Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
Drusus kam mit der gefangenen Für stin Die Gräfin von der Lippe färbte sich hierü- ches
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
Druſus kam mit der gefangenen Fuͤr ſtin Die Graͤfin von der Lippe faͤrbte ſich hieruͤ- ches
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f1254" n="1188[1190]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Achtes Buch</hi> </fw><lb/> <cb/> <p>Druſus kam mit der gefangenen Fuͤr ſtin<lb/> Asblaſte/ dem jungen Herrmann und Flavius<lb/> in Jtalien. Weil aber Kayſer Auguſt ſich gleich<lb/> auf der dem Minerviſchen Vorgebuͤrge gegen<lb/> uͤber liegenden Ziegen-Jnſel aufhielt/ um in<lb/> dieſer anmuthigen und durch das Gebuͤrge fuͤr<lb/> allen rauen Winden verwahrten Gegend die<lb/> anderwerts raue Winter-Zeit hin zubringen;<lb/> reiſete Druſus Rom fuͤrbey biß nach Mintur-<lb/> ne/ allwo er ſich zu Schiffe ſetzte/ und auff das<lb/> Ziegen - Eyland uͤberfuͤhren ließ. Er fand<lb/> den Kayſer eben an dem See - Strande in<lb/> hoͤchſter Gemuͤths-Vergnuͤgung. Denn als<lb/> er fuͤnff Tage vorher dahin kommen war; hat-<lb/> te eine alte Stein-Eiche an ihren duͤrren und<lb/> zum Bodem abgeſenckten Aeſten gantz friſche<lb/> Blaͤtter bekommen. Welches dem Kayſer ſo<lb/> ſehr erfreulich war: daß er dieſes Eyland von<lb/> der Stadt Neapolis gegen Abtretung des Ey-<lb/> landes Aenaria eintauſchte. Dißmahl befand<lb/> er ſich unter dem Gebuͤrge gegen denen Sire-<lb/> nen-Jnſeln; und ließ die ungeheuren Gebei-<lb/> ne zweyer in einer Hoͤle gefundener Rieſen<lb/> ausgraben. Die Uberbringung dieſer dreyer<lb/> Fuͤrſtlichen Gefangenen aber/ worvon Druſus<lb/> um ſeine Ankunfft deſto herrlicher zu machen/<lb/> nichts geſchrieben hatte; ſtach alle vorige Ver-<lb/> gnuͤgungen weg. Denn uͤber diß: daß er durch<lb/> dieſe Geißeln das Fuͤrſtliche Cheruskiſche Hauß<lb/> zur Roͤmiſchen Dienſtbarkeit zu faͤſſeln ver-<lb/> meinte; deuchtete ihn an der Fuͤrſtin Asblaſte<lb/> wegen ihrer unver gleichlichen Schoͤnheit mehr<lb/> eine Goͤttin/ als einen ſterblichen Menſchen zu<lb/> ſehen. Ja ihre Anmuth/ die ſie gegen Livien<lb/> bezeigte; als Druſus Asblaſten ihr/ den Herr-<lb/> mann und Flavius aber dem Kayſer uͤberlief-<lb/> ferte; und die Bitte: daß der Kayſer ſie und ih-<lb/> re Kinder lieber in das nahe Meer wolte ſtuͤr-<lb/> tzen/ als nach Rom zum Siegs - Gepraͤnge<lb/> moͤchte fuͤhren laſſen; bezauberte Auguſten der-<lb/> geſtalt: daß er nicht nur ihr zu nicht geringem<lb/> Unvergnuͤgen des Ehrſuͤchtigen Druſus ſie ih-<lb/> rer Bitte gewaͤhrete; ſondern ſich ſelbſt in ſie<lb/><cb/> inniglich verliebte. Er ordnete dieſemnach<lb/> Asblaſten nebſt ihrem ohne diß mit gebrachtem<lb/> Frauen-Zimmer etliche andere Roͤmiſche Die-<lb/> nerinnen/ dem Herrmann und Flavius auch<lb/> ihrem Stande anſtaͤndige Aufwaͤrter zu; und<lb/> muͤhte ſich auf alle Wege ihnen die Verdruͤß-<lb/> ligkeit der allezeit verhaſten Gefangenſchafft