Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] stand des Volckes für sich haben. Ja der Fürst
selbst muß so wenig/ als die Augen in seiner
Wachsamkeit müde werden/ die hefftigen Ge-
müths-Regungen ihm keinen Nebel/ die Arg-
list keinen blauen Dunst für die Augen machen
lassen/ noch einerley Ding mit dem einen Auge
schwartz/ mit dem andern weiß anschauen; wo
eben die Augen nicht hernach diß beweinen sol-
len/ was sie vorher verkehrt an- oder gar über-
sehen haben. Weil aber die Warheit vor-
werts einem begegnet/ der Betrug aber uns auf
der Seite beykommen wil/ hat die Natur am
Haupte das Gesichte vor die Ohren seitwerts
zu Wächtern bestellt. Ein Fürst muß nichts
minder auf beyden Seiten wachsam seyn; und
wie die Ohren/ welche nicht wie die Augen mit
Augenliedern/ noch wie die ungezähmte Zunge
mit zweyerley Zäunen verschlossen werden kön-
nen/ sondern Tag und Nacht offen stehen/ ieder-
man und allezeit hören. Denn der ist nicht
werth/ daß er König ist/ dem das Hören ver-
drüßlich fällt. Wenn der gantze Leib schläfft/
halten die Ohren Schildwache/ um selbten für
der sich nähernden Gefahr zu warnigen. Ein
Fürst aber soll deßhalben wachen: daß die Un-
terthanen sicher ruhen können. Alle Thiere
heben und sencken ihre Ohren/ des Menschen
alleine sind unbeweglich und stets in einem
Stande. Ein Fürst soll iederzeit solche Aufacht
haben: daß selbter niemahls was beyzusetzen
sey/ noch er bey andräuender Gefahr die Ohren
spitzen dörffe/ und seine Feinde ihm niemahls
unvermuthet auf den Hals kommen/ wenn sie
gleich geschwinder/ als der Blitz loß schlagen.
Wiewol die Ohren nicht wie die Augen die
Sachen suchen/ sondern von den Sachen ge-
sucht werden/ stehen sie doch/ wie der Mund
mit zwey Mauern verschlossen ist/ mit zweyfa-
chen Pforten offen/ um die Dinge desto besser in
sich zu fassen/ weil diß/ was man siehet/ bestehet;
was man aber höret/ alsbald verschwindet. Ein
Fürst muß keine Ohrenbläser halten/ noch nach
[Spaltenumbruch] Ver gällung der Unschuld trachten; aber für
nichts/ was auch nur das leichte Geschrey sei-
nem Reiche gefährliches andeutet/ die Ohren
verstopffen; ja in allem zum minsten zweymal
so viel hören als reden. Weil aber unser Ge-
höre niemand anderm in die Augen und em-
pfindlich fällt; muß ein Fürst sich mehrmahls
anstellen; als wenn er nicht hörte/ und wegen
geringer Beleidigung sein Reich nicht in Krieg
verwickeln/ noch allenthalben mit der Stirne/
daran die Natur ihm nicht ohne Ursache/ wie
etlichen grimmigen Thieren kein Horn wach-
sen lassen/ durchfahren. Jnsonderheit aber muß
er nach Art der den Zauberer hörenden Schlan-
ge/ gegen die Heuchler bey Vernehmung un-
zeitigen Lobes das eine Ohr mit Erde in Erwe-
gung seiner irrdischen Unvollkommenheit/ bey
