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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Achtes Buch
[Spaltenumbruch] Julius erbauten Rathhause aufsetzen ließ; Fürst
Herrmann zu Augusten anfieng: Er wüste ei-
nen viel herrlichern Ort/ wo die Bilder der
Eintracht und des Friedens stehen solten. Als
nun der Kayser fragte: wo denn? Antwortete
Herrmann: das erste auf dem Vogesischen
Gebürge/ das andere auf dem Blocksberge;
und selten das erste die zur Zwietracht so ge-
neigten Catten/ das andere aber die ohne Ursa-
che wieder die Cherusker streitenden Römer da-
selbst auffthürmen. Augusten gefiel diese frey-
müthige Erinnerung so wohl: daß er dem Für-
sten Herrmann nicht allein erlaubte an seinen
Vater den Hertzog Segimer zu schreiben/ und
des Kaysers Neigung zum Frieden zu berich-
ten; sondern er befahl auch dem Drusus mit
den Deutschen/ insonderheit denen Cherus-
kern einen billichen Vergleich zu treffen. Aber
der Ehrgeitz des Drusus und die Verachtung
seines Feindes schlug des Kaysers Befehl in
den Wind; welche Thorheit aber er mit Ver-
lust des Römischen Kriegs-Heeres und seines
Lebens büßen muste. Unterdessen bemeisterte
Fürst Herrmann mit seiner Gestalt und An-
muth die Gemüther zu Rom; darunter auch
der edelsten Frauen; also: daß nach dem Livia
dem Tiberius zu Ehren wegen besiegter Dal-
mater dem Römischen Frauen-Zimmer ein
köstlich Mahl ausrichtete/ und sie mit der we-
gen des Kaysers Liebe hochmüthigen Terentia
in einen Wort-Streit verfiel; welche unter
ihnen die schönste wäre; erkieseten sie ihn/ als
in ihren Augen den Schönsten hierüber zum
Richter. Wiewol nun der verschmitzte Fürst
Herrmann sich dieses Urthels durchaus nicht
unterfangen wolte; nebst andren höflichen
Entschuldigungen vorschützende: daß der Hoch-
muth über Götter Recht zu sprechen iederzeit
mit dem tode des Richters wäre abgebüsset
worden; so lagen ihm doch Livia und Teren-
tia/ ja das gantze anwesende Frauen Zimmer
auffs beweglichste um seinen Ausspruch an;
[Spaltenumbruch] ihn versichernde: daß wie ihr Zwist ohne diß
mehr eine Kurtzweil/ als ein ernsthaffter Streit
wäre; die geringste Empfindligkeit ihm dar-
aus erwachsen könte; wei sie sich selbst wol be-
scheideten: daß in Urtheilung über die Gestalt
man ins gemein die Meinungen nach der An-
zahl der richter zehlte/ und die/ welche gleich
unter ihnen das Recht verliere/ an ihrem An-
sehen schlechten Verlust leiden würde. Sin-
temahl der Purper nichts minder dem Maah/
als der Rose gemein; die Schönheit auch eine
Blume wäre; welche zuweilen übel rüche/ und
aus einem schlechten Erd - Reiche wüchse; ja
wenn sie auch einen untadelhafften Grund hätte;
dennoch nur für die Rinde/ die Tugend aber
alleine für die rechte Frucht eines Baumes zu
achten wäre. Dannenher man offtmahls für
einer übermäßigen Schönheit/ wie für einem
andere Gestirne wegstechenden Schwantz-
Sterne mehr zu erschrecken/ als sich in selbte
zu verlieben hätte. Fürst Herrmann/ als er
die Unmögligkeit sahe sich loß zu würcken; bat
mit tieffer Ehrerbietung: Sie möchten sei-
nen Gehorsam für keinen Vorwitz/ seinen
Fehler für kein vorsetzlich Verbrechen ausdeu-
ten; ihn aber vor keinen solchen Richter anneh-
men; von dessen Urthel man sich nicht an einen
höhern ziehen könte. Hierauff fieng er an:
Terentia hätte den schönsten Mund; Livia
die vollkommensten Brüste. Alles Frauen-
Zimmer konte hierüber sich des Lachens nicht
enthalten; und die Geurtheilten nahmen sei-
nen Ausspruch für eine Vorrückung ihrer Feh-
ler auf; weil der Augenschein das unstrittige
Gegenspiel wieß; indem an Terentiens
Schönheit niemand nichts; als daß sie einen
zu weiten Mund; und an Livien: daß sie zu
schlaffe Brüste hätte/ ausstellte. Wie ihn nun
deßwegen Terentia rechtfertigte; versetzte
Fürst Herrmann: Es wäre kein Richter zwar
die Ursachen seines Ausspruchs zu eröffnen
schuldig; er scheute sich aber nicht seine Mei-

nung

Achtes Buch
[Spaltenumbruch] Julius erbauten Rathhauſe aufſetzen ließ; Fuͤrſt
