Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Handwercker ist; würde widriger Meinungnach in der gantzen Welt auszuleschen seyn/ weil es alles verzehret/ dessen man es Meister werdenläßt. Das Meer und der Wind/ weil sie Länder überschwemmen/ Bäume ausreissen/ und Schiffbruch verursachen/ würden müssen/ ungeachtet jenes Perlen/ Purper und Korallen gebieret/ den Erdbodem befeuchtet/ die Sternen säuget/ dieser die Lufft reinigt/ die Fruchtbarkeit und die so nützliche Schiffahrt befördert/ aus der Welt verbannet werden. Dannenhero müste man nur den Rauch von dem Feuer der Ge- müths-Regungen saubern/ und mit diesen Nei- gungen so behutsam/ wie die Aertzte mit den Feuchtigkeiten des Leibes umbgehen/ als welche zwar zu reinigen/ aber nicht gar auszutrocknen wären; Oder man müste selbte/ wie die Haare und Nägel beschneiden/ nicht aber gar verterben. Die Königin Erato warf hierwider ein: Sie könte unter diesen Regungen/ und denen Kranck- heiten des Gemüthes noch zur Zeit keinen Un- terscheid finden; als daß jene geschwinder ver- rauchten/ diese aber/ als schon tief eingewurtzelt/ hartnäckichter wären. Massen denn auch jene sich in diese mit der Zeit eben so leicht/ als die Seiden-Würmer in Molcken-Diebe verwan- delten. Die Maale würden mit uns so wol gebohren/ als die Neigungen; gleichwol aber blieben sie Ungestaltnüsse/ und wäre eines so schwer als das andere zu vertreiben. Der Natur gönnete man ihren Preiß; aber es hät- ten mehrmals weisse Mütter heßliche Mohren- Kinder. Die Wurtzel schädlicher Regungen könte nichtbesser seyn/ als ihre gifftigen Früchte. Weil nun diese Gespenster zu herrschen/ nicht zu dienen gewohnt wären/ wüchsen sie der Ver- nunfft zu Kopffe/ welche doch das Auge der Seele/ die Magnet-Nadel des Lebens/ der Mäßstab der Tugend und der Ancker der Glückseeligkeit wäre. Wie die so genennte Kranckheit die Rose ihren Eintritt mit einer annehmlichen Purper-Farbe beschönte/ also [Spaltenumbruch] endigte sich diese Kranckheit eben so wol/ als die anfangs in Gestalt einer Morgenrötbe der Tugend sich zeigenden Regungen mit unsägli- chen Schmertzen. Diesemnach müste man sie in der ersten Blüte tödten/ und als das schäd- lichste Unkraut ausrotten. Denn wenn nur ein Käum übrig bliebe/ nähme es unversehens überhand/ und ersteckte in uns den Saamen des guten. Alle Laster wären anfangs Zwer- ge/ hernach Riesen. Sie stellten sich erstlich verschämt und mäßig; die Gewohnheit aber vertilgte bald ihre Schamröthe/ und mit der Zeit zerlechsete ihr Umschranck. Die Grau- samkeit erlustigte/ wie die Wütteriche zu Athen sich anfangs an dem Blute eines Betrügers/ hernach der unschuldigsten Weltweisen. Der Geitz verliebte sich anfangs in sein/ hernach in seines Nachbars Gut. Ja diese anfangs ver- ächtliche Schwachheiten fräßen ins geheim/ wie der Krebs umb sich; Und der Allerweiseste wüste diese einmahl zu Kräfften gekommene Ungeheuer/ welche