wollüstigen Anreitzungen aber das andere mit
dem Schwantze durch Behertzigung des heß-
lichen Endes zustopffen; und wissen: daß die
Wollust zwar ein Englisches Antlitz/ aber einen
Drachen-Schwantz habe; und ihr Anfang ein
Himmel/ ihr Ausgang eine Hölle sey. Die Na-
tur hat dem Menschen zwey Ohren/ und zwar
in Gestalt eines Jrrgartens oder Schnecken-
Hauses mit gekrümmten Eingängen gemacht;
wormit diß/ was er höret/ an unterschiedenen
Orten anschlage/ und derogestalt wie das Ertzt
aus dem Klange/ also die Erzehlungen aus
dem Schalle erkennet werden; insonderheit a-
ber ein Fürst/ als das lebendige Gesetze/ gegrün-
dete Anklagen von Verleumdungen/ redliche
Gemüths- Ausschüttung von betrüglichen
Schein-Worten unterscheiden/ und wenn die
Falschheit das eine Ohr besessen/ er das andere
der meist zuletzt kommenden/ und das Nachse-
hen habenden Warheit/ als eine unversehrliche
Jungfrau/ vorbehalten möge. Diesemnach
denn ein Fürst auch eine dinnschäli htere Nase/
als ein scharffrüchender Geyer haben/ und nicht
nur alles in seinem Reiche/ sondern biß in die
Staats-Cammern seiner Nachbarn rüchen;

keines

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſtand des Volckes fuͤr ſich haben. Ja der Fuͤrſt
ſelbſt muß ſo wenig/ als die Augen in ſeiner
Wachſamkeit muͤde werden/ die hefftigen Ge-
muͤths-Regungen ihm keinen Nebel/ die Arg-
liſt keinen blauen Dunſt fuͤr die Augen machen
laſſen/ noch einerley Ding mit dem einen Auge
ſchwartz/ mit dem andern weiß anſchauen; wo
eben die Augen nicht hernach diß beweinen ſol-
len/ was ſie vorher verkehrt an- oder gar uͤber-
ſehen haben. Weil aber die Warheit vor-
werts einem begegnet/ der Betrug aber uns auf
der Seite beykommen wil/ hat die Natur am
Haupte das Geſichte vor die Ohren ſeitwerts
zu Waͤchtern beſtellt. Ein Fuͤrſt muß nichts
minder auf beyden Seiten wachſam ſeyn; und
wie die Ohren/ welche nicht wie die Augen mit
Augenliedern/ noch wie die ungezaͤhmte Zunge
mit zweyerley Zaͤunen verſchloſſen werden koͤn-
nen/ ſondern Tag und Nacht offen ſtehen/ ieder-
man und allezeit hoͤren. Denn der iſt nicht
werth/ daß er Koͤnig iſt/ dem das Hoͤren ver-
druͤßlich faͤllt. Wenn der gantze Leib ſchlaͤfft/
halten die Ohren Schildwache/ um ſelbten fuͤr
der ſich naͤhernden Gefahr zu warnigen. Ein
Fuͤrſt aber ſoll deßhalben wachen: daß die Un-
terthanen ſicher ruhen koͤnnen. Alle Thiere
heben und ſencken ihre Ohren/ des Menſchen
alleine ſind unbeweglich und ſtets in einem
Stande. Ein Fuͤrſt ſoll iederzeit ſolche Aufacht
haben: daß ſelbter niemahls was beyzuſetzen
ſey/ noch er bey andraͤuender Gefahr die Ohren
ſpitzen doͤrffe/ und ſeine Feinde ihm niemahls
unvermuthet auf den Hals kommen/ wenn ſie
gleich geſchwinder/ als der Blitz loß ſchlagen.
