Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und ungelegenen Uberlauffs entübrigt. Wir
halten allhier täglich Siegs-Gepränge; man
setzet der Tugend' alle Augenblicke frische Eh-
ren-Kräntze auff; Der Himmel und unser Ge-
wissen ruffet unserer Unschuld tausend Lobsprü-
che zu; und wir verwandeln die Hefen des sonst
beschwerlichen Alters in das vollkommenste
Theil unsers Lebens/ welches nunmehr weder
Jahr noch Monat/ weder Ende noch Anfang
zu unterscheiden/ für keinem Geräusche zu er-
schrecken/ nach keiner Glocke sich zu richten/ und
so wenig als die Ewigkeit selbst einer Uhr von
nöthen/ die Gestirne zu seinem Zeitvertreib/ die
Welt zu seinem Garten/ seine reine Gedancken
zu seiner Speise hat. Mit einem Worte; Un-
sere Lebens-Art stehet reinen Seelen/ wie das
Wasser den Fischen/ die Lufft dem Geflügel
an/ sie ist ein Muster des Lebens im Himmel;
und ein Vorschmack seiner Süßigkeit.

Nach diesen Worten leitete er mich zum
Eingange seiner Höle; da er die Lob-Sprüche
seiner beliebten Einsamkeit mit folgenden Rey-
men in eine von dem grünen Moße gesauberte
Stein-Klippe mühsam eingegraben hatte:

Der Seele süsse Ruh/ der Kern der thenern Zeit/
Des Hertzens stumme Lust/ der Unschuld treuster Freund/
Der Warheit Mitgeferth/ und Eitelkeiten Feind/
Der List und Wollust nicht mit scheinbarn Körnern streut/
Die auf den Abend nie des Tages Thun bereut/
Die kein schlimm Bey[s]piel sieht/ kein Unrecht nie beweint/
Der wenn es auswerts blitzt/ die Sonn inwendig scheint/
Der Friede des Gemüths/ diß ist die Einsamkeit.
Glaubt: daß die Unruh ihr der Welt ein Unding heißt;
Daß Ehrsucht nie den Tag/ die Furcht keinmahl die Nacht
Zu kurtz; kein Kummer ihr zu lange Stunden macht;
Daß sie kein Zorn erhitzt/ kein' Augst ihr Hertz umeyst'
Kein Heuchler sie bläh't auf/ kein Dräuen sie zwängt ein;
Daß sie läst Emsame nie bang- und einsam seyn.

Durch diese/ und mehr bewegliche Zuredung
des Samothischen Weisen/ sagte Ariovist/ ward
ich derogestalt eingenommen; oder/ wenn ich zu
einer so heilsamen Würckung ein so gefährliches
Wort brauchen dörffte/ bezaubert: daß meine
Königliche Würde und alles irrdische mich an-
[Spaltenumbruch] stanck; die gelobte Einsamkeit aber mein Ge-
müthe mit einem anmuthigern Geruch/ als
Balsam und Jasmin anhauchete; also: daß ich
von Stund an meinem Pferde den freyen Lauf
verstattete/ meinen Degen/ Kleider und Jäger-
Geräthe wegwarff/ mich mit dieser Haut deck-
te; und um von den Meinigen nicht ausge-
spüret zu werden/ mit meinem Lehrer mich in
eine nahe darbey verdeckte Höle verbarg. Jn
welcher wir folgende Nacht und biß in dritten
Tag ein unaufhörliches Gethöne von Jäger-
Hörnern vernahmen; weil dem Vermuthen
nach ich von den Meinigen gesucht; und nach
vergebener Müh/ Zweiffels-frey für tod gehal-
ten ward. Nach dem ich mich aber in dieser Nä-
he nicht allerdings genung verborgen zu seyn
achtete/ beredete ich meinen Lehrer: daß er mit
mir durch die dicksten Harudischen Wälder
