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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] drigkeit verfiel. Denn diß eben war Fürst
Gottwald/ König Critasirs Eydam; welcher
nach Eroberung der Stadt Boviasmum sich
heimlich aus dem Staube machte/ um sich mit
den Bojen nicht der vom Marbod erzwunge-
nen schimpflichen Eydes-Leist- und Auswande-
rung zu unterwerffen.

Gottwald kehrte also mit seinem Sidinischen
Pflege-Vater zurücke/ welcher bey dem Mar-
singer Hertzoge Bolcko wol auffgenommen
ward/ und daselbst die Nachricht von des Go-
thonischen Fürsten Arnolds Tode/ und daß sel-
bige Völcker seiner Tochter Marmeline die
Herrschafft zugeeignet hätten/ erfuhr/ und weil
der Ritter Dehnhoff dem Fürsten Gottwald
seinen wahrhafften Uhrsprung mit allen Um-
ständen eröffnete; machte er sich mit diesem Rit-
ter und folgends seiner Pflege-Mutter nach der
Gothonischen an dem Munde der Weichsel
liegenden Haupt-Stadt Godonium auf. Der
Ritter kam zu seiner Schweher der Fürstlichen
Hofmeisterin/ eröffnete ihr nichts minder alle
Zufälle des Fürsten Gottwalds/ als seine An-
wesenheit in der Stadt; welche ihn denn ferner
zu der Fürstlichen Wittib leitete/ um mit ein-
ander fernere Anstalt zu berathen; weil der
Tochter Vermöge Hertzog Arnolds Verord-
nung bereit die völlige Herrschafft über geben/
und nebst der Mutter die zwey Obersten Räthe
ihr biß zur Vermählung an die Seite gesetzt
waren. Diese hielt für rathsam ihrer Tochter
der Fürstin Marmeline also fort das gantze
Werck zu eröffnen/ und ihr Schwesterlich Her-
tze dem Fürsten Gottwald zum besten zu gewin-
nen; ehe solches durch Einblasung der Reichs-
Räthe mit der Herrschsucht vergället würde.
Diese kam und hörte ihrer Mutter Erzehlung
mit mehrmahliger Veränderung ihrer Ge-
müths-Regungenan; verbarg aber selbte auffs
möglichste. Beym Schlusse meldete sie: sie
wäre begierig ihren Bruder bald zu sehen und
zu umarmen; bestimmte auch eine gewisse A-
[Spaltenumbruch] bends-Stunde zu dessen Bewerckstelligung.
Hertzog Gottwald ward auf bestimmte Zeit durch
einen Garten in der Hertzogin Gemach gelei-
tet/ und nichts minder von seiner Schwester/
als Mutter/ mit denen allerempfindlichsten
Liebes-Bezeigungen bewillkommet; iedoch/
weil noch nicht alles nach Nothdurft unterbaut/
nach denen Höflingen es offenbar zu machen
thulich war; ward er mit seinen Pflege-Eltern
wieder durch den Garten aus dem Schlosse ge-
lassen. Gottwald wuste seine Vergnügung
über so gewünschtem Anfange nicht zu begreif-
fen; und meinte schon dem Glücke in der Schoß
zu sitzen; als er unver sehens von einem Hauffen
gewaffneter Leute umringt/ und mit mördli-
chen Gewehren angetastet; also nebst dem Si-
dinischen Ritter sich zur Gegenwehre zu stellen
gezwungen ward. Alleine beyde würden hier
von einer solchen Menge bald aufgeopfert wor-
den seyn/ wenn nicht die alte Hertzogin in ih-
rem Zimmer das Getümmel gehöret; und ihr
