Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der Rost/ so verzehret sie ein ander Zahn der Zeit;
ja ein einiger verwahrloster Funcken. Da nun
aber du/ Marbod/ seuffzest: daß dein Leib hier
auf Erden mit der Zeit wie allhier Tuisco in
Kristall möge verwahret werden; wie vielmehr
hastu nachzusinnen: daß die viel edlere Seele im
Himmel die Sonne selbst zum Kleide habe.
Weil der Mensch scheinet gebohren zu seyn: daß
er sterbe; muß er sich bemühen also zu sterben:
daß er ewig lebe; und weil das Leben ihn zum
Grabeleitet; soll das Grab ihm die Staffel seyn
zu verweßlicher Ehre. Glaube mir aber/ Mar-
bod/ du wirst ein herrlicher Grab/ als diß ist;
oder aus einem Diamantenen Felsen dir gehau-
en werden könte/ verdienen; wenn du diß/ was
die Vorwelt an den güldenen Fuß dieses Bil-
des verzeichnet hat/ beobachten wirst; ja dein
Gemüthe wird im Leben unver sehrlicher Ruh/
deine Seele unver gänglicher Vergnügung ge-
nüssen; wenn du denen Erinner ungen über der
Pforte dieser Höle nachlebest. Hiermit bückte
sich Ariovist/ räumete um den güldenen Fuß
vollends das versteinerte Wasser weg; und zeig-
te seinen Gefärthen/ wie daselbst mit eitel Edel-
gesteinen nachfolgende Worte auffs künstlichste
ins Gold versetzt waren.

Der Erde Marck das Gold/ und so viel edle Steine
Sind's Armuth dieser Grufft. Luiscons edles Grab
Jst ihr und Deutschlands Schatz. Weil diß nur sein Gebeine
Beysammen hält/ wird ihm kein Feind was ringen ab.

Als Marbod diese kostbare Schrifft gelesen/
fieng er an: So sehe ich wol: daß die Leiche des
grossen Tuisco ein Schutz-Bild/ und also ein
grosser Schatz Deutschlands sey; an dessen Be-
wahrung das Heil/ an Versehrung aber der
Untergang des Vaterlandes gelegen sey. A-
riovist lächelte/ ihm antwortende: Jch w[e]iß
wol: daß das der gemeinen Sage nach vom
Himmel gefallene Trojanische Palladium/
welches man mir noch zu Rom als ein grosses
Heiligthum gewiesen/ nichts anders/ als des
Königs Pelops Gerippe/ welches ein Asiati-
[Spaltenumbruch] scher Weiser bey einer gewissen Verein barung
der Sternen aus seinen Todten-Beinen zusam-
men gesetzt/ und dem Könige Troß verehret
hat; das Olympische Schutz-Bild nichts/ als
Knochen eines Jndianischen Thieres; der
Spartaner Minerven-Schild die Menschen-
Haut des weisen Pherecydes; das Syrische
Dagons-Bild mit einer Wallfisch-Haut um-
zogen gewesen; und alle diesen Heiligthümern
eine Krafft der Unüberwindligkeit zugeeignet
worden sey. Alleine ich bin der Meinung: daß
wie gegenwärtige Schrifft einen andern Ver-
stand hat; also auch jene Bildnüße gar auf was
anders gezielet haben. Marbod fragte alsofort:
Ob denn diese ziemlich klare Reymen anders
