Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
Wiewol nun ieder schier gegen drey zu fechtenhatte; thaten sie doch so männlichen Wieder- stand: daß in weniger Zeit drey von ihren Ver- folgern von Pferden fielen. Marbod aber/ dem am grimmigsten zugesetzt ward/ verlohr hierü- ber sein Pferd/ und muste eine gute Weile sich gegen zwey alleine zu Fusse wehren/ wiewol er zu seinem Vortheil einen dicken Tannenbaum an Rücken bekam. Weil aber Lichtenstein und Tannenberg zweyen abermahls das Licht aus- leschten/ kriegte Vannius Lufft dem Marbod wieder auf ein feindliches Pferd zu helffen; wie- wol jener darüber einen Hau in lincken Arm/ und einen Stich in die rechte Seite bekam. Aber der ergrimmte Marbod rächte alsbald seinen getreuen Vannius/ und durchrennte mit sei- ner Lantze seinen Beleidiger; welches Zettritz/ ein Marsingischer Edelmann und der Führer dieses Hauffens war. Weil denn die übrigen vier von ihren empfangenen Wunden schwach zu werden empfunden; wendeten sie sich um und verliessen die vier Verfolgten. Ob nun wol Vannius etliche mahl von seiner Verletzung in Ohnmacht fiel/ so erquickte ihn doch Marbod/ verband ihm auch seine Wunden mit denen vom alten Wurtzelmanne empfangenen köstlichen Artzneyen; und weil er nicht zu bewegen war zurück zu bleiben/ oder nur daselbst zu übernach- ten; ritten sie/ nach dem die Pferde kaum eine Stunde verblasen hatten/ die gantze Nacht fort; kamen auch den dritten Tag über die Elbe in das Hermundurische Gebiete. König Marbod wolte in seinem eigenen Die Bojen hatten nach Marbods Nieder- nicht
Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
Wiewol nun ieder ſchier gegen drey zu fechtenhatte; thaten ſie doch ſo maͤnnlichen Wieder- ſtand: daß in weniger Zeit drey von ihren Ver- folgern von Pferden fielen. Marbod aber/ dem am grimmigſten zugeſetzt ward/ verlohr hieruͤ- ber ſein Pferd/ und muſte eine gute Weile ſich gegen zwey alleine zu Fuſſe wehren/ wiewol er zu ſeinem Vortheil einen dicken Tannenbaum an Ruͤcken bekam. Weil aber Lichtenſtein und Tannenberg zweyen abermahls das Licht aus- leſchten/ kriegte Vannius Lufft dem Marbod wieder auf ein feindliches Pferd zu helffen; wie- wol jener daruͤber einen Hau in lincken Arm/ und einen Stich in die rechte Seite bekam. Aber der ergrimmte Marbod raͤchte alsbald ſeinen getreuen Vannius/ und durchrennte mit ſei- ner Lantze ſeinen Beleidiger; welches Zettritz/ ein Marſingiſcher Edelmann und der Fuͤhrer dieſes Hauffens war. Weil denn die uͤbrigen vier von ihren empfangenen Wunden ſchwach zu werden empfunden; wendeten ſie ſich um und verlieſſen die vier Verfolgten. Ob nun wol Vannius etliche mahl von ſeiner Verletzung in Ohnmacht fiel/ ſo erquickte ihn doch Marbod/ verband ihm auch ſeine Wunden mit denen vom alten Wurtzelmanne empfangenen koͤſtlichen Artzneyen; und weil er nicht zu bewegen war zuruͤck zu bleiben/ oder nur daſelbſt zu uͤbernach- ten; ritten ſie/ nach dem die Pferde kaum eine Stunde verblaſen hatten/ die gantze Nacht fort; kamen auch den dritten Tag uͤber die Elbe in das Hermunduriſche Gebiete. Koͤnig Marbod wolte in ſeinem eigenen Die Bojen hatten nach Marbods Nieder- nicht