gleichsam das Hertze ein Unglück ihres Sohnes
wahr gesagt/ und endlich die Sidinische Frau
an der Garten-Thüre durch hartes Anschlagen
und heftig Mordgeschrey sie noch mehr ermun-
tert hätte. Daher sie mit der Hofmeisterin und
einem Edel-Knaben/ der mit einer Fackel ih-
nen vorleuchtete/ durch den Garten selbtem zu-
eilte/ und den alten Ritter bereit auf dem Bo-
deme halbtod aus gestreckt/ den Fürsten Gott-
wald aber an einer Wand angelehnet/ gleich-
sam im Blute gebadet/ und mit ohnmächtigen
Armen die Streiche versetzende antraff. Sie
lieff halb blind zwischen die Degen/ verhinder-
te also seine endliche Ermordung/ und erfuhr:
daß sie auf Befehl ihres Kriegs-Obersten diese
Leute angetastet hätten/ und sie aufzureiben be-
fehlicht wären. Die Hertzogin/ welche hierüber
nach dencklichen Argwohn schöpffte; ver biß selb-
ten gleichwol in dem Eyver/ und sagte dem
Hauptmanne: Er müste an denen Personen
geirret haben. Denn diß wären ihre Angehö-

rigen/

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] drigkeit verfiel. Denn diß eben war Fuͤrſt
Gottwald/ Koͤnig Critaſirs Eydam; welcher
nach Eroberung der Stadt Boviaſmum ſich
heimlich aus dem Staube machte/ um ſich mit
den Bojen nicht der vom Marbod erzwunge-
nen ſchimpflichen Eydes-Leiſt- und Auswande-
rung zu unterwerffen.

Gottwald kehrte alſo mit ſeinem Sidiniſchen
Pflege-Vater zuruͤcke/ welcher bey dem Mar-
ſinger Hertzoge Bolcko wol auffgenommen
ward/ und daſelbſt die Nachricht von des Go-
thoniſchen Fuͤrſten Arnolds Tode/ und daß ſel-
bige Voͤlcker ſeiner Tochter Marmeline die
Herꝛſchafft zugeeignet haͤtten/ erfuhr/ und weil
der Ritter Dehnhoff dem Fuͤrſten Gottwald
ſeinen wahrhafften Uhrſprung mit allen Um-
ſtaͤnden eroͤffnete; machte er ſich mit dieſem Rit-
ter und folgends ſeiner Pflege-Mutter nach der
Gothoniſchen an dem Munde der Weichſel
liegenden Haupt-Stadt Godonium auf. Der
Ritter kam zu ſeiner Schweher der Fuͤrſtlichen
Hofmeiſterin/ eroͤffnete ihr nichts minder alle
Zufaͤlle des Fuͤrſten Gottwalds/ als ſeine An-
weſenheit in der Stadt; welche ihn denn ferner
zu der Fuͤrſtlichen Wittib leitete/ um mit ein-
ander fernere Anſtalt zu berathen; weil der
Tochter Vermoͤge Hertzog Arnolds Verord-
nung bereit die voͤllige Herꝛſchafft uͤber geben/
und nebſt der Mutter die zwey Oberſten Raͤthe
ihr biß zur Vermaͤhlung an die Seite geſetzt
waren. Dieſe hielt fuͤr rathſam ihrer Tochter
der Fuͤrſtin Marmeline alſo fort das gantze
Werck zu eroͤffnen/ und ihr Schweſterlich Her-
tze dem Fuͤrſten Gottwald zum beſten zu gewin-
nen; ehe ſolches durch Einblaſung der Reichs-
Raͤthe mit der Herꝛſchſucht vergaͤllet wuͤrde.
Dieſe kam und hoͤrte ihrer Mutter Erzehlung
mit mehrmahliger Veraͤnderung ihrer Ge-
muͤths-Regungenan; verbarg aber ſelbte auffs
moͤglichſte. Beym Schluſſe meldete ſie: ſie
waͤre begierig ihren Bruder bald zu ſehen und
zu umarmen; beſtimmte auch eine gewiſſe A-
[Spaltenumbruch] bends-Stunde zu deſſen Bewerckſtelligung.
