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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] in Deutschland geführter Kriege nicht als Ge-
fangene mit eingeführet wurden; sondern mit
dem Kayser den Tag vorher in Begleitung des
jungen Agrippa und des Germanicus zu Rom
einzogen. Nach dem auch Drusus kurtz hierauff
an statt des Stadtvogts des Kaysers Geburts-
Tag in der Stadt Rom mit allerhand Schau-
Spielen und Jagten feyerte; der Kayser aber
darbey das Unglück hatte: daß ihm an einem
hauenden Schweine das Eisen brach/ der neben
ihm stehende Ausgeber Diomedes auch aus
Furcht hinter den Kayser sprang; war der jun-
ge und zarte Flavius so behertzt: daß er mit sei-
nem kleinen Eisen denn schaumenden Hauer be-
gegnete/ und dem in Gefahr stehenden Kayser so
lange Lufft machte/ biß zwey Britannische To-
cken diß wilde Thier anfasten/ und August ihm
ein ander Eisen durchs Hertze trieb. Wordurch
Flavius die vorige Gnade des Kaysers nicht
allein befestigte/ und dem zaghafften Diomedes
das Leben erbat/ sondern diese zwey Fürsten
erwarben durch ihre Ehrerbietung Liviens;
durch ihre lebhaffte Freundligkeit aller edlen
Römer Gewogenheit. Der Kayser ließ sie auch
in der Gesellschafft des jungen Agrippa und
Germanicus so wol in der Grichischen Spra-
che und der Welt-Weißheit/ als in allen Rit-
ter-Spielen und Kriegs-Ubungen fleißig un-
terweisen; wiewol beyde junge deutsche Für-
sten/ fürnemlich Herrmann in denen erstern ei-
nen guten Grund in Deutschland gelegt hatten;
in denen letztern aber schon den Meister spielte;
und es im Ringen/ Rennen/ Fechten/ Schüs-
sen/ Spießwerffen den meisten jungen Rö-
mern zuvor that/ also: daß der auf die Schen-
ckel schwache Germanicus/ welchen die Römer
gleichsam für ein Wunderwerck zeigten; nicht
nur an Schönheit/ Geschickligkeit und Kräff-
ten des Leibes ihm ohne Wiederrede nachgeben
muste; sondern in der Beredsamkeit/ in Ferti-
gung Grichischer Getichte und denen Ritter-
Spielen mit ihm eifferte; beyde also zu Erlan-
[Spaltenumbruch] gung der Vollkommenheit gegen einander an-
geflammet wurden. Jm Schwimmen that
es dem Fürsten Herrmann und Flavius kein
Mensch in Rom gleich. Denn sie schwammen
zu aller Verwunderung in voller Rüstung ü-
ber die Tiber; beglaubigten also die Getichte
des schwimmenden Cocles/ daran die Römer
biß auff selbigen Tag selbst gezweiffelt hatten;
und verursachten: daß der Vorsteher der Stadt
Rom Mecenas zur Ubung des Römischen A-
dels eine grosse mit Marmel umsetzte Schwem-
me mit vielen Unkosten erbaute/ welche aus ei-
tel warmen Brunnen angelassen ward. Wor-
durch der sonst zwar wegen Stärcke des Leibes
wilde/ aber träge/ tollkühne und keiner guten
Künste erfahrne Agrippa gleichwohl einen
Trieb bekam sich derogestalt auffs Schwim-
men zu legen: daß er sich meist auff den See-
Küsten auffhielt/ und den Nahmen des Neptun
an sich nahm. So sehr sich nun Agrippa mit
seinen knechtischen Sitten beym Kayser ver-
