Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
des Mecenas Thurm/ wiewol mit höflicherBedienung/ eingesperret ward. Daselbst er- kühnete sich Livia mich noch ärger zu versuchen/ in dem sie nach vorher durch andere geschehenen Aufmutzung meines Verbrechens/ und dar auf gesetzter schimpflichen Straffe/ mir als eine Thorheit auslegte: daß ich durch einsame Ein- schlüssung meiner Jugend und Schönheit der Natur selbst Gewalt angethan hätte; daher sol- che so übelen Ausschlag erlangete. Also wäre der beste Rath durch die Liebe nichts minder die Natur/ als den Kayser zu ver gnügen; mich aber von der Schuld und dem Gefängnüße ledig zu machen; ja von mehrer Schmach und Pein zu befreyen; nach dem die strengen Gesätze mei- nem Verbrechen die Vergrabung in eine Höle/ darinnen ich bey wenigem Brodte/ Oele und Lichte verschmachten müste/ aussetzten. Jch erstarrte über dieser unverschämten Kuplerin/ in welcher die Ehrsucht nicht nur alle Funcken der Tugend/ sondern auch den Brand der Ey- versucht aus gelescht hatte; gab ihr aber eine sol- che Antwort: daß sie zum andern mahl mir de- rogleichen Vortrag zu thun sich nicht erkühn- te; sondern vielmehr glaubte: es würde ihr leichter fallen dem Vestalischen Feuer die Krafft des Brennens zu benehmen/ als mein Hertze durch schandbare Geilheit anzustecken. Livia/ welche aus Aufputzung der Laster gleichsam ein Hand- werck machte/ und/ wie man nach der Kunst üp- pig seyn solte/ gewisse Richtschnuren an die Hand gab/ wagte sich nach der Zeit gar nicht mich ferner anzufechten; aber ich erlangte gleich wol nicht meine Freyheit. Jnzwischen erfuhr mein Bruder König Frotho den Noth- stand meines Gefängnüßes; schickte also an Augusten eine ansehnliche Botschafft/ welche meine Befreyung in der Güte abhandeln/ oder mit Andräuung der Cimbrischen Waffen/ für welchen Rom wol ehe sich erschüttert hätte/ zu wege bringen solte. August/ welcher wol ver- stand/ was die Cimbrische Macht/ wenn selbte [Spaltenumbruch] denen Cheruskern/ Catten und Chautzen bey- fiele/ denen Römern für Abbruch thun könte; hätte gerne mich der Hafft/ sich aber eines neu- en Feindes erlediget; all eine die Geistligkeit/ welche ohne ihre absondere Vergnügung die Tirchanis nicht wolten unangefertigt lassen/ und welcher August sich so gerade entgegen zu setzen Bedencken trug/ machte meine Loßge- bung überaus schwer. Zuletzt schlug der Kay- fer zu einem Lösegelde den vergüldeten Tiegel für; welchen die Cimbern aus denen zusammen geschmeltzten Römischen Waffen/ als von ihnen der Bürgermeister Cäpio und Manlius auffs Haupt erlegt worden/ gegossen/ und als ein ewiges Merckmahl des Sieges nach Hause ge- schickt hatten/ an sich selbst aber ein Kessel war/ welcher über zwantzig Eymer hielt. Alleine mein Bruder weigerte sich beständig dieses herr- liche Merckmahl der Cimbrischen Tapfferkeit ausfolgen zu lassen; sonderlich/ weil die Cim- brischen Priester der abgeschlachteten Gefan- genen Blut darein aufzufangen