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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] stern oder verdammen/ noch auch die Eubagen
auf ihren Glauben zu bringen sich bey Straffe
der Aufrührer und Frieden-Störer unterste-
hen dorfften; Ja weil keine Herrschens-Art lan-
ge ohne Aufruhr und bürgerliche Kriege seyn
kan; wenn der Obrigkeit nicht von ihren Un-
terthanen die Gewalt des rechten und irrigen
Gottesdienstes; so fern selbter nur zu keinem
Gewissenszwang mißgebraucht wird/ zu unter-
scheiden und nach ihrem Urtheil die Reichsver-
fassung einzurichten enthangen wird; so musten
alle Druyden in seinem Gebiete sich eydlich ver-
binden: daß sie auf ihr in Britannien sonst ha-
bendes Oberhaupt kein Absehen haben/ sondern
alleine den König Marbod für den/ welcher
nach Belieben den eusserlichen Gottesdienst
ordnen könte/ erkennen; insonderheit aber/ als
eine aufrührische Lehre/ mit den Barden ab-
schweren musten: daß Unterthanen zu Beschir-
mung ihres öffentlichen Gottesdienstes wieder
ihren Fürsten Beschirm- oder Beleidigungs-
weise die Waffen ergreiffen könten. Auf diese
Art hat König Marbod fast biß auf gegenwär-
tige Zeit mit friedsamen Rathschlägen seine
Reichs-Sorgen fortgetrieben. Auf der andern
Seite Deutschlands/ ob wol die Römer mit al-
len ihren Kräfften in den Pannonischen und
Dalmatischen Krieg eingeflochten gewest; ha-
ben sie doch theils durch starcke Besatzungen an
dem Rheine/ der Weser und Lippe/ theils auch
durch die vernünfftige Bescheiden heit des Sen-
tius Saturninus/ insonderheit: daß er die Che-
rusker unter dem Fürsten Herrmann gegen ei-
nem erträglichen Beyschube' gewisser Hülffs-
Völcker fast ihrer alten Freyheit genüssen las-
sen/ die Deutschen zwischen dem Rheine und der
Weser derogestalt gefässelt: daß die Uberwun-
denen sich nicht getrauet die Römische Bürde
abzuwerffen/ und also die Sicherheit des erträg-
lichen Zustandes/ der Gefahr und Ungewißheit
gäntzlicher Freyheit für gezogen; sonderlich/ weil
die noch meist freyeren Catten und Alemänner
wenig Anzeigung spüren liessen/ wegen ihrer
[Spaltenumbruch] Nachbarn bedrängten Freyheit die eigene auff
die Spitze zu setzen. Es würde vielleicht auch
noch allem Ansehen nach geraume Zeit bey die-
sem Zustande blieben seyn; weil durch Sanfft-
muth auch die Löwen kirre und zahm gemacht
werden; wenn nicht der boßhaffte Quintilius
Varus auf den vernünftigen Saturnin gefolgt
wäre/ und diese Länder mit Raub und Grau-
samkeit erfüllt/ also die Deutschen Fürsten/ wel-
che in der Freyheit gebohren; itzt aber Knechte
werden solten/ und die nach Art der Thiere dem
Saturnin/ als einem Hirten ohne Wiederspen-
stigkeit gefolgt hatten/ nunmehr aber dem blut-
gierigen Varus als einem Metzger die Stirne
zu bieten/ und zu einer so behertzten Entschlüs-
sung bewegt hätte; weil doch die Freyheit das ei-
nige Kleinod ist/ das mit eigenem Blute und
seiner Kinder Leichen erkaufft zu werden verdie-
net.

Fürst Malovend wolte nunmehr auch um-
ständlich erzehlen; wie Hertzog Herrmann die
Deutschen Fürsten so klüglich unter einen Hut
gebracht; Melo der Sicambrer Hertzog so
großmüthig den ersten Aufstand wieder die Rö-
mer gemacht/ und jenen Gelegenheit verschafft
hätte/ unterm Scheine der Hülffs-Völcker ih-
re Waffen zu versammlen; Adgandester aber
erinnerte: daß es ohne diß schon spät in die
Nacht/ die Taffeln bereit mit Speisen besetzt
wären. Daher sie sich mit einander in den
Speise-Saal verfügten; und nach vollendeter
Taffel und anmuthigen Gesprächen zur Ruh
verfügten.

