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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] Auge wolte nichts minder allen vorgehen.
Denn die Sonne wäre das Auge der Welt; seine
Blume aber ihrer Schönheit halber gleichsam
die Sonne/ und also ein rechter Spiegel der
Blumen/ wie das Auge der Natur. Allein
diesen Riesen bot die Zwergin die Meyen-
Blume Kampf an; und meldete: Sie such-
ten ihre Hoheit nur aus der Schale ihres
prächtigen Nahmens zu behaupten; sie aber
aus ihrem fürtreflichen Wesen. Denn sie wäre
die rechte Thal-Lilge/ und so voll Geist: daß
wie an der Nachtigall mehr Gesang als Vogel/
also an ihm mehr Geruch als Blume wäre.
Dahero sie nichts minder wegen ihrer verein-
barten Tugend/ welche die Lebens-Geister der
Ohnmächtigen selbst wieder beseelete/ ja die Lei-
che des Eßigs in heilsame Stärckung verwan-
delte/ allen grössern Blumen als eine Dattel
einem Kirbse/ und der Paradis-Vogel einem
Trappen vorgezogen zu werden verdiente.

Unter denen Sommer-Blumen erhob sich
keine geringere Zwytracht. Die Lilge rühmte
sich eine Königin aller Blumen; weil sie aus
der Milch der Götter-Königin/ nemlich der
eyversüchtigen Juno entsprossen; ihr Stengel
der höchste/ ihre Farbe die vollkommenste/ ihr
Geruch kräfftiger als Balsam/ ihre Thräne
ihr selbst eigener Saame; ihre Blätter voll
Oel und Salbe/ ihre Krafft eine nützliche Artz-
ney/ ihr Safft ein Ursprung des Honigs; und
sie; nwendig mit Golde gekrönet/ und an statt
der Dornen mit Anmuth gewafnet wäre.
Die sich für eine Lilge rühmende Meyblume
wäre gegen ihr ein kaum sichtbarer Kriepel/
und noch dazu unfruchtbar. Denn seine
Blumen hätten keinen Saamen/ und stürben
durch ihre Ver welckung nicht nur ihr/ sondern
gar der Nachwelt ab. Daher diese pucklichte
Zwergin mit ihrem gebückten Halse sich gar
billich für ihr in düstere Thäler verkrieche. So
seind die Bienen dem Oele sind/ so entrüstet
stellte sich auch das Bienen-Kraut gegen die
[Spaltenumbruch] ölichte Lilge. Es führte für sich an: daß es
das Labsal der keuschen und gerechten Bienen/
und der Brunnquell des Honigs wäre; wor-
mit die heilige Priesterin der grossen Göttin
Jupitern auferzogen/ den Sterblichen den
Zucker des himmlischen Nectars zugefrömet/
ihnen ein Mittel das Leben zu verlängern/ und
ihre Leichen für der Fäulnüs zu verwahren/ ja
sich von Sünden und Traurigkeit rein zu be-
waschen geschencket hätte. Seine Blume und
Kraut wäre ein Tod der Traurigkeit/ eine
Uberwinderin des Gifftes/ und eine Aertztin
aller Frauen-Kranckheiten. Die Susianische
Schwerdt-Lilge rückte dieser hingegen für:
Wie das Honig ein Bild des Todes wäre; also
wäre auch an seiner Blume nichts lebhaftes. Sie
hingegen wäre auf Erden/ wie der Regenbogen
im Himmel ein Begrief aller schönen Farben/
ein Wunder der Augen/ und eine Königin der
Blumen/ wie ihr Vaterland Persien/ anderer
Länder. Alleine sie ward von der Nelcke verhö-
net und ermahnet: Sie möchte sich mit ihrer wäß-
richten Eitelkeit für ihrem Feuer nur unter das
Wasserdes Flusses Euleus verkriechen/ und aus
ihres Vaterlandes brennenden Hartztbrunden mehr
Feuer an sich ziehen. Deun der Nelcken starcker
Würtz-Geruch wäre ein selbstständiger Ge-
schmack der Jndianischen Nägel. Alle Farben der
Welt müsten ihr zum Pinsel dienen/ dadurch er
sich öfter/ als Proteus verkleiden könte. Und wie
kein Apelles mit seinem Pinsel ihre Schönheit
ausdrücken könte/ also wäre sie der rechte Mah-
ler der Gärte. Beyden widersprach ins Antlitz
das Knaben-Kraut: die vielen Farben der Nel-
cken wäre eine gemeinen Kleider-Verwechse-
lung; das Knaben-Kraut aber bildete auf sei-
nen vielen Blättern die Gestalten allerhand
Thiere/ ja der Männer und Weiber mit einer
wundersamen Röthe ab. Seine Kräfften
überstiegen das Vermögen aller andern Pflan-
tzen. Denn sie zündeten in denen eyskalten
Adern den Zunder der Liebe an; und machten

gleich-

Neuntes Buch
[Spaltenumbruch] Auge wolte nichts minder allen vorgehen.
