Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
an: Er könte nicht glauben/ daß einige Götteran so grausamem Gottes-Dienste Gefallen trügen. Die Scythen und Thracier würden für die rauesten Völcker insgemein gehalten/ diese aber opferten nur den hundertsten Gefan- genen/ hier aber würde von denen sonst so hochge- rühmten Deutschen auff alle erbärmlich geraset. Hannibals und Xantippus Grausamkeit sey zwar noch beschrien/ daß jener aus denen erschla- genen Feinden über die Vergellische Bach ihm eine Brücke gebaut/ die Väter mit den Söhnen/ Brüder mit Brüdern zu kämpfen gezwungen/ und hierdurch den Mohren ein Schau-Spiel angestellt habe; dieser/ daß er und die Carthagi- nenser dem Attilius Regulus die Augen-Lieder abschneiden/ und ihn an der brennenden Sonne verschmachten lassen. Alleine beyde hätten scheinbare Ursache ihrer Grausamkeit gehabt; der erste/ weil der Römische Rath die Gefange- nen zu lösen verboten; die andern/ weil Regulus den Römern den Frieden und seine Auswechse- lung selbst widerrathen hätte/ und so wol er als Sempronius dem Feinde gleichsam zu Trotze ins Mohrische Läger zurück kommen wären. Diesesmal aber wäre an ihrer Lös- oder Ein- wechselung nicht zu zweifeln. Hingegen habe Mithridates nicht allein unsterbliches Lob er- worben/ sondern auch die Römer mit nichts mehrers erschreckt/ als daß er ihre Gefangenen mit einem Zehr-Pfennige versehen und ohne Entgeld frey gelassen. Kayser Julius habe es mit den Pompejischen Gefangenen nicht anders gemacht. Hertzog Ganasch fiel ihm in die Re- de: Alle Gefangene müssen sterben. Rom hat selten einem fremden Gefangenen Lufft und Le- ben gegönnet. Vom Marius vermochten die Celtischen Weiber und Kinder nicht das Leben und die Freyheit zu erbitten. Caldus Cälius biß hierüber die Zähne zusammen/ und fuhr den Catulus mit verzweifelter Geberdung und harten Worten an: Schone deiner! Einem Rö- mer stehet es so wenig an das Leben zu erbetteln/ [Spaltenumbruch] als diese Barbarn einiger Bitte werth sind. Folge meinem Beyspiele/ wo es dir mehr umb Ehre als den ohnmächtigen Athem zu thun ist. Hiermit ergriff er die eisernen Ketten/ wormit er gebunden war/ und stieß selbte so heftig an sein Haupt/ daß er mit Vergiessung seines Bluts und Gehirnes Augenblicks todt zu Bo- den fiel. Ja ehe ein Mensch zuspringen konte/ hatte es Catulus ihm nachgethan; allen hier- über erstaunenden Zuschauern zum Nachden- cken lassend: Ob bey dieser Begebenheit das be- hertzte Beyspiel oder die geschwinde Nachfolge mehrer Verwunderung würdig sey/ oder ob sie nicht mit grösserm Ruhm gestorben als Corne- lius Merula/ der umb/ nicht in des wütenden Marius Hände zu fallen/ mit seinem eignen Priester-Blute des Jupiters Augen bespreng- te; oder als Herennius Siculus/ der seinen Kopf an den Pfosten des Kerckers zermalmte/ und also dem Hencker gleichsam den schimpfli- chen Tod aus den Händen wand. Hierauff ward auch der ausgescharrte Leich- Fleiß
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
an: Er koͤnte nicht glauben/ daß einige Goͤtteran ſo grauſamem Gottes-Dienſte Gefallen truͤgen. Die Scythen und Thracier wuͤrden fuͤr die raueſten Voͤlcker insgemein gehalten/ dieſe aber opferten nur den hundertſten Gefan- genen/ hier aber wuͤrde von denen ſonſt ſo hochge- ruͤhmten Deutſchen auff alle erbaͤrmlich geraſet. Hannibals und Xantippus Grauſamkeit ſey zwar noch beſchrien/ daß jener aus denen erſchla- genen Feinden uͤber die Vergelliſche Bach ihm eine Bruͤcke gebaut/ die Vaͤter mit den Soͤhnen/ Bruͤder mit Bruͤdern zu kaͤmpfen gezwungen/ und