biß auf den Fichtelberg/ und als wir da eine
Zeit uns aufgehalten/ auf das Hercynische Ge-
bürge; und um selbtes herum biß auf gegenwär-
tigen Berg sich entfernte. Welchen sich deß-
wegen für den herrlichsten Ort in der Welt hal-
te; weil ich von dem Samothischen Weisen die
vollkommene Ruhe des Gemüthes gelernet/
mich darauf über alle irrdische Sorgen erhöhet
zu seyn befinde; und bey meiner Glückseligkeit
die Thorheiten der Menschen/ davon mir zu-
weilen ein oder ander Wurtzelmann zu erzehlen
weiß; verlachen/ und itzt mit deiner Eitelkeit/
lieber Marbod/ Erbarmnüß haben; nichts aber
an deiner eingebildeten Hoheit beneiden kan;
ja ich traute dir in meiner Einsamkeit/ oder viel-
mehr in der mir erkieseten Todten-Höle/ solche
Reichthümer zu zeigen; welche wenige Welt-
beherrscher ihr Lebetage zu sehen/ weniger zu
besitzen bekommen; und da August nichts min-
der als du mein Grabmahl schwerlich ohne
Mißgunst würden betrachten/ und wie itzt von
mir: daß die Natur/ wenn sich die aufblehende
Ehrsucht wiedersetzet/ leicht zu ihrem ersten
Stande und Kleinigkeit komme; also von er-

wähnter

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und ungelegenen Uberlauffs entuͤbrigt. Wir
halten allhier taͤglich Siegs-Gepraͤnge; man
ſetzet der Tugend’ alle Augenblicke friſche Eh-
ren-Kraͤntze auff; Der Himmel und unſer Ge-
wiſſen ruffet unſerer Unſchuld tauſend Lobſpruͤ-
che zu; und wir verwandeln die Hefen des ſonſt
beſchwerlichen Alters in das vollkommenſte
Theil unſers Lebens/ welches nunmehr weder
Jahr noch Monat/ weder Ende noch Anfang
zu unterſcheiden/ fuͤr keinem Geraͤuſche zu er-
ſchrecken/ nach keiner Glocke ſich zu richten/ und
ſo wenig als die Ewigkeit ſelbſt einer Uhr von
noͤthen/ die Geſtirne zu ſeinem Zeitvertreib/ die
Welt zu ſeinem Garten/ ſeine reine Gedancken
zu ſeiner Speiſe hat. Mit einem Worte; Un-
ſere Lebens-Art ſtehet reinen Seelen/ wie das
Waſſer den Fiſchen/ die Lufft dem Gefluͤgel
an/ ſie iſt ein Muſter des Lebens im Himmel;
und ein Vorſchmack ſeiner Suͤßigkeit.

Nach dieſen Worten leitete er mich zum
Eingange ſeiner Hoͤle; da er die Lob-Spruͤche
ſeiner beliebten Einſamkeit mit folgenden Rey-
men in eine von dem gruͤnen Moße geſauberte
Stein-Klippe muͤhſam eingegraben hatte:

Der Seele ſuͤſſe Ruh/ der Kern der thenern Zeit/
Des Hertzens ſtumme Luſt/ der Unſchuld treuſter Freund/
Der Warheit Mitgeferth/ und Eitelkeiten Feind/
Der Liſt und Wolluſt nicht mit ſcheinbarn Koͤrnern ſtreut/
Die auf den Abend nie des Tages Thun bereut/
Die kein ſchlimm Bey[ſ]piel ſieht/ kein Unrecht nie beweint/
Der wenn es auswerts blitzt/ die Sonn inwendig ſcheint/
Der Friede des Gemuͤths/ diß iſt die Einſamkeit.
Glaubt: daß die Unruh ihr der Welt ein Unding heißt;
Daß Ehrſucht nie den Tag/ die Furcht keinmahl die Nacht
Zu kurtz; kein Kummer ihr zu lange Stunden macht;
Daß ſie kein Zorn erhitzt/ kein’ Augſt ihr Hertz umeyſt’
Kein Heuchler ſie blaͤh’t auf/ kein Draͤuen ſie zwaͤngt ein;
Daß ſie laͤſt Emſame nie bang- und einſam ſeyn.

