Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
stellen? Allerdinges sind wol die eusserlichenSinnen und Glieder die Abbildungen der Seele/ und Ausleger ihrer Eigenschafften: daß aber die Augen sich selbst nicht sehen/ ist eine klu- ge Behutsamkeit der Natur/ welche dar durch den Menschen anweisen wollen: daß er durch stetes Ansehen seiner selbst sich ihm nicht selbst zum Abgotte mache; und wegen so geschäfftiger Eigen-Liebe nichts fremdem seine Augen gön- ne. Jch mag von allen Gliedern des Men- schen dir nicht die Richtschnuren deiner Selbst- Erkäntnüß zeugen; sondern weil du ein Haupt so vieler Völcker bist/ und diese Larve wol nicht ehe/ als mit Verwechselung des Sterbekittels abzulegen denckest; dich allein an die Betrach- tung deines Hauptes weisen; welches allerdin- ges ein Auszug der Welt/ ein Ebenbild der himmlischen Stern-Kreiße/ ein Schloß der Seelen/ und das Zeug-Hauß ihrer Bewegun- gen ist; zur Anleitung: daß im Fürsten das gan- tze Volck gleichsam begrieffen; seine Verrich- tungen der himmlischen Reinligkeit zugethan; ein Herrscher der Schutz seiner Unterthanen/ und die Stärcke seines Reiches seyn solle. Ein Fürst ist so wol/ als das Hauptüber alle Glie- der empor gesetzt/ seines Ansehens und Amptes wegen; welches letztere ihm die sorgfältige Auf- sicht über die Niedrigen; das erstere aber: daß er ihm niemanden zu Kopffe wachsen lasse/ kei- nen Diener so groß/ als er selbst ist/ mache/ ein- bindet. Weßwegen ein Reich mit zweyen Für- sten für eine so grosse Miß geburt zu halten/ als ein Leib mit zweyen Köpffen. Sintemal die ein- zele Zahl zum Herrschen/ die Vielheit aber nur zum gehorsamen geschickt ist; ja die Bewegung des Himmels selbst aus einem Uhrsprunge fleust. Jm Haupte haben alle fünff Sinnen ihre Wohnstatt; der übrige Leib/ dessen Adern doch noch niemand gezehlet/ dessen Gebeine mit den Tagen des Jahres einerley Zahl halten/ ist allein mit dem irrdischen Fühlen begabet. Nach dessen Beyspiele ein Fürst so vielmahl seines [Spaltenumbruch] gantzen Volckes Gaben übertreffen soll. Für- nemlich aber hat der Verstand allein im Haup- te den Sitz; weil ein Fürst mit seiner Klugheit den Gebrechen eines gantzen Landes/ und den Jrrthümern vieler Völcker abzuhelffen ge- wachsen seyn soll. Das Gedächtnüß ruhet im Hintertheile des Hauptes/ wie der Verstand in dem vördersten; weil dieser auf das gegenwär- tige und künfftige Auffsicht haben/ jenes aber auf das vergangene zurück sehen/ und aus dem Menschen gleichsam einen zweyfachen Janus machen muß. Ein Fürst muß nichts minder seiner Vorfahren Thun und Zufälle; und du Marbod insonderheit Brittons Fehler im Gesichte behalten/ und aus selbten die zukünff- tigen urtheilen. Denn das Leben der Men- schen ist ein blosses Schauspiel; in welchem zwar die Personen verändert werden; das Spiel aber einerley ist/ und von vornen wieder seinen alten Anfang nimmt. Das Haupt kan nicht ohne Augen; ein Fürst nicht ohne Räthe seyn; weil es nicht rath