ausgelegt werden könten; als daß so lange Tuis-
cons Bild unver sehrt bliebe/ Deutschland wür-
de unüberwindlich seyn? Jnalle Wege/ ant-
wortete Ariovist. Denn/ weil ich meine Aus-
legung dieses Geheimnüßes wol so gefährlich
nicht achte/ als wenn einer das Palladium zu
sehen bekommen; massen Jlus zu Troja/ Me-
tellus zu Rom hiervon soll verblindet seyn; so
wil ich meinen gemuthmasten Verstand dieses
Retzels nicht verschweigen: daß nemlich/ so lan-
ge Deutschland sich nicht selbst durch Zwiespalt
trennen werde/ kein Feind selbtem was anha-
ben würde. Denn nach dem Schirme des Gött-
lichen Verhängnüßes kan den Feinden eines
Reiches kein besserer Riegel/ als die Eintracht
der Bürger für geschoben werden. Einzele
Pfeile können auch Zwer ge zerbrechen; viel auf
einmal aber nicht Riesen-Armen. Diese/ mein
lieber Marbod/ hüte dich ja vollends zu zerthei-
len/ wo du dein streitbares Vaterland nicht zu
einer Magd/ dich aber zum Leibeigenen der
herrschsüchtigen Römer machen wilst. Aber
ich muß dich durch die Uberschrifft des Ein-
gangs noch für einer schnödern Dienstbarkeit
warnen. Hier mit führte Ariovist den König
Marbod daselbst hin/ und zeigte ihm die in
Berg-Kristallen tieff eingegrabene Worte:

Der's

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] der Roſt/ ſo verzehret ſie ein ander Zahn der Zeit;
ja ein einiger verwahrloſter Funcken. Da nun
aber du/ Marbod/ ſeuffzeſt: daß dein Leib hier
auf Erden mit der Zeit wie allhier Tuiſco in
Kriſtall moͤge verwahret werden; wie vielmehr
haſtu nachzuſinnen: daß die viel edlere Seele im
Himmel die Sonne ſelbſt zum Kleide habe.
Weil der Menſch ſcheinet gebohren zu ſeyn: daß
er ſterbe; muß er ſich bemuͤhen alſo zu ſterben:
daß er ewig lebe; und weil das Leben ihn zum
Grabeleitet; ſoll das Grab ihm die Staffel ſeyn
zu verweßlicher Ehre. Glaube mir aber/ Mar-
bod/ du wirſt ein herrlicher Grab/ als diß iſt;
oder aus einem Diamantenen Felſen dir gehau-
en werden koͤnte/ verdienen; wenn du diß/ was
die Vorwelt an den guͤldenen Fuß dieſes Bil-
des verzeichnet hat/ beobachten wirſt; ja dein
Gemuͤthe wird im Leben unver ſehrlicher Ruh/
deine Seele unver gaͤnglicher Vergnuͤgung ge-
nuͤſſen; wenn du denen Erinner ungen uͤber der
Pforte dieſer Hoͤle nachlebeſt. Hiermit buͤckte
ſich Arioviſt/ raͤumete um den guͤldenen Fuß
vollends das verſteinerte Waſſer weg; und zeig-
te ſeinen Gefaͤrthen/ wie daſelbſt mit eitel Edel-
geſteinen nachfolgende Worte auffs kuͤnſtlichſte
ins Gold verſetzt waren.

Der Erde Marck das Gold/ und ſo viel edle Steine
Sind’s Armuth dieſer Grufft. Luiſcons edles Grab
Jſt ihr und Deutſchlands Schatz. Weil diß nur ſein Gebeine
Beyſammen haͤlt/ wird ihm kein Feind was ringen ab.

