Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
Seiffe wieder rein waschen. Denn dieses La-ster speisete sich nichts minder mit des Ehweibes Flecken; als die Kefer mit Mist und Unflat. Ja es wäre gearthet/ wie gewisse Feigen/ welche durch Zeugung eines besondern Gewürmes al- ler erst sich reiff und vollkommen machten; und die Eyversucht meinte so denn den Purpur der Tugend anzuhaben; wenn es ein unschuldiges Weib mit dem Geschmeiße des Ehbruchs für der Welt besudelt und verdächtig gemacht hät- te. Der argwöhnische Arnold hätte sie sonder einigen Anlaß wie ein hundert äugichter Argos bewachet; nunmehr würde bey so scheinbarem Grunde sie kein Ding auff der Welt von Ver- dammung des Ehbruchs entschütten können; und sie wolte durch selbsth ändige Verspritzung ihres Blutes seiner Rache selbst gerne den Dienst des Nachrichters verrichten; sie solten nur ein Mittel ersinnen ihre Unschuld und gu- ten Nahmen bey der Nachwelt zu erhalten. E- lißen/ und denen anwesenden drey andern edlen Frauen fielen für Mitleiden so viel Thränen aus den Augen: daß sie das berähmte Kind hät- ten daraus baden können/ wenn nur ihr Saltz eine genungsam scharffe Lauge abgäbe natürli- che Flecken des Leibes wie der Seele abzuwa- schen. Weil aber diß vergebens war/ machten sie nach reiffer Berathung einen Schluß dem Hertzoge nur die Geburt der weißen Tochter zu eröffnen/ den schwartzen Sohn aber zu ver- tuschen/ und anderwerts erziehen zu lassen; dar- zu denn Leitholde die Hofmeisterin eine Sidi- nische Edel-Frau schon Gelegenheit zu finden versprach. Diesen Schluß eröffneten sie der Fürstin Gertrud; bey welcher nunmehr die Eh- ren- und Mutter-Liebe einen innerlichen Krieg anfieng; indem jene zu der Entfernung ihres Kindes stimmte/ diese aber sie nicht wolte ge- schehen lassen; weil über die beforgten fremden Zufälle in Deutschland auch unter Fürsten nicht nur ungewöhnlich ist/ sondern für eine [Spaltenumbruch] auch so gar wilden Thieren ungemeine Unart gehalten wird; wenn eine Mutter ihr Kind nicht mit eigenen Brüsten nähret; sondern sie Mägden als Seug-Ammen hingiebet. Da- her/ als Leitholde das Kind aus der Wiege nahm und forttragen wolte; fieng die Fürstin Gertrud überlaut an zu ruffen: haltet und last mir mein Kind ungeraubet; weil ich mich lieber selbst/ als diß mein anderes Mich/ das beste Theil meines Leibes und die einige Freude meiner Seele verlieren will. Unterstehet ihr euch das Gesetze der Natur zu verletzen/ und das unzertrennliche Band des Gemüthes und der Liebe/ welches Eltern und Kinder verein- bart/ zu zerschneiden? Meinet ihr: daß eine Mutter ihr zartes Kind aus den Augen lassen könne/ ohne daß sie es nicht zugleich aus dem Hertzen verliere? Sintemahl der Zunder der Mutter-Liebe durch die holden Anblicke ihrer Augen vermehret wird; also nothwendig durch ihre Entfernung verleschen muß. Was ists vor ein Unterscheid: Ob ich meines Kindes als eines Todten/ oder als eines verstossenen ver- gesse? würde mein Sohn mich künfftig des Mutter-Nahmens zu würdigen Ursache/ oder mich zu lieben Anlaß haben/ weil ich ihm die Gelegenheit mich zu kennen/ und die Empfind- ligkeit nach mir zu verlangen verstricke? die