Durch dieſe/ und mehr bewegliche Zuredung
des Samothiſchen Weiſen/ ſagte Arioviſt/ ward
ich derogeſtalt eingenommen; oder/ wenn ich zu
einer ſo heilſamen Wuͤrckung ein ſo gefaͤhrliches
Wort brauchen doͤrffte/ bezaubert: daß meine
Koͤnigliche Wuͤrde und alles irrdiſche mich an-
[Spaltenumbruch] ſtanck; die gelobte Einſamkeit aber mein Ge-
muͤthe mit einem anmuthigern Geruch/ als
Balſam und Jaſmin anhauchete; alſo: daß ich
von Stund an meinem Pferde den freyen Lauf
verſtattete/ meinen Degen/ Kleider und Jaͤger-
Geraͤthe wegwarff/ mich mit dieſer Haut deck-
te; und um von den Meinigen nicht ausge-
ſpuͤret zu werden/ mit meinem Lehrer mich in
eine nahe darbey verdeckte Hoͤle verbarg. Jn
welcher wir folgende Nacht und biß in dritten
Tag ein unaufhoͤrliches Gethoͤne von Jaͤger-
Hoͤrnern vernahmen; weil dem Vermuthen
nach ich von den Meinigen geſucht; und nach
vergebener Muͤh/ Zweiffels-frey fuͤr tod gehal-
ten ward. Nach dem ich mich aber in dieſer Naͤ-
he nicht allerdings genung verborgen zu ſeyn
achtete/ beredete ich meinen Lehrer: daß er mit
mir durch die dickſten Harudiſchen Waͤlder
biß auf den Fichtelberg/ und als wir da eine
Zeit uns aufgehalten/ auf das Hercyniſche Ge-
buͤrge; und um ſelbtes herum biß auf gegenwaͤr-
tigen Berg ſich entfernte. Welchen ſich deß-
wegen fuͤr den herrlichſten Ort in der Welt hal-
te; weil ich von dem Samothiſchen Weiſen die
vollkommene Ruhe des Gemuͤthes gelernet/
mich darauf uͤber alle irrdiſche Sorgen erhoͤhet
zu ſeyn befinde; und bey meiner Gluͤckſeligkeit
die Thorheiten der Menſchen/ davon mir zu-
weilen ein oder ander Wurtzelmann zu erzehlen
weiß; verlachen/ und itzt mit deiner Eitelkeit/
lieber Marbod/ Erbarmnuͤß haben; nichts aber
an deiner eingebildeten Hoheit beneiden kan;
ja ich traute dir in meineꝛ Einſamkeit/ oder viel-
mehr in der mir erkieſeten Todten-Hoͤle/ ſolche
Reichthuͤmer zu zeigen; welche wenige Welt-
beherrſcher ihr Lebetage zu ſehen/ weniger zu
beſitzen bekommen; und da Auguſt nichts min-
der als du mein Grabmahl ſchwerlich ohne
Mißgunſt wuͤrden betrachten/ und wie itzt von
mir: daß die Natur/ wenn ſich die aufblehende
Ehrſucht wiederſetzet/ leicht zu ihrem erſten
Stande und Kleinigkeit komme; alſo von er-

waͤhnter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1175" n="1111[1113]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
und ungelegenen Uberlauffs entu&#x0364;brigt. Wir<lb/>
halten allhier ta&#x0364;glich Siegs-Gepra&#x0364;nge; man<lb/>
&#x017F;etzet der Tugend&#x2019; alle Augenblicke fri&#x017F;che Eh-<lb/>
ren-Kra&#x0364;ntze auff; Der Himmel und un&#x017F;er Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en ruffet un&#x017F;erer Un&#x017F;chuld tau&#x017F;end Lob&#x017F;pru&#x0364;-<lb/>
che zu; und wir verwandeln die Hefen des &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
be&#x017F;chwerlichen Alters in das vollkommen&#x017F;te<lb/>
Theil un&#x017F;ers Lebens/ welches nunmehr weder<lb/>
Jahr noch Monat/ weder Ende noch Anfang<lb/>
zu unter&#x017F;cheiden/ fu&#x0364;r keinem Gera&#x0364;u&#x017F;che zu er-<lb/>
&#x017F;chrecken/ nach keiner Glocke &#x017F;ich zu richten/ und<lb/>
&#x017F;o wenig als die Ewigkeit &#x017F;elb&#x017F;t einer Uhr von<lb/>
no&#x0364;then/ die Ge&#x017F;tirne zu &#x017F;einem Zeitvertreib/ die<lb/>