hast machte; und den Glantz seines Vaters
verdüsterte; also von ihm wahrhafft zu sagen
war: der alte Agrippa sey aus Staube ein
Stern/ der junge aus einem Stern Staub
worden; so beliebt ward von Tage zu Tage
mehr und mehr Fürst Herrmann; also: daß der
Kayser ihn fast täglich um sich hatte/ ihn ausser-
halb der Stadt Rom in den Lust-Häusern bey
seiner Taffel speisen ließ; ihm nicht allein ein
Wort frey zu reden enthieng/ sondern auch auf
seine Vorbitte viel Römer und Ausländer ihres
Wunsches gewehrte. Daher als August den
Drusus wieder in Deutschland schickte/ ja er
auch selbst/ um dem deutschen Kriege desto nä-
her zu seyn/ sich in das Lugdunische Gallien zu
reisen fertig machte/ und er aus den ihm vom
Rathe und Volcke zu Rom zu Giessung seiner
Bilder geschenckte Gold und Silber/ des ge-
meinen Heils der Eintracht und des Friedens
Seulen fertigen/ und diese nebst das Siegs-
Bild auff dem zum Gedächtnüße des Kaysers

Julius
O o o o o o o 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] in Deutſchland gefuͤhrter Kriege nicht als Ge-
fangene mit eingefuͤhret wurden; ſondern mit
dem Kayſer den Tag vorher in Begleitung des
jungen Agrippa und des Germanicus zu Rom
einzogen. Nach dem auch Druſus kurtz hierauff
an ſtatt des Stadtvogts des Kayſers Geburts-
Tag in der Stadt Rom mit allerhand Schau-
Spielen und Jagten feyerte; der Kayſer aber
darbey das Ungluͤck hatte: daß ihm an einem
hauenden Schweine das Eiſen brach/ der neben
ihm ſtehende Ausgeber Diomedes auch aus
Furcht hinter den Kayſer ſprang; war der jun-
ge und zarte Flavius ſo behertzt: daß er mit ſei-
nem kleinen Eiſen deñ ſchaumenden Hauer be-
gegnete/ und dem in Gefahr ſtehenden Kayſer ſo
lange Lufft machte/ biß zwey Britanniſche To-
cken diß wilde Thier anfaſten/ und Auguſt ihm
ein ander Eiſen durchs Hertze trieb. Wordurch
Flavius die vorige Gnade des Kayſers nicht
allein befeſtigte/ und dem zaghafften Diomedes
das Leben erbat/ ſondern dieſe zwey Fuͤrſten
erwarben durch ihre Ehrerbietung Liviens;
durch ihre lebhaffte Freundligkeit aller edlen
Roͤmer Gewogenheit. Der Kayſer ließ ſie auch
in der Geſellſchafft des jungen Agrippa und
Germanicus ſo wol in der Grichiſchen Spra-
che und der Welt-Weißheit/ als in allen Rit-
ter-Spielen und Kriegs-Ubungen fleißig un-
terweiſen; wiewol beyde junge deutſche Fuͤr-
ſten/ fuͤrnemlich Herrmann in denen erſtern ei-
nen guten Grund in Deutſchland gelegt hatten;
in denen letztern aber ſchon den Meiſter ſpielte;
und es im Ringen/ Rennen/ Fechten/ Schuͤſ-
ſen/ Spießwerffen den meiſten jungen Roͤ-
mern zuvor that/ alſo: daß der auf die Schen-
ckel ſchwache Germanicus/ welchen die Roͤmer
gleichſam fuͤr ein Wunderwerck zeigten; nicht
nur an Schoͤnheit/ Geſchickligkeit und Kraͤff-
ten des Leibes ihm ohne Wiederrede nachgeben
muſte; ſondern in der Beredſamkeit/ in Ferti-
gung Grichiſcher Getichte und denen Ritter-
Spielen mit ihm eifferte; beyde alſo zu Erlan-
[Spaltenumbruch] gung der Vollkommenheit gegen einander an-