Als Marbod dieſe koſtbare Schrifft geleſen/
fieng er an: So ſehe ich wol: daß die Leiche des
groſſen Tuiſco ein Schutz-Bild/ und alſo ein
groſſer Schatz Deutſchlands ſey; an deſſen Be-
wahrung das Heil/ an Verſehrung aber der
Untergang des Vaterlandes gelegen ſey. A-
rioviſt laͤchelte/ ihm antwortende: Jch w[e]iß
wol: daß das der gemeinen Sage nach vom
Himmel gefallene Trojaniſche Palladium/
welches man mir noch zu Rom als ein groſſes
Heiligthum gewieſen/ nichts anders/ als des
Koͤnigs Pelops Gerippe/ welches ein Aſiati-
[Spaltenumbruch] ſcher Weiſer bey einer gewiſſen Verein barung
der Sternen aus ſeinen Todten-Beinen zuſam-
men geſetzt/ und dem Koͤnige Troß verehret
hat; das Olympiſche Schutz-Bild nichts/ als
Knochen eines Jndianiſchen Thieres; der
Spartaner Minerven-Schild die Menſchen-
Haut des weiſen Pherecydes; das Syriſche
Dagons-Bild mit einer Wallfiſch-Haut um-
zogen geweſen; und alle dieſen Heiligthuͤmern
eine Krafft der Unuͤberwindligkeit zugeeignet
worden ſey. Alleine ich bin der Meinung: daß
wie gegenwaͤrtige Schrifft einen andern Ver-
ſtand hat; alſo auch jene Bildnuͤße gar auf was
anders gezielet haben. Marbod fragte alſofort:
Ob denn dieſe ziemlich klare Reymen anders
ausgelegt werden koͤnten; als daß ſo lange Tuiſ-
cons Bild unver ſehrt bliebe/ Deutſchland wuͤr-
de unuͤberwindlich ſeyn? Jnalle Wege/ ant-
wortete Arioviſt. Denn/ weil ich meine Aus-
legung dieſes Geheimnuͤßes wol ſo gefaͤhrlich
nicht achte/ als wenn einer das Palladium zu
ſehen bekommen; maſſen Jlus zu Troja/ Me-
tellus zu Rom hiervon ſoll verblindet ſeyn; ſo
wil ich meinen gemuthmaſten Verſtand dieſes
Retzels nicht verſchweigen: daß nemlich/ ſo lan-
ge Deutſchland ſich nicht ſelbſt durch Zwieſpalt
trennen werde/ kein Feind ſelbtem was anha-
ben wuͤrde. Denn nach dem Schirme des Goͤtt-
lichen Verhaͤngnuͤßes kan den Feinden eines
Reiches kein beſſerer Riegel/ als die Eintracht
der Buͤrger fuͤr geſchoben werden. Einzele
Pfeile koͤnnen auch Zwer ge zerbrechen; viel auf
einmal aber nicht Rieſen-Armen. Dieſe/ mein
lieber Marbod/ huͤte dich ja vollends zu zerthei-
len/ wo du dein ſtreitbares Vaterland nicht zu
einer Magd/ dich aber zum Leibeigenen der
herrſchſuͤchtigen Roͤmer machen wilſt. Aber
ich muß dich durch die Uberſchrifft des Ein-
gangs noch fuͤr einer ſchnoͤdern Dienſtbarkeit
warnen. Hier mit fuͤhrte Arioviſt den Koͤnig
Marbod daſelbſt hin/ und zeigte ihm die in
Berg-Kriſtallen tieff eingegrabene Worte:

Der’s
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1183" n="1119[1121]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
der Ro&#x017F;t/ &#x017F;o verzehret &#x017F;ie ein ander Zahn der Zeit;<lb/>
ja ein einiger verwahrlo&#x017F;ter Funcken. Da nun<lb/>
aber du/ Marbod/ &#x017F;euffze&#x017F;t: daß dein Leib hier<lb/>
auf Erden mit der Zeit wie allhier Tui&#x017F;co in<lb/>
Kri&#x017F;tall mo&#x0364;ge verwahret werden; wie vielmehr<lb/>
ha&#x017F;tu nachzu&#x017F;innen: daß die viel edlere Seele im<lb/>
Himmel die Sonne &#x017F;elb&#x017F;t zum Kleide habe.<lb/>
Weil der Men&#x017F;ch &#x017F;cheinet gebohren zu &#x017F;eyn: daß<lb/>
