Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
nichts minder klugen/ als heiligen Alten aus;und nach einem tieffen Seuffzer fieng er an: Warlich/ Vater/ diese Perlen sindin der Mu- schel dieser Höle nicht gewachsen! Denn wie mag die Einsamkeit eine Schule des Hofes/ und ein Einsiedel ein Staats-Verständiger seyn? Dannenher wie wir zwar für diesen heilsamen Unterricht dir ungeltbaren Danck schuldig sind/ werden selbte doch in unsern Hertzen so viel mehr Nachdruck haben; wenn die Wissenschafft ihres herrlichen Uhrsprungs ihren Werth noch ver- grössern/ und Marbod erfahren wird/ wer beu- te sein so grosser Lehrer gewesen sey. Der Alte blieb eine gute Weile voller Nachdencken ste- hen/ endlich aber redete er den Marbod also an: Wenn das Reichthum meiner Einsamkeit so sichtbar/ als der Menschen Begierde frem- des Gut zu besitzen gemein/ oder auch meiner Vergnügung Abbruch zu thun iemanden möglich wäre; würde ich billich Bedencken tragen euch zu entdecken: daß ihr für euch einen König sehet/ der für Jahren zwar über viel Völcker/ nunmehr aber über sich selbst eine viel herrlichere Herrschafft führt; der nunmehr al- lererst ihm selbst lebt/ nach dem er in aller Ge- dancken gestorben ist. Aber weil mein Glücke höher gestellet ist; als daß es der Neid mit sei- nem gifftigen Atheme solte können anhauchen/ oder die Ehrsucht mit ihren Pfeilen erzielen; so wisse Marbod: daß du reden hörest den wey- land unglücklichen/ nunmehr aber seligen Ario- vist. König Marbod fiel alsofort mit tieffster Ehrerbietung zu Bodem/ umarmte Ariovisten mit diesen langsam heraus gestossenen Worten: Darff ich mir wol das Glücke träumen lassen heute den grossen Ariovist zu sehen; und lässet sich mit Gedancken begreiffen: daß ein so gros- ser Fürst für den Glantz so vieler Kronen das Finsternüß dieser Höle/ für die fußfällige Bedie- nung hundert Völcker diese langsame Einsam- keit erkieset habe? Ariovist hob ihn auf/ und hieß ihn von der seinem itzigen Zustande gar nicht [Spaltenumbruch] anständigen Verehrung abstehen/ an der Warheit seiner Erzehlung aber nicht zweif- feln; und an seinem entblösten Arme das an- gebohrne Kennzeichen der Alemannischen Fürsten/ nemlich einen gesichelten Mohnden/ wahrnehmen/ wie Selevcus auf der Schulter einen Ancker/ Kayser August den gestirnten Bär auf der Brust/ seine Mutter Atia einen Drachen über dem Nabel gehabt haben solte. Das Abstürtzen von König-Stülen/ sagte er/ ist zwar gemeiner/ als das freywillige herunter steigen; jenes aber rühret meist von Lastern/ dieses von Tugend und Klugheit her. Jenes zeucht den Untergang/ dieses eine Erhöhung der Seele und der Gemüths-Vergnügung nach sich. Es ist ja wol an Fürstlichen Höfen ein unbekandtes Wunderwerck/ nicht herrschen wollen/ wenn man kan; aber in der Schule des Weisen ein noch seltzamer die zur Herrschafft bestimmte Vernunfft denen wütenden Begier- den unterwerffen; und sich selbst zum Knechte machen; wormit uns andere gehorsamen. Mein