Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
keines Weges aber nach Art des Geyers sichmit den Aessern der stinckenden Laster er quicken/ noch wie einige ungezähmte schwangere Wei- ber für Zibeth Eckel/ nach Bibergeil Begierde haben/ oder nach blutigen Fleischbissen/ sondern mit dem Fenix nach dem köstlichen Balsam der Tugend/ welche alles Nabateische Rauchwerck übertrifft/ als der süssesten Seelen-Speise lü- stern seyn/ und durch gehends Muschziegen von stinckenden Böcken; Amber-Bienen von Hirnsen/ Syrische Balsam-Aepffel von So- doms Aepffel-Bäumen/ Jasmin von Napel/ Rosen von Sammet-Blumen und Aloe von Teuffels-Koth/ nemlich den tugendhafften Adel von dem albern Pöfel/ tapffere Helden/ welche mit dem Geruche ihrer ruhmwürdigen Tha- ten die Welt erfüllen/ von ungeartheten Zärt- lingen/ derer Leiber nach Bisam rüchen/ die Gemüther aber nach Unschlit stincken/ treue Diener von Verräthern/ Ehre von Schande/ und Redligkeit von Boßheit unterscheiden muß. Denn dieses Urthel ist mit einem klugen Für- sten wie der Athem mit dem Leben/ der Geruch mit dem Athem unzertrennlich vereinbaret; Ein leichtgläubiger aber/ und der ihm Mäuse- Koth für Pfeffer verkauffen läst/ liegt schon in der Ohnmacht seines Unterganges/ und sein Reich stehet auf der Bahre des Verterbens. Ja sein gantzes Leben muß durch eitel Unschuld die Lufft einbalsamen; wormit sein Gewiss[en] mit iedem Athemholen nicht allein diese anmuthige Erquickung an sich ziehe/ und sein Ruhm sich über seine Reichsgräntzen ausbreite; sondern durch diese heilsame Krafft in seinem Reiche al- ler Gestanck des Unrechts und böser Sitten ge- dämpffet werde. Sintemahl doch/ ihm selbst wol bewust seyn/ die Speise des Gewissens/ ein guter Nahme der beste Geruch der Gemüther ist/ und ein Fürst durch Gesetze und Straffen nicht so sehr/ als durch sein gutes Beyspiel seine Unterthanen vom Unflate der Untugenden saubern kan. Denn wie der allerweiseste [Spaltenumbruch] Schöpffer des Menschen einerley Glied mit dem Geruche/ und der Eigenschafft nicht nur das Haupt/ sondern so gar die Glieder des an- dern Leibes von unnützen Feuchtigkeiten zu rei- nigen versehen; also hat er die Häupter der Er- den angewiesen: daß sie nicht nur sich selbst/ son- dern auch ihr Volck/ als ihre Glieder/ des Rau- ches aller hefftigen Begierden/ des Windes schnöder Eitelkeit/ aller Feuchtigkeiten schläff- riger Trägheit entschütten sollen. Ja wormit ein Fürst das denen leiblichen Augen unsichtba- re Bild seiner Seele seinen Unterthanen zum Spiegel ihres Lebens fürstellen könne/ hat die kluge Mutter dieses allen/ durch den Mund ei- ne Pforte geöffnet: daß das Gehöre darein schaue; einen Werckzeug ihm beygelegt/ wel- cher die Seele aus ihrem verborgenen Behält- nüß herfür bringe/ und ihre weisen Vernunfft- Schlüsse offenbare. Denn der Mund ist ein Pinsel des Gemüthes/ und eine Schreibefeder der Gedancken; Alle andere Thiere haben den Mund nur zum essen/ der