Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Achtes Buch [Spaltenumbruch]
zuheben gebe. Bey einmüthiger Beliebungnun: daß die Heyrath zu Deutschburg vollzo- gen werden solte/ nahmen Herrmann/ Sege- sthes/ Jubil und Thußnelde nach wenig Tagen ihren Weg nach Marpurg zum Hertzoge Ar- pus; weil Herrmann mit den Catten das wie- der die Römer lange im Schilde geführte Bünd- nüs auf festern Fuß zu setzen/ Thußnelde aber ihre andere Mutter die Hertzogin Erdmuth nunmehr zu ihrer Ausstattung zu erbitten vor hatte. Sie kamen daselbst glücklich an/ und ihre Bewillkommung war dem Vergnügen gemäß/ welches die Cattische Fürstin über der Versohnung des Cheruskischen und Chassuari- schen Hertzogs schöpfften. Den Tag darnach fand sich auch der streitbare Hertzog der Sicam- brer Melo nur mit zwölff Edelleuten auff der Post zu Marpurg ein. Sein erster Anblick zeugte alsofort eine Verwirrung der Gedan- cken/ und die Schwermuth bey einer so an- nehmlichen Zusammenkunfft ein nicht gerin- ges Anliegen seines Hertzens an. Gleichwol wolte er am ersten Abende seiner Ankunfft die freudige Gesellschafft mit seinem Wehklagen nicht irre machen. Des Morgens aber sehr früh ließ er Ansuchung thun: daß Hertzog Ar- pus in seinem geheimsten Zimmer Verhör ge- ben/ den Cheruskischen Hertzog aber darzu er- bitten möchte. Bey dessen Erfolg muste Her- tzog Melo ihm etliche mal die Thränenabtrock- nen/ ehe er nachfolgende Worte nicht ohne Stammeln heraus bringen konte: Verstattet mir/ ihr zwey nur noch übrigen Pfeiler unsers Deutschlands: daß ich für euch mein Hertzeleid ausschütte; welches zwar keiner Hülffe; aber durch euer Mitleiden vielleicht einer Erleich- terung fähig ist. Denn ist gleich mein Unglück so groß: daß ich es nicht ohne Schamröthe ent- decken kan; so tilget doch die rechte Begierde der Rache alles Bedencken meine eigene Schande zu sagen. Mein Hauß ist verun- ehret; mein Geschlechte beschimpfft; Deutsch- [Spaltenumbruch] lands Ehrbarkeit zu Bodem getreten; und mei- ne Tochter geschändet. Quintilius Varus/ den ich auff seiner von Meyntz nach der Fe- stung Alison für genommenen Reise auff einem meiner Lusthäuser als einen Freund bewirthet; hat mit gewaffneter Hand mein Kind aus den Armen ihrer Mutter geraubet; nach dem er ih- rer Keuschheit vorher mit den schändlichsten Zu- muthungen fruchtloß zugesetzt. Jch habe bey meiner Gegenwehr diese drey Wunden davon getragen. Wolte GOtt aber: daß mir das Leben nicht übrig blieben wäre/ um nichts von meiner Tochter Unehre/ und der Schmach meines Stammes zu wissen! Alle andere Gü- ter und Tugenden sind wieder zu erlangen; der Verlust aber der Keuschheit ist unersetzlich/ und der Ehre unwiederbringlich. Die blosse An- rührung der Ehre ist so empfindlich: daß auch die/ welche gleich keine mehr in ihrer Seele be- herbergen/ doch keine Ehren-Verletzung ver- tragen wollen. Weil die gedultige Verschmer- tzung