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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] sere Gesetze halten das einmahl gethane Ster-
bens-Gelübde eines Kindes vor seine Eltern
für unwiederrufflich/ und es hat kein sterblicher
Mensch die Gewalt/ es so denn aus den uner-
bittlichen Armen des Todes zu reißen/ oder es
von Erfüllung des Gelübdes zu entbinden.
Welche Ariadne würde uns nun aus diesem
gefährlichen Jrrgarten führen/ welch Oedi-
pus uns diß Rätzel aufflösen? wenn die göttliche
Weißheit durch so seltzame Zufälle unsern im
finstern nur tappenden Verstand nicht erleuch-
tete; Wenn sage ich/ die so empfindliche Bestür-
tzung dieses Hertzogs uns nicht die Fenster sei-
nes Hertzens eröffnete/ und wir so wohl darin-
nen/ als in der sterbenden Seele der unvergleich-
lichen Thußnelde das Feuer einer reinen Liebe
lichterlohe hätten heraus schlagen sehen. Lä-
stert nun mehr das Verhängnüß ihr irrdischen
Gottes-Verächter/ daß es sich weder um un-
sern Ursprung/ noch um unser Ableben/ noch
um einigen Menschen bekümmere. Fället
mehr frühzeitiges Urthel: daß die Frommen
selten Seide spinneten/ die Boßhafften aber
meist auff Rosen gingen. Lernet aber ihr An-
dächtigen/ daß alle Begebenheiten an einer rich-
tigen Schnur der göttlichen Leitung hängen;
daß alles/ was uns begegnen soll/ schon vom An-
fange her/ zwar nicht in den Stern-Ziffern/ aber
wohl in der Hand des Verhängnüsses auffge-
zeichnet sey; Daß die göttliche Barmhertzigkeit
unter den bittern Schalen eines scheinbaren E-
lendes den süßesten Kern unserer Wohlfarth
verberge; und meist der garstigste Nebel ge-
fährlichster Zufälle sich in einen erfreulichen
Sonnenschein verkläre. Wisset demnach/ daß
unsere gütige Gottheit der gewaltigen Liebe al-
leine enthangen habe/ den Knoten solcher Ge-
lübde auffzulösen/ und die Riegel der Opffer-
schrancken zu zerbrechen/ wenn mit der Verlob-
ten iemand sich in ein den Göttern angeneh-
mers Ehverlöbniß einläst. Jst nun nicht sich
höchst zu wundern/ wie unsere traurige Cy-
[Spaltenumbruch] pressen sich über aller Anwesenden Einbildung
in annehmliche Myrrhen verwandeln? Wie
unser glücklicher Feldherr in einem Tage mit
Lorbern und Rosen bekräntzt wird? Stehe auf
Segesthes/ aus dem Schatten des Todes/ aus
den Fesseln des Unglücks/ und erfreue dich über
die Vertilgung deiner begangenen Fehler/ er-
kenne dein und deines Hauses Glücke in Besitz-
thum der unvergleichlichen Thußnelde/ und in
Verbindung des grossen Herrmanns. Beglück-
selige mit dem Ubermasse deiner Vergnü-
gung unsern unsterblichen Feldherrn/ durch
Versprechung deiner holdseligen Tochter/ und
unserer neuen Schutzgöttin. Verknüpffe durch
diese Heyrath die Hertzen der großmüthigen
Cherusker/ und der tapffern Casuarier. Jhr
aber/ O ihr überaus glückseligen Verliebten/
warum verziehet ihr nach so fester Verknüpf-
fung eurer tugendhafften Seelen nunmehro
durch inbrünstige Umarmung auch die Leiber zu
vereinbarn? Wunderschöne Thußnelde/ opffe-
re numehr deine zarte Seele über den Flammen
der unbefleckten Liebe deinem Bräutigam auff/
der die seinige dir fürlängst gewidmet hat/ und
nach dem du deinen Vater durch die Liebe aus
dem Rachen des Verderbens gerissen/ so mache
auch diesen unschätzbaren Helden von den Stri-
cken aller Furcht loß/ und lasse den/ der auff den
Grund deiner Tugend geanckert/ mit seiner
Hoffnung numehro in Hafen der Vergnügung
mit vollem Segel einlauffen.

