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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] sen/ sie mit keinem Geschoß verwundet werden
könten; von dem Ochsen aber hätte er diß nie
gehört. Rhemetalces schos zwey Pfeile/ eben
so wol vergebens/ dem Ochsen auff den Kopff/
und dahero mit nichts minderer Entrüstung.
Da fing Malovend an: Sie suchten vergebens
diß Thier im Kopfe zu beleidigen/ der so harte
wäre/ daß ein Geschoß ehe durch Ertzt als
durch seine Hirnschale gehen würde. Hiermit
traff er den rennenden Ochsen mit einem Wurf-
spiesse so glückselig in die Seite/ daß selbter in der
Brust vorging/ und dieses Thier entseelt zu Bo-
den fiel. Hierauff schoß er einen Pfeil ihm
durch den Kopff durch und durch. Welches bey-
den andern Fürsten noch seltzamer fürkam/ und
mit dessen nunmehr leichter Durchschüssung die
Krafft ihrer Bogen versuchten. Malovend
berichtete sie hierauff/ daß mit dem Leben die
Härte des Schädels zugleich verschwinde/ und
hiermit verfielen sie auff einen Hirsch von unge-
meiner Grösse/ und einem Geweyhe von sehr
viel Enden. Er verwundete zwar selbten mit
einem Pfeile/ es würckte aber solcher mehr nicht/
als eine schnellere Flucht. Nachdem er auch in
diesem Forste eine See erreichte und durch-
schwamm/ musten die Fürsten einen Umweg
selbten zu verfolgen nehmen/ und womit er ih-
nen nicht gäntzlich entrinne/ ein paar Strick
Winde loß lassen. Diese brachten ihn/ nach-
dem er endlich in seinem Lauffe nach Art der
Hirschen/ wegen Schwachheit ihres Mast-
darms und wegen der Verletzung offtmahls
ruhen muste/ zu Stande/ also/ daß er/ keine an-
dere Ausflucht sehende/ sich endlich selbst denen
Fürsten näherte/ ihre Bogen und Pfeile/ gleich
als wenn er von ihnen sich keines Leides zu be-
sorgen hätte/ betrachtete/ und als ein Muster
allzu leichtgläubiger Vertrauligkeit/ vom Rhe-
metalces mit einem Wurffspiesse getödtet ward.
Als diese Fürsten aber diß gefällte Wild betrach-
teten/ wurden sie eines am Halse habenden und
unter den Haaren ziemlich ins Fleisch gewachse-
[Spaltenumbruch] nen Halsbandes gewahr/ welches sie von den
Pferden abzusitzen und selbtes eigentlicher zu er-
forschen verursachte. Das sie denn auch aus
dichtem Silber gefertigt/ und darauff eingeetzt
befanden: Als Julius Cäsar den Deut-
schen ein Gebieß anlegte/ gab er mir
die Freyheit.
Sie erstarrten für Ver-
wunderung gleichsam über dieser Begebenheit/
und Rhemetalces beklagte überaus: daß seine
unvorsichtige Ubereilung dieses denckwürdige
Thier/ welches gantzer drey und sechtzig Jahr
nur nach getragenem Halsbande unversehret
blieben wäre/ zu unzweiffelbarem Verdruß Her-
tzog Herrmanns gefället hätte. Fürst Malo-
vend aber fiel ihm in die Rede: Er möchte sich
hierüber keinen Kummer machen. Es würde
der Feldherr ihm hierfür noch grossen Danck
sagen. Warum? versetzte Rhemetalces. Ma-
lovend antwortete: Weil dieser Hirsch ein ver-
drüßliches Gedächtniß desselben Tages ist/ da
die Deutschen ihre Freyheit zu verliehren ange-
fangen. Beyde Fürsten wurden dadurch mehr
begierig alle Umstände von ihm zu vernehmen;
Worauff er denn ihnen folgenden Bericht er-
stattete: Es hätten in Deutschland sich die Cat-
ten iederzeit für andern/ so wohl an Streitbar-
keit als an Fruchtbarkeit herfür gethan; also/
daß sie alleine über hundert grosse Dörffer mit
denen darzu gehörigen Landstrichen bewohnet/
alle Jahr aber etliche tausend gewaffnete Män-
ner aus ihren Gräntzen getrieben/ und/ durch
ihren Degen neue Wohnplätze zu suchen/ also
auch ihre Herrschafft zu vergrössern genöthigt
hätten. Dieser Ausbreitung wäre ihrer Le-
bens-Art zu statten kommen. Denn nachdem
sie wenigen Ackerbau gepflegt/ sondern nur
von Jagten und Viehzucht gelebt/ hätte sie
der Hunger zur Kriegs-Lust gezwungen/ und
sie wären von Kindauff die Freyheit lieb zu
gewinnen/ die Glieder durch tägliche Kriegs-
Ubungen zu verstärcken/ Kälte und Hitze mit