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1198" n="1134[1136]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebendes Buch</hi></fw><lb/><cb/> Wiewol nun ieder ſchier gegen drey zu fechten<lb/> hatte; thaten ſie doch ſo maͤnnlichen Wieder-<lb/> ſtand: daß in weniger Zeit drey von ihren Ver-<lb/> folgern von Pferden fielen. Marbod aber/ dem<lb/> am grimmigſten zugeſetzt ward/ verlohr hieruͤ-<lb/> ber ſein Pferd/ und muſte eine gute Weile ſich<lb/> gegen zwey alleine zu Fuſſe wehren/ wiewol er<lb/> zu ſeinem Vortheil einen dicken Tannenbaum<lb/> an Ruͤcken bekam. Weil aber Lichtenſtein und<lb/> Tannenberg zweyen abermahls das Licht aus-<lb/> leſchten/ kriegte Vannius Lufft dem Marbod<lb/> wieder auf ein feindliches Pferd zu helffen; wie-<lb/> wol jener daruͤber einen Hau in lincken Arm/<lb/> und einen Stich in die rechte Seite bekam. Aber<lb/> der ergrimmte Marbod raͤchte alsbald ſeinen<lb/> getreuen Vannius/ und durchrennte mit ſei-<lb/> ner Lantze ſeinen Beleidiger; welches Zettritz/<lb/> ein Marſingiſcher Edelmann und der Fuͤhrer<lb/> dieſes Hauffens war. Weil denn die uͤbrigen<lb/> vier von ihren empfangenen Wunden ſchwach<lb/> zu werden empfunden; wendeten ſie ſich um<lb/> und verlieſſen die vier Verfolgten. Ob nun wol<lb/> Vannius etliche mahl von ſeiner Verletzung in<lb/> Ohnmacht fiel/ ſo erquickte ihn doch Marbod/<lb/> verband ihm auch ſeine Wunden mit denen vom<lb/> alten Wurtzelmanne empfangenen koͤſtlichen<lb/> Artzneyen; und weil er nicht zu bewegen war<lb/> zuruͤck zu bleiben/ oder nur daſelbſt zu uͤbernach-<lb/> ten; ritten ſie/ nach dem die Pferde kaum eine<lb/> Stunde verblaſen hatten/ die gantze Nacht fort;<lb/> kamen auch den dritten Tag uͤber die Elbe in<lb/> das Hermunduriſche Gebiete.</p><lb/> <p>Koͤnig Marbod wolte in ſeinem eigenen<lb/> Lande ſich nicht zu erkennen geben/ biß er nach<lb/> Calegia kam; und durch ſeine unvermuthete<lb/> Ankunfft die Seinigen erfreuete/ ſeine Wie-<lb/> drigen erſchreckte/ und die zweiffelhafften Ge-<lb/> muͤther im Gehorſam erhielt. Denn weil aus<lb/> dem Lande der Bojen ſein Tod fuͤr allzugewiß<lb/> verlautete; hatten die mit ihrem Gemuͤthe noch<lb/> an dem Geſchlechte des Brittons hangende Heꝛ-<lb/> mundurer den beym Cheruskiſchen Hertzoge<lb/><cb/> Segimer ſich auf haltenden Fuͤrſten Jubil durch<lb/> ſchnelle Poſten dieſer Enderung verſtaͤndigt/<lb/> und ins Land beruffen. Welcher denn auch<lb/> in der Eil zweytauſend Cherusker an ſich gezo-<lb/> gen und Vertroͤſtung hatte: daß die Sicambrer/<lb/> Tencterer und Uſipeter ihm mit geſamter Hand<lb/> zu Huͤlffe kommen wolten/ welche dem Marcus<lb/> Lollius den Adler der fuͤnfften Legion abgenom-<lb/> men/ etliche tauſend Roͤmer und noch ſo viel<lb/> Gallier erſchlagen/ und alſo den Kayſer ſelbſt<lb/> in Gallien zu kommen verurſacht/ aber doch als<lb/> gegen dieſer Macht zu ſchwach nach erlangter<lb/> reichen Beute