sam ist: daß er die schwere Ku- gel der Herrschafft allein auf seine Hörner neh- me. Denn ihm allein alles zutrauen ist mehr eine Vermessenheit/ als klug gethan. Deß- halben verdienten die obern Staats-Diener bey den Persen schon den Nahmen der Augen; nach dem kluger Rath nichts anders/ als ein auf künfftige Begebenheiten gerichtetes Auge ist. Das Hertz und die Augen sind an einander so genau verknüpffet: daß diese sich seiner Freude und Leid alsofort theilhafftig machen. Ein Fürst muß nichts minder seiner Diener em- pfindlichen Zuneigung versichert seyn; und kei- ne andere erkiesen; als welche wie die Augen keinen Sonnenstaub des Eigen-Nutzes in sich vertragen; welche durch die geringste Beta- stung nicht ihres Fürsten Heimligkeiten erfor- schen lassen; und ob sie zwar gleichsam durch einen Tamm unterschieden sind/ dennoch mit einander übereinstimmen/ einerley Augenwerck nehmlich die Ehre ihres Fürsten und den Wol- stand
Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
ſtellen? Allerdinges ſind wol die euſſerlichenSinnen und Glieder die Abbildungen der Seele/ und Ausleger ihrer Eigenſchafften: daß aber die Augen ſich ſelbſt nicht ſehen/ iſt eine klu- ge Behutſamkeit der Natur/ welche dar durch den Menſchen anweiſen wollen: daß er durch ſtetes Anſehen ſeiner ſelbſt ſich ihm nicht ſelbſt zum Abgotte mache; und wegen ſo geſchaͤfftiger Eigen-Liebe nichts fremdem ſeine Augen goͤn- ne. Jch mag von allen Gliedern des Men- ſchen dir nicht die Richtſchnuren deiner Selbſt- Erkaͤntnuͤß zeugen; ſondern weil du ein Haupt ſo vieler Voͤlcker biſt/ und dieſe Larve wol nicht ehe/ als mit Verwechſelung des Sterbekittels abzulegen denckeſt; dich allein an die Betrach- tung deines Hauptes weiſen; welches allerdin- ges ein Auszug der Welt/ ein Ebenbild der himmliſchen Stern-Kreiße/ ein Schloß der Seelen/ und das Zeug-Hauß ihrer Bewegun- gen iſt; zur Anleitung: daß im Fuͤrſten das gan- tze Volck gleichſam begrieffen; ſeine Verrich- tungen der himmliſchen Reinligkeit zugethan; ein Herꝛſcher der Schutz ſeiner Unterthanen/ und die Staͤrcke ſeines Reiches ſeyn ſolle. Ein Fuͤrſt iſt ſo wol/ als das Hauptuͤber alle Glie- der empor geſetzt/ ſeines Anſehens und Amptes wegen; welches letztere ihm die ſorgfaͤltige Auf- ſicht uͤber die Niedrigen; das erſtere aber: daß er ihm niemanden zu Kopffe wachſen laſſe/ kei- nen Diener ſo groß/ als er ſelbſt iſt/ mache/ ein- bindet. Weßwegen ein Reich mit zweyen Fuͤr- ſten fuͤr eine ſo groſſe Miß geburt zu halten/ als ein Leib mit zweyen Koͤpffen. Sintemal die ein- zele Zahl zum Herꝛſchen/ die Vielheit aber nur zum gehorſamen geſchickt iſt; ja die Bewegung des Himmels ſelbſt aus einem Uhrſprunge fleuſt. Jm Haupte haben alle fuͤnff Sinnen ihre Wohnſtatt; der uͤbrige Leib/ deſſen Adern doch noch niemand gezehlet/ deſſen Gebeine mit den Tagen des Jahres einerley Zahl halten/ iſt allein mit dem irrdiſchen Fuͤhlen begabet. Nach deſſen Beyſpiele ein Fuͤrſt ſo vielmahl ſeines [Spaltenumbruch] gantzen Volckes Gaben uͤbertreffen ſoll. Fuͤr- nemlich aber hat der Verſtand allein im Haup- te den Sitz; weil ein Fuͤrſt mit ſeiner Klugheit den Gebrechen eines gantzen Landes/ und den Jrrthuͤmern vieler Voͤlcker abzuhelffen ge- wachſen ſeyn ſoll. Das Gedaͤchtnuͤß ruhet im Hintertheile des Hauptes/ wie der Verſtand in dem voͤrderſten; weil dieſer auf das gegenwaͤr- tige und kuͤnfftige Auffſicht haben/ jenes aber auf das vergangene zuruͤck ſehen/ und aus dem Menſchen gleichſam einen zweyfachen Janus machen muß. Ein Fuͤrſt muß nichts minder ſeiner Vorfahren Thun und Zufaͤlle; und du Marbod inſonderheit Brittons Fehler im Geſichte behalten/ und aus ſelbten die zukuͤnff- tigen urtheilen. Denn das Leben der Men- ſchen iſt ein bloſſes Schauſpiel; in welchem zwar die Perſonen veraͤndert werden; das Spiel aber einerley iſt/ und von vornen wieder ſeinen alten Anfang nimmt. Das Haupt kan nicht ohne Augen; ein Fuͤrſt nicht ohne Raͤthe ſeyn; weil es nicht rath ſam iſt: daß er die ſchwere Ku- gel der Herꝛſchafft allein auf ſeine Hoͤrner neh- me. Denn ihm allein alles zutrauen iſt mehr eine Vermeſſenheit/ als klug gethan. Deß- halben verdienten die obern Staats-Diener bey den Perſen ſchon den Nahmen der Augen; nach dem kluger Rath nichts anders/ als ein auf kuͤnfftige Begebenheiten gerichtetes Auge iſt. Das Hertz und die Augen ſind an einander ſo genau verknuͤpffet: daß dieſe ſich ſeiner Freude und Leid alſofort theilhafftig machen. Ein Fuͤrſt muß nichts minder ſeiner Diener em- pfindlichen Zuneigung verſichert ſeyn; und kei- ne andere erkieſen; als welche wie die Augen keinen Sonnenſtaub des Eigen-Nutzes in ſich vertragen; welche durch die geringſte Beta- ſtung nicht ihres Fuͤrſten Heimligkeiten erfor- ſchen laſſen; und ob ſie zwar gleichſam durch einen Tamm unterſchieden ſind/ dennoch mit einander uͤbereinſtim̃en/ einerley Augenwerck nehmlich die Ehre ihres Fuͤrſten und den Wol- ſtand
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Siebendes Buch
ſtellen? Allerdinges ſind wol die euſſerlichen
Sinnen und Glieder die Abbildungen der
Seele/ und Ausleger ihrer Eigenſchafften: daß
aber die Augen ſich ſelbſt nicht ſehen/ iſt eine klu-
ge Behutſamkeit der Natur/ welche dar durch
den Menſchen anweiſen wollen: daß er durch
ſtetes Anſehen ſeiner ſelbſt ſich ihm nicht ſelbſt
zum Abgotte mache; und wegen ſo geſchaͤfftiger
Eigen-Liebe nichts fremdem ſeine Augen goͤn-
ne. Jch mag von allen Gliedern des Men-
ſchen dir nicht die Richtſchnuren deiner Selbſt-
Erkaͤntnuͤß zeugen; ſondern weil du ein Haupt
ſo vieler Voͤlcker biſt/ und dieſe Larve wol nicht
ehe/ als mit Verwechſelung des Sterbekittels
abzulegen denckeſt; dich allein an die Betrach-
tung deines Hauptes weiſen; welches allerdin-
ges ein Auszug der Welt/ ein Ebenbild der
himmliſchen Stern-Kreiße/ ein Schloß der
Seelen/ und das Zeug-Hauß ihrer Bewegun-
gen iſt; zur Anleitung: daß im Fuͤrſten das gan-
tze Volck gleichſam begrieffen; ſeine Verrich-