hierdurch den Mohren ein Schau-Spiel angeſtellt habe; dieſer/ daß er und die Carthagi- nenſer dem Attilius Regulus die Augen-Lieder abſchneiden/ und ihn an der brennenden Sonne verſchmachten laſſen. Alleine beyde haͤtten ſcheinbare Urſache ihrer Grauſamkeit gehabt; der erſte/ weil der Roͤmiſche Rath die Gefange- nen zu loͤſen verboten; die andern/ weil Regulus den Roͤmern den Frieden und ſeine Auswechſe- lung ſelbſt widerrathen haͤtte/ und ſo wol er als Sempronius dem Feinde gleichſam zu Trotze ins Mohriſche Laͤger zuruͤck kommen waͤren. Dieſesmal aber waͤre an ihrer Loͤſ- oder Ein- wechſelung nicht zu zweifeln. Hingegen habe Mithridates nicht allein unſterbliches Lob er- worben/ ſondern auch die Roͤmer mit nichts mehrers erſchreckt/ als daß er ihre Gefangenen mit einem Zehr-Pfennige verſehen und ohne Entgeld frey gelaſſen. Kayſer Julius habe es mit den Pompejiſchen Gefangenen nicht anders gemacht. Hertzog Ganaſch fiel ihm in die Re- de: Alle Gefangene muͤſſen ſterben. Rom hat ſelten einem fremden Gefangenen Lufft und Le- ben gegoͤnnet. Vom Marius vermochten die Celtiſchen Weiber und Kinder nicht das Leben und die Freyheit zu erbitten. Caldus Caͤlius biß hieruͤber die Zaͤhne zuſammen/ und fuhr den Catulus mit verzweifelter Geberdung und harten Worten an: Schone deiner! Einem Roͤ- mer ſtehet es ſo wenig an das Leben zu erbetteln/ [Spaltenumbruch] als dieſe Barbarn einiger Bitte werth ſind. Folge meinem Beyſpiele/ wo es dir mehr umb Ehre als den ohnmaͤchtigen Athem zu thun iſt. Hiermit ergriff er die eiſernen Ketten/ wormit er gebunden war/ und ſtieß ſelbte ſo heftig an ſein Haupt/ daß er mit Vergieſſung ſeines Bluts und Gehirnes Augenblicks todt zu Bo- den fiel. Ja ehe ein Menſch zuſpringen konte/ hatte es Catulus ihm nachgethan; allen hier- uͤber erſtaunenden Zuſchauern zum Nachden- cken laſſend: Ob bey dieſer Begebenheit das be- hertzte Beyſpiel oder die geſchwinde Nachfolge mehrer Verwunderung wuͤrdig ſey/ oder ob ſie nicht mit groͤſſerm Ruhm geſtorben als Corne- lius Merula/ der umb/ nicht in des wuͤtenden Marius Haͤnde zu fallen/ mit ſeinem eignen Prieſter-Blute des Jupiters Augen beſpreng- te; oder als Herennius Siculus/ der ſeinen Kopf an den Pfoſten des Kerckers zermalmte/ und alſo dem Hencker gleichſam den ſchimpfli- chen Tod aus den Haͤnden wand. Hierauff ward auch der ausgeſcharrte Leich- Fleiß
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Arminius und Thußnelda.
an: Er koͤnte nicht glauben/ daß einige Goͤtter
an ſo grauſamem Gottes-Dienſte Gefallen
truͤgen. Die Scythen und Thracier wuͤrden
fuͤr die raueſten Voͤlcker insgemein gehalten/
dieſe aber opferten nur den hundertſten Gefan-
genen/ hier aber wuͤrde von denen ſonſt ſo hochge-
ruͤhmten Deutſchen auff alle erbaͤrmlich geraſet.
Hannibals und Xantippus Grauſamkeit ſey
zwar noch beſchrien/ daß jener aus denen erſchla-
genen Feinden uͤber die Vergelliſche Bach ihm
eine Bruͤcke gebaut/ die Vaͤter mit den Soͤhnen/
Bruͤder mit Bruͤdern zu kaͤmpfen gezwungen/
und hierdurch den Mohren ein Schau-Spiel
angeſtellt habe; dieſer/ daß er und die Carthagi-
nenſer dem Attilius Regulus die Augen-Lieder
abſchneiden/ und ihn an der brennenden Sonne
verſchmachten laſſen. Alleine beyde haͤtten
ſcheinbare Urſache ihrer Grauſamkeit gehabt;
der erſte/ weil der Roͤmiſche Rath die Gefange-
nen zu loͤſen verboten; die andern/ weil Regulus
den Roͤmern den Frieden und ſeine Auswechſe-
lung ſelbſt widerrathen haͤtte/ und ſo wol er als
Sempronius dem Feinde gleichſam zu Trotze
ins Mohriſche Laͤger zuruͤck kommen waͤren.