den Menschen in heßlichere Thiere als Ciree verwandelte/ nicht zu bändi- gen. Sie würffen ihn aus dem Sattel/ wenn er ihnen nur ein wenig den Zügel verhienge. Die Vernunfft wäre viel zu schwach sie zurücke zu halten. Denn sie wären eben so wol/ als die wilden Thiere gegen ihre Beredungentaub. Sie würden wie die gekirrten Tiger/ wenn man sichs am wenigsten versehe/ wieder rasend; und dahero verließen sie niemals ihre böse Ei- genschafft gar/ durch eine die Tugend allein gut und vollkommen machende Mäßigung. Denn was böse von Natur wäre/ hätte weder Maas noch Ziel. Das Feber/ wie gelinde es wäre/ das Haupt-Weh/ ob es schon nur den halben Kopff einnehme/ bliebe nichts desto weniger eine Kranckheit eben so wie die Schwachheiten des Gemüthes/ nemlich die in etwas gemäßig- ten Regungen. Ja wer beyde nicht gar aus- zutilgen wüste/ verstünde noch weniger selbte aufs rechte Gewichte zu legen. Asblaste hörte sie wol Erster Theil. H h h h h h h h
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Handwercker iſt; wuͤrde widriger Meinungnach in der gantzen Welt auszuleſchen ſeyn/ weil es alles verzehret/ deſſen man es Meiſter werdenlaͤßt. Das Meer und der Wind/ weil ſie Laͤnder uͤberſchwemmen/ Baͤume ausreiſſen/ und Schiffbruch verurſachen/ wuͤrden muͤſſen/ ungeachtet jenes Perlen/ Purper und Korallen gebieret/ den Erdbodem befeuchtet/ die Sternen ſaͤuget/ dieſer die Lufft reinigt/ die Fruchtbarkeit und die ſo nuͤtzliche Schiffahrt befoͤrdert/ aus der Welt verbannet werden. Dannenhero muͤſte man nur den Rauch von dem Feuer der Ge- muͤths-Regungen ſaubern/ und mit dieſen Nei- gungen ſo behutſam/ wie die Aertzte mit den Feuchtigkeiten des Leibes umbgehen/ als welche zwar zu reinigen/ aber nicht gar auszutrocknen waͤren; Oder man muͤſte ſelbte/ wie die Haare und Naͤgel beſchneiden/ nicht aber gar veꝛterben. Die Koͤnigin Erato warf hierwider ein: Sie koͤnte unter dieſen Regungen/ und denen Kꝛanck- heiten des Gemuͤthes noch zur Zeit keinen Un- terſcheid finden; als daß jene geſchwinder ver- rauchten/ dieſe aber/ als ſchon tief eingewurtzelt/ hartnaͤckichter waͤren. Maſſen denn auch jene ſich in dieſe mit der Zeit eben ſo leicht/ als die Seiden-Wuͤrmer in Molcken-Diebe verwan- delten. Die Maale wuͤrden mit uns ſo wol gebohren/ als die Neigungen; gleichwol aber blieben ſie Ungeſtaltnuͤſſe/ und waͤre eines ſo ſchwer als das andere zu vertreiben. Der Natur goͤnnete man ihren Preiß; aber es haͤt- ten mehrmals weiſſe Muͤtter heßliche Mohꝛen- Kinder. Die Wurtzel ſchaͤdlicher Regungen koͤnte nichtbeſſer ſeyn/ als ihre gifftigen Fruͤchte. Weil nun dieſe Geſpenſter zu herꝛſchen/ nicht zu dienen gewohnt waͤren/ wuͤchſen ſie der Ver- nunfft zu Kopffe/ welche doch das Auge der Seele/ die Magnet-Nadel des Lebens/ der Maͤßſtab der Tugend und der Ancker der Gluͤckſeeligkeit waͤre. Wie die ſo genennte Kranckheit die Roſe ihren Eintritt mit einer annehmlichen