Wiewol die Ohren nicht wie die Augen die
Sachen ſuchen/ ſondern von den Sachen ge-
ſucht werden/ ſtehen ſie doch/ wie der Mund
mit zwey Mauern verſchloſſen iſt/ mit zweyfa-
chen Pforten offen/ um die Dinge deſto beſſer in
ſich zu faſſen/ weil diß/ was man ſiehet/ beſtehet;
was man aber hoͤret/ alsbald verſchwindet. Ein
Fuͤrſt muß keine Ohrenblaͤſer halten/ noch nach
[Spaltenumbruch] Ver gaͤllung der Unſchuld trachten; aber fuͤr
nichts/ was auch nur das leichte Geſchrey ſei-
nem Reiche gefaͤhrliches andeutet/ die Ohren
verſtopffen; ja in allem zum minſten zweymal
ſo viel hoͤren als reden. Weil aber unſer Ge-
hoͤre niemand anderm in die Augen und em-
pfindlich faͤllt; muß ein Fuͤrſt ſich mehrmahls
anſtellen; als wenn er nicht hoͤrte/ und wegen
geringer Beleidigung ſein Reich nicht in Krieg
verwickeln/ noch allenthalben mit der Stirne/
daran die Natur ihm nicht ohne Urſache/ wie
etlichen grimmigen Thieren kein Horn wach-
ſen laſſen/ durchfahren. Jnſonderheit aber muß
er nach Art der den Zaubereꝛ hoͤrenden Schlan-
ge/ gegen die Heuchler bey Vernehmung un-
zeitigen Lobes das eine Ohr mit Erde in Erwe-
gung ſeiner irrdiſchen Unvollkommenheit/ bey
wolluͤſtigen Anreitzungen aber das andere mit
dem Schwantze durch Behertzigung des heß-
lichen Endes zuſtopffen; und wiſſen: daß die
Wolluſt zwar ein Engliſches Antlitz/ aber einen
Drachen-Schwantz habe; und ihr Anfang ein
Himmel/ ihr Ausgang eine Hoͤlle ſey. Die Na-
tur hat dem Menſchen zwey Ohren/ und zwar
in Geſtalt eines Jrrgartens oder Schnecken-
Hauſes mit gekruͤmmten Eingaͤngen gemacht;
wormit diß/ was er hoͤret/ an unterſchiedenen
Orten anſchlage/ und derogeſtalt wie das Ertzt
aus dem Klange/ alſo die Erzehlungen aus
dem Schalle erkennet werden; inſonderheit a-
ber ein Fuͤrſt/ als das lebendige Geſetze/ gegruͤn-
dete Anklagen von Verleumdungen/ redliche
Gemuͤths- Ausſchuͤttung von betruͤglichen
Schein-Worten unterſcheiden/ und wenn die
Falſchheit das eine Ohr beſeſſen/ er das andere
der meiſt zuletzt kommenden/ und das Nachſe-
hen habenden Warheit/ als eine unverſehrliche
Jungfrau/ vorbehalten moͤge. Dieſemnach
denn ein Fuͤrſt auch eine dinnſchaͤli htere Naſe/
als ein ſcharffruͤchender Geyer haben/ und nicht
nur alles in ſeinem Reiche/ ſondern biß in die
Staats-Cammern ſeiner Nachbarn ruͤchen;

keines
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1167" n="1103[1105]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;tand des Volckes fu&#x0364;r &#x017F;ich haben. Ja der Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t muß &#x017F;o wenig/ als die Augen in &#x017F;einer<lb/>
Wach&#x017F;amkeit mu&#x0364;de werden/ die hefftigen Ge-<lb/>
mu&#x0364;ths-Regungen ihm keinen Nebel/ die Arg-<lb/>
li&#x017F;t keinen blauen Dun&#x017F;t fu&#x0364;r die Augen machen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en/ noch einerley Ding mit dem einen Auge<lb/>
&#x017F;chwartz/ mit dem andern weiß an&#x017F;chauen; wo<lb/>
eben die Augen nicht hernach diß beweinen &#x017F;ol-<lb/>
len/ was &#x017F;ie vorher verkehrt an- oder gar u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;ehen haben. Weil aber die Warheit vor-<lb/>
