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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] hierauff die Taffel hinweg rücken/ umb diesen
Wunder-Brunn so viel eigentlicher zu betrach-
ten/ und an einem sichern Orte die Mahlzeit zu
vollenden. Zeno fing hierauff an: Dieser
Brunn kommt mir für/ wie der von mir auff der
Reise aus Jtalien besichtigte Fluß Timavus in
Histrien/ dessen Strom ebenfalls von dem in
die unterirrdischen Klüffce sich eindringenden
Adriatischen Meere so sehr auffgeschwellet
wird/ daß er weit über seine Ufer sich ergeust/ und
selbige Landschafft wässert. Dahero halte ich da-
für/ daß dieser Boller-Brund gleichfalls von dem
Aufschwellen des Balthischen Meeres seine Be-
wegung hat. Rhemetalees warff ein: Was
wird aber für eine Ursache zu geben seyn/ daß
an dem Flusse Bätis ein Brunn/ wenn sich das
Meer ergeust/ ab- und wenn es fällt/ wieder zu-
nimmt? Daß bey den Helvetiern das berühmte
Pfeffer-Bad im Anfang des Mayen Wasser be-
kommt/ im Mittel des Herbst-Monats aber selbtes
wieder verliert; daß in dem Pyrenischen Gebür-
ge ein Brunn im längsten Tage das Wasser mit
grossem Geräusch heraus stöst/ und wenn der Tag
am kürtzsten/ wieder verseuget? Zeno antwortete:
Das erstere rührte her von den weiten und ver-
drehten unterirrdischen Wasser-Gängen/ durch
welche das eindringende Meer sich so geschwinde
nicht durchzwängen kan; das andere aber könte
nicht von dem Ab- und Zulauffe des Meeres/
sondern/ seinem Bedüncken nach/ noch von dem
zerschmeltzenden Schnee/ welcher nach und nach
mehr/ als die bald abschiessenden Regen/ in die
Berge einsincke/ herrühren. Wie kommts aber/
sagte Rhemetalces/ daß es in Pannonien und in
Histrien eine See gibt/ die des Sommers ver-
trocknet und besäet wird/ des Winters aber
schwimmet und Fischreich ist; und daß in Sy-
rien ein Fluß nur den siebenden Tag kein Was-
ser hat? Dieses muß aus der Gelegenheit des
Orts unzweifelbar entschieden werden/ versetzte
Zeno. Denn es können wol daselbst solche Hö-
len sich befinden/ die entweder den Sommer
[Spaltenumbruch] über/ oder auch nur sechs Tage die zusammen-
rinnenden Fluthen auffzufangen fähig sind;
hernach aber selbtes wie ein ausgedrückter
Schwamm durch gewisse Röhren wider von sich ge-
ben müssen. Malovend fiel ein: Sie würden vie-
ler Tage Arbeit bedürfen/ die Wunder ausländi-
scher Brunden und Flüsse zu berühren/ wiewol er
viel für Gedichte hielte; als: daß in der Jnsel
Cäa ein Brunn den/ der daraus trincket/ verdü-
stert/ einer in Cilicien lebhafft/ der Leontische ge-
lehrt/ in Sicilien einer weinend/ der ander la-
chend/ einer/ ich weiß nicht wo/ verliebt machen/
einer in der Jnsel Bonicca verjüngen/ der Fluß
Selemnius in Achaien aber der Liebe abhelffen
solle. Es lidte es auch nicht die Zeit von Deutsch-
lands Wunder-Wassern zu reden; sondern er
wolte nur von der engen Gegend nicht ver-
schweigen/ daß nahe von dar der Fluß Beche
und Lichtenau sich unter die Erde verkriechen/
und unfern von des Feldherrn Burg bey der
Stadt Tenderium wieder hervor schüssen; wie
der Fluß Anas in Hispanien/ Lycius in Asien/
Tigris in Mesopotamien/ Timavus in Histri-
en/ und viel andere auch thun sollen.