nack-
Erster Theil. M

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſen/ ſie mit keinem Geſchoß verwundet werden
koͤnten; von dem Ochſen aber haͤtte er diß nie
gehoͤrt. Rhemetalces ſchos zwey Pfeile/ eben
ſo wol vergebens/ dem Ochſen auff den Kopff/
und dahero mit nichts minderer Entruͤſtung.
Da fing Malovend an: Sie ſuchten vergebens
diß Thier im Kopfe zu beleidigen/ der ſo harte
waͤre/ daß ein Geſchoß ehe durch Ertzt als
durch ſeine Hirnſchale gehen wuͤrde. Hiermit
traff er den rennenden Ochſen mit einem Wurf-
ſpieſſe ſo gluͤckſelig in die Seite/ daß ſelbter in der
Bruſt vorging/ und dieſes Thier entſeelt zu Bo-
den fiel. Hierauff ſchoß er einen Pfeil ihm
durch den Kopff durch und durch. Welches bey-
den andern Fuͤrſten noch ſeltzamer fuͤrkam/ und
mit deſſen nunmehr leichter Durchſchuͤſſung die
Krafft ihrer Bogen verſuchten. Malovend
berichtete ſie hierauff/ daß mit dem Leben die
Haͤrte des Schaͤdels zugleich verſchwinde/ und
hiermit verfielen ſie auff einen Hirſch von unge-
meiner Groͤſſe/ und einem Geweyhe von ſehr
viel Enden. Er verwundete zwar ſelbten mit
einem Pfeile/ es wuͤrckte aber ſolcher mehr nicht/
als eine ſchnellere Flucht. Nachdem er auch in
dieſem Forſte eine See erreichte und durch-
ſchwamm/ muſten die Fuͤrſten einen Umweg
ſelbten zu verfolgen nehmen/ und womit er ih-
nen nicht gaͤntzlich entrinne/ ein paar Strick
Winde loß laſſen. Dieſe brachten ihn/ nach-
dem er endlich in ſeinem Lauffe nach Art der
Hirſchen/ wegen Schwachheit ihres Maſt-
darms und wegen der Verletzung offtmahls
ruhen muſte/ zu Stande/ alſo/ daß er/ keine an-
dere Ausflucht ſehende/ ſich endlich ſelbſt denen
Fuͤrſten naͤherte/ ihre Bogen und Pfeile/ gleich
als wenn er von ihnen ſich keines Leides zu be-
ſorgen haͤtte/ betrachtete/ und als ein Muſter
allzu leichtglaͤubiger Vertrauligkeit/ vom Rhe-
metalces mit einem Wurffſpieſſe getoͤdtet ward.
Als dieſe Fuͤrſten abeꝛ diß gefaͤllte Wild betrach-
teten/ wurden ſie eines am Halſe habenden und
unter den Haaren ziemlich ins Fleiſch gewachſe-
[Spaltenumbruch] nen Halsbandes gewahr/ welches ſie von den
Pferden abzuſitzen und ſelbtes eigentlicher zu er-
forſchen verurſachte. Das ſie denn auch aus
dichtem Silber gefertigt/ und darauff eingeetzt
befanden: Als Julius Caͤſar den Deut-
ſchen ein Gebieß anlegte/ gab er mir
die Freyheit.
Sie erſtarrten fuͤr Ver-
wunderung gleichſam uͤber dieſer Begebenheit/
und Rhemetalces beklagte uͤberaus: daß ſeine
unvorſichtige Ubereilung dieſes denckwuͤrdige
Thier/ welches gantzer drey und ſechtzig Jahr
nur nach getragenem Halsbande unverſehret
blieben waͤre/ zu unzweiffelbarem Verdruß Her-
tzog Herrmanns gefaͤllet haͤtte. Fuͤrſt Malo-
vend aber fiel ihm in die Rede: Er moͤchte ſich
hieruͤber keinen Kummer machen. Es wuͤrde
der Feldherr ihm hierfuͤr noch groſſen Danck
ſagen. Warum? verſetzte Rhemetalces. Ma-
lovend antwortete: Weil dieſer Hirſch ein ver-
druͤßliches Gedaͤchtniß deſſelben Tages iſt/ da
die Deutſchen ihre Freyheit zu verliehren ange-
fangen. Beyde Fuͤrſten wurden dadurch mehr
begierig alle Umſtaͤnde von ihm zu vernehmen;
Worauff er denn ihnen folgenden Bericht er-
ſtattete: Es haͤtten in Deutſchland ſich die Cat-
ten iederzeit fuͤr andern/ ſo wohl an Streitbar-
keit als an Fruchtbarkeit herfuͤr gethan; alſo/
daß ſie alleine uͤber hundert groſſe Doͤrffer mit
denen darzu gehoͤrigen Landſtrichen bewohnet/
alle Jahr aber etliche tauſend gewaffnete Maͤn-
ner aus ihren Graͤntzen getrieben/ und/ durch
ihren Degen neue Wohnplaͤtze zu ſuchen/ alſo
auch ihre Herrſchafft zu vergroͤſſern genoͤthigt
haͤtten. Dieſer Ausbreitung waͤre ihrer Le-
bens-Art zu ſtatten kommen. Denn nachdem
ſie wenigen Ackerbau gepflegt/ ſondern nur
von Jagten und Viehzucht gelebt/ haͤtte ſie
der Hunger zur Kriegs-Luſt gezwungen/ und
ſie waͤren von Kindauff die Freyheit lieb zu
gewinnen/ die Glieder durch taͤgliche Kriegs-
Ubungen zu verſtaͤrcken/ Kaͤlte und Hitze mit

nack-
Erſter Theil. M
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/139>, abgerufen am 23.11.2024.