werts einem begegnet/ der Betrug aber uns auf<lb/>
der Seite beykommen wil/ hat die Natur am<lb/>
Haupte das Ge&#x017F;ichte vor die Ohren &#x017F;eitwerts<lb/>
zu Wa&#x0364;chtern be&#x017F;tellt. Ein Fu&#x0364;r&#x017F;t muß nichts<lb/>
minder auf beyden Seiten wach&#x017F;am &#x017F;eyn; und<lb/>
wie die Ohren/ welche nicht wie die Augen mit<lb/>
Augenliedern/ noch wie die ungeza&#x0364;hmte Zunge<lb/>
mit zweyerley Za&#x0364;unen ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden ko&#x0364;n-<lb/>
nen/ &#x017F;ondern Tag und Nacht offen &#x017F;tehen/ ieder-<lb/>
man und allezeit ho&#x0364;ren. Denn der i&#x017F;t nicht<lb/>
werth/ daß er Ko&#x0364;nig i&#x017F;t/ dem das Ho&#x0364;ren ver-<lb/>
dru&#x0364;ßlich fa&#x0364;llt. Wenn der gantze Leib &#x017F;chla&#x0364;fft/<lb/>
halten die Ohren Schildwache/ um &#x017F;elbten fu&#x0364;r<lb/>
der &#x017F;ich na&#x0364;hernden Gefahr zu warnigen. Ein<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t aber &#x017F;oll deßhalben wachen: daß die Un-<lb/>
terthanen &#x017F;icher ruhen ko&#x0364;nnen. Alle Thiere<lb/>
heben und &#x017F;encken ihre Ohren/ des Men&#x017F;chen<lb/>
alleine &#x017F;ind unbeweglich und &#x017F;tets in einem<lb/>
Stande. Ein Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;oll iederzeit &#x017F;olche Aufacht<lb/>
haben: daß &#x017F;elbter niemahls was beyzu&#x017F;etzen<lb/>
&#x017F;ey/ noch er bey andra&#x0364;uender Gefahr die Ohren<lb/>
&#x017F;pitzen do&#x0364;rffe/ und &#x017F;eine Feinde ihm niemahls<lb/>
unvermuthet auf den Hals kommen/ wenn &#x017F;ie<lb/>
gleich ge&#x017F;chwinder/ als der Blitz loß &#x017F;chlagen.<lb/>
Wiewol die Ohren nicht wie die Augen die<lb/>
Sachen &#x017F;uchen/ &#x017F;ondern von den Sachen ge-<lb/>
&#x017F;ucht werden/ &#x017F;tehen &#x017F;ie doch/ wie der Mund<lb/>
mit zwey Mauern ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t/ mit zweyfa-<lb/>
chen Pforten offen/ um die Dinge de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er in<lb/>
&#x017F;ich zu fa&#x017F;&#x017F;en/ weil diß/ was man &#x017F;iehet/ be&#x017F;tehet;<lb/>
was man aber ho&#x0364;ret/ alsbald ver&#x017F;chwindet. Ein<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t muß keine Ohrenbla&#x0364;&#x017F;er halten/ noch nach<lb/><cb/>
Ver ga&#x0364;llung der Un&#x017F;chuld trachten; aber fu&#x0364;r<lb/>
nichts/ was auch nur das leichte Ge&#x017F;chrey &#x017F;ei-<lb/>
nem Reiche gefa&#x0364;hrliches andeutet/ die Ohren<lb/>
ver&#x017F;topffen; ja in allem zum min&#x017F;ten zweymal<lb/>
&#x017F;o viel ho&#x0364;ren als reden. Weil aber un&#x017F;er Ge-<lb/>
ho&#x0364;re niemand anderm in die Augen und em-<lb/>
pfindlich fa&#x0364;llt; muß ein Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;ich mehrmahls<lb/>
an&#x017F;tellen; als wenn er nicht ho&#x0364;rte/ und wegen<lb/>
geringer Beleidigung &#x017F;ein Reich nicht in Krieg<lb/>
verwickeln/ noch allenthalben mit der Stirne/<lb/>
daran die Natur ihm nicht ohne Ur&#x017F;ache/ wie<lb/>