Diese wunderliche Ebentheuer kamen allen
Anwesenden nicht anders als ein Traum für;
iedoch bezeugten sie mit Geberden und Jauch-
zen ihre daraus geschöpffte Freude. Segesthens
Ohnmacht verwandelte sich in eine Schwer-
muth. Denn die Vergnügung/ welche er über
Erhaltung seines Lebens empfand/ war nicht
mächtig genug/ die wider den Cheruskischen
Hertzog eingewurtzelte Gramschafft so ge-
schwinde abzulegen/ oder auch nur zu verde-
cken; Vielmehr wuchs sie in Segesthens Her-

tzen

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſere Geſetze halten das einmahl gethane Ster-
bens-Geluͤbde eines Kindes vor ſeine Eltern
fuͤr unwiederrufflich/ und es hat kein ſterblicher
Menſch die Gewalt/ es ſo denn aus den uner-
bittlichen Armen des Todes zu reißen/ oder es
von Erfuͤllung des Geluͤbdes zu entbinden.
Welche Ariadne wuͤrde uns nun aus dieſem
gefaͤhrlichen Jrrgarten fuͤhren/ welch Oedi-
pus uns diß Raͤtzel auffloͤſen? wenn die goͤttliche
Weißheit durch ſo ſeltzame Zufaͤlle unſern im
finſtern nur tappenden Verſtand nicht erleuch-
tete; Wenn ſage ich/ die ſo empfindliche Beſtuͤr-
tzung dieſes Hertzogs uns nicht die Fenſter ſei-
nes Hertzens eroͤffnete/ und wir ſo wohl darin-
nen/ als in der ſterbenden Seele der unvergleich-
lichen Thußnelde das Feuer einer reinen Liebe
lichterlohe haͤtten heraus ſchlagen ſehen. Laͤ-
ſtert nun mehr das Verhaͤngnuͤß ihr irrdiſchen
Gottes-Veraͤchter/ daß es ſich weder um un-
ſern Urſprung/ noch um unſer Ableben/ noch
um einigen Menſchen bekuͤmmere. Faͤllet
mehr fruͤhzeitiges Urthel: daß die Frommen
ſelten Seide ſpinneten/ die Boßhafften aber
meiſt auff Roſen gingen. Lernet aber ihr An-
daͤchtigen/ daß alle Begebenheiten an einer rich-
tigen Schnur der goͤttlichen Leitung haͤngen;
daß alles/ was uns begegnen ſoll/ ſchon vom An-
fange her/ zwar nicht in den Stern-Ziffern/ aber
wohl in der Hand des Verhaͤngnuͤſſes auffge-
zeichnet ſey; Daß die goͤttliche Barmhertzigkeit
unter den bittern Schalen eines ſcheinbaren E-
lendes den ſuͤßeſten Kern unſerer Wohlfarth
verberge; und meiſt der garſtigſte Nebel ge-
faͤhrlichſter Zufaͤlle ſich in einen erfreulichen
Sonnenſchein verklaͤre. Wiſſet demnach/ daß
unſere guͤtige Gottheit der gewaltigen Liebe al-
leine enthangen habe/ den Knoten ſolcher Ge-
luͤbde auffzuloͤſen/ und die Riegel der Opffer-
ſchrancken zu zerbrechen/ wenn mit der Verlob-
ten iemand ſich in ein den Goͤttern angeneh-
mers Ehverloͤbniß einlaͤſt. Jſt nun nicht ſich
hoͤchſt zu wundern/ wie unſere traurige Cy-
[Spaltenumbruch] preſſen ſich uͤber aller Anweſenden Einbildung
in annehmliche Myrrhen verwandeln? Wie
unſer gluͤcklicher Feldherr in einem Tage mit
Lorbern und Roſen bekraͤntzt wird? Stehe auf
Segeſthes/ aus dem Schatten des Todes/ aus
den Feſſeln des Ungluͤcks/ und erfreue dich uͤber