Purper-Farbe beſchoͤnte/ alſo [Spaltenumbruch] endigte ſich dieſe Kranckheit eben ſo wol/ als die anfangs in Geſtalt einer Morgenroͤtbe der Tugend ſich zeigenden Regungen mit unſaͤgli- chen Schmertzen. Dieſemnach muͤſte man ſie in der erſten Bluͤte toͤdten/ und als das ſchaͤd- lichſte Unkraut ausrotten. Denn wenn nur ein Kaͤum uͤbrig bliebe/ naͤhme es unverſehens uͤberhand/ und erſteckte in uns den Saamen des guten. Alle Laſter waͤren anfangs Zwer- ge/ hernach Rieſen. Sie ſtellten ſich erſtlich verſchaͤmt und maͤßig; die Gewohnheit aber vertilgte bald ihre Schamroͤthe/ und mit der Zeit zerlechſete ihr Umſchranck. Die Grau- ſamkeit erluſtigte/ wie die Wuͤtteriche zu Athen ſich anfangs an dem Blute eines Betruͤgers/ hernach der unſchuldigſten Weltweiſen. Der Geitz verliebte ſich anfangs in ſein/ hernach in ſeines Nachbars Gut. Ja dieſe anfangs ver- aͤchtliche Schwachheiten fraͤßen ins geheim/ wie der Krebs umb ſich; Und der Allerweiſeſte wuͤſte dieſe einmahl zu Kraͤfften gekommene Ungeheuer/ welche den Menſchen in heßlichere Thiere als Ciree verwandelte/ nicht zu baͤndi- gen. Sie wuͤrffen ihn aus dem Sattel/ wenn er ihnen nur ein wenig den Zuͤgel verhienge. Die Vernunfft waͤre viel zu ſchwach ſie zuruͤcke zu halten. Denn ſie waͤren eben ſo wol/ als die wilden Thiere gegen ihre Beredungentaub. Sie wuͤrden wie die gekirꝛten Tiger/ wenn man ſichs am wenigſten verſehe/ wieder raſend; und dahero verließen ſie niemals ihre boͤſe Ei- genſchafft gar/ durch eine die Tugend allein gut und vollkommen machende Maͤßigung. Denn was boͤſe von Natur waͤre/ haͤtte weder Maas noch Ziel. Das Feber/ wie gelinde es waͤre/ das Haupt-Weh/ ob es ſchon nur den halben Kopff einnehme/ bliebe nichts deſto weniger eine Kranckheit eben ſo wie die Schwachheiten des Gemuͤthes/ nemlich die in etwas gemaͤßig- ten Regungen. Ja wer beyde nicht gar aus- zutilgen wuͤſte/ verſtuͤnde noch weniger ſelbte aufs rechte Gewichte zu legen. Asblaſte hoͤrte ſie wol Erſter Theil. H h h h h h h h
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Arminius und Thußnelda.
Handwercker iſt; wuͤrde widriger Meinung
nach in der gantzen Welt auszuleſchen ſeyn/
weil es alles verzehret/ deſſen man es Meiſter
werdenlaͤßt. Das Meer und der Wind/ weil
ſie Laͤnder uͤberſchwemmen/ Baͤume ausreiſſen/
und Schiffbruch verurſachen/ wuͤrden muͤſſen/
ungeachtet jenes Perlen/ Purper und Korallen
gebieret/ den Erdbodem befeuchtet/ die Sternen
ſaͤuget/ dieſer die Lufft reinigt/ die Fruchtbarkeit
und die ſo nuͤtzliche Schiffahrt befoͤrdert/ aus der
Welt verbannet werden. Dannenhero muͤſte
man nur den Rauch von dem Feuer der Ge-
muͤths-Regungen ſaubern/ und mit dieſen Nei-
gungen ſo behutſam/ wie die Aertzte mit den
Feuchtigkeiten des Leibes umbgehen/ als welche
zwar zu reinigen/ aber nicht gar auszutrocknen
waͤren; Oder man muͤſte ſelbte/ wie die Haare
und Naͤgel beſchneiden/ nicht aber gar veꝛterben.
