Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
wähnter Höle lernen können: daß die Kunst ei-ne blosse Magd oder Affe der Natur/ der Men- schen Wunderwercke gegen dieser Gebäuen weniger/ als Ameis-Hauffen sind; beyde aber endlich nichts/ als dem Feuer eine kostbare A- sche; dem Winde einen theuren Staub abge- ben. König Marbod mühte sich mit aller nur er- Sie erreichten aber selbigen Tag den ver- Nord-
Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
waͤhnter Hoͤle lernen koͤnnen: daß die Kunſt ei-ne bloſſe Magd oder Affe der Natur/ der Men- ſchen Wunderwercke gegen dieſer Gebaͤuen weniger/ als Ameis-Hauffen ſind; beyde aber endlich nichts/ als dem Feuer eine koſtbare A- ſche; dem Winde einen theuren Staub abge- ben. Koͤnig Marbod muͤhte ſich mit aller nur er- Sie erreichten aber ſelbigen Tag den ver- Nord-
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Siebendes Buch
waͤhnter Hoͤle lernen koͤnnen: daß die Kunſt ei-
ne bloſſe Magd oder Affe der Natur/ der Men-
ſchen Wunderwercke gegen dieſer Gebaͤuen
weniger/ als Ameis-Hauffen ſind; beyde aber
endlich nichts/ als dem Feuer eine koſtbare A-
ſche; dem Winde einen theuren Staub abge-
ben.
Koͤnig Marbod muͤhte ſich mit aller nur er-
ſinnlichen Ehrerbietung dem ſo beruͤhmten A-
rioviſt an die Hand zu gehen; und ob er zwar
unter ſchiedene Einwuͤrffe thaͤt: daß die Ein-
ſamkeit eine boͤſe Rathgeberin/ und eine bang-
ſame Geferthin waͤre; und daher zu untadel-
hafter Selbſtgelaſſenheit eine ungemeine Voll-
kom̃enheit gehoͤrte; die Gemeinſchafft zwar ein
Verlangen nach ſich/ die Einſamkeit aber nach
andern verurſachte; daß ein angebohrner Trieb
die Menſchen zuſammen vereinbarte/ und die
Freundſchafft dem Leben ſo noͤthig/ als die Son-
ne der Welt; der Fuͤrſtliche Stand aber nichts
minder dem gemeinen Weſen/ als das Steuer-
Ruder dem Schiffe unentpehrlich; und wegen
ſeiner Sorgen und Gefaͤhrligkeit ſo wenig/ als
die Roſe wegen ihrer Dornen verwerflich; kein
under Stand auch ohne Schwachheiten waͤre;
ſondern iede Fackel ihren Rauch haͤtte/ und ieden
Menſchen ſein Schatten begleitete; ſo eignete
ihm Marbod doch ſelbſt ſo bloͤde Augen/ und ei-
nen ſo albern Verſtand zu: daß er in das Licht
einer ſo hohen Gemuͤths-Erleuchtung nicht oh-
ne Verblendung ſehen/ noch ſein Urthel uͤber
die Meinungen des weiſeſten Arioviſts erſtre-
cken koͤnte. Hingegen lag er ihm mit beweg-
lichſten Bitten ſo lange an: biß er ihm die er-
wehnte Hoͤle zu zeigen Vertroͤſtung that. Maſ-
ſen ſich denn Arioviſt den dritten Tag/ als er den
Koͤnig Marbod und ſeine Geferthen die Zeit
uͤber mit Gemſen-Fleiſch/ Erdbeeren/ und
Kraͤutern/ mehr aber mit vielen klugen Ge-
ſpraͤchen unterhalten hatte/ mit ihnen auff den
Weg begab; und biß in die ſinckende Nacht
durch etliche finſtere Thaͤler uͤber viel raue
Stein-Klippen fuͤhrte; alſo: daß dieſe ſich in
beſten Jahren befindenden Nachfolger ihm mit
genauer Noth gleich kom̃en/ und daher ſich nicht
nur uͤber der Hurtigkeit des Stein-alten Ario-
viſts verwundern; ſondern auch ſeiner gegebe-
nen Urſache beypflichten muſten: daß der Ehr-
geitz nur nach vielen und ſeltzamen Speiſen luͤ-
ſtern/ der Hunger mit wenigem vergnuͤgt/ der
ſchlechteſte Unterhalt der Geſundheit und den
Leibes-Kraͤſten am vortraͤglichſten waͤre. Gan-
tze Heerde Ochſen waͤren mit einer engen Wey-
de; eine ziemliche Menge Elefanten mit einem
Walde vergnuͤgt; ein uͤppiger Menſch aber
haͤtte in ſeinem Zwerg-Leibe einen unerſaͤttli-
chen Straus-Magen; welcher mit ſeiner Ta-
fel die Lufft erſchoͤpffte/ gantze Meere ausfiſch-
te/ groſſe Wildbahnen veroͤdete/ den Erdboden
arm machte; und/ ob ſchon die Natur um ſei-
nem Eckel vorzukommen das Jahr uͤber ſo viel-
mahl ihre Zeit/ und darmit ihre Fruͤchte veraͤn-
derte/ ihn darmit nicht ver gnuͤgte; ſondern ei-
nes Menſchen Leben das Jahr uͤber mit etlichen
tauſend Leichen unter halten muͤſte. Dahero ſo
viel weniger wunderns werth waͤre: daß ſolche
Schwelger ihnen durch ſo viel Tode den Weg
zu Kranckheiten baͤhneten/ und die Farth zum
Grabe beſchleunigten.
Sie erreichten aber ſelbigen Tag den ver-
langten Ort nicht; ſondern uͤbernachteten bey
einem Brunnen/ aus welchem die beruͤhmte
Elbe den Uhrſprung nimmt. Uber welchen
ſich Koͤnig Marbod mehr als Alexander bey
Erfindung ſeines Oelbrunnen ergetzte; weil
die Elbe einer der Haupt-Stroͤme ſeines Ge-
bietes war. Dahero er ſich auch beduͤncken ließ:
daß ihm ſein Lebtage kein Wein ſo gut/ als das
aus dieſem Bruñen mit den Haͤnden geſchoͤpfte
Waſſer geſchmeckt haͤtte. Nach genoſſener Ruh
auff einem mit hunderterley koͤſtlichen Kraͤu-
tern bewachſenem Raſen/ machten ſie ſich/ als es
nur zu tagen anfieng/ uͤber eine ziemliche Flaͤ-
che/ von welcher etliche Kryſtallen klare Baͤche
Nord-
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