Mensch zum reden/ ein König aber nur zur Weißheit. Ungeachtet die Speise gantz irrdisch/ die Sprache gantz geistig ist/ sind doch Essen und Reden in einem Gliede des Hauptes vereinbart; nicht weil Zunge und Mund allein um den Leib beschäff- tigt seyn/ sondern ihre meiste Bemühung im Dienste der Seele zubringen sollen/ ein Mensch auch nichts zu reden hat/ als was er gleichsam vorher gekäuet/ wormit die Rede nicht zu Hil- sen leerer Worte/ sondern zum Kern heilsamer Lehren werde. Und nach dem die Zunge nichts minder das schädlichste als nützlichste Glied des Hauptes ist; hat wegen des letztern die Natur ihm eine gelencke Bewegligkeit verliehen/ we- gen des erstern aber sie so enge eingesperret. Diesemnach soll ieder Mensch allezeit nicht an- ders/ als in einem letzten Willen/ ein Fürst aber nur wie aus einem wahrsagenden Dreyfusse reden. Denn dieser ist eine zu alles Volckes Nachricht und Richtschnur empor gehobene Glocke;
Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
keines Weges aber nach Art des Geyers ſichmit den Aeſſern der ſtinckenden Laſter er quicken/ noch wie einige ungezaͤhmte ſchwangere Wei- ber fuͤr Zibeth Eckel/ nach Bibergeil Begierde haben/ oder nach blutigen Fleiſchbiſſen/ ſondern mit dem Fenix nach dem koͤſtlichen Balſam der Tugend/ welche alles Nabateiſche Rauchwerck uͤbertrifft/ als der ſuͤſſeſten Seelen-Speiſe luͤ- ſtern ſeyn/ und durch gehends Muſchziegen von ſtinckenden Boͤcken; Amber-Bienen von Hirnſen/ Syriſche Balſam-Aepffel von So- doms Aepffel-Baͤumen/ Jaſmin von Napel/ Roſen von Sammet-Blumen und Aloe von Teuffels-Koth/ nemlich den tugendhafften Adel von dem albern Poͤfel/ tapffere Helden/ welche mit dem Geruche ihrer ruhmwuͤrdigen Tha- ten die Welt erfuͤllen/ von ungeartheten Zaͤrt- lingen/ derer Leiber nach Biſam ruͤchen/ die Gemuͤther aber nach Unſchlit ſtincken/ treue Diener von Verraͤthern/ Ehre von Schande/ und Redligkeit von Boßheit unterſcheiden muß. Denn dieſes Urthel iſt mit einem klugen Fuͤr- ſten wie der Athem mit dem Leben/ der Geruch mit dem Athem unzertrennlich vereinbaret; Ein leichtglaͤubiger aber/ und der ihm Maͤuſe- Koth fuͤr Pfeffer verkauffen laͤſt/ liegt ſchon in der Ohnmacht ſeines Unterganges/ und ſein Reich ſtehet auf der Bahre des Verterbens. Ja ſein gantzes Leben muß durch eitel Unſchuld die Lufft einbalſamen; wormit ſein Gewiſſ[en] mit iedem Athemholen nicht allein dieſe anmuthige Erquickung an ſich ziehe/ und ſein Ruhm ſich uͤber ſeine Reichsgraͤntzen ausbreite; ſondern durch dieſe heilſame Krafft in ſeinem Reiche al- ler Geſtanck des Unrechts und boͤſer Sitten ge- daͤmpffet werde. Sintemahl doch/ ihm ſelbſt wol bewuſt ſeyn/ die Speiſe des Gewiſſens/ ein guter Nahme der beſte Geruch der Gemuͤther iſt/ und ein Fuͤrſt durch Geſetze und Straffen nicht ſo ſehr/ als durch ſein gutes Beyſpiel ſeine Unterthanen vom Unflate der Untugenden ſaubern kan. Denn wie der allerweiſeſte [Spaltenumbruch] Schoͤpffer des Menſchen