Mit anbrechendem Tage zohe Adgandester
zu dem Feldherrn auf eines zwey Meilen von
Deutschburg gelegenes Lust-Hauß/ da er mit
vielen Fürsten übernachtete/ um den auf solchen
Tag bestimmten Einzug zu dem Fürstlichen
Beylager einzurichten; Die Königin Erato/
Solonine und andere Frauenzimmer/ wie auch
Hertzog Zeno/ Rhemetalces/ Malovend und
andere fügten sich gegen Mittag in ein Eckzim-
mer des eussersten Schlosses/ um darbey Zu-

schauer
Erster Theil. H h h h h h h

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſtern oder verdammen/ noch auch die Eubagen
auf ihren Glauben zu bringen ſich bey Straffe
der Aufruͤhrer und Frieden-Stoͤrer unterſte-
hen dorfften; Ja weil keine Herꝛſchens-Art lan-
ge ohne Aufruhr und buͤrgerliche Kriege ſeyn
kan; wenn der Obrigkeit nicht von ihren Un-
terthanen die Gewalt des rechten und irrigen
Gottesdienſtes; ſo fern ſelbter nur zu keinem
Gewiſſenszwang mißgebꝛaucht wiꝛd/ zu unteꝛ-
ſcheiden und nach ihrem Urtheil die Reichsver-
faſſung einzurichten enthangen wird; ſo muſten
alle Druyden in ſeinem Gebiete ſich eydlich ver-
binden: daß ſie auf ihr in Britannien ſonſt ha-
bendes Oberhaupt kein Abſehen haben/ ſondern
alleine den Koͤnig Marbod fuͤr den/ welcher
nach Belieben den euſſerlichen Gottesdienſt
ordnen koͤnte/ erkennen; inſonderheit aber/ als
eine aufruͤhriſche Lehre/ mit den Barden ab-
ſchweren muſten: daß Unterthanen zu Beſchir-
mung ihres oͤffentlichen Gottesdienſtes wieder
ihren Fuͤrſten Beſchirm- oder Beleidigungs-
weiſe die Waffen ergreiffen koͤnten. Auf dieſe
Art hat Koͤnig Marbod faſt biß auf gegenwaͤr-
tige Zeit mit friedſamen Rathſchlaͤgen ſeine
Reichs-Sorgen fortgetrieben. Auf der andern
Seite Deutſchlands/ ob wol die Roͤmer mit al-
len ihren Kraͤfften in den Pannoniſchen und
Dalmatiſchen Krieg eingeflochten geweſt; ha-
ben ſie doch theils durch ſtarcke Beſatzungen an
dem Rheine/ der Weſer und Lippe/ theils auch
durch die vernuͤnfftige Beſcheiden heit des Sen-
tius Saturninus/ inſonderheit: daß er die Che-
rusker unter dem Fuͤrſten Herꝛmann gegen ei-
nem ertraͤglichen Beyſchube’ gewiſſer Huͤlffs-
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ſen/ die Deutſchen zwiſchen dem Rheine und der
Weſer derogeſtalt gefaͤſſelt: daß die Uberwun-
denen ſich nicht getrauet die Roͤmiſche Buͤrde
abzuwerffen/ und alſo die Sicherheit des ertraͤg-
lichen Zuſtandes/ der Gefahr und Ungewißheit
gaͤntzlicher Freyheit fuͤr gezogen; ſonderlich/ weil
die noch meiſt freyeren Catten und Alemaͤnner
wenig Anzeigung ſpuͤren lieſſen/ wegen ihrer
[Spaltenumbruch] Nachbarn bedraͤngten Freyheit die eigene auff
die Spitze zu ſetzen. Es wuͤrde vielleicht auch
noch allem Anſehen nach geraume Zeit bey die-
ſem Zuſtande blieben ſeyn; weil durch Sanfft-
muth auch die Loͤwen kirre und zahm gemacht
werden; wenn nicht der boßhaffte Quintilius
Varus auf den vernuͤnftigen Saturnin gefolgt
waͤre/ und dieſe Laͤnder mit Raub und Grau-
ſamkeit erfuͤllt/ alſo die Deutſchen Fuͤrſten/ wel-
che in der Freyheit gebohren; itzt aber Knechte
werden ſolten/ und die nach Art der Thiere dem
Saturnin/ als einem Hirten ohne Wiederſpen-
ſtigkeit gefolgt hatten/ nunmehr aber dem blut-
gierigen Varus als einem Metzger die Stirne
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ſung bewegt haͤtte; weil doch die Freyheit das ei-
nige Kleinod iſt/ das mit eigenem Blute und
ſeiner Kinder Leichen erkaufft zu werden verdie-
net.

