#x0364;chen die Flu&#x0364;-<lb/>
gel ver&#x017F;chnitten und verhangen hat: daß ein<lb/>
Knecht einem Fu&#x0364;r&#x017F;ten offt zum Mei&#x017F;ter werde;<lb/>
und eine Hand mit einem Funcken Feuer in ei-<lb/>
nem Augenblicke verterben ko&#x0364;nne/ was hundert<lb/>
tau&#x017F;end in hundert Jahren gebaut haben. Jhr<lb/>
blinden Sterblichen! Wenn wird euch die Zeit<lb/>
oder euer Nachdencken die Larve vom Ge&#x017F;ichte<lb/>
ziehen? wenn werdet ihr &#x017F;ehen: daß in der Tu-<lb/>
gend/ nicht in eu&#x017F;&#x017F;erlichem Gepra&#x0364;nge un&#x017F;ere<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit beruhe? daß wie viel leichter in<lb/>
einem kleinen Zirckel un&#x017F;er Augen-Maß den<lb/>
Mittel-Punct zu erkie&#x017F;en wu&#x0364;&#x017F;te; al&#x017F;o in nie-<lb/>
drigem Stande ehe/ als auf denen ge&#x017F;chwancken<lb/>
Gipffeln hoher Wu&#x0364;rden die Ruhe des Gemu&#x0364;-<lb/>
thes zu finden &#x017F;ey! Wenn werdet ihr das We-<lb/><cb/>
&#x017F;en fu&#x0364;r den Schatten ergreiffen; und euer Ge-<lb/>
mu&#x0364;the mit Ko&#x017F;t/ nicht mit Winde &#x017F;pei&#x017F;en? J&#x017F;t<lb/>
es nicht Thorheit oder vielmehr Boßheit: daß<lb/>
der Men&#x017F;ch den Glantz der Tugend/ welcher<lb/>
die Stralen der Sonnen vertunckelt/ darum<lb/>
vera&#x0364;chtlich ha&#x0364;lt; weil &#x017F;elbter eine Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
digkeit zum Grunde hat; und &#x017F;ich mit der Bla&#x0364;n-<lb/>
dung der La&#x017F;ter vergnu&#x0364;get; weil &#x017F;ie das Nichts<lb/>
der Eitelkeit zum Fu&#x017F;&#x017F;e haben. Die Weißheit<lb/>
ha&#x0364;lt fu&#x0364;r das ho&#x0364;ch&#x017F;te/ wenn &#x017F;ie was i&#x017F;t; darmit a-<lb/>
ber kein Gepra&#x0364;nge macht/ &#x017F;ondern ihre Dia-<lb/>
manten mit rauen Steinen/ ihren ko&#x0364;&#x017F;tlichen<lb/>
Kern mit geringen Schalen verhu&#x0364;llet. Was<lb/>
nichts i&#x017F;t/ und nichts zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet/ wird bil-<lb/>
lich von Tugend und Boßheit verworffen. Aber<lb/>
in der Welt/ weil &#x017F;elbte voll von eitel leeren<lb/>
Dingen i&#x017F;t/ und eitel Einwohner hat/ die nir-<lb/>
gends weniger/ als in der&#x017F;elben wohnen/ ha&#x0364;lt<lb/>
man fu&#x0364;r nichts/ was gleich &#x017F;cheinet/ und wahr-<lb/>
hafftig etwas i&#x017F;t; hingegen fu&#x0364;r das voll kommen-<lb/>
&#x017F;te We&#x017F;en/ was nicht i&#x017F;t/ und nur einen Schein<lb/>
hat/ als wenn es etwas wa&#x0364;re. Weil der Pape-<lb/>
goy zu reden &#x017F;cheinet/ hencken ihn Ko&#x0364;nige in<lb/>
gu&#x0364;ldenen Kefichten in ihre her&#xA75B;lich&#x017F;ten Zim&#x0303;er/<lb/>
und &#x017F;pei&#x017F;en ihn mit Zucker; wenn aber Epictet<lb/>
einen Redner abgeben wil/ &#x017F;chleu&#x017F;t man ihm<lb/>
die eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Pforten fu&#x0364;r der Na&#x017F;e zu. Der<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Alexander fand zwar beym Diogenes die<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;oligkeit/ und &#x017F;ein Faß warff den Schat-<lb/>
ten weit u&#x0364;ber die Egypti&#x017F;chen Spitz-Seulen;<lb/>
die&#x017F;er gro&#x017F;&#x017F;e Weltbezwinger aber wu&#x017F;te keinen<lb/>
Glantz die&#x017F;em armen Wei&#x017F;en beyzu&#x017F;etzen;<lb/>
&#x017F;ondern er entzog ihm vielmehr die Stralen der<lb/>
Sonnen/ und beeintra&#x0364;chtigte die Vergnu&#x0364;gung<lb/>
&#x017F;einer Niedrigkeit. Wenn Marbod in &#x017F;einem<lb/>
er&#x017F;ten Stande blieben wa&#x0364;re/ oder mit mir in<lb/>
die&#x017F;er Ho&#x0364;le gleich &#x017F;eine Vergnu&#x0364;gung &#x017F;ehe; wu&#x0364;r-<lb/>
de er doch lieber nach der Lufft eiteler Ehre<lb/>
&#x017F;chnappen/ und inwendig gerne ein grau&#x017F;ames<lb/>
Ungeheuer vieler La&#x017F;ter werden: daß er nur in<lb/>
den Augen der Eitelen ein Wunderwerck der<lb/>