pflegten/ und also diesen Tiegel nicht allein als ein bereits Gott gewiedmetes Gefässe für unenteusserlich/ sondern auch so gar für ein Schutz-Bild des Cimbrischen Reiches/ und für so heilig wie den grossen Scythischen Kessel von sechshundert Eymern hielten/ den ihr König Arimantes aus so viel Pfeilen/ als ihm Kriegs-Leute folgten/ zusammen geschmeltzt/ und am Flusse Hippa- nis zum Göttlichen Beschirmungs - Zeichen eingeweihet hatte. Worbey sie denn scheinbar anführten: daß August durch diß Anmuthen nicht so wol der Römer Schande abzuwischen/ als die Cimbern der Göttlichen Beschirmung zu berauben anzielten. Sintemahl die Rö- mer auff solche Schutz - Bilder so gar biß zum Aberglauben grosse Thürme bauten. Da- hero sie auch von dem in dem innersten Heiligthume der Vesta verwahrten Pallas- Bilde/ welches in der rechten Hand einen Spieß/ in der andern einen Rocken hatte/ vom Him- F f f f f f f f 3
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
des Mecenas Thurm/ wiewol mit hoͤflicherBedienung/ eingeſperret ward. Daſelbſt er- kuͤhnete ſich Livia mich noch aͤrger zu verſuchen/ in dem ſie nach vorher durch andere geſchehenen Aufmutzung meines Verbrechens/ und dar auf geſetzter ſchimpflichen Straffe/ mir als eine Thorheit auslegte: daß ich durch einſame Ein- ſchluͤſſung meiner Jugend und Schoͤnheit der Natur ſelbſt Gewalt angethan haͤtte; daher ſol- che ſo uͤbelen Ausſchlag erlangete. Alſo waͤre der beſte Rath durch die Liebe nichts minder die Natur/ als den Kayſer zu ver gnuͤgen; mich aber von der Schuld und dem Gefaͤngnuͤße ledig zu machen; ja von mehrer Schmach und Pein zu befreyen; nach dem die ſtrengen Geſaͤtze mei- nem Verbrechen die Vergrabung in eine Hoͤle/ darinnen ich bey wenigem Brodte/ Oele und Lichte verſchmachten muͤſte/ ausſetzten. Jch erſtarrte uͤber dieſer unverſchaͤmten Kuplerin/ in welcher die Ehrſucht nicht nur alle Funcken der Tugend/ ſondern auch den Brand der Ey- verſucht aus geleſcht hatte; gab ihr aber eine ſol- che Antwort: daß ſie zum andern mahl mir de- rogleichen Vortrag zu thun ſich nicht erkuͤhn- te; ſondern vielmehr glaubte: es wuͤrde ihr leichter fallen dem Veſtaliſchen Feuer die Krafft des Breñens zu benehmẽ/ als mein Hertze durch ſchandbare Geilheit anzuſtecken. Livia/ welche aus Aufputzung der Laſter gleichſam ein Hand- werck machte/ und/ wie man nach der Kunſt uͤp- pig ſeyn ſolte/ gewiſſe Richtſchnuren an die Hand gab/ wagte ſich nach der Zeit gar nicht mich ferner anzufechten; aber ich erlangte gleich wol nicht meine Freyheit. Jnzwiſchen erfuhr mein Bruder Koͤnig Frotho den Noth- ſtand meines Gefaͤngnuͤßes; ſchickte alſo an Auguſten eine anſehnliche Botſchafft/ welche meine Befreyung in der Guͤte abhandeln/ oder mit Andraͤuung der Cimbriſchen Waffen/ fuͤr welchen Rom wol ehe ſich erſchuͤttert haͤtte/ zu wege bringen ſolte. Auguſt/ welcher wol ver- ſtand/ was die Cimbriſche Macht/ wenn ſelbte [Spaltenumbruch] denen Cheruskern/ Catten und Chautzen bey- fiele/ denen Roͤmern fuͤr Abbruch thun koͤnte; haͤtte gerne mich der Hafft/ ſich aber eines neu- en Feindes erlediget; all eine die Geiſtligkeit/ welche ohne ihre abſondere Vergnuͤgung die Tirchanis nicht wolten unangefertigt laſſen/ und welcher Auguſt ſich ſo gerade entgegen zu ſetzen Bedencken trug/ machte meine Loßge- bung uͤberaus ſchwer. Zuletzt ſchlug der Kay- fer zu einem Loͤſegelde den verguͤldeten Tiegel fuͤr; welchen die Cimbern aus denen zuſammen geſchmeltzten Roͤmiſchen Waffen/ als von ihnen der Buͤrgermeiſter Caͤpio und Manlius auffs Haupt erlegt worden/ gegoſſen/ und als ein ewiges Merckmahl des Sieges nach Hauſe ge- ſchickt hatten/ an ſich ſelbſt aber ein Keſſel war/ welcher uͤber zwantzig Eymer hielt. Alleine mein Bruder weigerte ſich beſtaͤndig dieſes herꝛ- liche Merckmahl der Cimbriſchen Tapfferkeit ausfolgen zu laſſen; ſonderlich/ weil die Cim- briſchen Prieſter der abgeſchlachteten Gefan- genen Blut darein aufzufangen pflegten/ und alſo dieſen Tiegel nicht allein als ein bereits Gott gewiedmetes Gefaͤſſe fuͤr unenteuſſerlich/ ſondern auch ſo gar fuͤr ein Schutz-Bild des Cimbriſchen Reiches/ und fuͤr ſo heilig wie den groſſen Scythiſchen Keſſel von ſechshundert Eymern hielten/ den ihr Koͤnig Arimantes aus ſo viel Pfeilen/ als ihm Kriegs-Leute folgten/ zuſammen geſchmeltzt/ und am Fluſſe Hippa- nis zum Goͤttlichen Beſchirmungs - Zeichen eingeweihet hatte. Worbey ſie denn ſcheinbar anfuͤhrten: daß Auguſt durch diß Anmuthen nicht ſo wol der Roͤmer Schande abzuwiſchen/ als die Cimbern der Goͤttlichen Beſchirmung zu berauben anzielten. Sintemahl die Roͤ- mer auff ſolche Schutz - Bilder ſo gar biß zum Aberglauben groſſe Thuͤrme bauten. Da- hero ſie auch von dem in dem innerſten Heiligthume der Veſta verwahrten Pallas- Bilde/ welches in der rechten Hand einen Spieß/ in der andern einen Rocken hatte/ vom Him- F f f f f f f f 3
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Arminius und Thußnelda.
des Mecenas Thurm/ wiewol mit hoͤflicher
Bedienung/ eingeſperret ward. Daſelbſt er-
kuͤhnete ſich Livia mich noch aͤrger zu verſuchen/
in dem ſie nach vorher durch andere geſchehenen
Aufmutzung meines Verbrechens/ und dar auf
geſetzter ſchimpflichen Straffe/ mir als eine
Thorheit auslegte: daß ich durch einſame Ein-
ſchluͤſſung meiner Jugend und Schoͤnheit der
Natur ſelbſt Gewalt angethan haͤtte; daher ſol-
che ſo uͤbelen Ausſchlag erlangete. Alſo waͤre
der beſte Rath durch die Liebe nichts minder die
Natur/ als den Kayſer zu ver gnuͤgen; mich aber
von der Schuld und dem Gefaͤngnuͤße ledig
zu machen; ja von mehrer Schmach und Pein
zu befreyen; nach dem die ſtrengen Geſaͤtze mei-
nem Verbrechen die Vergrabung in eine Hoͤle/
darinnen ich bey wenigem Brodte/ Oele und
Lichte verſchmachten muͤſte/ ausſetzten. Jch
erſtarrte uͤber dieſer unverſchaͤmten Kuplerin/
in welcher die Ehrſucht nicht nur alle Funcken
der Tugend/ ſondern auch den Brand der Ey-
verſucht aus geleſcht hatte; gab ihr aber eine ſol-