Uber diesem Wasser-Gespräche ward die
Mahlzeit vollendet/ da sie dann in einen über
das gantze Gemach gehenden Saal empor stie-
gen/ welcher mit allerhand Zierrathen ausge-
putzt war/ und rings herumb über den Thier-
garten ein lustiges Aussehen auff die häufsig
darinnen verschlossenen und miteinander spie-
lenden Thiere eröffnete; worunter viel von
Natur wilde Bären/ Wölfe/ Luchsen/ entweder
durch Gewohnheit gezähmt/ oder ihnen ihre zur
Verletzung dienende Waffen benommen wa-
ren. Umb den Saal herumb waren in Le-
bens-Grösse zwölff Helden gemahlet/ derer
Waffen genungsam andeuteten/ daß es Deut-
sche wären. Zeno redete hiermit den Fürsten
Malovend an: Jch habe mir Deutschland viel
wilder beschreiben lassen/ als ich es ietzt in Au-
genschein befinde. Und darff ich mich über die

Sitten

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] hierauff die Taffel hinweg ruͤcken/ umb dieſen
Wunder-Brunn ſo viel eigentlicher zu betrach-
ten/ und an einem ſichern Orte die Mahlzeit zu
vollenden. Zeno fing hierauff an: Dieſer
Brunn kom̃t mir fuͤr/ wie der von mir auff der
Reiſe aus Jtalien beſichtigte Fluß Timavus in
Hiſtrien/ deſſen Strom ebenfalls von dem in
die unterirrdiſchen Kluͤffce ſich eindringenden
Adriatiſchen Meere ſo ſehr auffgeſchwellet
wird/ daß er weit uͤber ſeine Ufer ſich ergeuſt/ und
ſelbige Landſchafft waͤſſert. Dahero halte ich da-
fuͤr/ daß dieſer Boller-Bruñ gleichfalls von dem
Aufſchwellen des Balthiſchen Meeres ſeine Be-
wegung hat. Rhemetalees warff ein: Was
wird aber fuͤr eine Urſache zu geben ſeyn/ daß
an dem Fluſſe Baͤtis ein Brunn/ wenn ſich das
Meer ergeuſt/ ab- und wenn es faͤllt/ wieder zu-
nim̃t? Daß bey den Helvetiern das beruͤhmte
Pfeffer-Bad im Anfang des Mayen Waſſer be-
kom̃t/ im Mittel des Herbſt-Monats aber ſelbtes
wieder verliert; daß in dem Pyreniſchen Gebuͤr-
ge ein Brunn im laͤngſten Tage das Waſſer mit
groſſem Geraͤuſch heraus ſtoͤſt/ und weñ der Tag
am kuͤrtzſten/ wieder verſeuget? Zeno antwortete:
Das erſtere ruͤhrte her von den weiten und ver-
drehten unterirrdiſchen Waſſer-Gaͤngen/ durch
welche das eindringende Meer ſich ſo geſchwinde
nicht durchzwaͤngen kan; das andere aber koͤnte
nicht von dem Ab- und Zulauffe des Meeres/
ſondern/ ſeinem Beduͤncken nach/ noch von dem
zerſchmeltzenden Schnee/ welcher nach und nach
mehr/ als die bald abſchieſſenden Regen/ in die
Berge einſincke/ herruͤhren. Wie kom̃ts aber/
ſagte Rhemetalces/ daß es in Pannonien und in
Hiſtrien eine See gibt/ die des Sommers ver-
trocknet und beſaͤet wird/ des Winters aber
ſchwimmet und Fiſchreich iſt; und daß in Sy-
rien ein Fluß nur den ſiebenden Tag kein Waſ-
ſer hat? Dieſes muß aus der Gelegenheit des
Orts unzweifelbar entſchieden werden/ verſetzte
Zeno. Denn es koͤnnen wol daſelbſt ſolche Hoͤ-
len ſich befinden/ die entweder den Sommer
[Spaltenumbruch] uͤber/ oder auch nur ſechs Tage die zuſammen-
rinnenden Fluthen auffzufangen faͤhig ſind;