einerley Glied mit dem Geruche/ und der Eigenſchafft nicht nur das Haupt/ ſondern ſo gar die Glieder des an- dern Leibes von unnuͤtzen Feuchtigkeiten zu rei- nigen verſehen; alſo hat er die Haͤupter der Er- den angewieſen: daß ſie nicht nur ſich ſelbſt/ ſon- dern auch ihr Volck/ als ihre Glieder/ des Rau- ches aller hefftigen Begierden/ des Windes ſchnoͤder Eitelkeit/ aller Feuchtigkeiten ſchlaͤff- riger Traͤgheit entſchuͤtten ſollen. Ja wormit ein Fuͤrſt das denen leiblichen Augen unſichtba- re Bild ſeiner Seele ſeinen Unterthanen zum Spiegel ihres Lebens fuͤrſtellen koͤnne/ hat die kluge Mutter dieſes allen/ durch den Mund ei- ne Pforte geoͤffnet: daß das Gehoͤre darein ſchaue; einen Werckzeug ihm beygelegt/ wel- cher die Seele aus ihrem verborgenen Behaͤlt- nuͤß herfuͤr bringe/ und ihre weiſen Vernunfft- Schluͤſſe offenbare. Denn der Mund iſt ein Pinſel des Gemuͤthes/ und eine Schreibefeder der Gedancken; Alle andere Thiere haben den Mund nur zum eſſen/ der Menſch zum reden/ ein Koͤnig aber nur zur Weißheit. Ungeachtet die Speiſe gantz irrdiſch/ die Sprache gantz geiſtig iſt/ ſind doch Eſſen und Reden in einem Gliede des Hauptes vereinbart; nicht weil Zunge und Mund allein um den Leib beſchaͤff- tigt ſeyn/ ſondern ihre meiſte Bemuͤhung im Dienſte der Seele zubringen ſollen/ ein Menſch auch nichts zu reden hat/ als was er gleichſam vorher gekaͤuet/ wormit die Rede nicht zu Hil- ſen leerer Worte/ ſondern zum Kern heilſamer Lehren werde. Und nach dem die Zunge nichts minder das ſchaͤdlichſte als nuͤtzlichſte Glied des Hauptes iſt; hat wegen des letztern die Natur ihm eine gelencke Bewegligkeit verliehen/ we- gen des erſtern aber ſie ſo enge eingeſperret. Dieſemnach ſoll ieder Menſch allezeit nicht an- ders/ als in einem letzten Willen/ ein Fuͤrſt aber nur wie aus einem wahrſagenden Dreyfuſſe reden. Denn dieſer iſt eine zu alles Volckes Nachricht und Richtſchnur empor gehobene Glocke;
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Siebendes Buch
keines Weges aber nach Art des Geyers ſich
mit den Aeſſern der ſtinckenden Laſter er quicken/
noch wie einige ungezaͤhmte ſchwangere Wei-
ber fuͤr Zibeth Eckel/ nach Bibergeil Begierde
haben/ oder nach blutigen Fleiſchbiſſen/ ſondern
mit dem Fenix nach dem koͤſtlichen Balſam der
Tugend/ welche alles Nabateiſche Rauchwerck
uͤbertrifft/ als der ſuͤſſeſten Seelen-Speiſe luͤ-
ſtern ſeyn/ und durch gehends Muſchziegen
von ſtinckenden Boͤcken; Amber-Bienen von
Hirnſen/ Syriſche Balſam-Aepffel von So-
doms Aepffel-Baͤumen/ Jaſmin von Napel/
Roſen von Sammet-Blumen und Aloe von
Teuffels-Koth/ nemlich den tugendhafften Adel
von dem albern Poͤfel/ tapffere Helden/ welche
mit dem Geruche ihrer ruhmwuͤrdigen Tha-
ten die Welt erfuͤllen/ von ungeartheten Zaͤrt-
lingen/ derer Leiber nach Biſam ruͤchen/ die
Gemuͤther aber nach Unſchlit ſtincken/ treue
Diener von Verraͤthern/ Ehre von Schande/
und Redligkeit von Boßheit unterſcheiden muß.