tungen der himmliſchen Reinligkeit zugethan;
ein Herꝛſcher der Schutz ſeiner Unterthanen/
und die Staͤrcke ſeines Reiches ſeyn ſolle. Ein
Fuͤrſt iſt ſo wol/ als das Hauptuͤber alle Glie-
der empor geſetzt/ ſeines Anſehens und Amptes
wegen; welches letztere ihm die ſorgfaͤltige Auf-
ſicht uͤber die Niedrigen; das erſtere aber: daß
er ihm niemanden zu Kopffe wachſen laſſe/ kei-
nen Diener ſo groß/ als er ſelbſt iſt/ mache/ ein-
bindet. Weßwegen ein Reich mit zweyen Fuͤr-
ſten fuͤr eine ſo groſſe Miß geburt zu halten/ als
ein Leib mit zweyen Koͤpffen. Sintemal die ein-
zele Zahl zum Herꝛſchen/ die Vielheit aber nur
zum gehorſamen geſchickt iſt; ja die Bewegung
des Himmels ſelbſt aus einem Uhrſprunge
fleuſt. Jm Haupte haben alle fuͤnff Sinnen
ihre Wohnſtatt; der uͤbrige Leib/ deſſen Adern
doch noch niemand gezehlet/ deſſen Gebeine mit
den Tagen des Jahres einerley Zahl halten/ iſt
allein mit dem irrdiſchen Fuͤhlen begabet. Nach
deſſen Beyſpiele ein Fuͤrſt ſo vielmahl ſeines
gantzen Volckes Gaben uͤbertreffen ſoll. Fuͤr-
nemlich aber hat der Verſtand allein im Haup-
te den Sitz; weil ein Fuͤrſt mit ſeiner Klugheit
den Gebrechen eines gantzen Landes/ und den
Jrrthuͤmern vieler Voͤlcker abzuhelffen ge-
wachſen ſeyn ſoll. Das Gedaͤchtnuͤß ruhet im
Hintertheile des Hauptes/ wie der Verſtand in
dem voͤrderſten; weil dieſer auf das gegenwaͤr-
tige und kuͤnfftige Auffſicht haben/ jenes aber
auf das vergangene zuruͤck ſehen/ und aus dem
Menſchen gleichſam einen zweyfachen Janus
machen muß. Ein Fuͤrſt muß nichts minder
ſeiner Vorfahren Thun und Zufaͤlle; und
du Marbod inſonderheit Brittons Fehler im
Geſichte behalten/ und aus ſelbten die zukuͤnff-
tigen urtheilen. Denn das Leben der Men-
ſchen iſt ein bloſſes Schauſpiel; in welchem
zwar die Perſonen veraͤndert werden; das Spiel
aber einerley iſt/ und von vornen wieder ſeinen
alten Anfang nimmt. Das Haupt kan nicht
ohne Augen; ein Fuͤrſt nicht ohne Raͤthe ſeyn;
weil es nicht rath ſam iſt: daß er die ſchwere Ku-
gel der Herꝛſchafft allein auf ſeine Hoͤrner neh-
me. Denn ihm allein alles zutrauen iſt mehr
eine Vermeſſenheit/ als klug gethan. Deß-
halben verdienten die obern Staats-Diener
bey den Perſen ſchon den Nahmen der Augen;
nach dem kluger Rath nichts anders/ als ein auf
kuͤnfftige Begebenheiten gerichtetes Auge iſt.
Das Hertz und die Augen ſind an einander ſo
genau verknuͤpffet: daß dieſe ſich ſeiner Freude
und Leid alſofort theilhafftig machen. Ein
Fuͤrſt muß nichts minder ſeiner Diener em-
pfindlichen Zuneigung verſichert ſeyn; und kei-
ne andere erkieſen; als welche wie die Augen
keinen Sonnenſtaub des Eigen-Nutzes in ſich
vertragen; welche durch die geringſte Beta-
ſtung nicht ihres Fuͤrſten Heimligkeiten erfor-
ſchen laſſen; und ob ſie zwar gleichſam durch
einen Tamm unterſchieden ſind/ dennoch mit
einander uͤbereinſtim̃en/ einerley Augenwerck
nehmlich die Ehre ihres Fuͤrſten und den Wol-
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