Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Anderes Buch [Spaltenumbruch]
che Hauß/ allwo man die gantze Nacht so wolan Riamen/ als Olorenen genung zu reiben und kühlen hatte/ derer Bestürtzung sich in eine völlige Kranckheit verwandelte. Diese a- ber und die so hefftige Empfindligkeit Riamens/ welche Klodomirn fast aller Hoffnung seinen Zweck zu erlangen beraubte/ verursachte/ daß er sich des Hoffes/ und zugleich seine hierüber sich etwan ereignende Gemüths-Schwachheit zu verbergen/ entschlug/ und in denen tiefsten Wildnüssen des Jagens bediente. Hierüber aber gerieth er in euserste Lebens-Gefahr. Denn als er einst sich von den Seinigen verirrete/ und des Nachts in der Rauchhütte eines Kohlbren- ners herbergen muste/ ward er von diesem Busi- ris und zwey andern Mord-Gesellen unver- hofft angefallen/ derer sich doch seine Tapffer- keit durch ihre Hinrichtung mit seiner einigen Hand erledigte. Dieser Zufall und die Unruh seines Gemüthes trieb ihn hierauf wieder an Hof/ allwo Riamens und Olorenens sich täglich vergrössernde Kranckheit die Kunst aller Aertzte und die Kräfften aller Artzneyen zernichtete. Diese euserste Gefahr bewegte den Königlichen Artzt Marcomirn offenhertzig zu entdecken: Es wären mehr Kranckheiten des Gemüthes/ als des Leibes. Dahero er und alle Aertzte denen Krancken keine Genesung/ ihnen selbst aber nichts als Schande zuziehen würde. Marco- mir/ welcher ohne diß besser als iemand den Ur- sprung ihres Ubels wuste/ fragte bekümmert: ob denn diese Schwachheiten des Gemüthes auch zuweilen tödtlich wären? Jn allewege/ antwortete der Artzt/ weil die heftigen Gemüths- Regungen der Ausfarth der verwirrten Lebens- Geister nichts minder eine Pforte öfneten/ als eine Verwundung dem ausschüssenden Geblü- te/ dadurch die Seele nach und nach verschwin- de. Also wäre zu Rom eine Mutter über der unverhofften Erblickung ihres für todt gehalte- nen Sohnes für Freuden erblichen. Und der dem Sophocles aufgesetzte Lorber-Krantz/ weil [Spaltenumbruch] eines seiner Trauerspiele für andern den Preiß behalten/ wäre ihm so tödtlich/ als das Gifft dem Socrates gewest. Bey so gestalten Sa- chen/ da keine Kräuter-Artzneyen des Gemü- thes wären/ würde am rathsamsten seyn/ an statt der Menschen himmlische Hülffe zu suchen. Auf der Druyden hierüber eingeholtes Gut- achten/ ließ Marcomir beyde Krancken in einen uhralten Tempel des Esculapius/ welcher in ei- nem Jahr mit dem zu Carthago soll gebaut seyn/ bringen/ selbigem durch die dem Heiligthum vorstehende Daunische und Calabrische Priester auf dem Grabe des Podalir sieben Widder opffern/ und auf derselben Felle beyde Fürstin- nen legen. Es ist wunderns werth/ daß die/ welche so viel Zeit kein Auge zugemacht/ diese gantze Nacht in einen sanften Schlaf verfielen. Olorene erwachte zum ersten/ iedoch erst mit der aufgehenden Sonne/ und kurtz nach ihr auch Riame. Beyde wusten nicht/ wie sie dahin kom- men/ ob sie noch in der Welt oder unter irrdi- schen Grüften bey den abgelebten Geistern schwebeten. Nach gegeneinander erfolgter Befragung erzehlte Olorene/ sie wüste nicht/ obs ihr geträumet/ oder ob der Geist des ertrun- ckenen Hertzog Friedebalds ihr wahrhaftig er- schienen wäre. Dieser hätte ihr mit kläglicher Gebärdung erzehlet/ daß sein Schiff durch Unvorsichtigkeit der Bootsleute an einen Fel- sen gelauffen und zerborsten/ er aber ertruncken wäre. Er dulde aber nunmehr unerträgliche Schmertzen/ weil ihre und Riamens Seufftzer seine Ruh störten/ und ihre Thränen ihm eitel bittere Wermuth einschenckten. Dahero bete er sie mit gefaltenen Händen/ sie solte mit so un- besonnener Traurigkeit nicht ihren verstorbe- nen Liebhaber peinigen/ nicht ihrem lebenden Marck und Bein aussaugen/ nicht das gemei- ne Heil hindern/ noch aus übermäßigem Hertze- leide unzeitigen Ruhm/ und ihren vom Ver- hängnüsse noch nicht ausgesteckten Tod suchen. Riame antwortete ihr/ diß könte kein Traum/ oder