er &#x017F;terbe; muß er &#x017F;ich bemu&#x0364;hen al&#x017F;o zu &#x017F;terben:<lb/>
daß er ewig lebe; und weil das Leben ihn zum<lb/>
Grabeleitet; &#x017F;oll das Grab ihm die Staffel &#x017F;eyn<lb/>
zu verweßlicher Ehre. Glaube mir aber/ Mar-<lb/>
bod/ du wir&#x017F;t ein herrlicher Grab/ als diß i&#x017F;t;<lb/>
oder aus einem Diamantenen Fel&#x017F;en dir gehau-<lb/>
en werden ko&#x0364;nte/ verdienen; wenn du diß/ was<lb/>
die Vorwelt an den gu&#x0364;ldenen Fuß die&#x017F;es Bil-<lb/>
des verzeichnet hat/ beobachten wir&#x017F;t; ja dein<lb/>
Gemu&#x0364;the wird im Leben unver &#x017F;ehrlicher Ruh/<lb/>
deine Seele unver ga&#x0364;nglicher Vergnu&#x0364;gung ge-<lb/>
nu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; wenn du denen Erinner ungen u&#x0364;ber der<lb/>
Pforte die&#x017F;er Ho&#x0364;le nachlebe&#x017F;t. Hiermit bu&#x0364;ckte<lb/>
&#x017F;ich Ariovi&#x017F;t/ ra&#x0364;umete um den gu&#x0364;ldenen Fuß<lb/>
vollends das ver&#x017F;teinerte Wa&#x017F;&#x017F;er weg; und zeig-<lb/>
te &#x017F;einen Gefa&#x0364;rthen/ wie da&#x017F;elb&#x017F;t mit eitel Edel-<lb/>
ge&#x017F;teinen nachfolgende Worte auffs ku&#x0364;n&#x017F;tlich&#x017F;te<lb/>
ins Gold ver&#x017F;etzt waren.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Der Erde Marck das Gold/ und &#x017F;o viel edle Steine</l><lb/>
            <l>Sind&#x2019;s Armuth die&#x017F;er Grufft. Lui&#x017F;cons edles Grab</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t ihr und Deut&#x017F;chlands Schatz. Weil diß nur &#x017F;ein Gebeine</l><lb/>
            <l>Bey&#x017F;ammen ha&#x0364;lt/ wird ihm kein Feind was ringen ab.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Als Marbod die&#x017F;e ko&#x017F;tbare Schrifft gele&#x017F;en/<lb/>
fieng er an: So &#x017F;ehe ich wol: daß die Leiche des<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Tui&#x017F;co ein Schutz-Bild/ und al&#x017F;o ein<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er Schatz Deut&#x017F;chlands &#x017F;ey; an de&#x017F;&#x017F;en Be-<lb/>
wahrung das Heil/ an Ver&#x017F;ehrung aber der<lb/>
Untergang des Vaterlandes gelegen &#x017F;ey. A-<lb/>
riovi&#x017F;t la&#x0364;chelte/ ihm antwortende: Jch w<supplied>e</supplied><lb/>
wol: daß das der gemeinen Sage nach vom<lb/>
Himmel gefallene Trojani&#x017F;che Palladium/<lb/>
welches man mir noch zu Rom als ein gro&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Heiligthum gewie&#x017F;en/ nichts anders/ als des<lb/>
Ko&#x0364;nigs Pelops Gerippe/ welches ein A&#x017F;iati-<lb/><cb/>
&#x017F;cher Wei&#x017F;er bey einer gewi&#x017F;&#x017F;en Verein barung<lb/>
der Sternen aus &#x017F;einen Todten-Beinen zu&#x017F;am-<lb/>
men ge&#x017F;etzt/ und dem Ko&#x0364;nige Troß verehret<lb/>
hat; das Olympi&#x017F;che Schutz-Bild nichts/ als<lb/>
Knochen eines Jndiani&#x017F;chen Thieres; der<lb/>
Spartaner Minerven-Schild die Men&#x017F;chen-<lb/>
Haut des wei&#x017F;en Pherecydes; das Syri&#x017F;che<lb/>
Dagons-Bild mit einer Wallfi&#x017F;ch-Haut um-<lb/>
zogen gewe&#x017F;en; und alle die&#x017F;en Heiligthu&#x0364;mern<lb/>
eine Krafft der Unu&#x0364;berwindligkeit zugeeignet<lb/>
