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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nicht hinterlassener Söhne auffgezeichneten
Erbverbrüderung dem Hertzoge Britton zuge-
fallen/ nunmehr an Marbod/ der an solchem
Geschlechts-Vergleiche weder Recht noch
Theil hatte/ durch Gewalt gediegen waren.
Marbod ward hier über nicht wenig beküm-
mert; weil die Alemannische Fürstin Vocione
mit denen streitbaren Catten feste verknüpfft
war/ und also ihm nicht nur dieser grosse
Schwall der Völcker leicht auf einmahl hätte
über den Hals fallen/ sondern auch die Marck-
männer und Sedusier/ welche ohne diß nach
der ersten Alemannischen Herrschafft seuffzeten/
von ihm abtrinnig machen können. Diesemnach
schrieb Marbod eine weitläufftige Erzehlung
alles dessen/ was ihm mit ihrem Vater dem in
ihren Gedancken zwar längst/ in der Warheit
aber erst für weniger Zeit gestorbenen Ariovist
begegnet wäre/ an die Fürstin Vocione/ ließ
selbte beyde Ritter Lichtenstein und Tannenberg
unterschreiben/ und mit einem kräfftigen Eyde
desselbten Warheit betheuern. Zu mehrer Be-
stärckung schloß er einen güldenen Ring/ den
Ariovist allezeit an seinem kleinen Finger ge-
tragen/ Marbod aber seiner Leiche zum Ge-
dächtnüß abgezogen hatte/ bey/ schickte den
Lichtenstein darmit zu Vocionen; mit dem Ver-
sprechen: daß er Ariovisten zu Liebe ihr alle vä-
terliche Länder wieder abtreten wolte; da sie ihm
zu Uberwindung der Bojen würde behülflich
seyn. Vocione laß diese Geschichte ihres Va-
ters mit höchster Verwunderung/ erkennte der-
selben Warheit aus Marbods und seiner zwey-
en Gefärthen hoher Betheuerung/ insonderheit
aber aus dem ihr mehr als allzukenntlichen
Ringe/ netzte also dieses Schreiben mit vielen
Wehmuths-Thränen. Wiewol ihr nun das
ehrsüchtige Gemüthe des Marbods bekandt/
seine ungemeine Freygebigkeit anfangs ver-
dächtig war/ wuste doch Lichtenstein alle Be-
dencken so vernünfftig abzulehnen: daß sie die
Bojische Gesandschafft unverrichteter Sachen
[Spaltenumbruch] beurlaubte/ Lichtenstein aber alles erhielt/ was
er verlangte.

Marbod sammlete hier auf nicht allein zwey
mächtige Kriegs-Heere; sondern bot durch die
Vertröstung: daß er die Meyneydischen Bojen
mit Strumpff und Stiel vertilgen/ ihre fetten
Aecker aber seinen Krieges-Leuten eintheilen
wolte/ fast alle seine Völcker auff. Die Fürstin
Vocione schickte ihren Vetter/ welchen sie auff
ihren Todes-Fall zum Alemannischen Herzoge
bestimmt hatte/ mit zehntausend außerlesenen
Alemännern und Herudern dem Könige Mar-
bod wieder die Bojen zu Hülffe. Dieser brach
an drey Orten in ihr Land. Dem Marbod
selbst zohe der tapffere Gothonische Fürst Gott-
wald; welchem der Bojen König Eritasir we-
gen seiner grossen Dienste inzwischen seine eini-
ge Tochter vermählt hatte/ entgegen; und setzte
sich beym Eger-Strome an einem vortheilhaf-
ten Orte feste: daß ihm fast nicht möglich beyzu-
kommen war. Vannius aber/ welchem Mar-
bod seiner Treu und Tapfferkeit halber den
lincken Flügel vertraut hatte/ nahm hinter den
Bojen einen Paß ein; wordurch er ihnen alle
Lebens-Mittel abschnitt/ und sie zu Liefferung
einer Schlacht nöthigte. Beyde Heere wur-
den gegen einander auffs klügste gestellt; die
Schlacht so grausam/ die Feinde gegen einan-
der so verbittert: daß bey Entfallung der Hän-
de und Waffen/ sie mit den Zähnen einander
beleidigten. Diese Grausamkeit währete von
der Sonnen Aufgange biß zwey Stunden für
der Nacht/ ehe einiges Horn der Schlachtord-
nung zu wancken anfieng. Marbod und Gott-
wald kamen selbst an einander/ und verlohr ie-
der drey Pferde unter dem Leibe. Endlich brach
Vannius zum ersten durch/ und trennte der
Bojen rechten Flügel; ein Marckmännischer
Ritter Bercka verwundete den Fürsten Gott-
wald in der rechten Seite so sehr: daß er aus
dem Treffen zurück weichen muste. Hierüber
gerieth das gantze Bojische Heer in die Flucht;