Welt zu &#x017F;einem Garten/ &#x017F;eine reine Gedancken<lb/>
zu &#x017F;einer Spei&#x017F;e hat. Mit einem Worte; Un-<lb/>
&#x017F;ere Lebens-Art &#x017F;tehet reinen Seelen/ wie das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er den Fi&#x017F;chen/ die Lufft dem Geflu&#x0364;gel<lb/>
an/ &#x017F;ie i&#x017F;t ein Mu&#x017F;ter des Lebens im Himmel;<lb/>
und ein Vor&#x017F;chmack &#x017F;einer Su&#x0364;ßigkeit.</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;en Worten leitete er mich zum<lb/>
Eingange &#x017F;einer Ho&#x0364;le; da er die Lob-Spru&#x0364;che<lb/>
&#x017F;einer beliebten Ein&#x017F;amkeit mit folgenden Rey-<lb/>
men in eine von dem gru&#x0364;nen Moße ge&#x017F;auberte<lb/>
Stein-Klippe mu&#x0364;h&#x017F;am eingegraben hatte:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Der Seele &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Ruh/ der Kern der thenern Zeit/</l><lb/>
              <l>Des Hertzens &#x017F;tumme Lu&#x017F;t/ der Un&#x017F;chuld treu&#x017F;ter Freund/</l><lb/>
              <l>Der Warheit Mitgeferth/ und Eitelkeiten Feind/</l><lb/>
              <l>Der Li&#x017F;t und Wollu&#x017F;t nicht mit &#x017F;cheinbarn Ko&#x0364;rnern &#x017F;treut/</l><lb/>
              <l>Die auf den Abend nie des Tages Thun bereut/</l><lb/>
              <l>Die kein &#x017F;chlimm Bey<supplied>&#x017F;</supplied>piel &#x017F;ieht/ kein Unrecht nie beweint/</l><lb/>
              <l>Der wenn es auswerts blitzt/ die Sonn inwendig &#x017F;cheint/</l><lb/>
              <l>Der Friede des Gemu&#x0364;ths/ diß i&#x017F;t die Ein&#x017F;amkeit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Glaubt: daß die Unruh ihr der Welt ein Unding heißt;</l><lb/>
              <l>Daß Ehr&#x017F;ucht nie den Tag/ die Furcht keinmahl die Nacht</l><lb/>
              <l>Zu kurtz; kein Kummer ihr zu lange Stunden macht;</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie kein Zorn erhitzt/ kein&#x2019; Aug&#x017F;t ihr Hertz umey&#x017F;t&#x2019;</l><lb/>
              <l>Kein Heuchler &#x017F;ie bla&#x0364;h&#x2019;t auf/ kein Dra&#x0364;uen &#x017F;ie zwa&#x0364;ngt ein;</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie la&#x0364;&#x017F;t Em&#x017F;ame nie bang- und ein&#x017F;am &#x017F;eyn.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <p>Durch die&#x017F;e/ und mehr bewegliche Zuredung<lb/>
des Samothi&#x017F;chen Wei&#x017F;en/ &#x017F;agte Ariovi&#x017F;t/ ward<lb/>
ich deroge&#x017F;talt eingenommen; oder/ wenn ich zu<lb/>
einer &#x017F;o heil&#x017F;amen Wu&#x0364;rckung ein &#x017F;o gefa&#x0364;hrliches<lb/>
Wort brauchen do&#x0364;rffte/ bezaubert: daß meine<lb/>
Ko&#x0364;nigliche Wu&#x0364;rde und alles irrdi&#x017F;che mich an-<lb/><cb/>
&#x017F;tanck; die gelobte Ein&#x017F;amkeit aber mein Ge-<lb/>
mu&#x0364;the mit einem anmuthigern Geruch/ als<lb/>
Bal&#x017F;am und Ja&#x017F;min anhauchete; al&#x017F;o: daß ich<lb/>
von Stund an meinem Pferde den freyen Lauf<lb/>
ver&#x017F;tattete/ meinen Degen/ Kleider und Ja&#x0364;ger-<lb/>
Gera&#x0364;the wegwarff/ mich mit die&#x017F;er Haut deck-<lb/>
te; und um von den Meinigen nicht ausge-<lb/>
&#x017F;pu&#x0364;ret zu werden/ mit meinem Lehrer mich in<lb/>
