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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] chende Tugend auf dem Schau-Platze der Eh-
ren zu Gesichte kommen; und ich habe noch nie-
manden einen Siegs-Krantz errennen gesehen;
der auff dem Haupte einen Rosen-Krantz/ in
der Hand einen Sonnen-Schirm/ am Gür-
tel einen Spiegel/ und an Füssen eingebisamte
Schuh getragen. Die Vollkommenheiten der
Menschen sind ohne diß keine Diamanten ohne
Mängel/ keine Sternen ohne Flecken. Die-
semnach hat sie eben so wol/ als jene das Un-
glück zur Feile/ und als diese das Feuer des
Trübsals zur Reinigung von nöthen. Auch
die Gebrechen des Leibes lassen sich selten mit
Rosen-Zucker und Jasmin-Oele heilen; man
müste die Wunden mit Eßig auswaschen/ die
Blutstürtzungen mit glüenden Eisen stillen/ die
vom Krebse angefressene Glieder mit Sägen
abstossen. Wie viel weniger läst sichs mit ver-
zärtelndem Liebkosen dem fressenden Wurme
der Wollust begegnen. Und die Schönheit
der Seele bestehet nicht in Spanischem Anstri-
che und bereiteter Zinober-Schmincke; sondern
in einer Reinigungs-Salbe/ welche von zusam-
men gemischtem Blute der Hertzhafften/ denen
Thränen der Gedultigen/ und der Asche der
Beständigen zubereitet wird. Terentia hörte
der eifrigen Fürstin Asblaste mit Lust zu; warff
ihr aber ein: Sie begehrte dißmahl der ge-
mächlichen Tugend nicht das Wort zu reden;
noch der durch Ungemach abgehärteten den
Vorzug strittig zu machen. Alleine mit der
Liebe schiene es eine andere Beschaffenheit zu
haben. Denn diese wäre das zärteste Schoos-
Kind der Seele; welches durch Anmuth ge-
bohren würde; und daher bey rauem Unge-
witter unzweiffelbar vergehen müste. Alles
Absehen zielte auf die Ergötzligkeit; und daher
stünde das Ungemach ihr so wenig zu einem
Bräutigam/ als ein raues Schnecken-Hauß
der Perle zu einer Geburts-Stadt an; welche
nur in Purper-Muscheln geboren seyn wolte.
Asblaste begegnete Terentien mit nicht gerin-
[Spaltenumbruch] gerer Freundligkeit: Sie liesse ihr die Ver-
gleichung der Liebe mit den Perlen allerdinges
gefallen. Aber auch diese würden zwischen dem
bittern Saltze der grimmigen Wellen gezeuget.
Die Edelgesteine würden aus heßlichen Stein-
Klüfften/ das Gold aus den finstersten Schach-
ten der Ertz-Gruben gezogen; und durch Feu-
er und Stahl in sein Wesen versetzt. Ja die
Liebe hätte nicht nur alle andere Tugenden zu
ihren Gespielen; sondern sie selbst stünde als ei-
ne herrliche Schnate auff dem edlen Stamm
der Tugend eingepfropfft/ sie selbst wäre die
Krone oder der Mittel - Punct der Tugend;
und also zwischen diesen unzertrennlichen Eh-
gatten kein Unterscheid zu machen; Da man
nicht eine Hirnße für eine Biene/ und einen
stinckenden Wiedehopff für einen Paradis-
Vogel verkauffen wolte. Die Liebe der groß-
müthigen Panthee würde mit ihrem Atheme
verraucht seyn; wenn sie nicht lieber auff der
Leiche ihres Eh-Herrn des Ruhms würdig ge-
bliebnen Abradates erblichen/ als des siegenden
Persers Begierden ersättigen wollen. Die Lie-
be der keuschen Camme würde keinen Schatten
einigen Gedächtnüßes haben; wenn sie nicht
die Fackel einer Unholdin/ und das Geschoß
des Todes ihr zugeeignet; und mit dem Blut-
Opffer des geilen Sinorix den Geist ihres
treuen Ehgatten Sinnates versöhnet hätte.
Und in Wahrheit/ der Himmel könte ihre zum
Segimer tragende Liebe mit keinem herrlichern
Ehren - Krantze schmücken; als wenn sie die
Lilgen der Keuschheit mit dem Blute ihrer un-
ausleschlichen Treue bepurpern könte.

Diese nachdrückliche Erklärung machte alle
Anwesenden stumm/ Asblasten etwas mehr
entgegen zu setzen. An statt aber: daß des Kay-
sers angeglommene Liebe/ als ein verzweiffeltes
Ding hätte verleschen sollen; ward sie hier-
durch noch viel hefftiger entzündet. Denn diese
Gemüths - Regung hat die Art der glüenden
Steine; die das Wasser in mehr Dampff und