Fuͤrſt Malovend wolte nunmehr auch um-
ſtaͤndlich erzehlen; wie Hertzog Herrmann die
Deutſchen Fuͤrſten ſo kluͤglich unter einen Hut
gebracht; Melo der Sicambrer Hertzog ſo
großmuͤthig den erſten Aufſtand wieder die Roͤ-
mer gemacht/ und jenen Gelegenheit verſchafft
haͤtte/ unterm Scheine der Huͤlffs-Voͤlcker ih-
re Waffen zu verſammlen; Adgandeſter aber
erinnerte: daß es ohne diß ſchon ſpaͤt in die
Nacht/ die Taffeln bereit mit Speiſen beſetzt
waͤren. Daher ſie ſich mit einander in den
Speiſe-Saal verfuͤgten; und nach vollendeter
Taffel und anmuthigen Geſpraͤchen zur Ruh
verfuͤgten.

Mit anbrechendem Tage zohe Adgandeſter
zu dem Feldherꝛn auf eines zwey Meilen von
Deutſchburg gelegenes Luſt-Hauß/ da er mit
vielen Fuͤrſten uͤbernachtete/ um den auf ſolchen
Tag beſtimmten Einzug zu dem Fuͤrſtlichen
Beylager einzurichten; Die Koͤnigin Erato/
Solonine und andere Frauenzimmer/ wie auch
Hertzog Zeno/ Rhemetalces/ Malovend und
andere fuͤgten ſich gegen Mittag in ein Eckzim-
mer des euſſerſten Schloſſes/ um darbey Zu-

ſchauer
Erſter Theil. H h h h h h h
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[1161[1163]/1225] Arminius und Thußnelda. ſtern oder verdammen/ noch auch die Eubagen auf ihren Glauben zu bringen ſich bey Straffe der Aufruͤhrer und Frieden-Stoͤrer unterſte- hen dorfften; Ja weil keine Herꝛſchens-Art lan- ge ohne Aufruhr und buͤrgerliche Kriege ſeyn kan; wenn der Obrigkeit nicht von ihren Un- terthanen die Gewalt des rechten und irrigen Gottesdienſtes; ſo fern ſelbter nur zu keinem Gewiſſenszwang mißgebꝛaucht wiꝛd/ zu unteꝛ- ſcheiden und nach ihrem Urtheil die Reichsver- faſſung einzurichten enthangen wird; ſo muſten alle Druyden in ſeinem Gebiete ſich eydlich ver- binden: daß ſie auf ihr in Britannien ſonſt ha- bendes Oberhaupt kein Abſehen haben/ ſondern alleine den Koͤnig Marbod fuͤr den/ welcher nach Belieben den euſſerlichen Gottesdienſt ordnen koͤnte/ erkennen; inſonderheit aber/ als eine aufruͤhriſche Lehre/ mit den Barden ab- ſchweren muſten: daß Unterthanen zu Beſchir- mung ihres oͤffentlichen Gottesdienſtes wieder ihren Fuͤrſten Beſchirm- oder Beleidigungs- weiſe die Waffen ergreiffen koͤnten. Auf dieſe Art hat Koͤnig Marbod faſt biß auf gegenwaͤr- tige Zeit mit friedſamen Rathſchlaͤgen ſeine Reichs-Sorgen fortgetrieben. Auf der andern Seite Deutſchlands/ ob wol die Roͤmer mit al- len ihren Kraͤfften in den Pannoniſchen und Dalmatiſchen Krieg eingeflochten geweſt; ha- ben ſie doch theils durch ſtarcke Beſatzungen an dem Rheine/ der Weſer und Lippe/ theils auch durch die vernuͤnfftige Beſcheiden heit des Sen- tius Saturninus/ inſonderheit: daß er die Che- rusker unter dem Fuͤrſten Herꝛmann gegen ei- nem ertraͤglichen Beyſchube’ gewiſſer Huͤlffs- Voͤlcker faſt ihrer alten Freyheit genuͤſſen laſ- ſen/ die Deutſchen zwiſchen dem Rheine und der Weſer derogeſtalt gefaͤſſelt: daß die Uberwun- denen ſich nicht getrauet die Roͤmiſche Buͤrde abzuwerffen/ und alſo die Sicherheit des ertraͤg- lichen Zuſtandes/ der Gefahr und Ungewißheit gaͤntzlicher Freyheit fuͤr gezogen; ſonderlich/ weil die noch meiſt freyeren Catten und Alemaͤnner wenig Anzeigung ſpuͤren lieſſen/ wegen ihrer Nachbarn bedraͤngten Freyheit die eigene auff die Spitze zu ſetzen. Es wuͤrde vielleicht auch noch allem Anſehen nach geraume Zeit bey die- ſem Zuſtande blieben ſeyn; weil durch Sanfft- muth auch die Loͤwen kirre und zahm gemacht werden; wenn nicht der boßhaffte Quintilius Varus auf den vernuͤnftigen Saturnin gefolgt waͤre/ und dieſe Laͤnder mit Raub und Grau- ſamkeit erfuͤllt/ alſo die Deutſchen Fuͤrſten/ wel- che in der Freyheit gebohren; itzt aber Knechte werden ſolten/ und die nach Art der Thiere dem Saturnin/ als einem Hirten ohne Wiederſpen- ſtigkeit gefolgt hatten/ nunmehr aber dem blut- gierigen Varus als einem Metzger die Stirne zu bieten/ und zu einer ſo behertzten Entſchluͤſ- ſung bewegt haͤtte; weil doch die Freyheit das ei- nige Kleinod iſt/ das mit eigenem Blute und ſeiner Kinder Leichen erkaufft zu werden verdie- net. Fuͤrſt Malovend wolte nunmehr auch um- ſtaͤndlich erzehlen; wie Hertzog Herrmann die Deutſchen Fuͤrſten ſo kluͤglich unter einen Hut gebracht; Melo der Sicambrer Hertzog ſo großmuͤthig den erſten Aufſtand wieder die Roͤ- mer gemacht/ und jenen Gelegenheit verſchafft haͤtte/ unterm Scheine der Huͤlffs-Voͤlcker ih- re Waffen zu verſammlen; Adgandeſter aber erinnerte: daß es ohne diß ſchon ſpaͤt in die Nacht/ die Taffeln bereit mit Speiſen beſetzt waͤren. Daher ſie ſich mit einander in den Speiſe-Saal verfuͤgten; und nach vollendeter Taffel und anmuthigen Geſpraͤchen zur Ruh verfuͤgten. Mit anbrechendem Tage zohe Adgandeſter zu dem Feldherꝛn auf eines zwey Meilen von Deutſchburg gelegenes Luſt-Hauß/ da er mit vielen Fuͤrſten uͤbernachtete/ um den auf ſolchen Tag beſtimmten Einzug zu dem Fuͤrſtlichen Beylager einzurichten; Die Koͤnigin Erato/ Solonine und andere Frauenzimmer/ wie auch Hertzog Zeno/ Rhemetalces/ Malovend und andere fuͤgten ſich gegen Mittag in ein Eckzim- mer des euſſerſten Schloſſes/ um darbey Zu- ſchauer Erſter Theil. H h h h h h h

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1161[1163]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1225>, abgerufen am 23.11.2024.