mit den Roͤmern Friede gemacht<lb/> hatten. Marbod ließ ſeine gluͤckliche Entkom-<lb/> mung bald in alle ſeine Laͤnder ausbreiten/ er<lb/> aber ſelbſt ruͤckte an der Saale gegen das Me-<lb/> libokiſche Gebuͤrge dem Fuͤrſten Jubill mit<lb/> zehntauſend Mann entgegen/ um dieſen Auff-<lb/> ſtand in der erſten Flamme zu daͤmpffen. Weil<lb/> nun Jubils Vortrab geſchlagen/ er ſelbſt zuruͤck<lb/> in den Semaniſchen Wald getrieben/ die Che-<lb/> ruskiſche Huͤlffe durch den Krieg mit den Cat-<lb/> ten/ der Beyſtand der Sicambrer/ Tencterer/<lb/> und Uſipeter durch des Roͤmiſchen Kayſers<lb/> treuliche Abmahnungen zuruͤck gehalten ward;<lb/> uͤber diß hernach des Claudius Druſus Einfaͤl-<lb/> le das gantze Nieder-Deutſchland zwiſchen dem<lb/> Rheine und der Elbe in Krieg verwickelte/<lb/> kriegte Koͤnig Marbod nicht allein Lufft ſeine<lb/> vorigen Laͤnder voͤllig zu beruhigen; ſondern<lb/> auch wieder die Bojen auff Rache zu ſinnen.</p><lb/> <p>Die Bojen hatten nach Marbods Nieder-<lb/> lage unter dem Gothoniſchen Fuͤrſten Gott-<lb/> wald/ welcher ſich eine zeitlang an des Bojiſchen<lb/> Koͤnigs Critaſir Hofe aufgehalten hatte/ alle<lb/> Marckmaͤnner und Hermundurer aus ihren<lb/> Graͤntzen getrieben/ ja der Alemaͤnniſchen<lb/> Fuͤrſtin Vocione ein Buͤndnuͤs angetragen/<lb/> und ihr Vertroͤſtung gethan/ derſelbten zu al-<lb/> len Landſchafften zu verhelffen/ welche nach Koͤ-<lb/> nig Arioviſts vermeintem Tode Vermoͤge einer<lb/> mit dem Hermunduriſchen Hauſe auff den Fall<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1134[1136]/1198]
Siebendes Buch
Wiewol nun ieder ſchier gegen drey zu fechten
hatte; thaten ſie doch ſo maͤnnlichen Wieder-
ſtand: daß in weniger Zeit drey von ihren Ver-
folgern von Pferden fielen. Marbod aber/ dem
am grimmigſten zugeſetzt ward/ verlohr hieruͤ-
ber ſein Pferd/ und muſte eine gute Weile ſich
gegen zwey alleine zu Fuſſe wehren/ wiewol er
zu ſeinem Vortheil einen dicken Tannenbaum
an Ruͤcken bekam. Weil aber Lichtenſtein und
Tannenberg zweyen abermahls das Licht aus-
leſchten/ kriegte Vannius Lufft dem Marbod
wieder auf ein feindliches Pferd zu helffen; wie-
wol jener daruͤber einen Hau in lincken Arm/
und einen Stich in die rechte Seite bekam. Aber
der ergrimmte Marbod raͤchte alsbald ſeinen
getreuen Vannius/ und durchrennte mit ſei-
ner Lantze ſeinen Beleidiger; welches Zettritz/
ein Marſingiſcher Edelmann und der Fuͤhrer
dieſes Hauffens war. Weil denn die uͤbrigen
vier von ihren empfangenen Wunden ſchwach
zu werden empfunden; wendeten ſie ſich um
und verlieſſen die vier Verfolgten. Ob nun wol
Vannius etliche mahl von ſeiner Verletzung in
Ohnmacht fiel/ ſo erquickte ihn doch Marbod/
verband ihm auch ſeine Wunden mit denen vom
alten Wurtzelmanne empfangenen koͤſtlichen
Artzneyen; und weil er nicht zu bewegen war
zuruͤck zu bleiben/ oder nur daſelbſt zu uͤbernach-
ten; ritten ſie/ nach dem die Pferde kaum eine
Stunde verblaſen hatten/ die gantze Nacht fort;
kamen auch den dritten Tag uͤber die Elbe in
das Hermunduriſche Gebiete.