er- sten Käumen der angebohrnen Zuneigunger- stecke/ wenn ich seinem Gesichte mein Antlitz/ seinen Ohren die lockende Mutter-Stimme/ seinem Fühlen die hertzlichen Küsse/ seinem Ge- schmacke die süsse Mutter-Milch entziehe; und also keiner seiner Sinnen den innerlichen Fun- cken der Kinder-Liebe auffblasen kan; als an welcher die Einbild- und Angewöhnung fast mehr/ als die Natur Theil hat. Daher lasset ehe meinen Eh-Herrn mich tödten/ als daß ich eine Kinder-Mörderin werde. Denn es ist besser tod seyn/ und das Kind nicht lieben kön- nen/ als leben/ und es nicht lieben wollen. Die Fürstin
Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
Seiffe wieder rein waſchen. Denn dieſes La-ſter ſpeiſete ſich nichts minder mit des Ehweibes Flecken; als die Kefer mit Miſt und Unflat. Ja es waͤre gearthet/ wie gewiſſe Feigen/ welche durch Zeugung eines beſondern Gewuͤrmes al- ler erſt ſich reiff und vollkommen machten; und die Eyverſucht meinte ſo denn den Purpur der Tugend anzuhaben; wenn es ein unſchuldiges Weib mit dem Geſchmeiße des Ehbruchs fuͤr der Welt beſudelt und verdaͤchtig gemacht haͤt- te. Der argwoͤhniſche Arnold haͤtte ſie ſonder einigen Anlaß wie ein hundert aͤugichter Argos bewachet; nunmehr wuͤrde bey ſo ſcheinbarem Grunde ſie kein Ding auff der Welt von Ver- dammung des Ehbruchs entſchuͤtten koͤnnen; und ſie wolte durch ſelbſth aͤndige Verſpritzung ihres Blutes ſeiner Rache ſelbſt gerne den Dienſt des Nachrichters verrichten; ſie ſolten nur ein Mittel erſinnen ihre Unſchuld und gu- ten Nahmen bey der Nachwelt zu erhalten. E- lißen/ und denen anweſenden drey andern edlen Frauen fielen fuͤr Mitleiden ſo viel Thraͤnen aus den Augen: daß ſie das beraͤhmte Kind haͤt- ten daraus baden koͤnnen/ wenn nur ihr Saltz eine genungſam ſcharffe Lauge abgaͤbe natuͤrli- che Flecken des Leibes wie der Seele abzuwa- ſchen. Weil aber diß vergebens war/ machten ſie nach reiffer Berathung einen Schluß dem Hertzoge nur die Geburt der weißen Tochter zu eroͤffnen/ den ſchwartzen Sohn aber zu ver- tuſchen/ und anderwerts erziehen zu laſſen; dar- zu denn Leitholde die Hofmeiſterin eine Sidi- niſche Edel-Frau ſchon Gelegenheit zu finden verſprach. Dieſen Schluß eroͤffneten ſie der Fuͤrſtin Gertrud; bey welcher nunmehr die Eh- ren- und Mutter-Liebe einen innerlichen Krieg anfieng; indem jene zu der Entfernung ihres Kindes ſtimmte/ dieſe aber ſie nicht wolte ge- ſchehen laſſen; weil uͤber die beforgten fremden Zufaͤlle in Deutſchland auch unter Fuͤrſten nicht nur ungewoͤhnlich iſt/ ſondern fuͤr eine [Spaltenumbruch] auch ſo gar wilden Thieren ungemeine Unart gehalten wird; wenn eine Mutter ihr Kind nicht mit eigenen Bruͤſten naͤhret; ſondern ſie Maͤgden als Seug-Ammen hingiebet. Da- her/ als Leitholde das Kind aus der Wiege nahm und forttragen wolte; fieng die Fuͤrſtin Gertrud uͤberlaut an zu ruffen: haltet und laſt mir mein Kind ungeraubet; weil ich mich lieber ſelbſt/ als diß mein anderes Mich/ das beſte Theil meines Leibes und die einige Freude meiner Seele verlieren will. Unterſtehet ihr euch das Geſetze der Natur zu verletzen/ und das unzertrennliche Band des Gemuͤthes und der Liebe/ welches Eltern und