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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] tern bey gutem Verstande/ gegen ein gewisses
von den gefangenen Römern auffgesetztes Geld
so gar ihre eigene Freyheit auffgesetzt/ und/ unge-
achtet der Verspielende stärcker und vermögen-
der war/ sich in die Knechtschafft des gewinnen-
den Spielers ohne Widerrede gestellet hätten.
Malovend begegnete ihm: Er könte diesen
Mißbrauch seiner Landsleute nicht umstehen.
Alleine wie schwerlich das Thessalische Thal
Tempe/ oder einige Aue der Welt nicht auch ein
giftiges Kraut unter ihren Gewächsen nährte/ so
wäre kein so wol gesittetes Volck unter der Son-
ne/ welches nicht einige Laster unter dem Nahmen
der Sitten hausete. Die Lydier verkaufften die
Jungfrauschafft ihrer Töchter/ ehe sie sie verhey-
ratheten/ die Sarder tödteten ihre veralternde El-
tern/ die Perser entkleideten sich zu ihrer Schwel-
gerey/ gleich als wenn sie eine Schlacht liefern
solten/ ja Eltern und Kinder heyratheten wider
die gleichsam angebohrne Scham und das Ge-
setze der Natur zusammen. Die dem Spiele
ergebenen Deutschen aber machten gleichwohl
aus dem Laster eine Tugend/ nach dem sie in dem
Spielen sonder Zwang einigen Gesetzes so stand-
hafft Treu und Glauben hielten/ und sich lieber
ihrer Freyheit/ als der Wahrheit entäuserten.
Ausser dem würde man die Versäumung nöthi-
ger Geschäffte/ Zwytracht und Gewinnsucht/
als die gemeinsten Mißbräuche des Spieles/ in
Deutschland so gemein nicht als bey andern
Völckern finden. Dahero es mit der Deutschen
Spiele schier wie mit den Pfirschken beschaffen
zu seyn schiene/ welche in Persien giftig/ in den
Nordländern aber eine gute Speise wären.

Malovend würde den Deutschen noch ferner
das Wort geredet haben/ wenn nicht gleich Fürst
Adgandester in das Zimmer getreten wäre/ wel-
cher denen Gefangenen im Nahmen des Feld-
herrn erlaubte/ an dem Hofe ohne geringste Be-
strickung sich auffzuhalten/ wenn sie anders nur
ihr Wort geben/ sich des Orts nicht zu entbre-
chen. Wie nun diese Gnade sie so viel mehr
[Spaltenumbruch] vergnügte/ und gegen den Fürsten Adgande-
ster ihre Verbindligkeit auffs beweglichste aus-
drückte; also wurden ihre Gemüther gegen
dem Feldherrn auffs höchste verknüpfft. Denn
es ist keine grössere Zauberkunst sich beliebt zu
machen/ und andern das Hertz zu stehlen/ als
Wohlthat und Leutseligkeit. Der Feldherr
hatte die deutschen Fürsten/ wenn ieder der
Ruh gepflegt haben würde/ zu einem herrli-
chen Mahl eingeladen/ weil er aber mit ihnen
über ihren Reichs- und Kriegs-Händeln dabey
zu rathschlagen willens war/ den Zeno/ Rheme-
talees/ Marcomir und Malovend absonderlich
zu bedienen angeordnet. Weil nun gleiches
Alter und einerley Glücke auch die fremdesten
Gemüther leicht miteinander verknüpfft/ ge-
riethen diese drey letztern unschwer in eine son-
derbare Vertrauligkeit. Folgenden Tag ver-
anlassete sie der Feldherr selbst ihnen selbige Ta-
ge/ da er theils mit Rathschlägen/ theils mit An-
stalt seines Beylagers beschäfftigt war/ durch
Jagen die Zeit zu vertreiben/ und ihnen allen
Kummer aus den Gedancken zu schlagen/ gab
auch sie zu unterhalten ihnen den Fürsten Mar-
comir zu. Daher nöthigte sie so wohl dieses höff-
liche Anbieten/ als ihr eigener Trieb/ und in-
sonderheit die um das schwartze Meer bräuchli-
che Landes-Art folgenden Tag nach der Mor-
genröthe fürzukommen/ und mit allerhand nö-
thiger Anstalt in das Hertzogliche Gehäge sich zu
dieser den Fürsten gewöhnlichen und wohl an-
ständigen Lust zu verfügen. Sintemal sie den
Leib hierdurch zu allerhand Mühsamkeit abhär-
ten/ in Verfolgung des flüchtigen Wildes ren-
nen/ des Hertzhafften/ fechten/ des Schlauen/ al-
lerhand krummen Räncken und List mit List be-
gegnen/ und die Beschaffenheit eines Landes am
besten kennen lernen. Welche Wissenschafft ei-
nem Fürsten nöthiger als die Kenntniß der Ge-
stirne ist. Denn diese hat den bedrängten Serto-
rius mehrmahls errettet/ wenn seine Feinde ihn
schon in Händen zu haben vermeinet. Die bey