hernach aber ſelbtes wie ein ausgedruͤckter
Schwam̃ durch gewiſſe Roͤhrẽ wider von ſich ge-
ben muͤſſen. Malovend fiel ein: Sie wuͤrden vie-
ler Tage Arbeit beduͤrfen/ die Wunder auslaͤndi-
ſcher Bruñen und Fluͤſſe zu beruͤhren/ wiewol er
viel fuͤr Gedichte hielte; als: daß in der Jnſel
Caͤa ein Brunn den/ der daraus trincket/ verduͤ-
ſtert/ einer in Cilicien lebhafft/ der Leontiſche ge-
lehrt/ in Sicilien einer weinend/ der ander la-
chend/ einer/ ich weiß nicht wo/ verliebt machen/
einer in der Jnſel Bonicca verjuͤngen/ der Fluß
Selemnius in Achaien aber der Liebe abhelffen
ſolle. Es lidte es auch nicht die Zeit von Deutſch-
lands Wunder-Waſſern zu reden; ſondern er
wolte nur von der engen Gegend nicht ver-
ſchweigen/ daß nahe von dar der Fluß Beche
und Lichtenau ſich unter die Erde verkriechen/
und unfern von des Feldherrn Burg bey der
Stadt Tenderium wieder hervor ſchuͤſſen; wie
der Fluß Anas in Hiſpanien/ Lycius in Aſien/
Tigris in Meſopotamien/ Timavus in Hiſtri-
en/ und viel andere auch thun ſollen.

Uber dieſem Waſſer-Geſpraͤche ward die
Mahlzeit vollendet/ da ſie dann in einen uͤber
das gantze Gemach gehenden Saal empor ſtie-
gen/ welcher mit allerhand Zierrathen ausge-
putzt war/ und rings herumb uͤber den Thier-
garten ein luſtiges Ausſehen auff die haͤufſig
darinnen verſchloſſenen und miteinander ſpie-
lenden Thiere eroͤffnete; worunter viel von
Natur wilde Baͤren/ Woͤlfe/ Luchſen/ entweder
durch Gewohnheit gezaͤhmt/ oder ihnen ihre zur
Verletzung dienende Waffen benommen wa-
ren. Umb den Saal herumb waren in Le-
bens-Groͤſſe zwoͤlff Helden gemahlet/ derer
Waffen genungſam andeuteten/ daß es Deut-
ſche waͤren. Zeno redete hiermit den Fuͤrſten
Malovend an: Jch habe mir Deutſchland viel
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genſchein befinde. Und darff ich mich uͤber die

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[104/0154] Anderes Buch hierauff die Taffel hinweg ruͤcken/ umb dieſen Wunder-Brunn ſo viel eigentlicher zu betrach- ten/ und an einem ſichern Orte die Mahlzeit zu vollenden. Zeno fing hierauff an: Dieſer Brunn kom̃t mir fuͤr/ wie der von mir auff der Reiſe aus Jtalien beſichtigte Fluß Timavus in Hiſtrien/ deſſen Strom ebenfalls von dem in die unterirrdiſchen Kluͤffce ſich eindringenden Adriatiſchen Meere ſo ſehr auffgeſchwellet wird/ daß er weit uͤber ſeine Ufer ſich ergeuſt/ und ſelbige Landſchafft waͤſſert. Dahero halte ich da- fuͤr/ daß dieſer Boller-Bruñ gleichfalls von dem Aufſchwellen des Balthiſchen Meeres ſeine Be- wegung hat. Rhemetalees warff ein: Was wird aber fuͤr eine Urſache zu geben ſeyn/ daß an dem Fluſſe Baͤtis ein Brunn/ wenn ſich das Meer ergeuſt/ ab- und wenn es faͤllt/ wieder zu- nim̃t? Daß bey den Helvetiern das beruͤhmte Pfeffer-Bad im Anfang des Mayen Waſſer be- kom̃t/ im Mittel des Herbſt-Monats aber ſelbtes wieder verliert; daß in dem Pyreniſchen Gebuͤr- ge ein Brunn im laͤngſten Tage das Waſſer mit groſſem