Anderes Buch [Spaltenumbruch]
che Hauß/ allwo man die gantze Nacht ſo wolan Riamen/ als Olorenen genung zu reiben und kuͤhlen hatte/ derer Beſtuͤrtzung ſich in eine voͤllige Kranckheit verwandelte. Dieſe a- ber und die ſo hefftige Empfindligkeit Riamens/ welche Klodomirn faſt aller Hoffnung ſeinen Zweck zu erlangen beraubte/ verurſachte/ daß er ſich des Hoffes/ und zugleich ſeine hieruͤber ſich etwan ereignende Gemuͤths-Schwachheit zu verbergen/ entſchlug/ und in denen tiefſten Wildnuͤſſen des Jagens bediente. Hieruͤber aber gerieth er in euſerſte Lebens-Gefahr. Denn als er einſt ſich von den Seinigen verirrete/ und des Nachts in der Rauchhuͤtte eines Kohlbren- ners herbergen muſte/ ward er von dieſem Buſi- ris und zwey andern Mord-Geſellen unver- hofft angefallen/ derer ſich doch ſeine Tapffer- keit durch ihre Hinrichtung mit ſeiner einigen Hand erledigte. Dieſer Zufall und die Unruh ſeines Gemuͤthes trieb ihn hierauf wieder an Hof/ allwo Riamens und Olorenens ſich taͤglich vergroͤſſernde Kranckheit die Kunſt aller Aertzte und die Kraͤfften aller Artzneyen zernichtete. Dieſe euſerſte Gefahr bewegte den Koͤniglichen Artzt Marcomirn offenhertzig zu entdecken: Es waͤren mehr Kranckheiten des Gemuͤthes/ als des Leibes. Dahero er und alle Aertzte denen Krancken keine Geneſung/ ihnen ſelbſt aber nichts als Schande zuziehen wuͤrde. Marco- mir/ welcher ohne diß beſſer als iemand den Ur- ſprung ihres Ubels wuſte/ fragte bekuͤmmert: ob denn dieſe Schwachheiten des Gemuͤthes auch zuweilen toͤdtlich waͤren? Jn allewege/ antwortete der Artzt/ weil die heftigen Gemuͤths- Regungen der Ausfarth der verwirrten Lebens- Geiſter nichts minder eine Pforte oͤfneten/ als eine Verwundung dem ausſchuͤſſenden Gebluͤ- te/ dadurch die Seele nach und nach verſchwin- de. Alſo waͤre zu Rom eine Mutter uͤber der unverhofften Erblickung ihres fuͤr todt gehalte- nen Sohnes fuͤr Freuden erblichen. Und der dem Sophocles aufgeſetzte Lorber-Krantz/ weil [Spaltenumbruch] eines ſeiner Trauerſpiele fuͤr andern den Preiß behalten/ waͤre ihm ſo toͤdtlich/ als das Gifft dem Socrates geweſt. Bey ſo geſtalten Sa- chen/ da keine Kraͤuter-Artzneyen des Gemuͤ- thes waͤren/ wuͤrde am rathſamſten ſeyn/ an ſtatt der Menſchen himmliſche Huͤlffe zu ſuchen. Auf der Druyden hieruͤber eingeholtes Gut- achten/ ließ Marcomir beyde Krancken in einen uhralten Tempel des Eſculapius/ welcher in ei- nem Jahr mit dem zu Carthago ſoll gebaut ſeyn/ bringen/ ſelbigem durch die dem Heiligthum vorſtehende Dauniſche und Calabriſche Prieſter auf dem Grabe des Podalir ſieben Widder opffern/ und auf derſelben Felle beyde Fuͤrſtin- nen legen. Es iſt wunderns werth/ daß die/ welche ſo viel Zeit kein Auge zugemacht/ dieſe gantze Nacht in einen ſanften Schlaf verfielen. Olorene erwachte zum erſten/ iedoch erſt mit der aufgehenden Sonne/ und kurtz nach ihr auch Riame. Beyde wuſten nicht/ wie ſie dahin kom- men/ ob ſie noch in der Welt oder unter irrdi- ſchen Gruͤften bey den abgelebten Geiſtern ſchwebeten. Nach gegeneinander