die Vertilgung deiner begangenen Fehler/ er-
kenne dein und deines Hauſes Gluͤcke in Beſitz-
thum der unvergleichlichen Thußnelde/ und in
Verbindung des groſſen Herrmanns. Begluͤck-
ſelige mit dem Ubermaſſe deiner Vergnuͤ-
gung unſern unſterblichen Feldherrn/ durch
Verſprechung deiner holdſeligen Tochter/ und
unſerer neuen Schutzgoͤttin. Verknuͤpffe durch
dieſe Heyrath die Hertzen der großmuͤthigen
Cheruſker/ und der tapffern Caſuarier. Jhr
aber/ O ihr uͤberaus gluͤckſeligen Verliebten/
warum verziehet ihr nach ſo feſter Verknuͤpf-
fung eurer tugendhafften Seelen nunmehro
durch inbruͤnſtige Umarmung auch die Leiber zu
vereinbarn? Wunderſchoͤne Thußnelde/ opffe-
re numehr deine zarte Seele uͤber den Flammen
der unbefleckten Liebe deinem Braͤutigam auff/
der die ſeinige dir fuͤrlaͤngſt gewidmet hat/ und
nach dem du deinen Vater durch die Liebe aus
dem Rachen des Verderbens geriſſen/ ſo mache
auch dieſen unſchaͤtzbaren Helden von den Stri-
cken aller Furcht loß/ und laſſe den/ der auff den
Grund deiner Tugend geanckert/ mit ſeiner
Hoffnung numehro in Hafen der Vergnuͤgung
mit vollem Segel einlauffen.

Dieſe wunderliche Ebentheuer kamen allen
Anweſenden nicht anders als ein Traum fuͤr;
iedoch bezeugten ſie mit Geberden und Jauch-
zen ihre daraus geſchoͤpffte Freude. Segeſthens
Ohnmacht verwandelte ſich in eine Schwer-
muth. Denn die Vergnuͤgung/ welche er uͤber
Erhaltung ſeines Lebens empfand/ war nicht
maͤchtig genug/ die wider den Cheruſkiſchen
Hertzog eingewurtzelte Gramſchafft ſo ge-
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cken; Vielmehr wuchs ſie in Segeſthens Her-

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[79/0127] Arminius und Thußnelda. ſere Geſetze halten das einmahl gethane Ster- bens-Geluͤbde eines Kindes vor ſeine Eltern fuͤr unwiederrufflich/ und es hat kein ſterblicher Menſch die Gewalt/ es ſo denn aus den uner- bittlichen Armen des Todes zu reißen/ oder es von Erfuͤllung des Geluͤbdes zu entbinden. Welche Ariadne wuͤrde uns nun aus dieſem gefaͤhrlichen Jrrgarten fuͤhren/ welch Oedi- pus uns diß Raͤtzel auffloͤſen? wenn die goͤttliche Weißheit durch ſo ſeltzame Zufaͤlle unſern im finſtern nur tappenden Verſtand nicht erleuch- tete; Wenn ſage ich/ die ſo empfindliche Beſtuͤr- tzung dieſes Hertzogs uns nicht die Fenſter ſei- nes Hertzens eroͤffnete/ und wir ſo wohl darin- nen/ als in der ſterbenden Seele der unvergleich- lichen Thußnelde das Feuer einer reinen Liebe lichterlohe haͤtten heraus ſchlagen ſehen. Laͤ- ſtert nun mehr das Verhaͤngnuͤß ihr irrdiſchen Gottes-Veraͤchter/ daß es ſich weder um un- ſern Urſprung/ noch um unſer Ableben/ noch um einigen Menſchen bekuͤmmere. Faͤllet mehr fruͤhzeitiges Urthel: daß die Frommen ſelten Seide ſpinneten/ die Boßhafften aber meiſt auff Roſen gingen. Lernet aber ihr An- daͤchtigen/ daß alle Begebenheiten an einer rich- tigen Schnur der goͤttlichen Leitung haͤngen; daß alles/ was uns begegnen ſoll/ ſchon vom An- fange her/ zwar nicht in den Stern-Ziffern/ aber wohl in der Hand des Verhaͤngnuͤſſes auffge- zeichnet ſey; Daß die goͤttliche Barmhertzigkeit unter den bittern Schalen eines ſcheinbaren E- lendes den ſuͤßeſten Kern unſerer Wohlfarth verberge; und meiſt der garſtigſte Nebel ge- faͤhrlichſter Zufaͤlle ſich in einen erfreulichen Sonnenſchein verklaͤre. Wiſſet demnach/ daß unſere guͤtige Gottheit der gewaltigen Liebe al- leine enthangen habe/ den Knoten ſolcher Ge- luͤbde auffzuloͤſen/ und die Riegel der Opffer- ſchrancken zu zerbrechen/ wenn mit der Verlob- ten iemand ſich in ein den Goͤttern angeneh- mers Ehverloͤbniß einlaͤſt. Jſt nun nicht ſich hoͤchſt zu wundern/ wie unſere traurige Cy- preſſen ſich uͤber aller Anweſenden Einbildung in annehmliche Myrrhen verwandeln? Wie unſer gluͤcklicher Feldherr in einem Tage mit Lorbern und Roſen bekraͤntzt wird? Stehe auf Segeſthes/ aus dem Schatten des Todes/ aus den Feſſeln des Ungluͤcks/ und erfreue dich uͤber die Vertilgung deiner begangenen Fehler/ er- kenne dein und deines Hauſes Gluͤcke in Beſitz- thum der unvergleichlichen Thußnelde/ und in Verbindung des groſſen Herrmanns. Begluͤck- ſelige mit dem Ubermaſſe deiner Vergnuͤ- gung unſern unſterblichen Feldherrn/ durch Verſprechung deiner holdſeligen Tochter/ und unſerer neuen Schutzgoͤttin. Verknuͤpffe durch dieſe Heyrath die Hertzen der großmuͤthigen Cheruſker/ und der tapffern Caſuarier. Jhr aber/ O ihr uͤberaus gluͤckſeligen Verliebten/ warum verziehet ihr nach ſo feſter Verknuͤpf- fung eurer tugendhafften Seelen nunmehro durch inbruͤnſtige Umarmung auch die Leiber zu vereinbarn? Wunderſchoͤne Thußnelde/ opffe- re numehr deine zarte Seele uͤber den Flammen der unbefleckten Liebe deinem Braͤutigam auff/ der die ſeinige dir fuͤrlaͤngſt gewidmet hat/ und nach dem du deinen Vater durch die Liebe aus dem Rachen des Verderbens geriſſen/ ſo mache auch dieſen unſchaͤtzbaren Helden von den Stri- cken aller Furcht loß/ und laſſe den/ der auff den Grund deiner Tugend geanckert/ mit ſeiner Hoffnung numehro in Hafen der Vergnuͤgung mit vollem Segel einlauffen. Dieſe wunderliche Ebentheuer kamen allen Anweſenden nicht anders als ein Traum fuͤr; iedoch bezeugten ſie mit Geberden und Jauch- zen ihre daraus geſchoͤpffte Freude. Segeſthens Ohnmacht verwandelte ſich in eine Schwer- muth. Denn die Vergnuͤgung/ welche er uͤber Erhaltung ſeines Lebens empfand/ war nicht maͤchtig genug/ die wider den Cheruſkiſchen Hertzog eingewurtzelte Gramſchafft ſo ge- ſchwinde abzulegen/ oder auch nur zu verde- cken; Vielmehr wuchs ſie in Segeſthens Her- tzen

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/127>, abgerufen am 25.11.2024.