Denn dieſes Urthel iſt mit einem klugen Fuͤr-
ſten wie der Athem mit dem Leben/ der Geruch
mit dem Athem unzertrennlich vereinbaret;
Ein leichtglaͤubiger aber/ und der ihm Maͤuſe-
Koth fuͤr Pfeffer verkauffen laͤſt/ liegt ſchon in
der Ohnmacht ſeines Unterganges/ und ſein
Reich ſtehet auf der Bahre des Verterbens. Ja
ſein gantzes Leben muß durch eitel Unſchuld die
Lufft einbalſamen; wormit ſein Gewiſſen mit
iedem Athemholen nicht allein dieſe anmuthige
Erquickung an ſich ziehe/ und ſein Ruhm ſich
uͤber ſeine Reichsgraͤntzen ausbreite; ſondern
durch dieſe heilſame Krafft in ſeinem Reiche al-
ler Geſtanck des Unrechts und boͤſer Sitten ge-
daͤmpffet werde. Sintemahl doch/ ihm ſelbſt
wol bewuſt ſeyn/ die Speiſe des Gewiſſens/ ein
guter Nahme der beſte Geruch der Gemuͤther
iſt/ und ein Fuͤrſt durch Geſetze und Straffen
nicht ſo ſehr/ als durch ſein gutes Beyſpiel ſeine
Unterthanen vom Unflate der Untugenden
ſaubern kan. Denn wie der allerweiſeſte
Schoͤpffer des Menſchen einerley Glied mit
dem Geruche/ und der Eigenſchafft nicht nur
das Haupt/ ſondern ſo gar die Glieder des an-
dern Leibes von unnuͤtzen Feuchtigkeiten zu rei-
nigen verſehen; alſo hat er die Haͤupter der Er-
den angewieſen: daß ſie nicht nur ſich ſelbſt/ ſon-
dern auch ihr Volck/ als ihre Glieder/ des Rau-
ches aller hefftigen Begierden/ des Windes
ſchnoͤder Eitelkeit/ aller Feuchtigkeiten ſchlaͤff-
riger Traͤgheit entſchuͤtten ſollen. Ja wormit
ein Fuͤrſt das denen leiblichen Augen unſichtba-
re Bild ſeiner Seele ſeinen Unterthanen zum
Spiegel ihres Lebens fuͤrſtellen koͤnne/ hat die
kluge Mutter dieſes allen/ durch den Mund ei-
ne Pforte geoͤffnet: daß das Gehoͤre darein
ſchaue; einen Werckzeug ihm beygelegt/ wel-
cher die Seele aus ihrem verborgenen Behaͤlt-
nuͤß herfuͤr bringe/ und ihre weiſen Vernunfft-
Schluͤſſe offenbare. Denn der Mund iſt ein
Pinſel des Gemuͤthes/ und eine Schreibefeder
der Gedancken; Alle andere Thiere haben den
Mund nur zum eſſen/ der Menſch zum reden/
ein Koͤnig aber nur zur Weißheit. Ungeachtet
die Speiſe gantz irrdiſch/ die Sprache gantz
geiſtig iſt/ ſind doch Eſſen und Reden in einem
Gliede des Hauptes vereinbart; nicht weil
Zunge und Mund allein um den Leib beſchaͤff-
tigt ſeyn/ ſondern ihre meiſte Bemuͤhung im
Dienſte der Seele zubringen ſollen/ ein Menſch
auch nichts zu reden hat/ als was er gleichſam
vorher gekaͤuet/ wormit die Rede nicht zu Hil-
ſen leerer Worte/ ſondern zum Kern heilſamer
Lehren werde. Und nach dem die Zunge nichts
minder das ſchaͤdlichſte als nuͤtzlichſte Glied des
Hauptes iſt; hat wegen des letztern die Natur
ihm eine gelencke Bewegligkeit verliehen/ we-
gen des erſtern aber ſie ſo enge eingeſperret.
Dieſemnach ſoll ieder Menſch allezeit nicht an-
ders/ als in einem letzten Willen/ ein Fuͤrſt aber
nur wie aus einem wahrſagenden Dreyfuſſe
reden. Denn dieſer iſt eine zu alles Volckes
Nachricht und Richtſchnur empor gehobene
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