che Antwort: daß ſie zum andern mahl mir de-
rogleichen Vortrag zu thun ſich nicht erkuͤhn-
te; ſondern vielmehr glaubte: es wuͤrde ihr
leichter fallen dem Veſtaliſchen Feuer die Krafft
des Breñens zu benehmẽ/ als mein Hertze durch
ſchandbare Geilheit anzuſtecken. Livia/ welche
aus Aufputzung der Laſter gleichſam ein Hand-
werck machte/ und/ wie man nach der Kunſt uͤp-
pig ſeyn ſolte/ gewiſſe Richtſchnuren an die
Hand gab/ wagte ſich nach der Zeit gar nicht
mich ferner anzufechten; aber ich erlangte
gleich wol nicht meine Freyheit. Jnzwiſchen
erfuhr mein Bruder Koͤnig Frotho den Noth-
ſtand meines Gefaͤngnuͤßes; ſchickte alſo an
Auguſten eine anſehnliche Botſchafft/ welche
meine Befreyung in der Guͤte abhandeln/ oder
mit Andraͤuung der Cimbriſchen Waffen/ fuͤr
welchen Rom wol ehe ſich erſchuͤttert haͤtte/ zu
wege bringen ſolte. Auguſt/ welcher wol ver-
ſtand/ was die Cimbriſche Macht/ wenn ſelbte
denen Cheruskern/ Catten und Chautzen bey-
fiele/ denen Roͤmern fuͤr Abbruch thun koͤnte;
haͤtte gerne mich der Hafft/ ſich aber eines neu-
en Feindes erlediget; all eine die Geiſtligkeit/
welche ohne ihre abſondere Vergnuͤgung die
Tirchanis nicht wolten unangefertigt laſſen/
und welcher Auguſt ſich ſo gerade entgegen zu
ſetzen Bedencken trug/ machte meine Loßge-
bung uͤberaus ſchwer. Zuletzt ſchlug der Kay-
fer zu einem Loͤſegelde den verguͤldeten Tiegel
fuͤr; welchen die Cimbern aus denen zuſammen
geſchmeltzten Roͤmiſchen Waffen/ als von ihnen
der Buͤrgermeiſter Caͤpio und Manlius auffs
Haupt erlegt worden/ gegoſſen/ und als ein
ewiges Merckmahl des Sieges nach Hauſe ge-
ſchickt hatten/ an ſich ſelbſt aber ein Keſſel war/
welcher uͤber zwantzig Eymer hielt. Alleine
mein Bruder weigerte ſich beſtaͤndig dieſes herꝛ-
liche Merckmahl der Cimbriſchen Tapfferkeit
ausfolgen zu laſſen; ſonderlich/ weil die Cim-
briſchen Prieſter der abgeſchlachteten Gefan-
genen Blut darein aufzufangen pflegten/ und
alſo dieſen Tiegel nicht allein als ein bereits
Gott gewiedmetes Gefaͤſſe fuͤr unenteuſſerlich/
ſondern auch ſo gar fuͤr ein Schutz-Bild des
Cimbriſchen Reiches/ und fuͤr ſo heilig wie den
groſſen Scythiſchen Keſſel von ſechshundert
Eymern hielten/ den ihr Koͤnig Arimantes aus
ſo viel Pfeilen/ als ihm Kriegs-Leute folgten/
zuſammen geſchmeltzt/ und am Fluſſe Hippa-
nis zum Goͤttlichen Beſchirmungs - Zeichen
eingeweihet hatte. Worbey ſie denn ſcheinbar
anfuͤhrten: daß Auguſt durch diß Anmuthen
nicht ſo wol der Roͤmer Schande abzuwiſchen/
als die Cimbern der Goͤttlichen Beſchirmung
zu berauben anzielten. Sintemahl die Roͤ-
mer auff ſolche Schutz - Bilder ſo gar biß zum
Aberglauben groſſe Thuͤrme bauten. Da-
hero ſie auch von dem in dem innerſten
Heiligthume der Veſta verwahrten Pallas-
Bilde/ welches in der rechten Hand einen
Spieß/ in der andern einen Rocken hatte/ vom
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1333[1335]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1401>, abgerufen am 17.06.2024. |