Vater Arbogast hatte mir eine ziemliche Anzahl Völcker zu Unterthanen hinterlassen: denn der Ehr geitz hat nun auch der Menschen Dienst- barkeit erblich gemacht; aber das Glücke warff noch viel mehr Länder unter meine Botmäßig- keit; wormit es durch den Raub seines zuge- worffenen Reichthums mit der Zeit einen desto grössern Raub gewinnen möchte. Cäsar hieb mir in das Rad meiner Siege den ersten Span ein; und ich lernte dazumahl allererst: daß das Glücke so wenig Bürgen über seine Beständig- keir/ als Tapfferkeit in der Welt nicht ihres gleichen habe. Mit meinen Gemahlinnen und Töchtern verlohr ich mehr/ als die Helffte mei- ner selbst. Denn ich wuste nicht: daß alles irr- dische nur geborgtes Gut/ die Ruhe des Ge- müthes aber allein unser schätzbares Eigenthum wäre. Die Eintracht kehrte hierauf Deutsch- lande/ alles Glücke aber schier mir den Rücken; zum Merckmahle: daß selbtes ein Weib wäre/ welches
Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
nichts minder klugen/ als heiligen Alten aus;und nach einem tieffen Seuffzer fieng er an: Warlich/ Vater/ dieſe Perlen ſindin der Mu- ſchel dieſer Hoͤle nicht gewachſen! Denn wie mag die Einſamkeit eine Schule des Hofes/ und ein Einſiedel ein Staats-Verſtaͤndiger ſeyn? Dannenher wie wir zwar fuͤr dieſen heilſamen Unterricht dir ungeltbaren Danck ſchuldig ſind/ werden ſelbte doch in unſern Hertzen ſo viel mehꝛ Nachdruck haben; wenn die Wiſſenſchafft ihres herrlichen Uhrſprungs ihren Werth noch ver- groͤſſern/ und Marbod erfahren wird/ wer beu- te ſein ſo groſſer Lehrer geweſen ſey. Der Alte blieb eine gute Weile voller Nachdencken ſte- hen/ endlich aber redete er den Marbod alſo an: Wenn das Reichthum meiner Einſamkeit ſo ſichtbar/ als der Menſchen Begierde frem- des Gut zu beſitzen gemein/ oder auch meiner Vergnuͤgung Abbruch zu thun iemanden moͤglich waͤre; wuͤrde ich billich Bedencken tragen euch zu entdecken: daß ihr fuͤr euch einen Koͤnig ſehet/ der fuͤr Jahren zwar uͤber viel Voͤlcker/ nunmehr aber uͤber ſich ſelbſt eine viel herrlichere Herrſchafft fuͤhrt; der nunmehr al- lererſt ihm ſelbſt lebt/ nach dem er in aller Ge- dancken geſtorben iſt. Aber weil mein Gluͤcke hoͤher geſtellet iſt; als daß es der Neid mit ſei- nem gifftigen Atheme ſolte koͤnnen anhauchen/ oder die Ehrſucht mit ihren Pfeilen erzielen; ſo wiſſe Marbod: daß du reden hoͤreſt den wey- land ungluͤcklichen/ nunmehr aber ſeligen Ario- viſt. Koͤnig Marbod fiel alſofort mit tieffſter Ehrerbietung zu Bodem/ umarmte Arioviſten mit dieſen langſam heraus geſtoſſenen Worten: Darff ich mir wol das Gluͤcke traͤumen laſſen heute den groſſen Arioviſt zu ſehen; und laͤſſet ſich mit Gedancken begreiffen: daß ein ſo groſ- ſer Fuͤrſt fuͤr den Glantz ſo vieler Kronen das Finſternuͤß dieſer Hoͤle/ fuͤr die fußfaͤllige Bedie- nung hundert Voͤlcker dieſe langſame Einſam- keit erkieſet habe? Arioviſt hob ihn auf/ und hieß ihn von der ſeinem itzigen Zuſtande gar nicht [Spaltenumbruch] anſtaͤndigen Verehrung abſtehen/ an der Warheit ſeiner Erzehlung aber nicht zweif- feln; und an ſeinem entbloͤſten Arme das an- gebohrne Kennzeichen der Alemanniſchen Fuͤrſten/ nemlich einen geſichelten Mohnden/ wahrnehmen/ wie Selevcus auf der Schulter einen Ancker/ Kayſer Auguſt den geſtirnten Baͤr auf der Bruſt/ ſeine Mutter Atia einen Drachen uͤber dem Nabel gehabt haben ſolte. Das Abſtuͤrtzen von Koͤnig-Stuͤlen/ ſagte er/ iſt zwar gemeiner/ als das freywillige herunter ſteigen; jenes aber ruͤhret meiſt von Laſtern/ dieſes von Tugend und Klugheit her. Jenes zeucht den Untergang/ dieſes eine Erhoͤhung der Seele und der Gemuͤths-Vergnuͤgung nach ſich. Es iſt ja wol an Fuͤrſtlichen Hoͤfen ein unbekandtes Wunderwerck/ nicht herꝛſchen wollen/ wenn man kan; aber in der Schule des Weiſen ein noch ſeltzamer die zur Herrſchafft beſtimmte Vernunfft denen wuͤtenden Begier- den unterwerffen; und ſich ſelbſt zum Knechte machen; wormit uns andere gehorſamen. Mein Vater Arbogaſt hatte mir eine ziemliche Anzahl Voͤlcker zu Unterthanen hinterlaſſen: denn der Ehr geitz hat nun auch der Menſchen Dienſt- barkeit erblich gemacht; aber das Gluͤcke warff noch viel mehr Laͤnder unter meine Botmaͤßig- keit; wormit es durch den Raub ſeines zuge- worffenen Reichthums mit der Zeit einen deſto groͤſſern Raub gewinnen moͤchte. Caͤſar hieb mir in das Rad meiner Siege den erſten Span ein; und ich lernte dazumahl allererſt: daß das Gluͤcke ſo wenig Buͤrgen uͤber ſeine Beſtaͤndig- keir/ als Tapfferkeit in der Welt nicht ihres gleichen habe. Mit meinen Gemahlinnen und Toͤchtern verlohr ich mehr/ als die Helffte mei- ner ſelbſt. Denn ich wuſte nicht: daß alles irr- diſche nur geborgtes Gut/ die Ruhe des Ge- muͤthes aber allein unſer ſchaͤtzbaꝛes Eigenthum waͤre. Die Eintracht kehrte hierauf Deutſch- lande/ alles Gluͤcke aber ſchier mir den Ruͤcken; zum Merckmahle: daß ſelbtes ein Weib waͤre/ welches
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Siebendes Buch
nichts minder klugen/ als heiligen Alten aus;
und nach einem tieffen Seuffzer fieng er an:
Warlich/ Vater/ dieſe Perlen ſindin der Mu-
ſchel dieſer Hoͤle nicht gewachſen! Denn wie
mag die Einſamkeit eine Schule des Hofes/ und
ein Einſiedel ein Staats-Verſtaͤndiger ſeyn?
Dannenher wie wir zwar fuͤr dieſen heilſamen
Unterricht dir ungeltbaren Danck ſchuldig ſind/
werden ſelbte doch in unſern Hertzen ſo viel mehꝛ
Nachdruck haben; wenn die Wiſſenſchafft ihres
herrlichen Uhrſprungs ihren Werth noch ver-
groͤſſern/ und Marbod erfahren wird/ wer beu-
te ſein ſo groſſer Lehrer geweſen ſey. Der Alte
blieb eine gute Weile voller Nachdencken ſte-
hen/ endlich aber redete er den Marbod alſo
an: Wenn das Reichthum meiner Einſamkeit
ſo ſichtbar/ als der Menſchen Begierde frem-
des Gut zu beſitzen gemein/ oder auch meiner
Vergnuͤgung Abbruch zu thun iemanden
moͤglich waͤre; wuͤrde ich billich Bedencken
tragen euch zu entdecken: daß ihr fuͤr euch einen