eine nahe darbey verdeckte Ho&#x0364;le verbarg. Jn<lb/>
welcher wir folgende Nacht und biß in dritten<lb/>
Tag ein unaufho&#x0364;rliches Getho&#x0364;ne von Ja&#x0364;ger-<lb/>
Ho&#x0364;rnern vernahmen; weil dem Vermuthen<lb/>
nach ich von den Meinigen ge&#x017F;ucht; und nach<lb/>
vergebener Mu&#x0364;h/ Zweiffels-frey fu&#x0364;r tod gehal-<lb/>
ten ward. Nach dem ich mich aber in die&#x017F;er Na&#x0364;-<lb/>
he nicht allerdings genung verborgen zu &#x017F;eyn<lb/>
achtete/ beredete ich meinen Lehrer: daß er mit<lb/>
mir durch die dick&#x017F;ten Harudi&#x017F;chen Wa&#x0364;lder<lb/>
biß auf den Fichtelberg/ und als wir da eine<lb/>
Zeit uns aufgehalten/ auf das Hercyni&#x017F;che Ge-<lb/>
bu&#x0364;rge; und um &#x017F;elbtes herum biß auf gegenwa&#x0364;r-<lb/>
tigen Berg &#x017F;ich entfernte. Welchen &#x017F;ich deß-<lb/>
wegen fu&#x0364;r den herrlich&#x017F;ten Ort in der Welt hal-<lb/>
te; weil ich von dem Samothi&#x017F;chen Wei&#x017F;en die<lb/>
vollkommene Ruhe des Gemu&#x0364;thes gelernet/<lb/>
mich darauf u&#x0364;ber alle irrdi&#x017F;che Sorgen erho&#x0364;het<lb/>
zu &#x017F;eyn befinde; und bey meiner Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit<lb/>
die Thorheiten der Men&#x017F;chen/ davon mir zu-<lb/>
weilen ein oder ander Wurtzelmann zu erzehlen<lb/>
weiß; verlachen/ und itzt mit deiner Eitelkeit/<lb/>
lieber Marbod/ Erbarmnu&#x0364;ß haben; nichts aber<lb/>
an deiner eingebildeten Hoheit beneiden kan;<lb/>
ja ich traute dir in meine&#xA75B; Ein&#x017F;amkeit/ oder viel-<lb/>
mehr in der mir erkie&#x017F;eten Todten-Ho&#x0364;le/ &#x017F;olche<lb/>
Reichthu&#x0364;mer zu zeigen; welche wenige Welt-<lb/>
beherr&#x017F;cher ihr Lebetage zu &#x017F;ehen/ weniger zu<lb/>
be&#x017F;itzen bekommen; und da Augu&#x017F;t nichts min-<lb/>
der als du mein Grabmahl &#x017F;chwerlich ohne<lb/>
Mißgun&#x017F;t wu&#x0364;rden betrachten/ und wie itzt von<lb/>
mir: daß die Natur/ wenn &#x017F;ich die aufblehende<lb/>
Ehr&#x017F;ucht wieder&#x017F;etzet/ leicht zu ihrem er&#x017F;ten<lb/>
Stande und Kleinigkeit komme; al&#x017F;o von er-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wa&#x0364;hnter</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1111[1113]/1175] Arminius und Thußnelda. und ungelegenen Uberlauffs entuͤbrigt. Wir halten allhier taͤglich Siegs-Gepraͤnge; man ſetzet der Tugend’ alle Augenblicke friſche Eh- ren-Kraͤntze auff; Der Himmel und unſer Ge- wiſſen ruffet unſerer Unſchuld tauſend Lobſpruͤ- che zu; und wir verwandeln die Hefen des ſonſt beſchwerlichen Alters in das vollkommenſte Theil unſers Lebens/ welches nunmehr weder Jahr noch Monat/ weder Ende noch Anfang zu unterſcheiden/ fuͤr keinem Geraͤuſche zu er- ſchrecken/ nach keiner Glocke ſich zu richten/ und ſo wenig als die Ewigkeit ſelbſt einer Uhr von noͤthen/ die Geſtirne zu ſeinem Zeitvertreib/ die Welt zu ſeinem Garten/ ſeine reine Gedancken zu ſeiner Speiſe hat. Mit einem Worte; Un- ſere Lebens-Art ſtehet reinen Seelen/ wie das Waſſer den Fiſchen/ die Lufft dem Gefluͤgel an/ ſie iſt ein Muſter des Lebens im Himmel; und ein Vorſchmack ſeiner Suͤßigkeit. Nach dieſen Worten leitete er mich zum Eingange ſeiner Hoͤle; da er die Lob-Spruͤche ſeiner beliebten Einſamkeit