etlichen grimmigen Thieren kein Horn wach-<lb/>
&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en/ durchfahren. Jn&#x017F;onderheit aber muß<lb/>
er nach Art der den Zaubere&#xA75B; ho&#x0364;renden Schlan-<lb/>
ge/ gegen die Heuchler bey Vernehmung un-<lb/>
zeitigen Lobes das eine Ohr mit Erde in Erwe-<lb/>
gung &#x017F;einer irrdi&#x017F;chen Unvollkommenheit/ bey<lb/>
wollu&#x0364;&#x017F;tigen Anreitzungen aber das andere mit<lb/>
dem Schwantze durch Behertzigung des heß-<lb/>
lichen Endes zu&#x017F;topffen; und wi&#x017F;&#x017F;en: daß die<lb/>
Wollu&#x017F;t zwar ein Engli&#x017F;ches Antlitz/ aber einen<lb/>
Drachen-Schwantz habe; und ihr Anfang ein<lb/>
Himmel/ ihr Ausgang eine Ho&#x0364;lle &#x017F;ey. Die Na-<lb/>
tur hat dem Men&#x017F;chen zwey Ohren/ und zwar<lb/>
in Ge&#x017F;talt eines Jrrgartens oder Schnecken-<lb/>
Hau&#x017F;es mit gekru&#x0364;mmten Einga&#x0364;ngen gemacht;<lb/>
wormit diß/ was er ho&#x0364;ret/ an unter&#x017F;chiedenen<lb/>
Orten an&#x017F;chlage/ und deroge&#x017F;talt wie das Ertzt<lb/>
aus dem Klange/ al&#x017F;o die Erzehlungen aus<lb/>
dem Schalle erkennet werden; in&#x017F;onderheit a-<lb/>
ber ein Fu&#x0364;r&#x017F;t/ als das lebendige Ge&#x017F;etze/ gegru&#x0364;n-<lb/>
dete Anklagen von Verleumdungen/ redliche<lb/>
Gemu&#x0364;ths- Aus&#x017F;chu&#x0364;ttung von betru&#x0364;glichen<lb/>
Schein-Worten unter&#x017F;cheiden/ und wenn die<lb/>
Fal&#x017F;chheit das eine Ohr be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en/ er das andere<lb/>
der mei&#x017F;t zuletzt kommenden/ und das Nach&#x017F;e-<lb/>
hen habenden Warheit/ als eine unver&#x017F;ehrliche<lb/>
Jungfrau/ vorbehalten mo&#x0364;ge. Die&#x017F;emnach<lb/>
denn ein Fu&#x0364;r&#x017F;t auch eine dinn&#x017F;cha&#x0364;li htere Na&#x017F;e/<lb/>
als ein &#x017F;charffru&#x0364;chender Geyer haben/ und nicht<lb/>
nur alles in &#x017F;einem Reiche/ &#x017F;ondern biß in die<lb/>
Staats-Cammern &#x017F;einer Nachbarn ru&#x0364;chen;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">keines</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1103[1105]/1167] Arminius und Thußnelda. ſtand des Volckes fuͤr ſich haben. Ja der Fuͤrſt ſelbſt muß ſo wenig/ als die Augen in ſeiner Wachſamkeit muͤde werden/ die hefftigen Ge- muͤths-Regungen ihm keinen Nebel/ die Arg- liſt keinen blauen Dunſt fuͤr die Augen machen laſſen/ noch einerley Ding mit dem einen Auge ſchwartz/ mit dem andern weiß anſchauen; wo eben die Augen nicht hernach diß beweinen ſol- len/ was ſie vorher verkehrt an- oder gar uͤber- ſehen haben. Weil aber die Warheit vor- werts einem begegnet/ der Betrug aber uns auf der Seite beykommen wil/ hat die Natur am Haupte das Geſichte vor die Ohren ſeitwerts zu Waͤchtern beſtellt. Ein Fuͤrſt muß nichts minder auf beyden Seiten wachſam ſeyn; und wie die Ohren/ welche nicht wie die Augen mit Augenliedern/ noch wie die ungezaͤhmte Zunge mit zweyerley Zaͤunen verſchloſſen werden koͤn- nen/ ſondern Tag und Nacht offen ſtehen/ ieder- man und allezeit hoͤren. Denn der iſt nicht werth/ daß er Koͤnig iſt/ dem das