Kinder verein- bart/ zu zerſchneiden? Meinet ihr: daß eine Mutter ihr zartes Kind aus den Augen laſſen koͤnne/ ohne daß ſie es nicht zugleich aus dem Hertzen verliere? Sintemahl der Zunder der Mutter-Liebe durch die holden Anblicke ihrer Augen vermehret wird; alſo nothwendig durch ihre Entfernung verleſchen muß. Was iſts vor ein Unterſcheid: Ob ich meines Kindes als eines Todten/ oder als eines verſtoſſenen ver- geſſe? wuͤrde mein Sohn mich kuͤnfftig des Mutter-Nahmens zu wuͤrdigen Urſache/ oder mich zu lieben Anlaß haben/ weil ich ihm die Gelegenheit mich zu kennen/ und die Empfind- ligkeit nach mir zu verlangen verſtricke? die er- ſten Kaͤumen der angebohrnen Zuneigunger- ſtecke/ wenn ich ſeinem Geſichte mein Antlitz/ ſeinen Ohren die lockende Mutter-Stimme/ ſeinem Fuͤhlen die hertzlichen Kuͤſſe/ ſeinem Ge- ſchmacke die ſuͤſſe Mutter-Milch entziehe; und alſo keiner ſeiner Sinnen den innerlichen Fun- cken der Kinder-Liebe auffblaſen kan; als an welcher die Einbild- und Angewoͤhnung faſt mehr/ als die Natur Theil hat. Daher laſſet ehe meinen Eh-Herꝛn mich toͤdten/ als daß ich eine Kinder-Moͤrderin werde. Denn es iſt beſſer tod ſeyn/ und das Kind nicht lieben koͤn- nen/ als leben/ und es nicht lieben wollen. Die Fuͤrſtin
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1212" n="1148[1150]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebendes Buch</hi></fw><lb/><cb/> Seiffe wieder rein waſchen. Denn dieſes La-<lb/> ſter ſpeiſete ſich nichts minder mit des Ehweibes<lb/> Flecken; als die Kefer mit Miſt und Unflat. Ja<lb/> es waͤre gearthet/ wie gewiſſe Feigen/ welche<lb/> durch Zeugung eines beſondern Gewuͤrmes al-<lb/> ler erſt ſich reiff und vollkommen machten; und<lb/> die Eyverſucht meinte ſo denn den Purpur der<lb/> Tugend anzuhaben; wenn es ein unſchuldiges<lb/> Weib mit dem Geſchmeiße des Ehbruchs fuͤr<lb/> der Welt beſudelt und verdaͤchtig gemacht haͤt-<lb/> te. Der argwoͤhniſche Arnold haͤtte ſie ſonder<lb/> einigen Anlaß wie ein hundert aͤugichter Argos<lb/> bewachet; nunmehr wuͤrde bey ſo ſcheinbarem<lb/> Grunde ſie kein Ding auff der Welt von Ver-<lb/> dammung des Ehbruchs entſchuͤtten koͤnnen;<lb/> und ſie wolte durch ſelbſth aͤndige Verſpritzung<lb/> ihres Blutes ſeiner Rache ſelbſt gerne den<lb/> Dienſt des Nachrichters verrichten; ſie ſolten<lb/> nur ein Mittel erſinnen ihre Unſchuld und gu-<lb/> ten Nahmen bey der Nachwelt zu erhalten. E-<lb/> lißen/ und denen anweſenden drey andern edlen<lb/> Frauen fielen fuͤr Mitleiden ſo viel Thraͤnen<lb/> aus den Augen: daß ſie das beraͤhmte Kind haͤt-<lb/> ten daraus baden koͤnnen/ wenn nur ihr Saltz<lb/> eine genungſam ſcharffe Lauge abgaͤbe natuͤrli-<lb/> che Flecken des Leibes wie der Seele abzuwa-<lb/> ſchen. Weil aber diß vergebens war/ machten<lb/> ſie nach reiffer Berathung einen Schluß dem<lb/> Hertzoge nur die Geburt der weißen Tochter<lb/> zu eroͤffnen/ den ſchwartzen Sohn aber zu ver-<lb/> tuſchen/ und anderwerts erziehen zu laſſen; dar-<lb/> zu denn Leitholde die Hofmeiſterin eine Sidi-<lb/> niſche Edel-Frau ſchon Gelegenheit zu finden<lb/> verſprach. Dieſen Schluß eroͤffneten ſie der<lb/> Fuͤrſtin Gertrud; bey