mit folgenden Rey- men in eine von dem gruͤnen Moße geſauberte Stein-Klippe muͤhſam eingegraben hatte: Der Seele ſuͤſſe Ruh/ der Kern der thenern Zeit/ Des Hertzens ſtumme Luſt/ der Unſchuld treuſter Freund/ Der Warheit Mitgeferth/ und Eitelkeiten Feind/ Der Liſt und Wolluſt nicht mit ſcheinbarn Koͤrnern ſtreut/ Die auf den Abend nie des Tages Thun bereut/ Die kein ſchlimm Beyſpiel ſieht/ kein Unrecht nie beweint/ Der wenn es auswerts blitzt/ die Sonn inwendig ſcheint/ Der Friede des Gemuͤths/ diß iſt die Einſamkeit. Glaubt: daß die Unruh ihr der Welt ein Unding heißt; Daß Ehrſucht nie den Tag/ die Furcht keinmahl die Nacht Zu kurtz; kein Kummer ihr zu lange Stunden macht; Daß ſie kein Zorn erhitzt/ kein’ Augſt ihr Hertz umeyſt’ Kein Heuchler ſie blaͤh’t auf/ kein Draͤuen ſie zwaͤngt ein; Daß ſie laͤſt Emſame nie bang- und einſam ſeyn. Durch dieſe/ und mehr bewegliche Zuredung des Samothiſchen Weiſen/ ſagte Arioviſt/ ward ich derogeſtalt eingenommen; oder/ wenn ich zu einer ſo heilſamen Wuͤrckung ein ſo gefaͤhrliches Wort brauchen doͤrffte/ bezaubert: daß meine Koͤnigliche Wuͤrde und alles irrdiſche mich an- ſtanck; die gelobte Einſamkeit aber mein Ge- muͤthe mit einem anmuthigern Geruch/ als Balſam und Jaſmin anhauchete; alſo: daß ich von Stund an meinem Pferde den freyen Lauf verſtattete/ meinen Degen/ Kleider und Jaͤger- Geraͤthe wegwarff/ mich mit dieſer Haut deck- te; und um von den Meinigen nicht ausge- ſpuͤret zu werden/ mit meinem Lehrer mich in eine nahe darbey verdeckte Hoͤle verbarg. Jn welcher wir folgende Nacht und biß in dritten Tag ein unaufhoͤrliches Gethoͤne von Jaͤger- Hoͤrnern vernahmen; weil dem Vermuthen nach ich von den Meinigen geſucht; und nach vergebener Muͤh/ Zweiffels-frey fuͤr tod gehal- ten ward. Nach dem ich mich aber in dieſer Naͤ- he nicht allerdings genung verborgen zu ſeyn achtete/ beredete ich meinen Lehrer: daß er mit mir durch die dickſten Harudiſchen Waͤlder biß auf den Fichtelberg/ und als wir da eine Zeit uns aufgehalten/ auf das Hercyniſche Ge- buͤrge; und um ſelbtes herum biß auf gegenwaͤr- tigen Berg ſich entfernte. Welchen ſich deß- wegen fuͤr den herrlichſten Ort in der Welt hal- te; weil ich von dem Samothiſchen Weiſen die vollkommene Ruhe des Gemuͤthes gelernet/ mich darauf uͤber alle irrdiſche Sorgen erhoͤhet zu ſeyn befinde; und bey meiner Gluͤckſeligkeit die Thorheiten der Menſchen/ davon mir zu- weilen ein oder ander Wurtzelmann zu erzehlen weiß; verlachen/ und itzt mit deiner Eitelkeit/ lieber Marbod/ Erbarmnuͤß haben; nichts aber an deiner eingebildeten Hoheit beneiden kan; ja ich traute dir in meineꝛ Einſamkeit/ oder viel- mehr in der mir erkieſeten Todten-Hoͤle/ ſolche Reichthuͤmer zu zeigen; welche wenige Welt- beherrſcher ihr Lebetage zu ſehen/ weniger zu beſitzen bekommen; und da Auguſt nichts min- der als du mein Grabmahl ſchwerlich ohne Mißgunſt wuͤrden betrachten/ und wie itzt von mir: daß die Natur/ wenn ſich die aufblehende Ehrſucht wiederſetzet/ leicht zu ihrem erſten Stande und Kleinigkeit komme; alſo von er- waͤhnter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1175
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1111[1113]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1175>, abgerufen am 23.11.2024.