Geraͤuſch heraus ſtoͤſt/ und weñ der Tag am kuͤrtzſten/ wieder verſeuget? Zeno antwortete: Das erſtere ruͤhrte her von den weiten und ver- drehten unterirrdiſchen Waſſer-Gaͤngen/ durch welche das eindringende Meer ſich ſo geſchwinde nicht durchzwaͤngen kan; das andere aber koͤnte nicht von dem Ab- und Zulauffe des Meeres/ ſondern/ ſeinem Beduͤncken nach/ noch von dem zerſchmeltzenden Schnee/ welcher nach und nach mehr/ als die bald abſchieſſenden Regen/ in die Berge einſincke/ herruͤhren. Wie kom̃ts aber/ ſagte Rhemetalces/ daß es in Pannonien und in Hiſtrien eine See gibt/ die des Sommers ver- trocknet und beſaͤet wird/ des Winters aber ſchwimmet und Fiſchreich iſt; und daß in Sy- rien ein Fluß nur den ſiebenden Tag kein Waſ- ſer hat? Dieſes muß aus der Gelegenheit des Orts unzweifelbar entſchieden werden/ verſetzte Zeno. Denn es koͤnnen wol daſelbſt ſolche Hoͤ- len ſich befinden/ die entweder den Sommer uͤber/ oder auch nur ſechs Tage die zuſammen- rinnenden Fluthen auffzufangen faͤhig ſind; hernach aber ſelbtes wie ein ausgedruͤckter Schwam̃ durch gewiſſe Roͤhrẽ wider von ſich ge- ben muͤſſen. Malovend fiel ein: Sie wuͤrden vie- ler Tage Arbeit beduͤrfen/ die Wunder auslaͤndi- ſcher Bruñen und Fluͤſſe zu beruͤhren/ wiewol er viel fuͤr Gedichte hielte; als: daß in der Jnſel Caͤa ein Brunn den/ der daraus trincket/ verduͤ- ſtert/ einer in Cilicien lebhafft/ der Leontiſche ge- lehrt/ in Sicilien einer weinend/ der ander la- chend/ einer/ ich weiß nicht wo/ verliebt machen/ einer in der Jnſel Bonicca verjuͤngen/ der Fluß Selemnius in Achaien aber der Liebe abhelffen ſolle. Es lidte es auch nicht die Zeit von Deutſch- lands Wunder-Waſſern zu reden; ſondern er wolte nur von der engen Gegend nicht ver- ſchweigen/ daß nahe von dar der Fluß Beche und Lichtenau ſich unter die Erde verkriechen/ und unfern von des Feldherrn Burg bey der Stadt Tenderium wieder hervor ſchuͤſſen; wie der Fluß Anas in Hiſpanien/ Lycius in Aſien/ Tigris in Meſopotamien/ Timavus in Hiſtri- en/ und viel andere auch thun ſollen. Uber dieſem Waſſer-Geſpraͤche ward die Mahlzeit vollendet/ da ſie dann in einen uͤber das gantze Gemach gehenden Saal empor ſtie- gen/ welcher mit allerhand Zierrathen ausge- putzt war/ und rings herumb uͤber den Thier- garten ein luſtiges Ausſehen auff die haͤufſig darinnen verſchloſſenen und miteinander ſpie- lenden Thiere eroͤffnete; worunter viel von Natur wilde Baͤren/ Woͤlfe/ Luchſen/ entweder durch Gewohnheit gezaͤhmt/ oder ihnen ihre zur Verletzung dienende Waffen benommen wa- ren. Umb den Saal herumb waren in Le- bens-Groͤſſe zwoͤlff Helden gemahlet/ derer Waffen genungſam andeuteten/ daß es Deut- ſche waͤren. Zeno redete hiermit den Fuͤrſten Malovend an: Jch habe mir Deutſchland viel wilder beſchreiben laſſen/ als ich es ietzt in Au- genſchein befinde. Und darff ich mich uͤber die Sitten

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/154>, abgerufen am 21.11.2024.