Hoͤren ver- druͤßlich faͤllt. Wenn der gantze Leib ſchlaͤfft/ halten die Ohren Schildwache/ um ſelbten fuͤr der ſich naͤhernden Gefahr zu warnigen. Ein Fuͤrſt aber ſoll deßhalben wachen: daß die Un- terthanen ſicher ruhen koͤnnen. Alle Thiere heben und ſencken ihre Ohren/ des Menſchen alleine ſind unbeweglich und ſtets in einem Stande. Ein Fuͤrſt ſoll iederzeit ſolche Aufacht haben: daß ſelbter niemahls was beyzuſetzen ſey/ noch er bey andraͤuender Gefahr die Ohren ſpitzen doͤrffe/ und ſeine Feinde ihm niemahls unvermuthet auf den Hals kommen/ wenn ſie gleich geſchwinder/ als der Blitz loß ſchlagen. Wiewol die Ohren nicht wie die Augen die Sachen ſuchen/ ſondern von den Sachen ge- ſucht werden/ ſtehen ſie doch/ wie der Mund mit zwey Mauern verſchloſſen iſt/ mit zweyfa- chen Pforten offen/ um die Dinge deſto beſſer in ſich zu faſſen/ weil diß/ was man ſiehet/ beſtehet; was man aber hoͤret/ alsbald verſchwindet. Ein Fuͤrſt muß keine Ohrenblaͤſer halten/ noch nach Ver gaͤllung der Unſchuld trachten; aber fuͤr nichts/ was auch nur das leichte Geſchrey ſei- nem Reiche gefaͤhrliches andeutet/ die Ohren verſtopffen; ja in allem zum minſten zweymal ſo viel hoͤren als reden. Weil aber unſer Ge- hoͤre niemand anderm in die Augen und em- pfindlich faͤllt; muß ein Fuͤrſt ſich mehrmahls anſtellen; als wenn er nicht hoͤrte/ und wegen geringer Beleidigung ſein Reich nicht in Krieg verwickeln/ noch allenthalben mit der Stirne/ daran die Natur ihm nicht ohne Urſache/ wie etlichen grimmigen Thieren kein Horn wach- ſen laſſen/ durchfahren. Jnſonderheit aber muß er nach Art der den Zaubereꝛ hoͤrenden Schlan- ge/ gegen die Heuchler bey Vernehmung un- zeitigen Lobes das eine Ohr mit Erde in Erwe- gung ſeiner irrdiſchen Unvollkommenheit/ bey wolluͤſtigen Anreitzungen aber das andere mit dem Schwantze durch Behertzigung des heß- lichen Endes zuſtopffen; und wiſſen: daß die Wolluſt zwar ein Engliſches Antlitz/ aber einen Drachen-Schwantz habe; und ihr Anfang ein Himmel/ ihr Ausgang eine Hoͤlle ſey. Die Na- tur hat dem Menſchen zwey Ohren/ und zwar in Geſtalt eines Jrrgartens oder Schnecken- Hauſes mit gekruͤmmten Eingaͤngen gemacht; wormit diß/ was er hoͤret/ an unterſchiedenen Orten anſchlage/ und derogeſtalt wie das Ertzt aus dem Klange/ alſo die Erzehlungen aus dem Schalle erkennet werden; inſonderheit a- ber ein Fuͤrſt/ als das lebendige Geſetze/ gegruͤn- dete Anklagen von Verleumdungen/ redliche Gemuͤths- Ausſchuͤttung von betruͤglichen Schein-Worten unterſcheiden/ und wenn die Falſchheit das eine Ohr beſeſſen/ er das andere der meiſt zuletzt kommenden/ und das Nachſe- hen habenden Warheit/ als eine unverſehrliche Jungfrau/ vorbehalten moͤge. Dieſemnach denn ein Fuͤrſt auch eine dinnſchaͤli htere Naſe/ als ein ſcharffruͤchender Geyer haben/ und nicht nur alles in ſeinem Reiche/ ſondern biß in die Staats-Cammern ſeiner Nachbarn ruͤchen; keines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1167
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1103[1105]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1167>, abgerufen am 23.11.2024.