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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] endlich selbst vom Agrippa bey Methon erschla-
gen ward; nahm Micipsa Bogudes Sohn mit
etlichen edlen Mohren zu seiner Schwester ü-
ber das Meer in Deutschland seine Zuflucht.
Dieser als ein so naher Freund und geschickter
Herr/ ward nicht nur von seiner Schwester E-
lißa/ sondern auch von ihrem Sohne dem herr-
schenden Fürsten Arnold auffs freun dlichste em-
pfangen/ und aufs beste unterhalten. Dieser Ar-
nold hatte des Sidinische Herzogs Tochter Ger-
trud zur Ehe/ eine Fürstin von unver gleichli-
cher Schönheit. Weil nun seine Liebe gegen ihr
übermäßig war/ konte sie nichts/ als eine unge-
arthete Tochter gebähren/ nemlich die Eyver-
sucht; also: daß/ ob sie zwar sonst alles hatte/ was
ihr Hertz verlangte/ sie dennoch meist in der Ein-
samkeit/ gleich als in einem Kercker leben mu-
ste. Gleichwol aber erlaubte er ihr wieder sei-
ne Gewonheit seinen Vetter Micipsa mit allen
Ergetzligkeiten zu unterhalten. Es war kein
Jahr seiner Anwesenheit vorbey; als Gertrud
auf einmahl eine schneeweisse Tochter/ und ei-
nen braunen Sohn gebahr. Die Freude der
glücklichen Geburt verwandelte sich/ so bald
Gertrud dieses Mohren-Kind anblickte/ in ein
solches Hertzeleid/ welchem die überstandenen
Geburts-Schmertzen nicht zu vergleichen wa-
ren/ und sie würde es mit hundert mahl so viel
Wehen gerne in ihren mütterlichen Leib wieder
verschlossen haben/ als selbter es an das Tage-
licht gebracht hatte. Sie stürtzte anfangs eine
See voll Thränen/ und ihre Augen nicht min-
der Wasser/ als ihr Leib Blut von sich. Dieses
Weinen verwandelte sich in Seuffzer/ hernach
in ein Recheln/ und endlich in eine kalte Ohn-
macht. Jhre Gehülffen hatten mit Kühlen und
reiben eine Stunde zu thun/ ehe man wieder
ein Leben an ihr sah. Wie sie sich nun endlich
wieder erholete/ fragte Hertzog Arnolds Mut-
ter nach der Ursache ihrer so plötzlichen Verän-
derung. Gertrud zeigte auf den für ihr liegen-
den schwartzen Sohn; gleich als wenn diß dem
[Spaltenumbruch] schwartzen Tode ähnliche Kind ihr eine genung-
same Ursache ihrer Todes-Angst andeutete. E-
lißa sagte hier auf: bin ich doch selbst/ und keines
der Kinder in Africa weisser/ als dieses. Ger-
trud seuffzete/ und rieff allein mit verbrochenen
Worten: Ach! Arnold! Arnold! Elißa merckte
nunmehr: daß sie wegen ihres Eyversüchtigen
Ehherrns in Beysorge stünde; samt sie bey ihm
in Verdacht einer mit dem Micipsa zugehal-
tenen Liebe verfallen würde. Dahero ermahnte
sie sie/ ihr keinen Kummer zu machen; ihrer bey-
der nahe Bluts-Freundschafft/ ihre Tugend
und Treue wären genungsame Vorredner und
Zeugnüsse ihrer Unschuld. Arnold wäre selbst
der Mutter nach aus Mohrischem Geschlech-
te; da man denn Beyspiele hätte: daß die Art
und Aehnligkeit der Groß-Eltern sich erst an
Kindes-Kindern herfür thäte. Zu dem wäre
die blosse Einbildung schwangerer Mütter ei-
ne seltzame Mahlerin und Bildschnitzerin. Ei-
ne Mohrische Königin hätte sich an einem weis-
sen Marmel-Bilde Andromedens versehen:
daß sie eine weisse Tochter gebohren. Eine
Fürstin der Estier hätte wegen eines ihr nach-
drücklich eingebildeten Bäres/ den sie auff der
Jagt erlegt/ einen gantz rauchen Sohn zur
Welt bracht. Ja es stimmten alle Naturkün-
diger überein: daß der Weiber hefftige Einbil-
dung in der ehlichen Beywohnung durch die
kräfftige Würckung der Seele sich auch in die
eusserliche Bildung der empfangenden Frucht
auszulassen mächtig; und dannenhero nichts
verdächtiges wäre: daß diß ihr Kind nach dem
Micipsa und andern um sich habenden Moh-
ren wäre gebildet worden. Gertrud/ nach dem
sie durch einen hochbetheuerlichen Eyd bekräff-
tigt hatte: daß diß braune Kind Arnolds Sohn
wäre; antwortete Elißen: Aller Verdacht liesse
sich mit vernünfftigen Gründen ablehnen; was
aber die blinde Eyversucht mit ihrem stincken-
den Atheme einmahl schwärtzte/ könte die voll-
kommenste Unschuld mit keiner Lauge noch

Seiffe
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] endlich ſelbſt vom Agrippa bey Methon erſchla-
gen ward; nahm Micipſa Bogudes Sohn mit
etlichen edlen Mohren zu ſeiner Schweſter uͤ-
ber das Meer in Deutſchland ſeine Zuflucht.