Denn die Soñe waͤre das Auge der Welt; ſeine
Blume aber ihrer Schoͤnheit halber gleichſam
die Sonne/ und alſo ein rechter Spiegel der
Blumen/ wie das Auge der Natur. Allein
dieſen Rieſen bot die Zwergin die Meyen-
Blume Kampf an; und meldete: Sie ſuch-
ten ihre Hoheit nur aus der Schale ihres
praͤchtigen Nahmens zu behaupten; ſie aber
aus ihrem fuͤrtreflichen Weſen. Denn ſie waͤre
die rechte Thal-Lilge/ und ſo voll Geiſt: daß
wie an der Nachtigall mehr Geſang als Vogel/
alſo an ihm mehr Geruch als Blume waͤre.
Dahero ſie nichts minder wegen ihrer verein-
barten Tugend/ welche die Lebens-Geiſter der
Ohnmaͤchtigen ſelbſt wieder beſeelete/ ja die Lei-
che des Eßigs in heilſame Staͤrckung verwan-
delte/ allen groͤſſern Blumen als eine Dattel
einem Kirbſe/ und der Paradis-Vogel einem
Trappen vorgezogen zu werden veꝛdiente.

Unter denen Sommer-Blumen erhob ſich
keine geringere Zwytracht. Die Lilge ruͤhmte
ſich eine Koͤnigin aller Blumen; weil ſie aus
der Milch der Goͤtter-Koͤnigin/ nemlich der
eyverſuͤchtigen Juno entſproſſen; ihr Stengel
der hoͤchſte/ ihre Farbe die vollkommenſte/ ihr
Geruch kraͤfftiger als Balſam/ ihre Thraͤne
ihr ſelbſt eigener Saame; ihre Blaͤtter voll
Oel und Salbe/ ihre Krafft eine nuͤtzliche Artz-
ney/ ihr Safft ein Urſprung des Honigs; und
ſie; nwendig mit Golde gekroͤnet/ und an ſtatt
der Dornen mit Anmuth gewafnet waͤre.
Die ſich fuͤr eine Lilge ruͤhmende Meyblume
waͤre gegen ihr ein kaum ſichtbarer Kriepel/
und noch dazu unfruchtbar. Denn ſeine
Blumen haͤtten keinen Saamen/ und ſtuͤrben
durch ihre Ver welckung nicht nur ihr/ ſondern
gar der Nachwelt ab. Daher dieſe pucklichte
Zwergin mit ihrem gebuͤckten Halſe ſich gar
billich fuͤr ihr in duͤſtere Thaͤler verkrieche. So
ſeind die Bienen dem Oele ſind/ ſo entruͤſtet
ſtellte ſich auch das Bienen-Kraut gegen die
[Spaltenumbruch] oͤlichte Lilge. Es fuͤhrte fuͤr ſich an: daß es
das Labſal der keuſchen und gerechten Bienen/
und der Brunnquell des Honigs waͤre; wor-
mit die heilige Prieſterin der groſſen Goͤttin
Jupitern auferzogen/ den Sterblichen den
Zucker des himmliſchen Nectars zugefroͤmet/
ihnen ein Mittel das Leben zu verlaͤngern/ und
ihre Leichen fuͤr der Faͤulnuͤs zu verwahren/ ja
ſich von Suͤnden und Traurigkeit rein zu be-
waſchen geſchencket haͤtte. Seine Blume und
Kraut waͤre ein Tod der Traurigkeit/ eine
Uberwinderin des Gifftes/ und eine Aertztin
aller Frauen-Kꝛanckheiten. Die Suſianiſche
Schwerdt-Lilge ruͤckte dieſer hingegen fuͤr:
Wie das Honig ein Bild des Todes waͤre; alſo
waͤꝛe auch an ſeineꝛ Blume nichts lebhaftes. Sie
hingegen waͤre auf Erden/ wie der Regenbogen
im Himmel ein Begrief aller ſchoͤnen Farben/
ein Wunder der Augen/ und eine Koͤnigin der
Blumen/ wie ihr Vaterland Perſien/ anderer
Laͤnder. Alleine ſie ward von der Nelcke verhoͤ-
net uñ eꝛmahnet: Sie moͤchte ſich mit ihꝛeꝛ waͤß-
richten Eitelkeit fuͤr ihrem Feuer nur unter das
Waſſerdes Fluſſes Euleus verkriechẽ/ und aus
ihꝛes Vateꝛlandes bꝛeñenden Haꝛtztbꝛuñen mehr
Feuer an ſich ziehen. Deũ der Nelcken ſtarcker
Wuͤrtz-Geruch waͤre ein ſelbſtſtaͤndiger Ge-
ſchmack der Jndianiſchẽ Naͤgel. Alle Farben der
Welt muͤſten ihr zum Pinſel dienen/ dadurch er
ſich oͤfter/ als Proteus verkleiden koͤnte. Und wie
kein Apelles mit ſeinem Pinſel ihre Schoͤnheit
ausdruͤcken koͤnte/ alſo waͤre ſie der rechte Mah-
ler der Gaͤrte. Beyden wideꝛſprach ins Antlitz
das Knaben-Kraut: die vielen Farben der Nel-
cken waͤre eine gemeinẽ Kleider-Verwechſe-
lung; das Knaben-Kraut aber bildete auf ſei-
nen vielen Blaͤttern die Geſtalten allerhand
Thiere/ ja der Maͤnner und Weiber mit einer
wunderſamen Roͤthe ab. Seine Kraͤfften
uͤberſtiegen das Vermoͤgen aller andern Pflan-
tzen. Denn ſie zuͤndeten in denen eyskalten
Adern den Zunder der Liebe an; und machten

gleich-
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[1388[1390]/1456] Neuntes Buch Auge wolte nichts minder allen vorgehen. Denn die Soñe waͤre das Auge der Welt; ſeine Blume aber ihrer Schoͤnheit halber gleichſam die Sonne/ und alſo ein rechter Spiegel der Blumen/ wie das Auge der Natur. Allein dieſen Rieſen bot die Zwergin die Meyen- Blume Kampf an; und meldete: Sie ſuch- ten ihre Hoheit nur aus der Schale ihres praͤchtigen Nahmens zu behaupten; ſie aber aus ihrem fuͤrtreflichen Weſen. Denn ſie waͤre die rechte Thal-Lilge/ und ſo voll Geiſt: daß wie an der Nachtigall mehr Geſang als Vogel/ alſo an ihm mehr Geruch als Blume waͤre. Dahero ſie nichts minder wegen ihrer verein- barten Tugend/ welche die Lebens-Geiſter der Ohnmaͤchtigen ſelbſt wieder beſeelete/ ja die Lei- che des Eßigs in heilſame