worden &#x017F;ey. Alleine ich bin der Meinung: daß<lb/>
wie gegenwa&#x0364;rtige Schrifft einen andern Ver-<lb/>
&#x017F;tand hat; al&#x017F;o auch jene Bildnu&#x0364;ße gar auf was<lb/>
anders gezielet haben. Marbod fragte al&#x017F;ofort:<lb/>
Ob denn die&#x017F;e ziemlich klare Reymen anders<lb/>
ausgelegt werden ko&#x0364;nten; als daß &#x017F;o lange Tui&#x017F;-<lb/>
cons Bild unver &#x017F;ehrt bliebe/ Deut&#x017F;chland wu&#x0364;r-<lb/>
de unu&#x0364;berwindlich &#x017F;eyn? Jnalle Wege/ ant-<lb/>
wortete Ariovi&#x017F;t. Denn/ weil ich meine Aus-<lb/>
legung die&#x017F;es Geheimnu&#x0364;ßes wol &#x017F;o gefa&#x0364;hrlich<lb/>
nicht achte/ als wenn einer das Palladium zu<lb/>
&#x017F;ehen bekommen; ma&#x017F;&#x017F;en Jlus zu Troja/ Me-<lb/>
tellus zu Rom hiervon &#x017F;oll verblindet &#x017F;eyn; &#x017F;o<lb/>
wil ich meinen gemuthma&#x017F;ten Ver&#x017F;tand die&#x017F;es<lb/>
Retzels nicht ver&#x017F;chweigen: daß nemlich/ &#x017F;o lan-<lb/>
ge Deut&#x017F;chland &#x017F;ich nicht &#x017F;elb&#x017F;t durch Zwie&#x017F;palt<lb/>
trennen werde/ kein Feind &#x017F;elbtem was anha-<lb/>
ben wu&#x0364;rde. Denn nach dem Schirme des Go&#x0364;tt-<lb/>
lichen Verha&#x0364;ngnu&#x0364;ßes kan den Feinden eines<lb/>
Reiches kein be&#x017F;&#x017F;erer Riegel/ als die Eintracht<lb/>
der Bu&#x0364;rger fu&#x0364;r ge&#x017F;choben werden. Einzele<lb/>
Pfeile ko&#x0364;nnen auch Zwer ge zerbrechen; viel auf<lb/>
einmal aber nicht Rie&#x017F;en-Armen. Die&#x017F;e/ mein<lb/>
lieber Marbod/ hu&#x0364;te dich ja vollends zu zerthei-<lb/>
len/ wo du dein &#x017F;treitbares Vaterland nicht zu<lb/>
einer Magd/ dich aber zum Leibeigenen der<lb/>
herr&#x017F;ch&#x017F;u&#x0364;chtigen Ro&#x0364;mer machen wil&#x017F;t. Aber<lb/>
ich muß dich durch die Uber&#x017F;chrifft des Ein-<lb/>
gangs noch fu&#x0364;r einer &#x017F;chno&#x0364;dern Dien&#x017F;tbarkeit<lb/>
warnen. Hier mit fu&#x0364;hrte Ariovi&#x017F;t den Ko&#x0364;nig<lb/>
Marbod da&#x017F;elb&#x017F;t hin/ und zeigte ihm die in<lb/>
Berg-Kri&#x017F;tallen tieff eingegrabene Worte:</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der&#x2019;s</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1119[1121]/1183] Arminius und Thußnelda. der Roſt/ ſo verzehret ſie ein ander Zahn der Zeit; ja ein einiger verwahrloſter Funcken. Da nun aber du/ Marbod/ ſeuffzeſt: daß dein Leib hier auf Erden mit der Zeit wie allhier Tuiſco in Kriſtall moͤge verwahret werden; wie vielmehr haſtu nachzuſinnen: daß die viel edlere Seele im Himmel die Sonne ſelbſt zum Kleide habe. Weil der Menſch ſcheinet gebohren zu ſeyn: daß er ſterbe; muß er ſich bemuͤhen alſo zu ſterben: daß er ewig lebe; und weil das Leben ihn zum Grabeleitet; ſoll das Grab ihm die Staffel ſeyn zu verweßlicher Ehre. Glaube mir aber/ Mar- bod/ du wirſt ein herrlicher Grab/ als diß iſt; oder aus einem Diamantenen Felſen dir gehau- en werden koͤnte/ verdienen; wenn du diß/ was die Vorwelt an den guͤldenen Fuß dieſes Bil- des verzeichnet hat/ beobachten wirſt; ja dein Gemuͤthe wird im Leben unver ſehrlicher Ruh/ deine Seele unver gaͤnglicher Vergnuͤgung ge- nuͤſſen; wenn