zu<lb/> verzuckern. Denn die Gegitter der Kercker/<lb/> wenn ſie gleich gemahlt oder gar von Golde<lb/> ſind/ bleiben allezeit heßlich. Jch ſolte/ ſagte<lb/> Adgandeſter/ hier die der Fuͤrſtin Asblaſte be-<lb/> gegnete ſeltzame Ebentheuer umſtaͤndlich er-<lb/> zehlen; aber koͤſtliche Waſſer werden am beſten<lb/> aus ihrem Quelle getruncken; Die Geſchichte<lb/> aber von denen am wahrhaffte ſten veꝛnommen/<lb/> welche ihre Augen zu Zeugen ihrer ſelbſt ange-<lb/> merckten Begebenheiten anziehen koͤnnen.<lb/> Dieſemnach wird die Graͤfin von der Lippe<lb/> nicht nur ſo erlauchte Zuhoͤrer/ ſondern mich<lb/> ſelbſt am hoͤchſten verbinden; wenn ſie durch die<lb/> Blumen ihrer Beredſamkeit meine raue Er-<lb/> zehlung aufzuputzen ſich mein Anſuchen bewe-<lb/> gen laſſen wird.</p><lb/> <p>Die Graͤfin von der Lippe faͤrbte ſich hieruͤ-<lb/> ber; und verſetzte: Sie wuͤſte wol: daß Fuͤrſt<lb/> Adgandeſter ſeiner Vollkommenheit durch ihre<lb/> Gebrechen einen mehrern Glantz beyzuſetzen<lb/> voꝛhaͤtte; Gleich wol aber wolte ſie/ um die hoch-<lb/> anſehnliche Verſamlung nicht aufzuhalten/ ſei-<lb/> nem Befehle lieber gehorſamen; als ihre Feh-<lb/> ler/ und zugleich die Warheit denckwuͤrdiger<lb/> Begebenheiten verhuͤllen. Auguſt/ ſagte ſie/<lb/> muͤhte ſich mit ſeinen gegen Asblaſten bezeigten<lb/> Verehrungen die Liebligkeit des von keinem<lb/> Winteꝛ wiſſenden Campaniens zu uͤbeꝛwinden.<lb/> Er unterhielt ſie mit den koͤſtlichſten Speiſen/<lb/> mit freundlichſten Geſpraͤchen/ mit der freudig-<lb/> ſten Geſellſchafft; worunter die alle Menſchen<lb/> zu ver gnuͤgen maͤchtige Terentia das beſte that.<lb/> Ja Livia ſelbſt befließ ſich der mehrmahls einſa-<lb/> men und ſchwermuͤthigen Asblaſte ihre traurige<lb/> Gedancken zu benehmen; und hierzu ſich der<lb/> Beſchaffenheit des Ortes zu bedienen/ als wel-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ches</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1188[1190]/1254]
Achtes Buch
Druſus kam mit der gefangenen Fuͤr ſtin
Asblaſte/ dem jungen Herrmann und Flavius
in Jtalien. Weil aber Kayſer Auguſt ſich gleich
auf der dem Minerviſchen Vorgebuͤrge gegen
uͤber liegenden Ziegen-Jnſel aufhielt/ um in
dieſer anmuthigen und durch das Gebuͤrge fuͤr
allen rauen Winden verwahrten Gegend die
anderwerts raue Winter-Zeit hin zubringen;
reiſete Druſus Rom fuͤrbey biß nach Mintur-
ne/ allwo er ſich zu Schiffe ſetzte/ und auff das
Ziegen - Eyland uͤberfuͤhren ließ. Er fand
den Kayſer eben an dem See - Strande in
hoͤchſter Gemuͤths-Vergnuͤgung. Denn als
er fuͤnff Tage vorher dahin kommen war; hat-
te eine alte Stein-Eiche an ihren duͤrren und
zum Bodem abgeſenckten Aeſten gantz friſche
Blaͤtter bekommen. Welches dem Kayſer ſo
ſehr erfreulich war: daß er dieſes Eyland von
der Stadt Neapolis gegen Abtretung des Ey-
landes Aenaria eintauſchte. Dißmahl befand
er ſich unter dem Gebuͤrge gegen denen Sire-
nen-Jnſeln; und ließ die ungeheuren Gebei-
ne zweyer in einer Hoͤle gefundener Rieſen