und

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] nicht hinterlaſſener Soͤhne auffgezeichneten
Erbverbruͤderung dem Hertzoge Britton zuge-
fallen/ nunmehr an Marbod/ der an ſolchem
Geſchlechts-Vergleiche weder Recht noch
Theil hatte/ durch Gewalt gediegen waren.
Marbod ward hier uͤber nicht wenig bekuͤm-
mert; weil die Alemanniſche Fuͤrſtin Vocione
mit denen ſtreitbaren Catten feſte verknuͤpfft
war/ und alſo ihm nicht nur dieſer groſſe
Schwall der Voͤlcker leicht auf einmahl haͤtte
uͤber den Hals fallen/ ſondern auch die Marck-
maͤnner und Seduſier/ welche ohne diß nach
der erſten Alemanniſchen Herrſchafft ſeuffzeten/
von ihm abtꝛinnig machen koͤnnen. Dieſemnach
ſchrieb Marbod eine weitlaͤufftige Erzehlung
alles deſſen/ was ihm mit ihrem Vater dem in
ihren Gedancken zwar laͤngſt/ in der Warheit
aber erſt fuͤr weniger Zeit geſtorbenen Arioviſt
begegnet waͤre/ an die Fuͤrſtin Vocione/ ließ
ſelbte beyde Ritter Lichtenſtein und Tañenberg
unterſchreiben/ und mit einem kraͤfftigen Eyde
deſſelbten Warheit betheuern. Zu mehrer Be-
ſtaͤrckung ſchloß er einen guͤldenen Ring/ den
Arioviſt allezeit an ſeinem kleinen Finger ge-
tragen/ Marbod aber ſeiner Leiche zum Ge-
daͤchtnuͤß abgezogen hatte/ bey/ ſchickte den
Lichtenſtein darmit zu Vocionen; mit dem Ver-
ſprechen: daß er Arioviſten zu Liebe ihr alle vaͤ-
terliche Laͤnder wieder abtreten wolte; da ſie ihm
zu Uberwindung der Bojen wuͤrde behuͤlflich
ſeyn. Vocione laß dieſe Geſchichte ihres Va-
ters mit hoͤchſter Verwunderung/ erkennte der-
ſelben Warheit aus Marbods und ſeiner zwey-
en Gefaͤrthen hoher Betheuerung/ inſonderheit
aber aus dem ihr mehr als allzukenntlichen
Ringe/ netzte alſo dieſes Schreiben mit vielen
Wehmuths-Thraͤnen. Wiewol ihr nun das
ehrſuͤchtige Gemuͤthe des Marbods bekandt/
ſeine ungemeine Freygebigkeit anfangs ver-
daͤchtig war/ wuſte doch Lichtenſtein alle Be-
dencken ſo vernuͤnfftig abzulehnen: daß ſie die
Bojiſche Geſandſchafft unverrichteter Sachen
[Spaltenumbruch] beurlaubte/ Lichtenſtein aber alles erhielt/ was
er verlangte.

Marbod ſammlete hier auf nicht allein zwey
maͤchtige Kriegs-Heere; ſondern bot durch die
Vertroͤſtung: daß er die Meyneydiſchen Bojen
mit Strumpff und Stiel vertilgen/ ihre fetten
Aecker aber ſeinen Krieges-Leuten eintheilen
wolte/ faſt alle ſeine Voͤlcker auff. Die Fuͤrſtin
Vocione ſchickte ihren Vetter/ welchen ſie auff
ihren Todes-Fall zum Alemanniſchen Herzoge
beſtimmt hatte/ mit zehntauſend außerleſenen
Alemaͤnnern und Herudern dem Koͤnige Mar-
bod wieder die Bojen zu Huͤlffe. Dieſer brach
an drey Orten in ihr Land. Dem Marbod
ſelbſt zohe der tapffere Gothoniſche Fuͤrſt Gott-
wald; welchem der Bojen Koͤnig Eritaſir we-
gen ſeiner groſſen Dienſte inzwiſchen ſeine eini-
ge Tochter vermaͤhlt hatte/ entgegen; und ſetzte
ſich beym Eger-Strome an einem vortheilhaf-
ten Orte feſte: daß ihm faſt nicht moͤglich beyzu-
kommen war. Vannius aber/ welchem Mar-
bod ſeiner Treu und Tapfferkeit halber den
lincken Fluͤgel vertraut hatte/ nahm hinter den
Bojen einen Paß ein; wordurch er ihnen alle
Lebens-Mittel abſchnitt/ und ſie zu Liefferung
einer Schlacht noͤthigte. Beyde Heere wur-
den gegen einander auffs kluͤgſte geſtellt; die
Schlacht ſo grauſam/ die Feinde gegen einan-
der ſo verbittert: daß bey Entfallung der Haͤn-
de und Waffen/ ſie mit den Zaͤhnen einander
beleidigten. Dieſe Grauſamkeit waͤhrete von
der Sonnen Aufgange biß zwey Stunden fuͤr
der Nacht/ ehe einiges Horn der Schlachtord-
nung zu wancken anfieng. Marbod und Gott-
wald kamen ſelbſt an einander/ und verlohr ie-
der drey Pferde unter dem Leibe. Endlich brach
Vannius zum erſten durch/ und trennte der
Bojen rechten Fluͤgel; ein Marckmaͤnniſcher
Ritter Bercka verwundete den Fuͤrſten Gott-
wald in der rechten Seite ſo ſehr: daß er aus
dem Treffen zuruͤck weichen muſte. Hieruͤber
gerieth das gantze Bojiſche Heer in die Flucht;

und
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1135[1137]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1199>, abgerufen am 23.11.2024.