Die Koͤnigin Erato warf hierwider ein: Sie
koͤnte unter dieſen Regungen/ und denen Kꝛanck-
heiten des Gemuͤthes noch zur Zeit keinen Un-
terſcheid finden; als daß jene geſchwinder ver-
rauchten/ dieſe aber/ als ſchon tief eingewurtzelt/
hartnaͤckichter waͤren. Maſſen denn auch jene
ſich in dieſe mit der Zeit eben ſo leicht/ als die
Seiden-Wuͤrmer in Molcken-Diebe verwan-
delten. Die Maale wuͤrden mit uns ſo wol
gebohren/ als die Neigungen; gleichwol aber
blieben ſie Ungeſtaltnuͤſſe/ und waͤre eines ſo
ſchwer als das andere zu vertreiben. Der
Natur goͤnnete man ihren Preiß; aber es haͤt-
ten mehrmals weiſſe Muͤtter heßliche Mohꝛen-
Kinder. Die Wurtzel ſchaͤdlicher Regungen
koͤnte nichtbeſſer ſeyn/ als ihre gifftigen Fruͤchte.
Weil nun dieſe Geſpenſter zu herꝛſchen/ nicht
zu dienen gewohnt waͤren/ wuͤchſen ſie der Ver-
nunfft zu Kopffe/ welche doch das Auge der
Seele/ die Magnet-Nadel des Lebens/ der
Maͤßſtab der Tugend und der Ancker der
Gluͤckſeeligkeit waͤre. Wie die ſo genennte
Kranckheit die Roſe ihren Eintritt mit einer
annehmlichen Purper-Farbe beſchoͤnte/ alſo
endigte ſich dieſe Kranckheit eben ſo wol/ als die
anfangs in Geſtalt einer Morgenroͤtbe der
Tugend ſich zeigenden Regungen mit unſaͤgli-
chen Schmertzen. Dieſemnach muͤſte man ſie
in der erſten Bluͤte toͤdten/ und als das ſchaͤd-
lichſte Unkraut ausrotten. Denn wenn nur
ein Kaͤum uͤbrig bliebe/ naͤhme es unverſehens
uͤberhand/ und erſteckte in uns den Saamen
des guten. Alle Laſter waͤren anfangs Zwer-
ge/ hernach Rieſen. Sie ſtellten ſich erſtlich
verſchaͤmt und maͤßig; die Gewohnheit aber
vertilgte bald ihre Schamroͤthe/ und mit der
Zeit zerlechſete ihr Umſchranck. Die Grau-
ſamkeit erluſtigte/ wie die Wuͤtteriche zu Athen
ſich anfangs an dem Blute eines Betruͤgers/
hernach der unſchuldigſten Weltweiſen. Der
Geitz verliebte ſich anfangs in ſein/ hernach in
ſeines Nachbars Gut. Ja dieſe anfangs ver-
aͤchtliche Schwachheiten fraͤßen ins geheim/
wie der Krebs umb ſich; Und der Allerweiſeſte
wuͤſte dieſe einmahl zu Kraͤfften gekommene
Ungeheuer/ welche den Menſchen in heßlichere
Thiere als Ciree verwandelte/ nicht zu baͤndi-
gen. Sie wuͤrffen ihn aus dem Sattel/ wenn
er ihnen nur ein wenig den Zuͤgel verhienge.
Die Vernunfft waͤre viel zu ſchwach ſie zuruͤcke
zu halten. Denn ſie waͤren eben ſo wol/ als
die wilden Thiere gegen ihre Beredungentaub.
Sie wuͤrden wie die gekirꝛten Tiger/ wenn man
ſichs am wenigſten verſehe/ wieder raſend;
und dahero verließen ſie niemals ihre boͤſe Ei-
genſchafft gar/ durch eine die Tugend allein gut
und vollkommen machende Maͤßigung. Denn
was boͤſe von Natur waͤre/ haͤtte weder Maas
noch Ziel. Das Feber/ wie gelinde es waͤre/
das Haupt-Weh/ ob es ſchon nur den halben
Kopff einnehme/ bliebe nichts deſto weniger
eine Kranckheit eben ſo wie die Schwachheiten
des Gemuͤthes/ nemlich die in etwas gemaͤßig-
ten Regungen. Ja wer beyde nicht gar aus-
zutilgen wuͤſte/ verſtuͤnde noch weniger ſelbte
aufs rechte Gewichte zu legen. Asblaſte hoͤrte
ſie wol
Erſter Theil. H h h h h h h h
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