Hertzog Gottwald ward auf beſtim̃te Zeit durch
einen Garten in der Hertzogin Gemach gelei-
tet/ und nichts minder von ſeiner Schweſter/
als Mutter/ mit denen allerempfindlichſten
Liebes-Bezeigungen bewillkommet; iedoch/
weil noch nicht alles nach Nothdurft unterbaut/
nach denen Hoͤflingen es offenbar zu machen
thulich war; ward er mit ſeinen Pflege-Eltern
wieder durch den Garten aus dem Schloſſe ge-
laſſen. Gottwald wuſte ſeine Vergnuͤgung
uͤber ſo gewuͤnſchtem Anfange nicht zu begreif-
fen; und meinte ſchon dem Gluͤcke in der Schoß
zu ſitzen; als er unver ſehens von einem Hauffen
gewaffneter Leute umringt/ und mit moͤrdli-
chen Gewehren angetaſtet; alſo nebſt dem Si-
diniſchen Ritter ſich zur Gegenwehre zu ſtellen
gezwungen ward. Alleine beyde wuͤrden hier
von einer ſolchen Menge bald aufgeopfert wor-
den ſeyn/ wenn nicht die alte Hertzogin in ih-
rem Zimmer das Getuͤmmel gehoͤret; und ihr
gleichſam das Hertze ein Ungluͤck ihres Sohnes
wahr geſagt/ und endlich die Sidiniſche Frau
an der Garten-Thuͤre durch hartes Anſchlagen
und heftig Mordgeſchrey ſie noch mehr ermun-
tert haͤtte. Daher ſie mit der Hofmeiſterin und
einem Edel-Knaben/ der mit einer Fackel ih-
nen vorleuchtete/ durch den Garten ſelbtem zu-
eilte/ und den alten Ritter bereit auf dem Bo-
deme halbtod aus geſtreckt/ den Fuͤrſten Gott-
wald aber an einer Wand angelehnet/ gleich-
ſam im Blute gebadet/ und mit ohnmaͤchtigen
Armen die Streiche verſetzende antraff. Sie
lieff halb blind zwiſchen die Degen/ verhinder-
te alſo ſeine endliche Ermordung/ und erfuhr:
daß ſie auf Befehl ihres Kriegs-Oberſten dieſe
Leute angetaſtet haͤtten/ und ſie aufzureiben be-
fehlicht waͤren. Die Hertzogin/ welche hieruͤber
nach dencklichen Argwohn ſchoͤpffte; ver biß ſelb-
ten gleichwol in dem Eyver/ und ſagte dem
Hauptmanne: Er muͤſte an denen Perſonen
geirret haben. Denn diß waͤren ihre Angehoͤ-

rigen/
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[1152[1154]/1216] Siebendes Buch drigkeit verfiel. Denn diß eben war Fuͤrſt Gottwald/ Koͤnig Critaſirs Eydam; welcher nach Eroberung der Stadt Boviaſmum ſich heimlich aus dem Staube machte/ um ſich mit den Bojen nicht der vom Marbod erzwunge- nen ſchimpflichen Eydes-Leiſt- und Auswande- rung zu unterwerffen. Gottwald kehrte alſo mit ſeinem Sidiniſchen Pflege-Vater zuruͤcke/ welcher bey dem Mar- ſinger Hertzoge Bolcko wol auffgenommen ward/ und daſelbſt die Nachricht von des Go- thoniſchen Fuͤrſten Arnolds Tode/ und daß ſel- bige Voͤlcker ſeiner Tochter Marmeline die Herꝛſchafft zugeeignet haͤtten/ erfuhr/ und weil der Ritter Dehnhoff dem Fuͤrſten Gottwald ſeinen wahrhafften Uhrſprung mit allen Um- ſtaͤnden eroͤffnete; machte er ſich mit dieſem Rit- ter und folgends ſeiner Pflege-Mutter nach der Gothoniſchen an dem Munde der Weichſel liegenden Haupt-Stadt Godonium auf. Der Ritter kam zu ſeiner Schweher der Fuͤrſtlichen Hofmeiſterin/ eroͤffnete ihr nichts minder alle Zufaͤlle des Fuͤrſten Gottwalds/ als ſeine An- weſenheit in der Stadt; welche ihn denn ferner zu der Fuͤrſtlichen Wittib leitete/ um mit ein- ander fernere Anſtalt zu berathen; weil der Tochter Vermoͤge Hertzog Arnolds Verord- nung bereit die voͤllige Herꝛſchafft uͤber geben/ und nebſt der Mutter die zwey Oberſten Raͤthe ihr biß zur Vermaͤhlung an die Seite geſetzt waren. Dieſe hielt fuͤr rathſam ihrer Tochter der Fuͤrſtin Marmeline alſo fort das gantze Werck zu eroͤffnen/ und ihr Schweſterlich Her- tze dem Fuͤrſten Gottwald zum beſten zu gewin- nen; ehe ſolches durch Einblaſung der Reichs- Raͤthe mit der Herꝛſchſucht vergaͤllet wuͤrde. Dieſe kam und hoͤrte ihrer Mutter Erzehlung mit mehrmahliger Veraͤnderung ihrer Ge- muͤths-Regungenan; verbarg aber ſelbte auffs moͤglichſte. Beym Schluſſe meldete ſie: ſie waͤre begierig ihren Bruder bald zu ſehen und zu umarmen; beſtimmte auch eine gewiſſe A- bends-Stunde zu deſſen Bewerckſtelligung. Hertzog Gottwald ward auf beſtim̃te Zeit durch einen Garten in der Hertzogin Gemach gelei- tet/ und nichts minder von ſeiner Schweſter/ als Mutter/ mit denen allerempfindlichſten Liebes-Bezeigungen bewillkommet; iedoch/ weil noch nicht alles nach Nothdurft unterbaut/ nach denen Hoͤflingen es offenbar zu machen thulich war; ward er mit ſeinen Pflege-Eltern wieder durch den Garten aus dem Schloſſe ge- laſſen. Gottwald wuſte ſeine Vergnuͤgung uͤber ſo gewuͤnſchtem Anfange nicht zu begreif- fen; und meinte ſchon dem Gluͤcke in der Schoß zu ſitzen; als er unver ſehens von einem Hauffen gewaffneter Leute umringt/ und mit moͤrdli- chen Gewehren angetaſtet; alſo nebſt dem Si- diniſchen Ritter ſich zur Gegenwehre zu ſtellen gezwungen ward. Alleine beyde wuͤrden hier von einer ſolchen Menge bald aufgeopfert wor- den ſeyn/ wenn nicht die alte Hertzogin in ih- rem Zimmer das Getuͤmmel gehoͤret; und ihr gleichſam das Hertze ein Ungluͤck ihres Sohnes wahr geſagt/ und endlich die Sidiniſche Frau an der Garten-Thuͤre durch hartes Anſchlagen und heftig Mordgeſchrey ſie noch mehr ermun- tert haͤtte. Daher ſie mit der Hofmeiſterin und einem Edel-Knaben/ der mit einer Fackel ih- nen vorleuchtete/ durch den Garten ſelbtem zu- eilte/ und den alten Ritter bereit auf dem Bo- deme halbtod aus geſtreckt/ den Fuͤrſten Gott- wald aber an einer Wand angelehnet/ gleich- ſam im Blute gebadet/ und mit ohnmaͤchtigen Armen die Streiche verſetzende antraff. Sie lieff halb blind zwiſchen die Degen/ verhinder- te alſo ſeine endliche Ermordung/ und erfuhr: daß ſie auf Befehl ihres Kriegs-Oberſten dieſe Leute angetaſtet haͤtten/ und ſie aufzureiben be- fehlicht waͤren. Die Hertzogin/ welche hieruͤber nach dencklichen Argwohn ſchoͤpffte; ver biß ſelb- ten gleichwol in dem Eyver/ und ſagte dem Hauptmanne: Er muͤſte an denen Perſonen geirret haben. Denn diß waͤren ihre Angehoͤ- rigen/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1152[1154]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1216>, abgerufen am 23.11.2024.