eines angethanen Unrechts ein Kennzei- chen ist: daß man solche Schmach verdient ha- be. Nun denn die Verletzungen unsers guten Nahmens unvergeblich; eines Fürsten Be- schimpffungen allen Fürsten gemein sind; so traue ich/ ihr Helden/ euch unzweiffelbar zu: daß ihr nicht weniger Rächer dieser Schand- that seyn werdet/ als ich weiß: daß ihr redliche Deutschen seyd. Auch Unterthanen werden ihrer Eyds-Pflicht loß: daß sie solche Laster an ihren Herren bestraffen können; wie viel weni- ger werdet ihr/ denen die Freyheit angebohren/ diesem Ehrenschänder es ungerochen hingehen lassen/ der nichts minder euren Hälsen das Joch der Dienstbarkeit auffzudringen für Ruhm/ als unsere Frauenzimmer zu besudeln für Kurtzweil hält. Die versehrte aber gerochene Keuschheit hat Rom aus einer Magd zu einer Freyin ge- macht; wie viel mehr vermag eure Rache durch des Varus Blut die Flecken meiner geschwäch- ten Tochter/ und euer Freyheit abzuwaschen. Leidet
Achtes Buch [Spaltenumbruch]
zuheben gebe. Bey einmuͤthiger Beliebungnun: daß die Heyrath zu Deutſchburg vollzo- gen werden ſolte/ nahmen Herꝛmann/ Sege- ſthes/ Jubil und Thußnelde nach wenig Tagen ihren Weg nach Marpurg zum Hertzoge Ar- pus; weil Herꝛmann mit den Catten das wie- der die Roͤmer lange im Schilde gefuͤhrte Buͤnd- nuͤs auf feſtern Fuß zu ſetzen/ Thußnelde aber ihre andere Mutter die Hertzogin Erdmuth nunmehr zu ihrer Ausſtattung zu erbitten vor hatte. Sie kamen daſelbſt gluͤcklich an/ und ihre Bewillkommung war dem Vergnuͤgen gemaͤß/ welches die Cattiſche Fuͤrſtin uͤber der Verſohnung des Cheruskiſchen und Chaſſuari- ſchen Hertzogs ſchoͤpfften. Den Tag darnach fand ſich auch der ſtreitbare Hertzog der Sicam- brer Melo nur mit zwoͤlff Edelleuten auff der Poſt zu Marpurg ein. Sein erſter Anblick zeugte alſofort eine Verwirrung der Gedan- cken/ und die Schwermuth bey einer ſo an- nehmlichen Zuſammenkunfft ein nicht gerin- ges Anliegen ſeines Hertzens an. Gleichwol wolte er am erſten Abende ſeiner Ankunfft die freudige Geſellſchafft mit ſeinem Wehklagen nicht irre machen. Des Morgens aber ſehr fruͤh ließ er Anſuchung thun: daß Hertzog Ar- pus in ſeinem geheimſten Zimmer Verhoͤr ge- ben/ den Cheruskiſchen Hertzog aber darzu er- bitten moͤchte. Bey deſſen Erfolg muſte Her- tzog Melo ihm etliche mal die Thraͤnenabtrock- nen/ ehe er nachfolgende Worte nicht ohne Stammeln heraus bringen konte: Verſtattet mir/ ihr zwey nur noch uͤbrigen Pfeiler unſers Deutſchlands: daß ich fuͤr euch mein Hertzeleid ausſchuͤtte; welches zwar keiner Huͤlffe; aber durch euer Mitleiden vielleicht einer Erleich- terung faͤhig iſt. Denn iſt gleich mein Ungluͤck ſo groß: daß ich es nicht ohne Schamroͤthe ent- decken kan; ſo tilget doch die rechte Begierde der Rache alles Bedencken meine eigene Schande zu ſagen. Mein Hauß iſt verun- ehret; mein Geſchlechte beſchimpfft; Deutſch- [Spaltenumbruch] lands Ehrbarkeit zu Bodem