Glu&#x0364;cks-Kinder &#x017F;eyn mo&#x0364;ge. Es i&#x017F;t zu erbarmen:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1096[1098]/1160] Siebendes Buch entſetzlichen Zufaͤlle. Haͤtte Marbod/ deſſen Leib der Himmel nicht begreiffen wuͤrde/ wenn er mit ſeinem Ehrſuͤchtigen Gemuͤthe gleicher Groͤſſe waͤre/ ſich nicht zum groͤſten Raͤuber der Welt/ und einem Moͤrder ſeines Herꝛen ge- macht; ſo haͤtte das erreitzete Verhaͤngnuͤß ihm keinen ſo ſauern Blick gegeben. Ein tugend- hafft und vergnuͤgliches Leben iſt der ſicherſte Ancker und der vollkommenſte Gluͤcks-Stern. Wie tieffſinnig aber iſt die Ehrſucht der Men- ſchen um ihr ſelbſt weh zu thun; wenn ſie alle Kreiße der Vergnuͤgung uͤberſteigt/ und alle Augenblick ihr in den Gedancken eine ſo hohe Gluͤcks-Staffel fuͤrbildet; die ſie gar nicht/ oder nur mit ihrer Einaͤſcherung erreichen kan! Wie zwinget ſie ihr Verlangen ſo viel hoͤher/ als ihre Augen tragen/ und ihre Kraͤfften reichen. Ja wenn ein Herꝛſch ſuͤchtiger auch ſchon den erſten Tag auf dem Wagen der Sonne zu ſitzen kaͤ- me; wuͤrde er doch Morgen ſchon in dem aller- hoͤchſten Kreiße die unbeweglichen Geſtirne mit ſeinen Fuͤſſen zermalmen wollen. Deñ ehe man ſich einer Herꝛſchafft bemaͤchtiget/ ſcheinet eine kleine groß/ nach ihrer Uberkommung aber auch die groͤſte klein zu ſeyn. Dannenher GOtt gar billich der menſchlichen Unerſaͤttligkeit durch ſo viel ohnmaͤchtige Schwaͤchen die Fluͤ- gel verſchnitten und verhangen hat: daß ein Knecht einem Fuͤrſten offt zum Meiſter werde; und eine Hand mit einem Funcken Feuer in ei- nem Augenblicke verterben koͤnne/ was hundert tauſend in hundert Jahren gebaut haben. Jhr blinden Sterblichen! Wenn wird euch die Zeit oder euer Nachdencken die Larve vom Geſichte ziehen? wenn werdet ihr ſehen: daß in der Tu- gend/ nicht in euſſerlichem Gepraͤnge unſere Gluͤckſeligkeit beruhe? daß wie viel leichter in einem kleinen Zirckel unſer Augen-Maß den Mittel-Punct zu erkieſen wuͤſte; alſo in nie- drigem Stande ehe/ als auf denen geſchwancken Gipffeln hoher Wuͤrden die Ruhe des Gemuͤ- thes zu finden ſey! Wenn werdet ihr das We- ſen fuͤr den Schatten ergreiffen; und euer Ge- muͤthe mit Koſt/ nicht mit Winde ſpeiſen? Jſt es nicht Thorheit oder vielmehr Boßheit: daß der Menſch den Glantz der Tugend/ welcher die Stralen der Sonnen vertunckelt/ darum veraͤchtlich haͤlt; weil ſelbter eine Selbſtſtaͤn- digkeit zum Grunde hat; und ſich mit der Blaͤn- dung der Laſter vergnuͤget; weil ſie das Nichts der Eitelkeit zum Fuſſe haben. Die Weißheit haͤlt fuͤr das hoͤchſte/ wenn ſie was iſt; darmit a- ber kein Gepraͤnge macht/ ſondern ihre Dia- manten mit rauen Steinen/ ihren koͤſtlichen Kern mit geringen Schalen verhuͤllet. Was nichts iſt/ und nichts zu ſeyn ſcheinet/ wird bil- lich von Tugend und Boßheit verworffen. Aber in der Welt/ weil ſelbte voll von eitel leeren Dingen iſt/ und eitel Einwohner hat/ die nir- gends weniger/ als in derſelben wohnen/ haͤlt man fuͤr nichts/ was gleich ſcheinet/ und wahr- hafftig etwas iſt; hingegen fuͤr das voll kommen- ſte Weſen/ was nicht iſt/ und nur einen Schein hat/ als wenn es etwas waͤre. Weil der Pape- goy zu reden ſcheinet/ hencken ihn Koͤnige in guͤldenen Kefichten in ihre herꝛlichſten Zim̃er/ und ſpeiſen ihn mit Zucker; wenn aber Epictet einen Redner abgeben wil/ ſchleuſt man ihm die euſſerſten Pforten fuͤr der Naſe zu. Der groſſe Alexander fand zwar beym Diogenes die Gluͤckſoligkeit/ und ſein Faß warff den Schat- ten weit uͤber die Egyptiſchen Spitz-Seulen; dieſer groſſe Weltbezwinger aber wuſte keinen Glantz dieſem armen Weiſen beyzuſetzen; ſondern er entzog ihm vielmehr die Stralen der Sonnen/ und beeintraͤchtigte die Vergnuͤgung ſeiner Niedrigkeit. Wenn Marbod in ſeinem erſten Stande blieben waͤre/ oder mit mir in dieſer Hoͤle gleich ſeine Vergnuͤgung ſehe; wuͤr- de er doch lieber nach der Lufft eiteler Ehre ſchnappen/ und inwendig gerne ein grauſames Ungeheuer vieler Laſter werden: daß er nur in den Augen der Eitelen ein Wunderwerck der Gluͤcks-Kinder ſeyn moͤge. Es iſt zu erbarmen: daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1160
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1096[1098]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1160>, abgerufen am 23.11.2024.