erfolgter Befragung erzehlte Olorene/ ſie wuͤſte nicht/ obs ihr getraͤumet/ oder ob der Geiſt des ertrun- ckenen Hertzog Friedebalds ihr wahrhaftig er- ſchienen waͤre. Dieſer haͤtte ihr mit klaͤglicher Gebaͤrdung erzehlet/ daß ſein Schiff durch Unvorſichtigkeit der Bootsleute an einen Fel- ſen gelauffen und zerborſten/ er aber ertruncken waͤre. Er dulde aber nunmehr unertraͤgliche Schmertzen/ weil ihre und Riamens Seufftzer ſeine Ruh ſtoͤrten/ und ihre Thraͤnen ihm eitel bittere Wermuth einſchenckten. Dahero bete er ſie mit gefaltenen Haͤnden/ ſie ſolte mit ſo un- beſonnener Traurigkeit nicht ihren verſtorbe- nen Liebhaber peinigen/ nicht ihrem lebenden Marck und Bein ausſaugen/ nicht das gemei- ne Heil hindern/ noch aus uͤbermaͤßigem Hertze- leide unzeitigen Ruhm/ und ihren vom Ver- haͤngnuͤſſe noch nicht ausgeſteckten Tod ſuchen. Riame antwortete ihr/ diß koͤnte kein Traum/ oder
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0214" n="164"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch</hi></fw><lb/><cb/> che Hauß/ allwo man die gantze Nacht ſo wol<lb/> an Riamen/ als Olorenen genung zu reiben<lb/> und kuͤhlen hatte/ derer Beſtuͤrtzung ſich in<lb/> eine voͤllige Kranckheit verwandelte. Dieſe a-<lb/> ber und die ſo hefftige Empfindligkeit Riamens/<lb/> welche Klodomirn faſt aller Hoffnung ſeinen<lb/> Zweck zu erlangen beraubte/ verurſachte/ daß<lb/> er ſich des Hoffes/ und zugleich ſeine hieruͤber ſich<lb/> etwan ereignende Gemuͤths-Schwachheit zu<lb/> verbergen/ entſchlug/ und in denen tiefſten<lb/> Wildnuͤſſen des Jagens bediente. Hieruͤber<lb/> aber gerieth er in euſerſte Lebens-Gefahr. Denn<lb/> als er einſt ſich von den Seinigen verirrete/ und<lb/> des Nachts in der Rauchhuͤtte eines Kohlbren-<lb/> ners herbergen muſte/ ward er von dieſem Buſi-<lb/> ris und zwey andern Mord-Geſellen unver-<lb/> hofft angefallen/ derer ſich doch ſeine Tapffer-<lb/> keit durch ihre Hinrichtung mit ſeiner einigen<lb/> Hand erledigte. Dieſer Zufall und die Unruh<lb/> ſeines Gemuͤthes trieb ihn hierauf wieder an<lb/> Hof/ allwo Riamens und Olorenens ſich taͤglich<lb/> vergroͤſſernde Kranckheit die Kunſt aller Aertzte<lb/> und die Kraͤfften aller Artzneyen zernichtete.<lb/> Dieſe euſerſte Gefahr bewegte den Koͤniglichen<lb/> Artzt Marcomirn offenhertzig zu entdecken: Es<lb/> waͤren mehr Kranckheiten des Gemuͤthes/ als<lb/> des Leibes. Dahero er und alle Aertzte denen<lb/> Krancken keine Geneſung/ ihnen ſelbſt aber<lb/> nichts als Schande zuziehen wuͤrde. Marco-<lb/> mir/ welcher ohne diß beſſer als iemand den Ur-<lb/> ſprung ihres Ubels wuſte/ fragte bekuͤmmert:<lb/> ob denn dieſe Schwachheiten des Gemuͤthes<lb/> auch zuweilen toͤdtlich waͤren? Jn allewege/<lb/> antwortete der Artzt/ weil die heftigen Gemuͤths-<lb/> Regungen der Ausfarth der verwirrten Lebens-<lb/> Geiſter nichts minder eine Pforte oͤfneten/ als<lb/> eine Verwundung dem ausſchuͤſſenden Gebluͤ-<lb/> te/ dadurch die Seele nach und nach verſchwin-<lb/> de. Alſo waͤre zu Rom eine Mutter uͤber der<lb/> unverhofften Erblickung ihres fuͤr todt gehalte-<lb/> nen Sohnes fuͤr Freuden erblichen. Und der<lb/> dem Sophocles aufgeſetzte Lorber-Krantz/ weil<lb/><cb/> eines ſeiner Trauerſpiele fuͤr andern den Preiß<lb/> behalten/ waͤre ihm ſo toͤdtlich/ als das Gifft<lb/> dem Socrates geweſt. Bey ſo geſtalten Sa-<lb/> chen/ da keine Kraͤuter-Artzneyen des Gemuͤ-<lb/> thes waͤren/ wuͤrde am rathſamſten ſeyn/ an<lb/> ſtatt der Menſchen himmliſche Huͤlffe zu ſuchen.