Koͤnig ſehet/ der fuͤr Jahren zwar uͤber viel
Voͤlcker/ nunmehr aber uͤber ſich ſelbſt eine viel
herrlichere Herrſchafft fuͤhrt; der nunmehr al-
lererſt ihm ſelbſt lebt/ nach dem er in aller Ge-
dancken geſtorben iſt. Aber weil mein Gluͤcke
hoͤher geſtellet iſt; als daß es der Neid mit ſei-
nem gifftigen Atheme ſolte koͤnnen anhauchen/
oder die Ehrſucht mit ihren Pfeilen erzielen;
ſo wiſſe Marbod: daß du reden hoͤreſt den wey-
land ungluͤcklichen/ nunmehr aber ſeligen Ario-
viſt. Koͤnig Marbod fiel alſofort mit tieffſter
Ehrerbietung zu Bodem/ umarmte Arioviſten
mit dieſen langſam heraus geſtoſſenen Worten:
Darff ich mir wol das Gluͤcke traͤumen laſſen
heute den groſſen Arioviſt zu ſehen; und laͤſſet
ſich mit Gedancken begreiffen: daß ein ſo groſ-
ſer Fuͤrſt fuͤr den Glantz ſo vieler Kronen das
Finſternuͤß dieſer Hoͤle/ fuͤr die fußfaͤllige Bedie-
nung hundert Voͤlcker dieſe langſame Einſam-
keit erkieſet habe? Arioviſt hob ihn auf/ und hieß
ihn von der ſeinem itzigen Zuſtande gar nicht
anſtaͤndigen Verehrung abſtehen/ an der
Warheit ſeiner Erzehlung aber nicht zweif-
feln; und an ſeinem entbloͤſten Arme das an-
gebohrne Kennzeichen der Alemanniſchen
Fuͤrſten/ nemlich einen geſichelten Mohnden/
wahrnehmen/ wie Selevcus auf der Schulter
einen Ancker/ Kayſer Auguſt den geſtirnten
Baͤr auf der Bruſt/ ſeine Mutter Atia einen
Drachen uͤber dem Nabel gehabt haben ſolte.
Das Abſtuͤrtzen von Koͤnig-Stuͤlen/ ſagte er/
iſt zwar gemeiner/ als das freywillige herunter
ſteigen; jenes aber ruͤhret meiſt von Laſtern/
dieſes von Tugend und Klugheit her. Jenes
zeucht den Untergang/ dieſes eine Erhoͤhung
der Seele und der Gemuͤths-Vergnuͤgung
nach ſich. Es iſt ja wol an Fuͤrſtlichen Hoͤfen
ein unbekandtes Wunderwerck/ nicht herꝛſchen
wollen/ wenn man kan; aber in der Schule des
Weiſen ein noch ſeltzamer die zur Herrſchafft
beſtimmte Vernunfft denen wuͤtenden Begier-
den unterwerffen; und ſich ſelbſt zum Knechte
machen; wormit uns andere gehorſamen. Mein
Vater Arbogaſt hatte mir eine ziemliche Anzahl
Voͤlcker zu Unterthanen hinterlaſſen: denn der
Ehr geitz hat nun auch der Menſchen Dienſt-
barkeit erblich gemacht; aber das Gluͤcke warff
noch viel mehr Laͤnder unter meine Botmaͤßig-
keit; wormit es durch den Raub ſeines zuge-
worffenen Reichthums mit der Zeit einen deſto
groͤſſern Raub gewinnen moͤchte. Caͤſar hieb
mir in das Rad meiner Siege den erſten Span
ein; und ich lernte dazumahl allererſt: daß das
Gluͤcke ſo wenig Buͤrgen uͤber ſeine Beſtaͤndig-
keir/ als Tapfferkeit in der Welt nicht ihres
gleichen habe. Mit meinen Gemahlinnen und
Toͤchtern verlohr ich mehr/ als die Helffte mei-
ner ſelbſt. Denn ich wuſte nicht: daß alles irr-
diſche nur geborgtes Gut/ die Ruhe des Ge-
muͤthes aber allein unſer ſchaͤtzbaꝛes Eigenthum
waͤre. Die Eintracht kehrte hierauf Deutſch-
lande/ alles Gluͤcke aber ſchier mir den Ruͤcken;
zum Merckmahle: daß ſelbtes ein Weib waͤre/
welches
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