getreten; und mei- ne Tochter geſchaͤndet. Quintilius Varus/ den ich auff ſeiner von Meyntz nach der Fe- ſtung Aliſon fuͤr genommenen Reiſe auff einem meiner Luſthaͤuſer als einen Freund bewirthet; hat mit gewaffneter Hand mein Kind aus den Armen ihrer Mutter geraubet; nach dem er ih- rer Keuſchheit vorher mit den ſchaͤndlichſten Zu- muthungen fruchtloß zugeſetzt. Jch habe bey meiner Gegenwehr dieſe drey Wunden davon getragen. Wolte GOtt aber: daß mir das Leben nicht uͤbrig blieben waͤre/ um nichts von meiner Tochter Unehre/ und der Schmach meines Stammes zu wiſſen! Alle andere Guͤ- ter und Tugenden ſind wieder zu erlangen; der Verluſt aber der Keuſchheit iſt unerſetzlich/ und der Ehre unwiederbringlich. Die bloſſe An- ruͤhrung der Ehre iſt ſo empfindlich: daß auch die/ welche gleich keine mehr in ihrer Seele be- herbergen/ doch keine Ehren-Verletzung ver- tragen wollen. Weil die gedultige Verſchmer- tzung eines angethanen Unrechts ein Kennzei- chen iſt: daß man ſolche Schmach verdient ha- be. Nun denn die Verletzungen unſers guten Nahmens unvergeblich; eines Fuͤrſten Be- ſchimpffungen allen Fuͤrſten gemein ſind; ſo traue ich/ ihr Helden/ euch unzweiffelbar zu: daß ihr nicht weniger Raͤcher dieſer Schand- that ſeyn werdet/ als ich weiß: daß ihr redliche Deutſchen ſeyd. Auch Unterthanen werden ihrer Eyds-Pflicht loß: daß ſie ſolche Laſter an ihren Herren beſtraffen koͤnnen; wie viel weni- ger werdet ihr/ denen die Freyheit angebohren/ dieſem Ehrenſchaͤnder es ungerochen hingehen laſſen/ der nichts minder euren Haͤlſen das Joch der Dienſtbarkeit auffzudringen fuͤr Ruhm/ als unſere Frauenzim̃er zu beſudeln fuͤr Kurtzweil haͤlt. Die verſehrte aber gerochene Keuſchheit hat Rom aus einer Magd zu einer Freyin ge- macht; wie viel mehr vermag eure Rache durch des Varus Blut die Flecken meiner geſchwaͤch- ten Tochter/ und euer Freyheit abzuwaſchen. Leidet
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Achtes Buch
zuheben gebe. Bey einmuͤthiger Beliebung
nun: daß die Heyrath zu Deutſchburg vollzo-
gen werden ſolte/ nahmen Herꝛmann/ Sege-
ſthes/ Jubil und Thußnelde nach wenig Tagen
ihren Weg nach Marpurg zum Hertzoge Ar-
pus; weil Herꝛmann mit den Catten das wie-
der die Roͤmer lange im Schilde gefuͤhrte Buͤnd-
nuͤs auf feſtern Fuß zu ſetzen/ Thußnelde aber
ihre andere Mutter die Hertzogin Erdmuth
nunmehr zu ihrer Ausſtattung zu erbitten vor
hatte. Sie kamen daſelbſt gluͤcklich an/ und
ihre Bewillkommung war dem Vergnuͤgen
gemaͤß/ welches die Cattiſche Fuͤrſtin uͤber der
Verſohnung des Cheruskiſchen und Chaſſuari-
ſchen Hertzogs ſchoͤpfften. Den Tag darnach
fand ſich auch der ſtreitbare Hertzog der Sicam-
brer Melo nur mit zwoͤlff Edelleuten auff der
Poſt zu Marpurg ein. Sein erſter Anblick
zeugte alſofort eine Verwirrung der Gedan-
cken/ und die Schwermuth bey einer ſo an-
nehmlichen Zuſammenkunfft ein nicht gerin-