Ver-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] tern bey gutem Verſtande/ gegen ein gewiſſes
von den gefangenen Roͤmern auffgeſetztes Geld
ſo gar ihre eigene Freyheit auffgeſetzt/ und/ unge-
achtet der Verſpielende ſtaͤrcker und vermoͤgen-
der war/ ſich in die Knechtſchafft des gewinnen-
den Spielers ohne Widerrede geſtellet haͤtten.
Malovend begegnete ihm: Er koͤnte dieſen
Mißbrauch ſeiner Landsleute nicht umſtehen.
Alleine wie ſchwerlich das Theſſaliſche Thal
Tempe/ oder einige Aue der Welt nicht auch ein
giftiges Kraut unter ihren Gewaͤchſen naͤhrte/ ſo
waͤre kein ſo wol geſittetes Volck unter der Son-
ne/ welches nicht einige Laſter unter dem Nahmẽ
der Sitten hauſete. Die Lydier verkaufften die
Jungfrauſchafft ihrer Toͤchter/ ehe ſie ſie verhey-
ratheten/ die Sarder toͤdtetẽ ihre veralternde El-
tern/ die Perſer entkleideten ſich zu ihrer Schwel-
gerey/ gleich als wenn ſie eine Schlacht liefern
ſolten/ ja Eltern und Kinder heyratheten wider
die gleichſam angebohrne Scham und das Ge-
ſetze der Natur zuſammen. Die dem Spiele
ergebenen Deutſchen aber machten gleichwohl
aus dem Laſter eine Tugend/ nach dem ſie in dem
Spielen ſonder Zwang einigen Geſetzes ſo ſtand-
hafft Treu und Glauben hielten/ und ſich lieber
ihrer Freyheit/ als der Wahrheit entaͤuſerten.
Auſſer dem wuͤrde man die Verſaͤumung noͤthi-
ger Geſchaͤffte/ Zwytracht und Gewinnſucht/
als die gemeinſten Mißbraͤuche des Spieles/ in
Deutſchland ſo gemein nicht als bey andern
Voͤlckern finden. Dahero es mit der Deutſchen
Spiele ſchier wie mit den Pfirſchken beſchaffen
zu ſeyn ſchiene/ welche in Perſien giftig/ in den
Nordlaͤndern aber eine gute Speiſe waͤren.

Malovend wuͤrde den Deutſchen noch ferner
das Wort geredet haben/ wenn nicht gleich Fuͤrſt
Adgandeſter in das Zimmer getreten waͤre/ wel-
cher denen Gefangenen im Nahmen des Feld-
herrn erlaubte/ an dem Hofe ohne geringſte Be-
ſtrickung ſich auffzuhalten/ wenn ſie anders nur
ihr Wort geben/ ſich des Orts nicht zu entbre-
chen. Wie nun dieſe Gnade ſie ſo viel mehr
[Spaltenumbruch] vergnuͤgte/ und gegen den Fuͤrſten Adgande-
ſter ihre Verbindligkeit auffs beweglichſte aus-
druͤckte; alſo wurden ihre Gemuͤther gegen
dem Feldherrn auffs hoͤchſte verknuͤpfft. Denn
es iſt keine groͤſſere Zauberkunſt ſich beliebt zu
machen/ und andern das Hertz zu ſtehlen/ als
Wohlthat und Leutſeligkeit. Der Feldherr
hatte die deutſchen Fuͤrſten/ wenn ieder der
Ruh gepflegt haben wuͤrde/ zu einem herrli-
chen Mahl eingeladen/ weil er aber mit ihnen
uͤber ihren Reichs- und Kriegs-Haͤndeln dabey
zu rathſchlagen willens war/ den Zeno/ Rheme-
talees/ Marcomir und Malovend abſonderlich
zu bedienen angeordnet. Weil nun gleiches
Alter und einerley Gluͤcke auch die fremdeſten
Gemuͤther leicht miteinander verknuͤpfft/ ge-
riethen dieſe drey letztern unſchwer in eine ſon-
derbare Vertrauligkeit. Folgenden Tag ver-
anlaſſete ſie der Feldherr ſelbſt ihnen ſelbige Ta-
ge/ da er theils mit Rathſchlaͤgen/ theils mit An-
ſtalt ſeines Beylagers beſchaͤfftigt war/ durch
Jagen die Zeit zu vertreiben/ und ihnen allen
Kummer aus den Gedancken zu ſchlagen/ gab
auch ſie zu unterhalten ihnen den Fuͤrſten Mar-
comir zu. Daher noͤthigte ſie ſo wohl dieſes hoͤff-
liche Anbieten/ als ihr eigener Trieb/ und in-
ſonderheit die um das ſchwartze Meer braͤuchli-
che Landes-Art folgenden Tag nach der Mor-
genroͤthe fuͤrzukommen/ und mit allerhand noͤ-
thiger Anſtalt in das Hertzogliche Gehaͤge ſich zu
dieſer den Fuͤrſten gewoͤhnlichen und wohl an-
ſtaͤndigen Luſt zu verfuͤgen. Sintemal ſie den
Leib hierdurch zu allerhand Muͤhſamkeit abhaͤr-
ten/ in Verfolgung des fluͤchtigen Wildes ren-
nen/ des Hertzhafften/ fechten/ des Schlauen/ al-
lerhand krummen Raͤncken und Liſt mit Liſt be-
gegnen/ und die Beſchaffenheit eines Landes am
beſten kennen lernen. Welche Wiſſenſchafft ei-
nem Fuͤrſten noͤthiger als die Kenntniß der Ge-
ſtirne iſt. Denn dieſe hat den bedraͤngten Serto-
rius mehrmahls errettet/ wenn ſeine Feinde ihn
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/137>, abgerufen am 24.11.2024.