Dieſesmal aber waͤre an ihrer Loͤſ- oder Ein-
wechſelung nicht zu zweifeln. Hingegen habe
Mithridates nicht allein unſterbliches Lob er-
worben/ ſondern auch die Roͤmer mit nichts
mehrers erſchreckt/ als daß er ihre Gefangenen
mit einem Zehr-Pfennige verſehen und ohne
Entgeld frey gelaſſen. Kayſer Julius habe es
mit den Pompejiſchen Gefangenen nicht anders
gemacht. Hertzog Ganaſch fiel ihm in die Re-
de: Alle Gefangene muͤſſen ſterben. Rom hat
ſelten einem fremden Gefangenen Lufft und Le-
ben gegoͤnnet. Vom Marius vermochten die
Celtiſchen Weiber und Kinder nicht das Leben
und die Freyheit zu erbitten. Caldus Caͤlius
biß hieruͤber die Zaͤhne zuſammen/ und fuhr
den Catulus mit verzweifelter Geberdung und
harten Worten an: Schone deiner! Einem Roͤ-
mer ſtehet es ſo wenig an das Leben zu erbetteln/
als dieſe Barbarn einiger Bitte werth ſind.
Folge meinem Beyſpiele/ wo es dir mehr umb
Ehre als den ohnmaͤchtigen Athem zu thun iſt.
Hiermit ergriff er die eiſernen Ketten/ wormit
er gebunden war/ und ſtieß ſelbte ſo heftig an
ſein Haupt/ daß er mit Vergieſſung ſeines
Bluts und Gehirnes Augenblicks todt zu Bo-
den fiel. Ja ehe ein Menſch zuſpringen konte/
hatte es Catulus ihm nachgethan; allen hier-
uͤber erſtaunenden Zuſchauern zum Nachden-
cken laſſend: Ob bey dieſer Begebenheit das be-
hertzte Beyſpiel oder die geſchwinde Nachfolge
mehrer Verwunderung wuͤrdig ſey/ oder ob ſie
nicht mit groͤſſerm Ruhm geſtorben als Corne-
lius Merula/ der umb/ nicht in des wuͤtenden
Marius Haͤnde zu fallen/ mit ſeinem eignen
Prieſter-Blute des Jupiters Augen beſpreng-
te; oder als Herennius Siculus/ der ſeinen
Kopf an den Pfoſten des Kerckers zermalmte/
und alſo dem Hencker gleichſam den ſchimpfli-
chen Tod aus den Haͤnden wand.
Hierauff ward auch der ausgeſcharrte Leich-
nam des Roͤmiſchen Feldherrn zu einem Altare
geſchleppt/ bey welchem Printz Seſitach/ Her-
tzog Segimers und Fuͤrſt Siegesmund des Se-
geſthens Sohn zugegen waren. Der erſtere/
welcher wegen einer einsmal geſchehenen Belei-
digung auf den Varus einen unverſoͤhnlichen
Haß geſchoͤpfft hatte/ ſpottete nicht allein ſein/
ſondern wolte auch verwehren ihn als ein un-
wuͤrdiges Aaß auff dem Altare zu verbrennen.
Fuͤrſt Siegesmund aber/ welcher wegen ſeines
abtruͤnnigen und numehro verhaffteten Vaters
in groͤſtem Bekuͤmmernuͤſſe war/ und von denen
gegen ihn als einen Verraͤther des Vaterlandes
hoͤchſt-erbitterten Deutſchen ein ſcharffes Ur-
thel befahrete/ bekam hierbey eine Gelegenheit
zugleich ſich bey den Deutſchen einzulieben/ und
den Roͤmern einen Dienſt zu thun/ oder zum
minſten ſſelbte nicht gar aus der Wiege zu werf-
fen. Denn ob wol der ſchlaue Segeſthes/ als
er zu den Roͤmern uͤberging/ ſeinem Sohne mit
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/119>, abgerufen am 16.07.2024. |