ges Anliegen ſeines Hertzens an. Gleichwol
wolte er am erſten Abende ſeiner Ankunfft die
freudige Geſellſchafft mit ſeinem Wehklagen
nicht irre machen. Des Morgens aber ſehr
fruͤh ließ er Anſuchung thun: daß Hertzog Ar-
pus in ſeinem geheimſten Zimmer Verhoͤr ge-
ben/ den Cheruskiſchen Hertzog aber darzu er-
bitten moͤchte. Bey deſſen Erfolg muſte Her-
tzog Melo ihm etliche mal die Thraͤnenabtrock-
nen/ ehe er nachfolgende Worte nicht ohne
Stammeln heraus bringen konte: Verſtattet
mir/ ihr zwey nur noch uͤbrigen Pfeiler unſers
Deutſchlands: daß ich fuͤr euch mein Hertzeleid
ausſchuͤtte; welches zwar keiner Huͤlffe; aber
durch euer Mitleiden vielleicht einer Erleich-
terung faͤhig iſt. Denn iſt gleich mein Ungluͤck
ſo groß: daß ich es nicht ohne Schamroͤthe ent-
decken kan; ſo tilget doch die rechte Begierde
der Rache alles Bedencken meine eigene
Schande zu ſagen. Mein Hauß iſt verun-
ehret; mein Geſchlechte beſchimpfft; Deutſch-
lands Ehrbarkeit zu Bodem getreten; und mei-
ne Tochter geſchaͤndet. Quintilius Varus/
den ich auff ſeiner von Meyntz nach der Fe-
ſtung Aliſon fuͤr genommenen Reiſe auff einem
meiner Luſthaͤuſer als einen Freund bewirthet;
hat mit gewaffneter Hand mein Kind aus den
Armen ihrer Mutter geraubet; nach dem er ih-
rer Keuſchheit vorher mit den ſchaͤndlichſten Zu-
muthungen fruchtloß zugeſetzt. Jch habe bey
meiner Gegenwehr dieſe drey Wunden davon
getragen. Wolte GOtt aber: daß mir das
Leben nicht uͤbrig blieben waͤre/ um nichts von
meiner Tochter Unehre/ und der Schmach
meines Stammes zu wiſſen! Alle andere Guͤ-
ter und Tugenden ſind wieder zu erlangen; der
Verluſt aber der Keuſchheit iſt unerſetzlich/ und
der Ehre unwiederbringlich. Die bloſſe An-
ruͤhrung der Ehre iſt ſo empfindlich: daß auch
die/ welche gleich keine mehr in ihrer Seele be-
herbergen/ doch keine Ehren-Verletzung ver-
tragen wollen. Weil die gedultige Verſchmer-
tzung eines angethanen Unrechts ein Kennzei-
chen iſt: daß man ſolche Schmach verdient ha-
be. Nun denn die Verletzungen unſers guten
Nahmens unvergeblich; eines Fuͤrſten Be-
ſchimpffungen allen Fuͤrſten gemein ſind; ſo
traue ich/ ihr Helden/ euch unzweiffelbar zu:
daß ihr nicht weniger Raͤcher dieſer Schand-
that ſeyn werdet/ als ich weiß: daß ihr redliche
Deutſchen ſeyd. Auch Unterthanen werden
ihrer Eyds-Pflicht loß: daß ſie ſolche Laſter an
ihren Herren beſtraffen koͤnnen; wie viel weni-
ger werdet ihr/ denen die Freyheit angebohren/
dieſem Ehrenſchaͤnder es ungerochen hingehen
laſſen/ der nichts minder euren Haͤlſen das Joch
der Dienſtbarkeit auffzudringen fuͤr Ruhm/ als
unſere Frauenzim̃er zu beſudeln fuͤr Kurtzweil
haͤlt. Die verſehrte aber gerochene Keuſchheit
hat Rom aus einer Magd zu einer Freyin ge-
macht; wie viel mehr vermag eure Rache durch
des Varus Blut die Flecken meiner geſchwaͤch-
ten Tochter/ und euer Freyheit abzuwaſchen.
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