ausgraben. Die Uberbringung dieſer dreyer
Fuͤrſtlichen Gefangenen aber/ worvon Druſus
um ſeine Ankunfft deſto herrlicher zu machen/
nichts geſchrieben hatte; ſtach alle vorige Ver-
gnuͤgungen weg. Denn uͤber diß: daß er durch
dieſe Geißeln das Fuͤrſtliche Cheruskiſche Hauß
zur Roͤmiſchen Dienſtbarkeit zu faͤſſeln ver-
meinte; deuchtete ihn an der Fuͤrſtin Asblaſte
wegen ihrer unver gleichlichen Schoͤnheit mehr
eine Goͤttin/ als einen ſterblichen Menſchen zu
ſehen. Ja ihre Anmuth/ die ſie gegen Livien
bezeigte; als Druſus Asblaſten ihr/ den Herr-
mann und Flavius aber dem Kayſer uͤberlief-
ferte; und die Bitte: daß der Kayſer ſie und ih-
re Kinder lieber in das nahe Meer wolte ſtuͤr-
tzen/ als nach Rom zum Siegs - Gepraͤnge
moͤchte fuͤhren laſſen; bezauberte Auguſten der-
geſtalt: daß er nicht nur ihr zu nicht geringem
Unvergnuͤgen des Ehrſuͤchtigen Druſus ſie ih-
rer Bitte gewaͤhrete; ſondern ſich ſelbſt in ſie
inniglich verliebte. Er ordnete dieſemnach
Asblaſten nebſt ihrem ohne diß mit gebrachtem
Frauen-Zimmer etliche andere Roͤmiſche Die-
nerinnen/ dem Herrmann und Flavius auch
ihrem Stande anſtaͤndige Aufwaͤrter zu; und
muͤhte ſich auf alle Wege ihnen die Verdruͤß-
ligkeit der allezeit verhaſten Gefangenſchafft zu
verzuckern. Denn die Gegitter der Kercker/
wenn ſie gleich gemahlt oder gar von Golde
ſind/ bleiben allezeit heßlich. Jch ſolte/ ſagte
Adgandeſter/ hier die der Fuͤrſtin Asblaſte be-
gegnete ſeltzame Ebentheuer umſtaͤndlich er-
zehlen; aber koͤſtliche Waſſer werden am beſten
aus ihrem Quelle getruncken; Die Geſchichte
aber von denen am wahrhaffte ſten veꝛnommen/
welche ihre Augen zu Zeugen ihrer ſelbſt ange-
merckten Begebenheiten anziehen koͤnnen.
Dieſemnach wird die Graͤfin von der Lippe
nicht nur ſo erlauchte Zuhoͤrer/ ſondern mich
ſelbſt am hoͤchſten verbinden; wenn ſie durch die
Blumen ihrer Beredſamkeit meine raue Er-
zehlung aufzuputzen ſich mein Anſuchen bewe-
gen laſſen wird.
Die Graͤfin von der Lippe faͤrbte ſich hieruͤ-
ber; und verſetzte: Sie wuͤſte wol: daß Fuͤrſt
Adgandeſter ſeiner Vollkommenheit durch ihre
Gebrechen einen mehrern Glantz beyzuſetzen
voꝛhaͤtte; Gleich wol aber wolte ſie/ um die hoch-
anſehnliche Verſamlung nicht aufzuhalten/ ſei-
nem Befehle lieber gehorſamen; als ihre Feh-
ler/ und zugleich die Warheit denckwuͤrdiger
Begebenheiten verhuͤllen. Auguſt/ ſagte ſie/
muͤhte ſich mit ſeinen gegen Asblaſten bezeigten
Verehrungen die Liebligkeit des von keinem
Winteꝛ wiſſenden Campaniens zu uͤbeꝛwinden.
Er unterhielt ſie mit den koͤſtlichſten Speiſen/
mit freundlichſten Geſpraͤchen/ mit der freudig-
ſten Geſellſchafft; worunter die alle Menſchen
zu ver gnuͤgen maͤchtige Terentia das beſte that.
Ja Livia ſelbſt befließ ſich der mehrmahls einſa-
men und ſchwermuͤthigen Asblaſte ihre traurige
Gedancken zu benehmen; und hierzu ſich der
Beſchaffenheit des Ortes zu bedienen/ als wel-
ches
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