welcher nunmehr die Eh-<lb/> ren- und Mutter-Liebe einen innerlichen Krieg<lb/> anfieng; indem jene zu der Entfernung ihres<lb/> Kindes ſtimmte/ dieſe aber ſie nicht wolte ge-<lb/> ſchehen laſſen; weil uͤber die beforgten fremden<lb/> Zufaͤlle in Deutſchland auch unter Fuͤrſten<lb/> nicht nur ungewoͤhnlich iſt/ ſondern fuͤr eine<lb/><cb/> auch ſo gar wilden Thieren ungemeine Unart<lb/> gehalten wird; wenn eine Mutter ihr Kind<lb/> nicht mit eigenen Bruͤſten naͤhret; ſondern ſie<lb/> Maͤgden als Seug-Ammen hingiebet. Da-<lb/> her/ als Leitholde das Kind aus der Wiege<lb/> nahm und forttragen wolte; fieng die Fuͤrſtin<lb/> Gertrud uͤberlaut an zu ruffen: haltet und laſt<lb/> mir mein Kind ungeraubet; weil ich mich lieber<lb/> ſelbſt/ als diß mein anderes Mich/ das beſte<lb/> Theil meines Leibes und die einige Freude<lb/> meiner Seele verlieren will. Unterſtehet ihr<lb/> euch das Geſetze der Natur zu verletzen/ und<lb/> das unzertrennliche Band des Gemuͤthes und<lb/> der Liebe/ welches Eltern und Kinder verein-<lb/> bart/ zu zerſchneiden? Meinet ihr: daß eine<lb/> Mutter ihr zartes Kind aus den Augen laſſen<lb/> koͤnne/ ohne daß ſie es nicht zugleich aus dem<lb/> Hertzen verliere? Sintemahl der Zunder der<lb/> Mutter-Liebe durch die holden Anblicke ihrer<lb/> Augen vermehret wird; alſo nothwendig durch<lb/> ihre Entfernung verleſchen muß. Was iſts<lb/> vor ein Unterſcheid: Ob ich meines Kindes als<lb/> eines Todten/ oder als eines verſtoſſenen ver-<lb/> geſſe? wuͤrde mein Sohn mich kuͤnfftig des<lb/> Mutter-Nahmens zu wuͤrdigen Urſache/ oder<lb/> mich zu lieben Anlaß haben/ weil ich ihm die<lb/> Gelegenheit mich zu kennen/ und die Empfind-<lb/> ligkeit nach mir zu verlangen verſtricke? die er-<lb/> ſten Kaͤumen der angebohrnen Zuneigunger-<lb/> ſtecke/ wenn ich ſeinem Geſichte mein Antlitz/<lb/> ſeinen Ohren die lockende Mutter-Stimme/<lb/> ſeinem Fuͤhlen die hertzlichen Kuͤſſe/ ſeinem Ge-<lb/> ſchmacke die ſuͤſſe Mutter-Milch entziehe; und<lb/> alſo keiner ſeiner Sinnen den innerlichen Fun-<lb/> cken der Kinder-Liebe auffblaſen kan; als an<lb/> welcher die Einbild- und Angewoͤhnung faſt<lb/> mehr/ als die Natur Theil hat. Daher laſſet<lb/> ehe meinen Eh-Herꝛn mich toͤdten/ als daß ich<lb/> eine Kinder-Moͤrderin werde. Denn es iſt<lb/> beſſer tod ſeyn/ und das Kind nicht lieben koͤn-<lb/> nen/ als leben/ und es nicht lieben wollen. Die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Fuͤrſtin</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1148[1150]/1212]
Siebendes Buch
Seiffe wieder rein waſchen. Denn dieſes La-
ſter ſpeiſete ſich nichts minder mit des Ehweibes
Flecken; als die Kefer mit Miſt und Unflat. Ja
es waͤre gearthet/ wie gewiſſe Feigen/ welche
durch Zeugung eines beſondern Gewuͤrmes al-
ler erſt ſich reiff und vollkommen machten; und
die Eyverſucht meinte ſo denn den Purpur der
Tugend anzuhaben; wenn es ein unſchuldiges
Weib mit dem Geſchmeiße des Ehbruchs fuͤr
der Welt beſudelt und verdaͤchtig gemacht haͤt-
te. Der argwoͤhniſche Arnold haͤtte ſie ſonder
einigen Anlaß wie ein hundert aͤugichter Argos
bewachet; nunmehr wuͤrde bey ſo ſcheinbarem
Grunde ſie kein Ding auff der Welt von Ver-