geflammet wurden. Jm Schwimmen that
es dem Fuͤrſten Herrmann und Flavius kein
Menſch in Rom gleich. Denn ſie ſchwammen
zu aller Verwunderung in voller Ruͤſtung uͤ-
ber die Tiber; beglaubigten alſo die Getichte
des ſchwimmenden Cocles/ daran die Roͤmer
biß auff ſelbigen Tag ſelbſt gezweiffelt hatten;
und verurſachten: daß der Vorſteher der Stadt
Rom Mecenas zur Ubung des Roͤmiſchen A-
dels eine groſſe mit Marmel umſetzte Schwem-
me mit vielen Unkoſten erbaute/ welche aus ei-
tel warmen Brunnen angelaſſen ward. Wor-
durch der ſonſt zwar wegen Staͤrcke des Leibes
wilde/ aber traͤge/ tollkuͤhne und keiner guten
Kuͤnſte erfahrne Agrippa gleichwohl einen
Trieb bekam ſich derogeſtalt auffs Schwim-
men zu legen: daß er ſich meiſt auff den See-
Kuͤſten auffhielt/ und den Nahmen des Neptun
an ſich nahm. So ſehr ſich nun Agrippa mit
ſeinen knechtiſchen Sitten beym Kayſer ver-
haſt machte; und den Glantz ſeines Vaters
verduͤſterte; alſo von ihm wahrhafft zu ſagen
war: der alte Agrippa ſey aus Staube ein
Stern/ der junge aus einem Stern Staub
worden; ſo beliebt ward von Tage zu Tage
mehr und mehr Fuͤrſt Herrmann; alſo: daß der
Kayſer ihn faſt taͤglich um ſich hatte/ ihn auſſer-
halb der Stadt Rom in den Luſt-Haͤuſern bey
ſeiner Taffel ſpeiſen ließ; ihm nicht allein ein
Wort frey zu reden enthieng/ ſondern auch auf
ſeine Vorbitte viel Roͤmer und Auslaͤnder ihres
Wunſches gewehrte. Daher als Auguſt den
Druſus wieder in Deutſchland ſchickte/ ja er
auch ſelbſt/ um dem deutſchen Kriege deſto naͤ-
her zu ſeyn/ ſich in das Lugduniſche Gallien zu
reiſen fertig machte/ und er aus den ihm vom
Rathe und Volcke zu Rom zu Gieſſung ſeiner
Bilder geſchenckte Gold und Silber/ des ge-
meinen Heils der Eintracht und des Friedens
Seulen fertigen/ und dieſe nebſt das Siegs-
Bild auff dem zum Gedaͤchtnuͤße des Kayſers

Julius
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[1211[1213]/1277] Arminius und Thußnelda. in Deutſchland gefuͤhrter Kriege nicht als Ge- fangene mit eingefuͤhret wurden; ſondern mit dem Kayſer den Tag vorher in Begleitung des jungen Agrippa und des Germanicus zu Rom einzogen. Nach dem auch Druſus kurtz hierauff an ſtatt des Stadtvogts des Kayſers Geburts- Tag in der Stadt Rom mit allerhand Schau- Spielen und Jagten feyerte; der Kayſer aber darbey das Ungluͤck hatte: daß ihm an einem hauenden Schweine das Eiſen brach/ der neben ihm ſtehende Ausgeber Diomedes auch aus Furcht hinter den Kayſer ſprang; war der jun- ge und zarte Flavius ſo behertzt: daß er mit ſei- nem kleinen Eiſen deñ ſchaumenden Hauer be- gegnete/ und dem in Gefahr ſtehenden Kayſer ſo lange Lufft machte/ biß zwey Britanniſche To- cken diß wilde Thier anfaſten/ und Auguſt ihm ein ander Eiſen durchs Hertze trieb. Wordurch Flavius die vorige Gnade des Kayſers nicht allein befeſtigte/ und dem zaghafften Diomedes das Leben erbat/ ſondern dieſe zwey Fuͤrſten erwarben durch ihre Ehrerbietung Liviens; durch