Dieſer als ein ſo naher Freund und geſchickter
Herꝛ/ ward nicht nur von ſeiner Schweſter E-
lißa/ ſondern auch von ihrem Sohne dem herꝛ-
ſchenden Fuͤrſten Arnold auffs freun dlichſte em-
pfangen/ und aufs beſte unterhalten. Dieſer Ar-
nold hatte des Sidiniſche Herzogs Tochter Ger-
trud zur Ehe/ eine Fuͤrſtin von unver gleichli-
cher Schoͤnheit. Weil nun ſeine Liebe gegen ihr
uͤbermaͤßig war/ konte ſie nichts/ als eine unge-
arthete Tochter gebaͤhren/ nemlich die Eyver-
ſucht; alſo: daß/ ob ſie zwar ſonſt alles hatte/ was
ihr Hertz verlangte/ ſie dennoch meiſt in der Ein-
ſamkeit/ gleich als in einem Kercker leben mu-
ſte. Gleichwol aber erlaubte er ihr wieder ſei-
ne Gewonheit ſeinen Vetter Micipſa mit allen
Ergetzligkeiten zu unterhalten. Es war kein
Jahr ſeiner Anweſenheit vorbey; als Gertrud
auf einmahl eine ſchneeweiſſe Tochter/ und ei-
nen braunen Sohn gebahr. Die Freude der
gluͤcklichen Geburt verwandelte ſich/ ſo bald
Gertrud dieſes Mohren-Kind anblickte/ in ein
ſolches Hertzeleid/ welchem die uͤberſtandenen
Geburts-Schmertzen nicht zu vergleichen wa-
ren/ und ſie wuͤrde es mit hundert mahl ſo viel
Wehen gerne in ihren muͤtterlichen Leib wieder
verſchloſſen haben/ als ſelbter es an das Tage-
licht gebracht hatte. Sie ſtuͤrtzte anfangs eine
See voll Thraͤnen/ und ihre Augen nicht min-
der Waſſer/ als ihr Leib Blut von ſich. Dieſes
Weinen verwandelte ſich in Seuffzer/ hernach
in ein Recheln/ und endlich in eine kalte Ohn-
macht. Jhre Gehuͤlffen hatten mit Kuͤhlen und
reiben eine Stunde zu thun/ ehe man wieder
ein Leben an ihr ſah. Wie ſie ſich nun endlich
wieder erholete/ fragte Hertzog Arnolds Mut-
ter nach der Urſache ihrer ſo ploͤtzlichen Veraͤn-
derung. Gertrud zeigte auf den fuͤr ihr liegen-
den ſchwartzen Sohn; gleich als wenn diß dem
[Spaltenumbruch] ſchwartzen Tode aͤhnliche Kind ihr eine genung-
ſame Urſache ihrer Todes-Angſt andeutete. E-
lißa ſagte hier auf: bin ich doch ſelbſt/ und keines
der Kinder in Africa weiſſer/ als dieſes. Ger-
trud ſeuffzete/ und rieff allein mit verbrochenen
Worten: Ach! Arnold! Arnold! Elißa merckte
nunmehr: daß ſie wegen ihres Eyverſuͤchtigen
Ehherrns in Beyſorge ſtuͤnde; ſamt ſie bey ihm
in Verdacht einer mit dem Micipſa zugehal-
tenen Liebe verfallen wuͤrde. Dahero ermahnte
ſie ſie/ ihr keinen Kummer zu machen; ihrer bey-
der nahe Bluts-Freundſchafft/ ihre Tugend
und Treue waͤren genungſame Vorredner und
Zeugnuͤſſe ihrer Unſchuld. Arnold waͤre ſelbſt
der Mutter nach aus Mohriſchem Geſchlech-
te; da man denn Beyſpiele haͤtte: daß die Art
und Aehnligkeit der Groß-Eltern ſich erſt an
Kindes-Kindern herfuͤr thaͤte. Zu dem waͤre