dammung des Ehbruchs entſchuͤtten koͤnnen;
und ſie wolte durch ſelbſth aͤndige Verſpritzung
ihres Blutes ſeiner Rache ſelbſt gerne den
Dienſt des Nachrichters verrichten; ſie ſolten
nur ein Mittel erſinnen ihre Unſchuld und gu-
ten Nahmen bey der Nachwelt zu erhalten. E-
lißen/ und denen anweſenden drey andern edlen
Frauen fielen fuͤr Mitleiden ſo viel Thraͤnen
aus den Augen: daß ſie das beraͤhmte Kind haͤt-
ten daraus baden koͤnnen/ wenn nur ihr Saltz
eine genungſam ſcharffe Lauge abgaͤbe natuͤrli-
che Flecken des Leibes wie der Seele abzuwa-
ſchen. Weil aber diß vergebens war/ machten
ſie nach reiffer Berathung einen Schluß dem
Hertzoge nur die Geburt der weißen Tochter
zu eroͤffnen/ den ſchwartzen Sohn aber zu ver-
tuſchen/ und anderwerts erziehen zu laſſen; dar-
zu denn Leitholde die Hofmeiſterin eine Sidi-
niſche Edel-Frau ſchon Gelegenheit zu finden
verſprach. Dieſen Schluß eroͤffneten ſie der
Fuͤrſtin Gertrud; bey welcher nunmehr die Eh-
ren- und Mutter-Liebe einen innerlichen Krieg
anfieng; indem jene zu der Entfernung ihres
Kindes ſtimmte/ dieſe aber ſie nicht wolte ge-
ſchehen laſſen; weil uͤber die beforgten fremden
Zufaͤlle in Deutſchland auch unter Fuͤrſten
nicht nur ungewoͤhnlich iſt/ ſondern fuͤr eine
auch ſo gar wilden Thieren ungemeine Unart
gehalten wird; wenn eine Mutter ihr Kind
nicht mit eigenen Bruͤſten naͤhret; ſondern ſie
Maͤgden als Seug-Ammen hingiebet. Da-
her/ als Leitholde das Kind aus der Wiege
nahm und forttragen wolte; fieng die Fuͤrſtin
Gertrud uͤberlaut an zu ruffen: haltet und laſt
mir mein Kind ungeraubet; weil ich mich lieber
ſelbſt/ als diß mein anderes Mich/ das beſte
Theil meines Leibes und die einige Freude
meiner Seele verlieren will. Unterſtehet ihr
euch das Geſetze der Natur zu verletzen/ und
das unzertrennliche Band des Gemuͤthes und
der Liebe/ welches Eltern und Kinder verein-
bart/ zu zerſchneiden? Meinet ihr: daß eine
Mutter ihr zartes Kind aus den Augen laſſen
koͤnne/ ohne daß ſie es nicht zugleich aus dem
Hertzen verliere? Sintemahl der Zunder der
Mutter-Liebe durch die holden Anblicke ihrer
Augen vermehret wird; alſo nothwendig durch
ihre Entfernung verleſchen muß. Was iſts
vor ein Unterſcheid: Ob ich meines Kindes als
eines Todten/ oder als eines verſtoſſenen ver-
geſſe? wuͤrde mein Sohn mich kuͤnfftig des
Mutter-Nahmens zu wuͤrdigen Urſache/ oder
mich zu lieben Anlaß haben/ weil ich ihm die
Gelegenheit mich zu kennen/ und die Empfind-
ligkeit nach mir zu verlangen verſtricke? die er-
ſten Kaͤumen der angebohrnen Zuneigunger-
ſtecke/ wenn ich ſeinem Geſichte mein Antlitz/
ſeinen Ohren die lockende Mutter-Stimme/
ſeinem Fuͤhlen die hertzlichen Kuͤſſe/ ſeinem Ge-
ſchmacke die ſuͤſſe Mutter-Milch entziehe; und
alſo keiner ſeiner Sinnen den innerlichen Fun-
cken der Kinder-Liebe auffblaſen kan; als an
welcher die Einbild- und Angewoͤhnung faſt
mehr/ als die Natur Theil hat. Daher laſſet
ehe meinen Eh-Herꝛn mich toͤdten/ als daß ich
eine Kinder-Moͤrderin werde. Denn es iſt
beſſer tod ſeyn/ und das Kind nicht lieben koͤn-
nen/ als leben/ und es nicht lieben wollen. Die
Fuͤrſtin
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |