Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch
[Spaltenumbruch] Dahero dieser Priester sich nur seines Amptes
nicht entäusern konte/ sondern zu befinden ge-
zwungen ward: Es müste Segesthes/ da er ein
taugliches Opfer seyn wolte/ seinem Vaterlan-
de/ Geschlechte und Nahmen abschweren/ oder
die irrdische Straffe der Verräther ausstehen.
Segesthes entrüstete sich überaus/ und fuhr den
Priester mit harten Worten an: Er habe zwar
bey dieser der Tugend gehässigen Zeit gesündigt;
darumb aber sey bey ihm die Wurtzel der Tu-
gend nicht gäntzlich ausgerottet/ daß er den
Glantz seiner verstorbenen Ahnen lieber mit
Füssen treten/ als sich eines schimpflichen Todes
entbrechen solle. Der erste und letzte Tag des
Lebens mache einen Menschen entweder glück-
selig oder verächtlich/ das Mittel lauffe bald in
Ruh/ bald mit Sturm dahin/ nach dem das
Glück sein Steuer-Ruder führe/ dahero liege
einem Sterbenden keine Sorge mehr ob/ als daß
er das Schau-Spiel seines Lebens tugendhaft
beschlüsse. Ein heimlicher Abend trockne die
Pfützen eines schlüpfrigen Tages auff/ und ein
sauberer Grabe-Stein verdecke auch die besu-
delsten Lebens-Taffeln. Dahero wolle er lie-
ber als ein Deutscher gehenckt seyn/ als ein un-
würdiger Frembdling/ oder vielmehr verstosse-
ner/ der Eitelkeit einer ihn nicht rein brennenden
Opferung genüssen. Das Lob oder die Schan-
de eines Todes rühre nicht von dem Ruffe des
Pöfels/ noch von dem eitelen Wahne des irren-
den Volckes/ sondern von dem Gemüthe des
Sterbenden her. Jhrer viel stiegen rühmlicher
auff den Raben-Stein/ als mancher Asche in
güldne Töpfe und alabasterne Gräber verschar-
ret würde. Niemand war/ der/ dieser letzten
Entschlüssung wegen/ Segesthens Laster nicht
zum Theil für vermindert hielt. Weil auch der
am Ende des Lebens herfürblickende Schatten
der Tugend nicht anders als der Wider-Schein
der untergegangenen Sonne den allerschönsten
Glantz zu haben scheinet. Gleichwol konte Li-
bys nicht vorbey sein End-Urthel zu eröffnen:
[Spaltenumbruch] daß Segesthes nach den Gesetzen des Vaterlan-
des müste hingerichtet werden. Aber/ versetzte
Segesthes/ ist es einem Nachkommen des Halb-
Gotts Tuisco nicht verstattet/ daß er das Urtheil
an sich selbst ausübe/ und/ womit man sein Ver-
brechen nicht weibischer Zagheit zuschreibe/ den
letzten Athem ungezwungen ausdrücke? Denn
ich weiß wol/ daß diese ihnen einen schönern Tod
anthun/ die noch viel Hoffnung zu leben übrig
haben; aber auch diese sind weniger verächtlich/
welche der Nothwendigkeit des unvermeidlichen
Todes mit unverwendeten Augen entgegen ge-
hen. Libys antwortete ihm mit Nein. Der
angethane/ nicht der eigenwillige Tod sey eine
Straffe. Dieser sey vielmehr eine Nothwen-
digkeit der Natur/ eine Ruhe von der Arbeit/ ein
Ende des Elends. Getrauestu dir denn (fing
die für ihres Vaters Leben sorgfältige Thußnel-
de an/ welche sich gleich durch die Menge des
Volcks zu diesem Trauer-Spiele herzugedrun-
gen hatte) einer zu sterben entschlossenen Seele
den Weg zu verbeugen/ da uns die Natur zu dem
Tode hundert Pforten eröffnet hat? Meinstu/
daß wenn ein Elender die schwache Gemein-
schafft des Leibes und der Seelen zu trennen Lust
hat/ selbter Gift trincken/ Stricke kauffen/ Mes-
ser brauchen/ rauhe Stein-Felsen suchen/ glüen-
de Kohlen verschlingen/ die Adern zerkerben
müsse? Das Glücke hätte über uns allzugrosse
Herrschafft/ wenn wir so langsam/ oder nur auff
einerley Art/ sterben als geboren werden könten;
als welches über einen Lebenden alle/ auff einen/
der zu sterben weiß/ keine Gewalt ausüben kan.
Hat dir nicht Caldus Cälius bewiesen/ daß die
Fessel/ welche ihm den Eigen-Mord verwehren
solten/ sein Werckzeug darzu gewest? Der Räu-
ber Coma dorffte nichts als seinen eignen Lebens-
Athem hierzu/ durch dessen Hinterhaltung er
unter den Händen seiner Hüter und für den Au-
gen des Bürgermeisters Rupilius sich ersteckte/
also die Ausforschung um seine Geferten zernich-
tete. Aber es sey ferne/ daß Thußnelde dem/

wel-

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] Dahero dieſer Prieſter ſich nur ſeines Amptes
nicht entaͤuſern konte/ ſondern zu befinden ge-
zwungen ward: Es muͤſte Segeſthes/ da er ein
taugliches Opfer ſeyn wolte/ ſeinem Vaterlan-
de/ Geſchlechte und Nahmen abſchweren/ oder
die irrdiſche Straffe der Verraͤther ausſtehen.
Segeſthes entruͤſtete ſich uͤberaus/ und fuhr den
Prieſter mit harten Worten an: Er habe zwar
bey dieſer der Tugend gehaͤſſigen Zeit geſuͤndigt;
darumb aber ſey bey ihm die Wurtzel der Tu-
gend nicht gaͤntzlich ausgerottet/ daß er den
Glantz ſeiner verſtorbenen Ahnen lieber mit
Fuͤſſen treten/ als ſich eines ſchimpflichen Todes
entbrechen ſolle. Der erſte und letzte Tag des
Lebens mache einen Menſchen entweder gluͤck-
ſelig oder veraͤchtlich/ das Mittel lauffe bald in
Ruh/ bald mit Sturm dahin/ nach dem das
Gluͤck ſein Steuer-Ruder fuͤhre/ dahero liege
einem Sterbenden keine Sorge mehr ob/ als daß
er das Schau-Spiel ſeines Lebens tugendhaft
beſchluͤſſe. Ein heimlicher Abend trockne die
Pfuͤtzen eines ſchluͤpfrigen Tages auff/ und ein
ſauberer Grabe-Stein verdecke auch die beſu-
delſten Lebens-Taffeln. Dahero wolle er lie-
ber als ein Deutſcher gehenckt ſeyn/ als ein un-
wuͤrdiger Frembdling/ oder vielmehr verſtoſſe-
ner/ der Eitelkeit einer ihn nicht rein brennenden
Opferung genuͤſſen. Das Lob oder die Schan-
de eines Todes ruͤhre nicht von dem Ruffe des
Poͤfels/ noch von dem eitelen Wahne des irren-
den Volckes/ ſondern von dem Gemuͤthe des
Sterbenden her. Jhrer viel ſtiegen ruͤhmlicher
auff den Raben-Stein/ als mancher Aſche in
guͤldne Toͤpfe und alabaſterne Graͤber verſchar-
ret wuͤrde. Niemand war/ der/ dieſer letzten
Entſchluͤſſung wegen/ Segeſthens Laſter nicht
zum Theil fuͤr vermindert hielt. Weil auch der
am Ende des Lebens herfuͤrblickende Schatten
der Tugend nicht anders als der Wider-Schein
der untergegangenen Sonne den allerſchoͤnſten
Glantz zu haben ſcheinet. Gleichwol konte Li-
bys nicht vorbey ſein End-Urthel zu eroͤffnen:
[Spaltenumbruch] daß Segeſthes nach den Geſetzen des Vaterlan-
des muͤſte hingerichtet werden. Aber/ verſetzte
Segeſthes/ iſt es einem Nachkommen des Halb-
Gotts Tuiſco nicht verſtattet/ daß er das Urtheil
an ſich ſelbſt ausuͤbe/ und/ womit man ſein Ver-
brechen nicht weibiſcher Zagheit zuſchreibe/ den
letzten Athem ungezwungen ausdruͤcke? Denn
ich weiß wol/ daß dieſe ihnen einen ſchoͤnern Tod
anthun/ die noch viel Hoffnung zu leben uͤbrig
haben; aber auch dieſe ſind weniger veraͤchtlich/
welche der Nothwendigkeit des unvermeidlichen
Todes mit unverwendeten Augen entgegen ge-
hen. Libys antwortete ihm mit Nein. Der
angethane/ nicht der eigenwillige Tod ſey eine
Straffe. Dieſer ſey vielmehr eine Nothwen-
digkeit der Natur/ eine Ruhe von der Arbeit/ ein
Ende des Elends. Getraueſtu dir denn (fing
die fuͤr ihres Vaters Leben ſorgfaͤltige Thußnel-
de an/ welche ſich gleich durch die Menge des
Volcks zu dieſem Trauer-Spiele herzugedrun-
gen hatte) einer zu ſterben entſchloſſenen Seele
den Weg zu verbeugen/ da uns die Natuꝛ zu dem
Tode hundert Pforten eroͤffnet hat? Meinſtu/
daß wenn ein Elender die ſchwache Gemein-
ſchafft des Leibes und der Seelen zu trennen Luſt
hat/ ſelbter Gift trincken/ Stricke kauffen/ Meſ-
ſer brauchen/ rauhe Stein-Felſen ſuchen/ gluͤen-
de Kohlen verſchlingen/ die Adern zerkerben
muͤſſe? Das Gluͤcke haͤtte uͤber uns allzugroſſe
Herrſchafft/ wenn wir ſo langſam/ odeꝛ nur auff
einerley Art/ ſterben als geboren werden koͤnten;
als welches uͤber einen Lebenden alle/ auff einen/
der zu ſterben weiß/ keine Gewalt ausuͤben kan.
Hat dir nicht Caldus Caͤlius bewieſen/ daß die
Feſſel/ welche ihm den Eigen-Mord verwehren
ſolten/ ſein Werckzeug darzu geweſt? Der Raͤu-
ber Coma dorffte nichts als ſeinen eignen Lebens-
Athem hierzu/ durch deſſen Hinterhaltung er
unter den Haͤnden ſeiner Huͤter und fuͤr den Au-
gen des Buͤrgermeiſters Rupilius ſich erſteckte/
alſo die Ausforſchung um ſeine Geferten zernich-
tete. Aber es ſey ferne/ daß Thußnelde dem/

wel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0124" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Dahero die&#x017F;er Prie&#x017F;ter &#x017F;ich nur &#x017F;eines Amptes<lb/>
nicht enta&#x0364;u&#x017F;ern konte/ &#x017F;ondern zu befinden ge-<lb/>
zwungen ward: Es mu&#x0364;&#x017F;te Sege&#x017F;thes/ da er ein<lb/>
taugliches Opfer &#x017F;eyn wolte/ &#x017F;einem Vaterlan-<lb/>
de/ Ge&#x017F;chlechte und Nahmen ab&#x017F;chweren/ oder<lb/>
die irrdi&#x017F;che Straffe der Verra&#x0364;ther aus&#x017F;tehen.<lb/>
Sege&#x017F;thes entru&#x0364;&#x017F;tete &#x017F;ich u&#x0364;beraus/ und fuhr den<lb/>
Prie&#x017F;ter mit harten Worten an: Er habe zwar<lb/>
bey die&#x017F;er der Tugend geha&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Zeit ge&#x017F;u&#x0364;ndigt;<lb/>
darumb aber &#x017F;ey bey ihm die Wurtzel der Tu-<lb/>
gend nicht ga&#x0364;ntzlich ausgerottet/ daß er den<lb/>
Glantz &#x017F;einer ver&#x017F;torbenen Ahnen lieber mit<lb/>
Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en treten/ als &#x017F;ich eines &#x017F;chimpflichen Todes<lb/>
entbrechen &#x017F;olle. Der er&#x017F;te und letzte Tag des<lb/>
Lebens mache einen Men&#x017F;chen entweder glu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;elig oder vera&#x0364;chtlich/ das Mittel lauffe bald in<lb/>
Ruh/ bald mit Sturm dahin/ nach dem das<lb/>
Glu&#x0364;ck &#x017F;ein Steuer-Ruder fu&#x0364;hre/ dahero liege<lb/>
einem Sterbenden keine Sorge mehr ob/ als daß<lb/>
er das Schau-Spiel &#x017F;eines Lebens tugendhaft<lb/>
be&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Ein heimlicher Abend trockne die<lb/>
Pfu&#x0364;tzen eines &#x017F;chlu&#x0364;pfrigen Tages auff/ und ein<lb/>
&#x017F;auberer Grabe-Stein verdecke auch die be&#x017F;u-<lb/>
del&#x017F;ten Lebens-Taffeln. Dahero wolle er lie-<lb/>
ber als ein Deut&#x017F;cher gehenckt &#x017F;eyn/ als ein un-<lb/>
wu&#x0364;rdiger Frembdling/ oder vielmehr ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
ner/ der Eitelkeit einer ihn nicht rein brennenden<lb/>
Opferung genu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Das Lob oder die Schan-<lb/>
de eines Todes ru&#x0364;hre nicht von dem Ruffe des<lb/>
Po&#x0364;fels/ noch von dem eitelen Wahne des irren-<lb/>
den Volckes/ &#x017F;ondern von dem Gemu&#x0364;the des<lb/>
Sterbenden her. Jhrer viel &#x017F;tiegen ru&#x0364;hmlicher<lb/>
auff den Raben-Stein/ als mancher A&#x017F;che in<lb/>
gu&#x0364;ldne To&#x0364;pfe und alaba&#x017F;terne Gra&#x0364;ber ver&#x017F;char-<lb/>
ret wu&#x0364;rde. Niemand war/ der/ die&#x017F;er letzten<lb/>
Ent&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung wegen/ Sege&#x017F;thens La&#x017F;ter nicht<lb/>
zum Theil fu&#x0364;r vermindert hielt. Weil auch der<lb/>
am Ende des Lebens herfu&#x0364;rblickende Schatten<lb/>
der Tugend nicht anders als der Wider-Schein<lb/>
der untergegangenen Sonne den aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten<lb/>
Glantz zu haben &#x017F;cheinet. Gleichwol konte Li-<lb/>
bys nicht vorbey &#x017F;ein End-Urthel zu ero&#x0364;ffnen:<lb/><cb/>
daß Sege&#x017F;thes nach den Ge&#x017F;etzen des Vaterlan-<lb/>
des mu&#x0364;&#x017F;te hingerichtet werden. Aber/ ver&#x017F;etzte<lb/>
Sege&#x017F;thes/ i&#x017F;t es einem Nachkommen des Halb-<lb/>
Gotts Tui&#x017F;co nicht ver&#x017F;tattet/ daß er das Urtheil<lb/>
an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ausu&#x0364;be/ und/ womit man &#x017F;ein Ver-<lb/>
brechen nicht weibi&#x017F;cher Zagheit zu&#x017F;chreibe/ den<lb/>
letzten Athem ungezwungen ausdru&#x0364;cke? Denn<lb/>
ich weiß wol/ daß die&#x017F;e ihnen einen &#x017F;cho&#x0364;nern Tod<lb/>
anthun/ die noch viel Hoffnung zu leben u&#x0364;brig<lb/>
haben; aber auch die&#x017F;e &#x017F;ind weniger vera&#x0364;chtlich/<lb/>
welche der Nothwendigkeit des unvermeidlichen<lb/>
Todes mit unverwendeten Augen entgegen ge-<lb/>
hen. Libys antwortete ihm mit Nein. Der<lb/>
angethane/ nicht der eigenwillige Tod &#x017F;ey eine<lb/>
Straffe. Die&#x017F;er &#x017F;ey vielmehr eine Nothwen-<lb/>
digkeit der Natur/ eine Ruhe von der Arbeit/ ein<lb/>
Ende des Elends. Getraue&#x017F;tu dir denn (fing<lb/>
die fu&#x0364;r ihres Vaters Leben &#x017F;orgfa&#x0364;ltige Thußnel-<lb/>
de an/ welche &#x017F;ich gleich durch die Menge des<lb/>
Volcks zu die&#x017F;em Trauer-Spiele herzugedrun-<lb/>
gen hatte) einer zu &#x017F;terben ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Seele<lb/>
den Weg zu verbeugen/ da uns die Natu&#xA75B; zu dem<lb/>
Tode hundert Pforten ero&#x0364;ffnet hat? Mein&#x017F;tu/<lb/>
daß wenn ein Elender die &#x017F;chwache Gemein-<lb/>
&#x017F;chafft des Leibes und der Seelen zu trennen Lu&#x017F;t<lb/>
hat/ &#x017F;elbter Gift trincken/ Stricke kauffen/ Me&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er brauchen/ rauhe Stein-Fel&#x017F;en &#x017F;uchen/ glu&#x0364;en-<lb/>
de Kohlen ver&#x017F;chlingen/ die Adern zerkerben<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e? Das Glu&#x0364;cke ha&#x0364;tte u&#x0364;ber uns allzugro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Herr&#x017F;chafft/ wenn wir &#x017F;o lang&#x017F;am/ ode&#xA75B; nur auff<lb/>
einerley Art/ &#x017F;terben als geboren werden ko&#x0364;nten;<lb/>
als welches u&#x0364;ber einen Lebenden alle/ auff einen/<lb/>
der zu &#x017F;terben weiß/ keine Gewalt ausu&#x0364;ben kan.<lb/>
Hat dir nicht Caldus Ca&#x0364;lius bewie&#x017F;en/ daß die<lb/>
Fe&#x017F;&#x017F;el/ welche ihm den Eigen-Mord verwehren<lb/>
&#x017F;olten/ &#x017F;ein Werckzeug darzu gewe&#x017F;t? Der Ra&#x0364;u-<lb/>
ber Coma dorffte nichts als &#x017F;einen eignen Lebens-<lb/>
Athem hierzu/ durch de&#x017F;&#x017F;en Hinterhaltung er<lb/>
unter den Ha&#x0364;nden &#x017F;einer Hu&#x0364;ter und fu&#x0364;r den Au-<lb/>
gen des Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ters Rupilius &#x017F;ich er&#x017F;teckte/<lb/>
al&#x017F;o die Ausfor&#x017F;chung um &#x017F;eine Geferten zernich-<lb/>
tete. Aber es &#x017F;ey ferne/ daß Thußnelde dem/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wel-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0124] Erſtes Buch Dahero dieſer Prieſter ſich nur ſeines Amptes nicht entaͤuſern konte/ ſondern zu befinden ge- zwungen ward: Es muͤſte Segeſthes/ da er ein taugliches Opfer ſeyn wolte/ ſeinem Vaterlan- de/ Geſchlechte und Nahmen abſchweren/ oder die irrdiſche Straffe der Verraͤther ausſtehen. Segeſthes entruͤſtete ſich uͤberaus/ und fuhr den Prieſter mit harten Worten an: Er habe zwar bey dieſer der Tugend gehaͤſſigen Zeit geſuͤndigt; darumb aber ſey bey ihm die Wurtzel der Tu- gend nicht gaͤntzlich ausgerottet/ daß er den Glantz ſeiner verſtorbenen Ahnen lieber mit Fuͤſſen treten/ als ſich eines ſchimpflichen Todes entbrechen ſolle. Der erſte und letzte Tag des Lebens mache einen Menſchen entweder gluͤck- ſelig oder veraͤchtlich/ das Mittel lauffe bald in Ruh/ bald mit Sturm dahin/ nach dem das Gluͤck ſein Steuer-Ruder fuͤhre/ dahero liege einem Sterbenden keine Sorge mehr ob/ als daß er das Schau-Spiel ſeines Lebens tugendhaft beſchluͤſſe. Ein heimlicher Abend trockne die Pfuͤtzen eines ſchluͤpfrigen Tages auff/ und ein ſauberer Grabe-Stein verdecke auch die beſu- delſten Lebens-Taffeln. Dahero wolle er lie- ber als ein Deutſcher gehenckt ſeyn/ als ein un- wuͤrdiger Frembdling/ oder vielmehr verſtoſſe- ner/ der Eitelkeit einer ihn nicht rein brennenden Opferung genuͤſſen. Das Lob oder die Schan- de eines Todes ruͤhre nicht von dem Ruffe des Poͤfels/ noch von dem eitelen Wahne des irren- den Volckes/ ſondern von dem Gemuͤthe des Sterbenden her. Jhrer viel ſtiegen ruͤhmlicher auff den Raben-Stein/ als mancher Aſche in guͤldne Toͤpfe und alabaſterne Graͤber verſchar- ret wuͤrde. Niemand war/ der/ dieſer letzten Entſchluͤſſung wegen/ Segeſthens Laſter nicht zum Theil fuͤr vermindert hielt. Weil auch der am Ende des Lebens herfuͤrblickende Schatten der Tugend nicht anders als der Wider-Schein der untergegangenen Sonne den allerſchoͤnſten Glantz zu haben ſcheinet. Gleichwol konte Li- bys nicht vorbey ſein End-Urthel zu eroͤffnen: daß Segeſthes nach den Geſetzen des Vaterlan- des muͤſte hingerichtet werden. Aber/ verſetzte Segeſthes/ iſt es einem Nachkommen des Halb- Gotts Tuiſco nicht verſtattet/ daß er das Urtheil an ſich ſelbſt ausuͤbe/ und/ womit man ſein Ver- brechen nicht weibiſcher Zagheit zuſchreibe/ den letzten Athem ungezwungen ausdruͤcke? Denn ich weiß wol/ daß dieſe ihnen einen ſchoͤnern Tod anthun/ die noch viel Hoffnung zu leben uͤbrig haben; aber auch dieſe ſind weniger veraͤchtlich/ welche der Nothwendigkeit des unvermeidlichen Todes mit unverwendeten Augen entgegen ge- hen. Libys antwortete ihm mit Nein. Der angethane/ nicht der eigenwillige Tod ſey eine Straffe. Dieſer ſey vielmehr eine Nothwen- digkeit der Natur/ eine Ruhe von der Arbeit/ ein Ende des Elends. Getraueſtu dir denn (fing die fuͤr ihres Vaters Leben ſorgfaͤltige Thußnel- de an/ welche ſich gleich durch die Menge des Volcks zu dieſem Trauer-Spiele herzugedrun- gen hatte) einer zu ſterben entſchloſſenen Seele den Weg zu verbeugen/ da uns die Natuꝛ zu dem Tode hundert Pforten eroͤffnet hat? Meinſtu/ daß wenn ein Elender die ſchwache Gemein- ſchafft des Leibes und der Seelen zu trennen Luſt hat/ ſelbter Gift trincken/ Stricke kauffen/ Meſ- ſer brauchen/ rauhe Stein-Felſen ſuchen/ gluͤen- de Kohlen verſchlingen/ die Adern zerkerben muͤſſe? Das Gluͤcke haͤtte uͤber uns allzugroſſe Herrſchafft/ wenn wir ſo langſam/ odeꝛ nur auff einerley Art/ ſterben als geboren werden koͤnten; als welches uͤber einen Lebenden alle/ auff einen/ der zu ſterben weiß/ keine Gewalt ausuͤben kan. Hat dir nicht Caldus Caͤlius bewieſen/ daß die Feſſel/ welche ihm den Eigen-Mord verwehren ſolten/ ſein Werckzeug darzu geweſt? Der Raͤu- ber Coma dorffte nichts als ſeinen eignen Lebens- Athem hierzu/ durch deſſen Hinterhaltung er unter den Haͤnden ſeiner Huͤter und fuͤr den Au- gen des Buͤrgermeiſters Rupilius ſich erſteckte/ alſo die Ausforſchung um ſeine Geferten zernich- tete. Aber es ſey ferne/ daß Thußnelde dem/ wel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/124
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/124>, abgerufen am 24.11.2024.