die bloſſe Einbildung ſchwangerer Muͤtter ei-
ne ſeltzame Mahlerin und Bildſchnitzerin. Ei-
ne Mohriſche Koͤnigin haͤtte ſich an einem weiſ-
ſen Marmel-Bilde Andromedens verſehen:
daß ſie eine weiſſe Tochter gebohren. Eine
Fuͤrſtin der Eſtier haͤtte wegen eines ihr nach-
druͤcklich eingebildeten Baͤres/ den ſie auff der
Jagt erlegt/ einen gantz rauchen Sohn zur
Welt bracht. Ja es ſtimmten alle Naturkuͤn-
diger uͤberein: daß der Weiber hefftige Einbil-
dung in der ehlichen Beywohnung durch die
kraͤfftige Wuͤrckung der Seele ſich auch in die
euſſerliche Bildung der empfangenden Frucht
auszulaſſen maͤchtig; und dannenhero nichts
verdaͤchtiges waͤre: daß diß ihr Kind nach dem
Micipſa und andern um ſich habenden Moh-
ren waͤre gebildet worden. Gertrud/ nach dem
ſie durch einen hochbetheuerlichen Eyd bekraͤff-
tigt hatte: daß diß braune Kind Arnolds Sohn
waͤre; antwortete Elißen: Aller Verdacht lieſſe
ſich mit vernuͤnfftigen Gruͤnden ablehnen; was
aber die blinde Eyverſucht mit ihrem ſtincken-
den Atheme einmahl ſchwaͤrtzte/ koͤnte die voll-
kommenſte Unſchuld mit keiner Lauge noch

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[1147[1149]/1211] Arminius und Thußnelda. endlich ſelbſt vom Agrippa bey Methon erſchla- gen ward; nahm Micipſa Bogudes Sohn mit etlichen edlen Mohren zu ſeiner Schweſter uͤ- ber das Meer in Deutſchland ſeine Zuflucht. Dieſer als ein ſo naher Freund und geſchickter Herꝛ/ ward nicht nur von ſeiner Schweſter E- lißa/ ſondern auch von ihrem Sohne dem herꝛ- ſchenden Fuͤrſten Arnold auffs freun dlichſte em- pfangen/ und aufs beſte unterhalten. Dieſer Ar- nold hatte des Sidiniſche Herzogs Tochter Ger- trud zur Ehe/ eine Fuͤrſtin von unver gleichli- cher Schoͤnheit. Weil nun ſeine Liebe gegen ihr uͤbermaͤßig war/ konte ſie nichts/ als eine unge- arthete Tochter gebaͤhren/ nemlich die Eyver- ſucht; alſo: daß/ ob ſie zwar ſonſt alles hatte/ was ihr Hertz verlangte/ ſie dennoch meiſt in der Ein- ſamkeit/ gleich als in einem Kercker leben mu- ſte. Gleichwol aber erlaubte er ihr wieder ſei- ne Gewonheit ſeinen Vetter Micipſa mit allen Ergetzligkeiten zu unterhalten. Es war kein Jahr ſeiner Anweſenheit vorbey; als Gertrud auf einmahl eine ſchneeweiſſe Tochter/ und ei- nen braunen Sohn gebahr. Die Freude der gluͤcklichen Geburt verwandelte ſich/ ſo bald Gertrud dieſes Mohren-Kind anblickte/ in ein ſolches Hertzeleid/ welchem die uͤberſtandenen Geburts-Schmertzen nicht zu vergleichen wa- ren/ und ſie wuͤrde es mit hundert mahl ſo viel Wehen gerne in ihren muͤtterlichen Leib wieder verſchloſſen haben/ als ſelbter es an das Tage- licht gebracht hatte. Sie