Herrmann zu Auguſten anfieng: Er wuͤſte ei-
nen viel herrlichern Ort/ wo die Bilder der
Eintracht und des Friedens ſtehen ſolten. Als
nun der Kayſer fragte: wo denn? Antwortete
Herrmann: das erſte auf dem Vogeſiſchen
Gebuͤrge/ das andere auf dem Blocksberge;
und ſelten das erſte die zur Zwietracht ſo ge-
neigten Catten/ das andere aber die ohne Urſa-
che wieder die Cherusker ſtreitenden Roͤmer da-
ſelbſt auffthuͤrmen. Auguſten gefiel dieſe frey-
muͤthige Erinnerung ſo wohl: daß er dem Fuͤr-
ſten Herrmann nicht allein erlaubte an ſeinen
Vater den Hertzog Segimer zu ſchreiben/ und
des Kayſers Neigung zum Frieden zu berich-
ten; ſondern er befahl auch dem Druſus mit
den Deutſchen/ inſonderheit denen Cherus-
kern einen billichen Vergleich zu treffen. Aber
der Ehrgeitz des Druſus und die Verachtung
ſeines Feindes ſchlug des Kayſers Befehl in
den Wind; welche Thorheit aber er mit Ver-
luſt des Roͤmiſchen Kriegs-Heeres und ſeines
Lebens buͤßen muſte. Unterdeſſen bemeiſterte
Fuͤrſt Herrmann mit ſeiner Geſtalt und An-
muth die Gemuͤther zu Rom; darunter auch
der edelſten Frauen; alſo: daß nach dem Livia
dem Tiberius zu Ehren wegen beſiegter Dal-
mater dem Roͤmiſchen Frauen-Zimmer ein
koͤſtlich Mahl ausrichtete/ und ſie mit der we-
gen des Kayſers Liebe hochmuͤthigen Terentia
in einen Wort-Streit verfiel; welche unter
ihnen die ſchoͤnſte waͤre; erkieſeten ſie ihn/ als
in ihren Augen den Schoͤnſten hieruͤber zum
Richter. Wiewol nun der verſchmitzte Fuͤrſt
Herrmann ſich dieſes Urthels durchaus nicht
unterfangen wolte; nebſt andren hoͤflichen
Entſchuldigungen vorſchuͤtzende: daß der Hoch-
muth uͤber Goͤtter Recht zu ſprechen iederzeit
mit dem tode des Richters waͤre abgebuͤſſet
worden; ſo lagen ihm doch Livia und Teren-
tia/ ja das gantze anweſende Frauen Zimmer
auffs beweglichſte um ſeinen Ausſpruch an;
[Spaltenumbruch] ihn verſichernde: daß wie ihr Zwiſt ohne diß
mehr eine Kurtzweil/ als ein ernſthaffter Streit
waͤre; die geringſte Empfindligkeit ihm dar-
aus erwachſen koͤnte; wei ſie ſich ſelbſt wol be-
ſcheideten: daß in Urtheilung uͤber die Geſtalt
man ins gemein die Meinungen nach der An-
zahl der richter zehlte/ und die/ welche gleich
unter ihnen das Recht verliere/ an ihrem An-
ſehen ſchlechten Verluſt leiden wuͤrde. Sin-
temahl der Purper nichts minder dem Maah/
als der Roſe gemein; die Schoͤnheit auch eine
Blume waͤre; welche zuweilen uͤbel ruͤche/ und
aus einem ſchlechten Erd - Reiche wuͤchſe; ja
weñ ſie auch einen untadelhafften Grund haͤtte;
dennoch nur fuͤr die Rinde/ die Tugend aber
alleine fuͤr die rechte Frucht eines Baumes zu
achten waͤre. Dannenher man offtmahls fuͤr
einer uͤbermaͤßigen Schoͤnheit/ wie fuͤr einem
andere Geſtirne wegſtechenden Schwantz-
Sterne mehr zu erſchrecken/ als ſich in ſelbte
zu verlieben haͤtte. Fuͤrſt Herrmann/ als er
die Unmoͤgligkeit ſahe ſich loß zu wuͤrcken; bat
mit tieffer Ehrerbietung: Sie moͤchten ſei-
nen Gehorſam fuͤr keinen Vorwitz/ ſeinen
Fehler fuͤr kein vorſetzlich Verbrechen ausdeu-
ten; ihn aber vor keinen ſolchen Richter anneh-
men; von deſſen Urthel man ſich nicht an einen
hoͤhern ziehen koͤnte. Hierauff fieng er an:
Terentia haͤtte den ſchoͤnſten Mund; Livia
die vollkommenſten Bruͤſte. Alles Frauen-
Zimmer konte hieruͤber ſich des Lachens nicht
enthalten; und die Geurtheilten nahmen ſei-
nen Ausſpruch fuͤr eine Vorruͤckung ihrer Feh-
ler auf; weil der Augenſchein das unſtrittige
Gegenſpiel wieß; indem an Terentiens
Schoͤnheit niemand nichts; als daß ſie einen
zu weiten Mund; und an Livien: daß ſie zu
ſchlaffe Bruͤſte haͤtte/ ausſtellte. Wie ihn nun
deßwegen Terentia rechtfertigte; verſetzte
Fuͤrſt Herrmann: Es waͤre kein Richter zwar
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ſchuldig; er ſcheute ſich aber nicht ſeine Mei-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1212[1214]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1278>, abgerufen am 23.11.2024.