du denen Erinner ungen uͤber der Pforte dieſer Hoͤle nachlebeſt. Hiermit buͤckte ſich Arioviſt/ raͤumete um den guͤldenen Fuß vollends das verſteinerte Waſſer weg; und zeig- te ſeinen Gefaͤrthen/ wie daſelbſt mit eitel Edel- geſteinen nachfolgende Worte auffs kuͤnſtlichſte ins Gold verſetzt waren. Der Erde Marck das Gold/ und ſo viel edle Steine Sind’s Armuth dieſer Grufft. Luiſcons edles Grab Jſt ihr und Deutſchlands Schatz. Weil diß nur ſein Gebeine Beyſammen haͤlt/ wird ihm kein Feind was ringen ab. Als Marbod dieſe koſtbare Schrifft geleſen/ fieng er an: So ſehe ich wol: daß die Leiche des groſſen Tuiſco ein Schutz-Bild/ und alſo ein groſſer Schatz Deutſchlands ſey; an deſſen Be- wahrung das Heil/ an Verſehrung aber der Untergang des Vaterlandes gelegen ſey. A- rioviſt laͤchelte/ ihm antwortende: Jch weiß wol: daß das der gemeinen Sage nach vom Himmel gefallene Trojaniſche Palladium/ welches man mir noch zu Rom als ein groſſes Heiligthum gewieſen/ nichts anders/ als des Koͤnigs Pelops Gerippe/ welches ein Aſiati- ſcher Weiſer bey einer gewiſſen Verein barung der Sternen aus ſeinen Todten-Beinen zuſam- men geſetzt/ und dem Koͤnige Troß verehret hat; das Olympiſche Schutz-Bild nichts/ als Knochen eines Jndianiſchen Thieres; der Spartaner Minerven-Schild die Menſchen- Haut des weiſen Pherecydes; das Syriſche Dagons-Bild mit einer Wallfiſch-Haut um- zogen geweſen; und alle dieſen Heiligthuͤmern eine Krafft der Unuͤberwindligkeit zugeeignet worden ſey. Alleine ich bin der Meinung: daß wie gegenwaͤrtige Schrifft einen andern Ver- ſtand hat; alſo auch jene Bildnuͤße gar auf was anders gezielet haben. Marbod fragte alſofort: Ob denn dieſe ziemlich klare Reymen anders ausgelegt werden koͤnten; als daß ſo lange Tuiſ- cons Bild unver ſehrt bliebe/ Deutſchland wuͤr- de unuͤberwindlich ſeyn? Jnalle Wege/ ant- wortete Arioviſt. Denn/ weil ich meine Aus- legung dieſes Geheimnuͤßes wol ſo gefaͤhrlich nicht achte/ als wenn einer das Palladium zu ſehen bekommen; maſſen Jlus zu Troja/ Me- tellus zu Rom hiervon ſoll verblindet ſeyn; ſo wil ich meinen gemuthmaſten Verſtand dieſes Retzels nicht verſchweigen: daß nemlich/ ſo lan- ge Deutſchland ſich nicht ſelbſt durch Zwieſpalt trennen werde/ kein Feind ſelbtem was anha- ben wuͤrde. Denn nach dem Schirme des Goͤtt- lichen Verhaͤngnuͤßes kan den Feinden eines Reiches kein beſſerer Riegel/ als die Eintracht der Buͤrger fuͤr geſchoben werden. Einzele Pfeile koͤnnen auch Zwer ge zerbrechen; viel auf einmal aber nicht Rieſen-Armen. Dieſe/ mein lieber Marbod/ huͤte dich ja vollends zu zerthei- len/ wo du dein ſtreitbares Vaterland nicht zu einer Magd/ dich aber zum Leibeigenen der herrſchſuͤchtigen Roͤmer machen wilſt. Aber ich muß dich durch die Uberſchrifft des Ein- gangs noch fuͤr einer ſchnoͤdern Dienſtbarkeit warnen. Hier mit fuͤhrte Arioviſt den Koͤnig Marbod daſelbſt hin/ und zeigte ihm die in Berg-Kriſtallen tieff eingegrabene Worte: Der’s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1183
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1119[1121]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1183>, abgerufen am 23.11.2024.