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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] kringelte sich in den Schwantz beiffende
Schlange; weil sein Gestirne im Himmel zu-
rücke laufft; oder er die sich selbst auffressende
Zeit andeutet. Sein Kleid war bleyfarbicht;
auff dem Haupte hatte er einen tunckeln mit
Napell bekräntzten Helm. Der Wagen war
theils mit Schnee angefüllt/ theils mit Eys ü-
berzogen; theils mit Fleder-Mäusen/ Kröten/
und Spinnen gemahlet. Hinten war die ge-
stirnte Wage zu sehen; dieser aber ward von
zwey langsamen Eseln gezogen.

Der freudige Drusus/ als Jupiter/ gab sei-
nen Gefärthen in der mit gläntzenden Wolcken
umzohenen Höhe eines grossen Saales ein
[k]ostbares Götter-Mahl; und ließ sie zwölff ed-
le Knaben/ und so viel vierzehnjährichte edle
Mägdlein alle fingernackt. bedienen. Jene
nennte er Brüder des Ganymedes/ diese
Schwestern der Hebe. Nach der zwischen dem
Gethöne der lieblichsten Seiten-Spiele voll-
brachten Mahlzeit/ bey welcher ein linder Bal-
sam-Regen seine Gäste fort für fort anfeuchte-
te/ und den gantzen Saal mit wol hunderterley
Geruch wechselsweise anfüllete/ stellte er ihnen
auff dem daran gelegenen mit eitel fruchtbaren
Bäumen bewachsenem Hügel einen Auffzug
von zwantzig Satyren und so viel Schäfferin-
nen auf; weil Jupitern diese gesäugt; in einen
Satyr aber sich selbst verwandelt hat. Diese
brachten die Amaltheische Ziege mit vergüldeten
Hörnern/ und Amaranthen-Kräntzen als ein
besonder Heiligthum aufgeführet; und bey ih-
rem künstlichen/ aber geilen Tantze kam diese
abgerichtete Säuge-Ziege des Jupiters allezeit
mitten im Kreiße zu stehen. Hierzu wurden
alle Buhler-Geschichte des Jupi[t]ers gesungen/
und zuletzt alle Thiere in Reyen bracht; in wel-
che sich der verliebte Jupiter iemahls verstellt
haben soll. Diese Kurtzweilen waren der An-
fang/ wordurch man der keuschen Asblaste die
Römischen Uppigkeiten angewehnen wolte.

Folgenden Tag verrückten sie auf das Vor-
[Spaltenumbruch] werg des Merrur. Mecenas richtete in ei-
nem Lust-Garten auf einer Bühne/ welche mit
denen kostbarsten Persischen Tapezereyen/ und
künstlichsten Mahlwercken bekleidet; in diesem
aber die Verspritzung der aus der Juno Brü-
sten gesogenen Milch/ die Einschläffung des
Argos und alle andere Thaten des Mercur ge-
webt oder gebildet waren/ eine kostbare Mahl-
zeit aus. Ja weil dem Mercur nebst Milch
und Honig die Zungen gewiedmet sind/ gab er
in der ersten Tracht vier und zwantzig Schüs-
seln voller Zungen; von allerhand Thieren
und Fischen. Am höchsten aber wurde ge-
schätzt eine in der Mitte stehende güldene
Schüssel/ welche mit Phönicopter/ Papegoy-
en-Zungen so hoch angefüllt war: daß sie eine
Spitz-Seule machten. Nach dem Mahl ließ
er/ als ein Erfinder der Fecht-Schulen/ aller-
hand Streit- und Kampff-Ubungen sehen; in
welchen fürnehmlich der sieghaffte Streit des
Mercur mit zwölff Liebes-Göttern/ und wie
er sich wegen Penelopens in einen Bock ver-
wandelte/ für gestellet ward. Welch letztes
Getichte ihr die Fürstin Asblaste artlich gegen
Livien nütze machte; in dem sie ihr bey Einlo-
bung' fürgestellter Geilheiten einhielt: Weil
die Götter/ wenn sie sich durch Wollüste ver-
leiten liessen/ in Böcke verwandelt würden;
wäre kein Unthier so heßlich; das einem un-
züchtigen Menschen gleichte. Ja sie stellte
es auch so klüglich an: daß unter dem Getüm-
mel der Fechtenden ein Deutscher dem auf den
Schau-Platz vorher/ und hernach zu der Göt-
ter Taffel geführtem Bocke diese in Rinde ge-
grabene Reymen anhieng:

Die einem Milch zutrinckt/ und nichts als Blut gewehrt/
Die/ den sie lachet an/ verwundet und verzehrt/
Die uns mit Zucker lockt/ mit güldnen Körnern streut/
Und dem/ der kommt/ von Stahl Hals-Eisen leget an/
Die Datteln kehrt in Gifft/ das Seelen tödten kan/
Diß ist der Basilisk' und Bock/ die Uppigkeit.
Unter-

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] kringelte ſich in den Schwantz beiffende
Schlange; weil ſein Geſtirne im Himmel zu-
ruͤcke laufft; oder er die ſich ſelbſt auffreſſende
Zeit andeutet. Sein Kleid war bleyfarbicht;
auff dem Haupte hatte er einen tunckeln mit
Napell bekraͤntzten Helm. Der Wagen war
theils mit Schnee angefuͤllt/ theils mit Eys uͤ-
berzogen; theils mit Fleder-Maͤuſen/ Kroͤten/
und Spinnen gemahlet. Hinten war die ge-
ſtirnte Wage zu ſehen; dieſer aber ward von
zwey langſamen Eſeln gezogen.

Der freudige Druſus/ als Jupiter/ gab ſei-
nen Gefaͤrthen in der mit glaͤntzenden Wolcken
umzohenen Hoͤhe eines groſſen Saales ein
[k]oſtbares Goͤtter-Mahl; und ließ ſie zwoͤlff ed-
le Knaben/ und ſo viel vierzehnjaͤhrichte edle
Maͤgdlein alle fingernackt. bedienen. Jene
nennte er Bruͤder des Ganymedes/ dieſe
Schweſtern der Hebe. Nach der zwiſchen dem
Gethoͤne der lieblichſten Seiten-Spiele voll-
brachten Mahlzeit/ bey welcher ein linder Bal-
ſam-Regen ſeine Gaͤſte fort fuͤr fort anfeuchte-
te/ und den gantzen Saal mit wol hunderterley
Geruch wechſelsweiſe anfuͤllete/ ſtellte er ihnen
auff dem daran gelegenen mit eitel fruchtbaren
Baͤumen bewachſenem Huͤgel einen Auffzug
von zwantzig Satyren und ſo viel Schaͤfferin-
nen auf; weil Jupitern dieſe geſaͤugt; in einen
Satyr aber ſich ſelbſt verwandelt hat. Dieſe
bꝛachten die Amaltheiſche Ziege mit veꝛguͤldeten
Hoͤrnern/ und Amaranthen-Kraͤntzen als ein
beſonder Heiligthum aufgefuͤhret; und bey ih-
rem kuͤnſtlichen/ aber geilen Tantze kam dieſe
abgerichtete Saͤuge-Ziege des Jupiters allezeit
mitten im Kreiße zu ſtehen. Hierzu wurden
alle Buhler-Geſchichte des Jupi[t]ers geſungen/
und zuletzt alle Thiere in Reyen bracht; in wel-
che ſich der verliebte Jupiter iemahls verſtellt
haben ſoll. Dieſe Kurtzweilen waren der An-
fang/ wordurch man der keuſchen Asblaſte die
Roͤmiſchen Uppigkeiten angewehnen wolte.