Staͤrckung verwan- delte/ allen groͤſſern Blumen als eine Dattel einem Kirbſe/ und der Paradis-Vogel einem Trappen vorgezogen zu werden veꝛdiente. Unter denen Sommer-Blumen erhob ſich keine geringere Zwytracht. Die Lilge ruͤhmte ſich eine Koͤnigin aller Blumen; weil ſie aus der Milch der Goͤtter-Koͤnigin/ nemlich der eyverſuͤchtigen Juno entſproſſen; ihr Stengel der hoͤchſte/ ihre Farbe die vollkommenſte/ ihr Geruch kraͤfftiger als Balſam/ ihre Thraͤne ihr ſelbſt eigener Saame; ihre Blaͤtter voll Oel und Salbe/ ihre Krafft eine nuͤtzliche Artz- ney/ ihr Safft ein Urſprung des Honigs; und ſie; nwendig mit Golde gekroͤnet/ und an ſtatt der Dornen mit Anmuth gewafnet waͤre. Die ſich fuͤr eine Lilge ruͤhmende Meyblume waͤre gegen ihr ein kaum ſichtbarer Kriepel/ und noch dazu unfruchtbar. Denn ſeine Blumen haͤtten keinen Saamen/ und ſtuͤrben durch ihre Ver welckung nicht nur ihr/ ſondern gar der Nachwelt ab. Daher dieſe pucklichte Zwergin mit ihrem gebuͤckten Halſe ſich gar billich fuͤr ihr in duͤſtere Thaͤler verkrieche. So ſeind die Bienen dem Oele ſind/ ſo entruͤſtet ſtellte ſich auch das Bienen-Kraut gegen die oͤlichte Lilge. Es fuͤhrte fuͤr ſich an: daß es das Labſal der keuſchen und gerechten Bienen/ und der Brunnquell des Honigs waͤre; wor- mit die heilige Prieſterin der groſſen Goͤttin Jupitern auferzogen/ den Sterblichen den Zucker des himmliſchen Nectars zugefroͤmet/ ihnen ein Mittel das Leben zu verlaͤngern/ und ihre Leichen fuͤr der Faͤulnuͤs zu verwahren/ ja ſich von Suͤnden und Traurigkeit rein zu be- waſchen geſchencket haͤtte. Seine Blume und Kraut waͤre ein Tod der Traurigkeit/ eine Uberwinderin des Gifftes/ und eine Aertztin aller Frauen-Kꝛanckheiten. Die Suſianiſche Schwerdt-Lilge ruͤckte dieſer hingegen fuͤr: Wie das Honig ein Bild des Todes waͤre; alſo waͤꝛe auch an ſeineꝛ Blume nichts lebhaftes. Sie hingegen waͤre auf Erden/ wie der Regenbogen im Himmel ein Begrief aller ſchoͤnen Farben/ ein Wunder der Augen/ und eine Koͤnigin der Blumen/ wie ihr Vaterland Perſien/ anderer Laͤnder. Alleine ſie ward von der Nelcke verhoͤ- net uñ eꝛmahnet: Sie moͤchte ſich mit ihꝛeꝛ waͤß- richten Eitelkeit fuͤr ihrem Feuer nur unter das Waſſerdes Fluſſes Euleus verkriechẽ/ und aus ihꝛes Vateꝛlandes bꝛeñenden Haꝛtztbꝛuñen mehr Feuer an ſich ziehen. Deũ der Nelcken ſtarcker Wuͤrtz-Geruch waͤre ein ſelbſtſtaͤndiger Ge- ſchmack der Jndianiſchẽ Naͤgel. Alle Farben der Welt muͤſten ihr zum Pinſel dienen/ dadurch er ſich oͤfter/ als Proteus verkleiden koͤnte. Und wie kein Apelles mit ſeinem Pinſel ihre Schoͤnheit ausdruͤcken koͤnte/ alſo waͤre ſie der rechte Mah- ler der Gaͤrte. Beyden wideꝛſprach ins Antlitz das Knaben-Kraut: die vielen Farben der Nel- cken waͤre eine gemeinẽ Kleider-Verwechſe- lung; das Knaben-Kraut aber bildete auf ſei- nen vielen Blaͤttern die Geſtalten allerhand Thiere/ ja der Maͤnner und Weiber mit einer wunderſamen Roͤthe ab. Seine Kraͤfften uͤberſtiegen das Vermoͤgen aller andern Pflan- tzen. Denn ſie zuͤndeten in denen eyskalten Adern den Zunder der Liebe an; und machten gleich-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1388[1390]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1456>, abgerufen am 23.11.2024.