Koͤnig Marbod wolte in ſeinem eigenen
Lande ſich nicht zu erkennen geben/ biß er nach
Calegia kam; und durch ſeine unvermuthete
Ankunfft die Seinigen erfreuete/ ſeine Wie-
drigen erſchreckte/ und die zweiffelhafften Ge-
muͤther im Gehorſam erhielt. Denn weil aus
dem Lande der Bojen ſein Tod fuͤr allzugewiß
verlautete; hatten die mit ihrem Gemuͤthe noch
an dem Geſchlechte des Brittons hangende Heꝛ-
mundurer den beym Cheruskiſchen Hertzoge
Segimer ſich auf haltenden Fuͤrſten Jubil durch
ſchnelle Poſten dieſer Enderung verſtaͤndigt/
und ins Land beruffen. Welcher denn auch
in der Eil zweytauſend Cherusker an ſich gezo-
gen und Vertroͤſtung hatte: daß die Sicambrer/
Tencterer und Uſipeter ihm mit geſamter Hand
zu Huͤlffe kommen wolten/ welche dem Marcus
Lollius den Adler der fuͤnfften Legion abgenom-
men/ etliche tauſend Roͤmer und noch ſo viel
Gallier erſchlagen/ und alſo den Kayſer ſelbſt
in Gallien zu kommen verurſacht/ aber doch als
gegen dieſer Macht zu ſchwach nach erlangter
reichen Beute mit den Roͤmern Friede gemacht
hatten. Marbod ließ ſeine gluͤckliche Entkom-
mung bald in alle ſeine Laͤnder ausbreiten/ er
aber ſelbſt ruͤckte an der Saale gegen das Me-
libokiſche Gebuͤrge dem Fuͤrſten Jubill mit
zehntauſend Mann entgegen/ um dieſen Auff-
ſtand in der erſten Flamme zu daͤmpffen. Weil
nun Jubils Vortrab geſchlagen/ er ſelbſt zuruͤck
in den Semaniſchen Wald getrieben/ die Che-
ruskiſche Huͤlffe durch den Krieg mit den Cat-
ten/ der Beyſtand der Sicambrer/ Tencterer/
und Uſipeter durch des Roͤmiſchen Kayſers
treuliche Abmahnungen zuruͤck gehalten ward;
uͤber diß hernach des Claudius Druſus Einfaͤl-
le das gantze Nieder-Deutſchland zwiſchen dem
Rheine und der Elbe in Krieg verwickelte/
kriegte Koͤnig Marbod nicht allein Lufft ſeine
vorigen Laͤnder voͤllig zu beruhigen; ſondern
auch wieder die Bojen auff Rache zu ſinnen.
Die Bojen hatten nach Marbods Nieder-
lage unter dem Gothoniſchen Fuͤrſten Gott-
wald/ welcher ſich eine zeitlang an des Bojiſchen
Koͤnigs Critaſir Hofe aufgehalten hatte/ alle
Marckmaͤnner und Hermundurer aus ihren
Graͤntzen getrieben/ ja der Alemaͤnniſchen
Fuͤrſtin Vocione ein Buͤndnuͤs angetragen/
und ihr Vertroͤſtung gethan/ derſelbten zu al-
len Landſchafften zu verhelffen/ welche nach Koͤ-
nig Arioviſts vermeintem Tode Vermoͤge einer
mit dem Hermunduriſchen Hauſe auff den Fall
nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1198 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1134[1136]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1198>, abgerufen am 29.06.2024. |