Folgenden Tag verruͤckten ſie auf das Vor-
[Spaltenumbruch] werg des Merrur. Mecenas richtete in ei-
nem Luſt-Garten auf einer Buͤhne/ welche mit
denen koſtbarſten Perſiſchen Tapezereyen/ und
kuͤnſtlichſten Mahlwercken bekleidet; in dieſem
aber die Verſpritzung der aus der Juno Bruͤ-
ſten geſogenen Milch/ die Einſchlaͤffung des
Argos und alle andere Thaten des Mercur ge-
webt oder gebildet waren/ eine koſtbare Mahl-
zeit aus. Ja weil dem Mercur nebſt Milch
und Honig die Zungen gewiedmet ſind/ gab er
in der erſten Tracht vier und zwantzig Schuͤſ-
ſeln voller Zungen; von allerhand Thieren
und Fiſchen. Am hoͤchſten aber wurde ge-
ſchaͤtzt eine in der Mitte ſtehende guͤldene
Schuͤſſel/ welche mit Phoͤnicopter/ Papegoy-
en-Zungen ſo hoch angefuͤllt war: daß ſie eine
Spitz-Seule machten. Nach dem Mahl ließ
er/ als ein Erfinder der Fecht-Schulen/ aller-
hand Streit- und Kampff-Ubungen ſehen; in
welchen fuͤrnehmlich der ſieghaffte Streit des
Mercur mit zwoͤlff Liebes-Goͤttern/ und wie
er ſich wegen Penelopens in einen Bock ver-
wandelte/ fuͤr geſtellet ward. Welch letztes
Getichte ihr die Fuͤrſtin Asblaſte artlich gegen
Livien nuͤtze machte; in dem ſie ihr bey Einlo-
bung’ fuͤrgeſtellter Geilheiten einhielt: Weil
die Goͤtter/ wenn ſie ſich durch Wolluͤſte ver-
leiten lieſſen/ in Boͤcke verwandelt wuͤrden;
waͤre kein Unthier ſo heßlich; das einem un-
zuͤchtigen Menſchen gleichte. Ja ſie ſtellte
es auch ſo kluͤglich an: daß unter dem Getuͤm-
mel der Fechtenden ein Deutſcher dem auf den
Schau-Platz vorher/ und hernach zu der Goͤt-
ter Taffel gefuͤhrtem Bocke dieſe in Rinde ge-
grabene Reymen anhieng:

Die einem Milch zutrinckt/ und nichts als Blut gewehrt/
Die/ den ſie lachet an/ verwundet und verzehrt/
Die uns mit Zucker lockt/ mit guͤldnen Koͤrnern ſtreut/
Und dem/ der kommt/ von Stahl Hals-Eiſen leget an/
Die Datteln kehrt in Gifft/ das Seelen toͤdten kan/
Diß iſt der Baſilisk’ und Bock/ die Uppigkeit.
Unter-
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[1196[1198]/1262] Achtes Buch kringelte ſich in den Schwantz beiffende Schlange; weil ſein Geſtirne im Himmel zu- ruͤcke laufft; oder er die ſich ſelbſt auffreſſende Zeit andeutet. Sein Kleid war bleyfarbicht; auff dem Haupte hatte er einen tunckeln mit Napell bekraͤntzten Helm. Der Wagen war theils mit Schnee angefuͤllt/ theils mit Eys uͤ- berzogen; theils mit Fleder-Maͤuſen/ Kroͤten/ und Spinnen gemahlet. Hinten war die ge- ſtirnte Wage zu ſehen; dieſer aber ward von zwey langſamen Eſeln gezogen. Der freudige Druſus/ als Jupiter/ gab ſei- nen Gefaͤrthen in der mit glaͤntzenden Wolcken umzohenen Hoͤhe eines groſſen Saales ein koſtbares Goͤtter-Mahl; und ließ ſie zwoͤlff ed- le Knaben/ und ſo viel vierzehnjaͤhrichte edle Maͤgdlein alle fingernackt. bedienen. Jene nennte er Bruͤder des Ganymedes/ dieſe Schweſtern der Hebe. Nach der zwiſchen dem Gethoͤne der lieblichſten Seiten-Spiele voll- brachten Mahlzeit/ bey welcher ein linder Bal- ſam-Regen ſeine Gaͤſte fort fuͤr fort anfeuchte- te/ und den gantzen Saal mit wol hunderterley Geruch wechſelsweiſe anfuͤllete/ ſtellte er ihnen auff dem daran gelegenen mit eitel fruchtbaren Baͤumen bewachſenem Huͤgel einen Auffzug von zwantzig Satyren und ſo viel Schaͤfferin- nen auf; weil Jupitern dieſe geſaͤugt; in einen Satyr aber ſich ſelbſt verwandelt hat. Dieſe bꝛachten die Amaltheiſche Ziege mit veꝛguͤldeten Hoͤrnern/ und Amaranthen-Kraͤntzen als ein beſonder Heiligthum aufgefuͤhret; und bey ih- rem kuͤnſtlichen/ aber geilen Tantze kam dieſe abgerichtete Saͤuge-Ziege des Jupiters allezeit mitten im Kreiße zu ſtehen. Hierzu wurden alle Buhler-Geſchichte des Jupiters geſungen/ und zuletzt alle Thiere in Reyen bracht; in wel- che ſich der verliebte Jupiter iemahls verſtellt haben ſoll. Dieſe Kurtzweilen waren der An- fang/ wordurch man der keuſchen Asblaſte die Roͤmiſchen Uppigkeiten angewehnen wolte. Folgenden Tag verruͤckten ſie auf das Vor- werg des Merrur. Mecenas richtete in ei- nem Luſt-Garten auf einer Buͤhne/ welche mit denen koſtbarſten Perſiſchen Tapezereyen/ und kuͤnſtlichſten Mahlwercken bekleidet; in dieſem aber die Verſpritzung der aus der Juno Bruͤ- ſten geſogenen Milch/ die Einſchlaͤffung des Argos und alle andere Thaten des Mercur ge- webt oder gebildet waren/ eine koſtbare Mahl- zeit aus. Ja weil dem Mercur nebſt Milch und Honig die Zungen gewiedmet ſind/ gab er in der erſten Tracht vier und zwantzig Schuͤſ- ſeln voller Zungen; von allerhand Thieren und Fiſchen. Am hoͤchſten aber wurde ge- ſchaͤtzt eine in der Mitte ſtehende guͤldene Schuͤſſel/ welche mit Phoͤnicopter/ Papegoy- en-Zungen ſo hoch angefuͤllt war: daß ſie eine Spitz-Seule machten. Nach dem Mahl ließ er/ als ein Erfinder der Fecht-Schulen/ aller- hand Streit- und Kampff-Ubungen ſehen; in welchen fuͤrnehmlich der ſieghaffte Streit des Mercur mit zwoͤlff Liebes-Goͤttern/ und wie er ſich wegen Penelopens in einen Bock ver- wandelte/ fuͤr geſtellet ward. Welch letztes Getichte ihr die Fuͤrſtin Asblaſte artlich gegen Livien nuͤtze machte; in dem ſie ihr bey Einlo- bung’ fuͤrgeſtellter Geilheiten einhielt: Weil die Goͤtter/ wenn ſie ſich durch Wolluͤſte ver- leiten lieſſen/ in Boͤcke verwandelt wuͤrden; waͤre kein Unthier ſo heßlich; das einem un- zuͤchtigen Menſchen gleichte. Ja ſie ſtellte es auch ſo kluͤglich an: daß unter dem Getuͤm- mel der Fechtenden ein Deutſcher dem auf den Schau-Platz vorher/ und hernach zu der Goͤt- ter Taffel gefuͤhrtem Bocke dieſe in Rinde ge- grabene Reymen anhieng: Die einem Milch zutrinckt/ und nichts als Blut gewehrt/ Die/ den ſie lachet an/ verwundet und verzehrt/ Die uns mit Zucker lockt/ mit guͤldnen Koͤrnern ſtreut/ Und dem/ der kommt/ von Stahl Hals-Eiſen leget an/ Die Datteln kehrt in Gifft/ das Seelen toͤdten kan/ Diß iſt der Baſilisk’ und Bock/ die Uppigkeit. Unter-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1196[1198]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1262>, abgerufen am 23.11.2024.