ſtuͤrtzte anfangs eine See voll Thraͤnen/ und ihre Augen nicht min- der Waſſer/ als ihr Leib Blut von ſich. Dieſes Weinen verwandelte ſich in Seuffzer/ hernach in ein Recheln/ und endlich in eine kalte Ohn- macht. Jhre Gehuͤlffen hatten mit Kuͤhlen und reiben eine Stunde zu thun/ ehe man wieder ein Leben an ihr ſah. Wie ſie ſich nun endlich wieder erholete/ fragte Hertzog Arnolds Mut- ter nach der Urſache ihrer ſo ploͤtzlichen Veraͤn- derung. Gertrud zeigte auf den fuͤr ihr liegen- den ſchwartzen Sohn; gleich als wenn diß dem ſchwartzen Tode aͤhnliche Kind ihr eine genung- ſame Urſache ihrer Todes-Angſt andeutete. E- lißa ſagte hier auf: bin ich doch ſelbſt/ und keines der Kinder in Africa weiſſer/ als dieſes. Ger- trud ſeuffzete/ und rieff allein mit verbrochenen Worten: Ach! Arnold! Arnold! Elißa merckte nunmehr: daß ſie wegen ihres Eyverſuͤchtigen Ehherrns in Beyſorge ſtuͤnde; ſamt ſie bey ihm in Verdacht einer mit dem Micipſa zugehal- tenen Liebe verfallen wuͤrde. Dahero ermahnte ſie ſie/ ihr keinen Kummer zu machen; ihrer bey- der nahe Bluts-Freundſchafft/ ihre Tugend und Treue waͤren genungſame Vorredner und Zeugnuͤſſe ihrer Unſchuld. Arnold waͤre ſelbſt der Mutter nach aus Mohriſchem Geſchlech- te; da man denn Beyſpiele haͤtte: daß die Art und Aehnligkeit der Groß-Eltern ſich erſt an Kindes-Kindern herfuͤr thaͤte. Zu dem waͤre die bloſſe Einbildung ſchwangerer Muͤtter ei- ne ſeltzame Mahlerin und Bildſchnitzerin. Ei- ne Mohriſche Koͤnigin haͤtte ſich an einem weiſ- ſen Marmel-Bilde Andromedens verſehen: daß ſie eine weiſſe Tochter gebohren. Eine Fuͤrſtin der Eſtier haͤtte wegen eines ihr nach- druͤcklich eingebildeten Baͤres/ den ſie auff der Jagt erlegt/ einen gantz rauchen Sohn zur Welt bracht. Ja es ſtimmten alle Naturkuͤn- diger uͤberein: daß der Weiber hefftige Einbil- dung in der ehlichen Beywohnung durch die kraͤfftige Wuͤrckung der Seele ſich auch in die euſſerliche Bildung der empfangenden Frucht auszulaſſen maͤchtig; und dannenhero nichts verdaͤchtiges waͤre: daß diß ihr Kind nach dem Micipſa und andern um ſich habenden Moh- ren waͤre gebildet worden. Gertrud/ nach dem ſie durch einen hochbetheuerlichen Eyd bekraͤff- tigt hatte: daß diß braune Kind Arnolds Sohn waͤre; antwortete Elißen: Aller Verdacht lieſſe ſich mit vernuͤnfftigen Gruͤnden ablehnen; was aber die blinde Eyverſucht mit ihrem ſtincken- den Atheme einmahl ſchwaͤrtzte/ koͤnte die voll- kommenſte Unſchuld mit keiner Lauge noch Seiffe F f f f f f f 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1147[1149]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1211>, abgerufen am 23.11.2024.