Hitze

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] chende Tugend auf dem Schau-Platze der Eh-
ren zu Geſichte kommen; und ich habe noch nie-
manden einen Siegs-Krantz errennen geſehen;
der auff dem Haupte einen Roſen-Krantz/ in
der Hand einen Sonnen-Schirm/ am Guͤr-
tel einen Spiegel/ und an Fuͤſſen eingebiſamte
Schuh getragen. Die Vollkommenheiten der
Menſchen ſind ohne diß keine Diamanten ohne
Maͤngel/ keine Sternen ohne Flecken. Die-
ſemnach hat ſie eben ſo wol/ als jene das Un-
gluͤck zur Feile/ und als dieſe das Feuer des
Truͤbſals zur Reinigung von noͤthen. Auch
die Gebrechen des Leibes laſſen ſich ſelten mit
Roſen-Zucker und Jaſmin-Oele heilen; man
muͤſte die Wunden mit Eßig auswaſchen/ die
Blutſtuͤrtzungen mit gluͤenden Eiſen ſtillen/ die
vom Krebſe angefreſſene Glieder mit Saͤgen
abſtoſſen. Wie viel weniger laͤſt ſichs mit ver-
zaͤrtelndem Liebkoſen dem freſſenden Wurme
der Wolluſt begegnen. Und die Schoͤnheit
der Seele beſtehet nicht in Spaniſchem Anſtri-
che und bereiteter Zinober-Schmincke; ſondern
in einer Reinigungs-Salbe/ welche von zuſam-
men gemiſchtem Blute der Hertzhafften/ denen
Thraͤnen der Gedultigen/ und der Aſche der
Beſtaͤndigen zubereitet wird. Terentia hoͤrte
der eifrigen Fuͤrſtin Asblaſte mit Luſt zu; warff
ihr aber ein: Sie begehrte dißmahl der ge-
maͤchlichen Tugend nicht das Wort zu reden;
noch der durch Ungemach abgehaͤrteten den
Vorzug ſtrittig zu machen. Alleine mit der
Liebe ſchiene es eine andere Beſchaffenheit zu
haben. Denn dieſe waͤre das zaͤrteſte Schoos-
Kind der Seele; welches durch Anmuth ge-
bohren wuͤrde; und daher bey rauem Unge-
witter unzweiffelbar vergehen muͤſte. Alles
Abſehen zielte auf die Ergoͤtzligkeit; und daher
ſtuͤnde das Ungemach ihr ſo wenig zu einem
Braͤutigam/ als ein raues Schnecken-Hauß
der Perle zu einer Geburts-Stadt an; welche
nur in Purper-Muſcheln geboren ſeyn wolte.
Asblaſte begegnete Terentien mit nicht gerin-
[Spaltenumbruch] gerer Freundligkeit: Sie lieſſe ihr die Ver-
gleichung der Liebe mit den Perlen allerdinges
gefallen. Aber auch dieſe wuͤrden zwiſchen dem
bittern Saltze der grimmigen Wellen gezeuget.
Die Edelgeſteine wuͤrden aus heßlichen Stein-
Kluͤfften/ das Gold aus den finſterſten Schach-
ten der Ertz-Gruben gezogen; und durch Feu-
er und Stahl in ſein Weſen verſetzt. Ja die
Liebe haͤtte nicht nur alle andere Tugenden zu
ihren Geſpielen; ſondern ſie ſelbſt ſtuͤnde als ei-
ne herrliche Schnate auff dem edlen Stamm
der Tugend eingepfropfft/ ſie ſelbſt waͤre die
Krone oder der Mittel - Punct der Tugend;
und alſo zwiſchen dieſen unzertrennlichen Eh-
gatten kein Unterſcheid zu machen; Da man
nicht eine Hirnße fuͤr eine Biene/ und einen
ſtinckenden Wiedehopff fuͤr einen Paradis-
Vogel verkauffen wolte. Die Liebe der groß-
muͤthigen Panthee wuͤrde mit ihrem Atheme
verraucht ſeyn; wenn ſie nicht lieber auff der
Leiche ihres Eh-Herrn des Ruhms wuͤrdig ge-
bliebnen Abradates erblichen/ als des ſiegenden
Perſers Begierden erſaͤttigen wollen. Die Lie-
be der keuſchen Camme wuͤrde keinen Schatten
einigen Gedaͤchtnuͤßes haben; wenn ſie nicht
die Fackel einer Unholdin/ und das Geſchoß
des Todes ihr zugeeignet; und mit dem Blut-
Opffer des geilen Sinorix den Geiſt ihres
treuen Ehgatten Sinnates verſoͤhnet haͤtte.
Und in Wahrheit/ der Himmel koͤnte ihre zum
Segimer tragende Liebe mit keinem herrlichern
Ehren - Krantze ſchmuͤcken; als wenn ſie die
Lilgen der Keuſchheit mit dem Blute ihrer un-
ausleſchlichen Treue bepurpern koͤnte.

Dieſe nachdruͤckliche Erklaͤrung machte alle
Anweſenden ſtumm/ Asblaſten etwas mehr
entgegen zu ſetzen. An ſtatt aber: daß des Kay-
ſers angeglommene Liebe/ als ein verzweiffeltes
Ding haͤtte verleſchen ſollen; ward ſie hier-
durch noch viel hefftiger entzuͤndet. Denn dieſe
Gemuͤths - Regung hat die Art der gluͤenden
Steine; die das Waſſer in mehr Dampff und

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1192[1194]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1258>, abgerufen am 23.11.2024.