ihre lebhaffte Freundligkeit aller edlen Roͤmer Gewogenheit. Der Kayſer ließ ſie auch in der Geſellſchafft des jungen Agrippa und Germanicus ſo wol in der Grichiſchen Spra- che und der Welt-Weißheit/ als in allen Rit- ter-Spielen und Kriegs-Ubungen fleißig un- terweiſen; wiewol beyde junge deutſche Fuͤr- ſten/ fuͤrnemlich Herrmann in denen erſtern ei- nen guten Grund in Deutſchland gelegt hatten; in denen letztern aber ſchon den Meiſter ſpielte; und es im Ringen/ Rennen/ Fechten/ Schuͤſ- ſen/ Spießwerffen den meiſten jungen Roͤ- mern zuvor that/ alſo: daß der auf die Schen- ckel ſchwache Germanicus/ welchen die Roͤmer gleichſam fuͤr ein Wunderwerck zeigten; nicht nur an Schoͤnheit/ Geſchickligkeit und Kraͤff- ten des Leibes ihm ohne Wiederrede nachgeben muſte; ſondern in der Beredſamkeit/ in Ferti- gung Grichiſcher Getichte und denen Ritter- Spielen mit ihm eifferte; beyde alſo zu Erlan- gung der Vollkommenheit gegen einander an- geflammet wurden. Jm Schwimmen that es dem Fuͤrſten Herrmann und Flavius kein Menſch in Rom gleich. Denn ſie ſchwammen zu aller Verwunderung in voller Ruͤſtung uͤ- ber die Tiber; beglaubigten alſo die Getichte des ſchwimmenden Cocles/ daran die Roͤmer biß auff ſelbigen Tag ſelbſt gezweiffelt hatten; und verurſachten: daß der Vorſteher der Stadt Rom Mecenas zur Ubung des Roͤmiſchen A- dels eine groſſe mit Marmel umſetzte Schwem- me mit vielen Unkoſten erbaute/ welche aus ei- tel warmen Brunnen angelaſſen ward. Wor- durch der ſonſt zwar wegen Staͤrcke des Leibes wilde/ aber traͤge/ tollkuͤhne und keiner guten Kuͤnſte erfahrne Agrippa gleichwohl einen Trieb bekam ſich derogeſtalt auffs Schwim- men zu legen: daß er ſich meiſt auff den See- Kuͤſten auffhielt/ und den Nahmen des Neptun an ſich nahm. So ſehr ſich nun Agrippa mit ſeinen knechtiſchen Sitten beym Kayſer ver- haſt machte; und den Glantz ſeines Vaters verduͤſterte; alſo von ihm wahrhafft zu ſagen war: der alte Agrippa ſey aus Staube ein Stern/ der junge aus einem Stern Staub worden; ſo beliebt ward von Tage zu Tage mehr und mehr Fuͤrſt Herrmann; alſo: daß der Kayſer ihn faſt taͤglich um ſich hatte/ ihn auſſer- halb der Stadt Rom in den Luſt-Haͤuſern bey ſeiner Taffel ſpeiſen ließ; ihm nicht allein ein Wort frey zu reden enthieng/ ſondern auch auf ſeine Vorbitte viel Roͤmer und Auslaͤnder ihres Wunſches gewehrte. Daher als Auguſt den Druſus wieder in Deutſchland ſchickte/ ja er auch ſelbſt/ um dem deutſchen Kriege deſto naͤ- her zu ſeyn/ ſich in das Lugduniſche Gallien zu reiſen fertig machte/ und er aus den ihm vom Rathe und Volcke zu Rom zu Gieſſung ſeiner Bilder geſchenckte Gold und Silber/ des ge- meinen Heils der Eintracht und des Friedens Seulen fertigen/ und dieſe nebſt das Siegs- Bild auff dem zum Gedaͤchtnuͤße des Kayſers Julius O o o o o o o 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1211[1213]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1277>, abgerufen am 23.11.2024.