<lb/> Auf der Druyden hieruͤber eingeholtes Gut-<lb/> achten/ ließ Marcomir beyde Krancken in einen<lb/> uhralten Tempel des Eſculapius/ welcher in ei-<lb/> nem Jahr mit dem zu Carthago ſoll gebaut ſeyn/<lb/> bringen/ ſelbigem durch die dem Heiligthum<lb/> vorſtehende Dauniſche und Calabriſche Prieſter<lb/> auf dem Grabe des Podalir ſieben Widder<lb/> opffern/ und auf derſelben Felle beyde Fuͤrſtin-<lb/> nen legen. Es iſt wunderns werth/ daß die/<lb/> welche ſo viel Zeit kein Auge zugemacht/ dieſe<lb/> gantze Nacht in einen ſanften Schlaf verfielen.<lb/> Olorene erwachte zum erſten/ iedoch erſt mit der<lb/> aufgehenden Sonne/ und kurtz nach ihr auch<lb/> Riame. Beyde wuſten nicht/ wie ſie dahin kom-<lb/> men/ ob ſie noch in der Welt oder unter irrdi-<lb/> ſchen Gruͤften bey den abgelebten Geiſtern<lb/> ſchwebeten. Nach gegeneinander erfolgter<lb/> Befragung erzehlte Olorene/ ſie wuͤſte nicht/<lb/> obs ihr getraͤumet/ oder ob der Geiſt des ertrun-<lb/> ckenen Hertzog Friedebalds ihr wahrhaftig er-<lb/> ſchienen waͤre. Dieſer haͤtte ihr mit klaͤglicher<lb/> Gebaͤrdung erzehlet/ daß ſein Schiff durch<lb/> Unvorſichtigkeit der Bootsleute an einen Fel-<lb/> ſen gelauffen und zerborſten/ er aber ertruncken<lb/> waͤre. Er dulde aber nunmehr unertraͤgliche<lb/> Schmertzen/ weil ihre und Riamens Seufftzer<lb/> ſeine Ruh ſtoͤrten/ und ihre Thraͤnen ihm eitel<lb/> bittere Wermuth einſchenckten. Dahero bete<lb/> er ſie mit gefaltenen Haͤnden/ ſie ſolte mit ſo un-<lb/> beſonnener Traurigkeit nicht ihren verſtorbe-<lb/> nen Liebhaber peinigen/ nicht ihrem lebenden<lb/> Marck und Bein ausſaugen/ nicht das gemei-<lb/> ne Heil hindern/ noch aus uͤbermaͤßigem Hertze-<lb/> leide unzeitigen Ruhm/ und ihren vom Ver-<lb/> haͤngnuͤſſe noch nicht ausgeſteckten Tod ſuchen.<lb/> Riame antwortete ihr/ diß koͤnte kein Traum/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0214]
Anderes Buch
che Hauß/ allwo man die gantze Nacht ſo wol
an Riamen/ als Olorenen genung zu reiben
und kuͤhlen hatte/ derer Beſtuͤrtzung ſich in
eine voͤllige Kranckheit verwandelte. Dieſe a-
ber und die ſo hefftige Empfindligkeit Riamens/
welche Klodomirn faſt aller Hoffnung ſeinen
Zweck zu erlangen beraubte/ verurſachte/ daß
er ſich des Hoffes/ und zugleich ſeine hieruͤber ſich
etwan ereignende Gemuͤths-Schwachheit zu
verbergen/ entſchlug/ und in denen tiefſten
Wildnuͤſſen des Jagens bediente. Hieruͤber
aber gerieth er in euſerſte Lebens-Gefahr. Denn
als er einſt ſich von den Seinigen verirrete/ und
des Nachts in der Rauchhuͤtte eines Kohlbren-
ners herbergen muſte/ ward er von dieſem Buſi-
ris und zwey andern Mord-Geſellen unver-
hofft angefallen/ derer ſich doch ſeine Tapffer-
keit durch ihre Hinrichtung mit ſeiner einigen
Hand erledigte. Dieſer Zufall und die Unruh
ſeines Gemuͤthes trieb ihn hierauf wieder an
Hof/ allwo Riamens und Olorenens ſich taͤglich
vergroͤſſernde Kranckheit die Kunſt aller Aertzte
und die Kraͤfften aller Artzneyen zernichtete.
Dieſe euſerſte Gefahr bewegte den Koͤniglichen
Artzt Marcomirn offenhertzig zu entdecken: Es
waͤren mehr Kranckheiten des Gemuͤthes/ als
des Leibes. Dahero er und alle Aertzte denen
Krancken keine Geneſung/ ihnen ſelbſt aber
nichts als Schande zuziehen wuͤrde. Marco-
mir/ welcher ohne diß beſſer als iemand den Ur-
ſprung ihres Ubels wuſte/ fragte bekuͤmmert:
ob denn dieſe Schwachheiten des Gemuͤthes
auch zuweilen toͤdtlich waͤren? Jn allewege/
antwortete der Artzt/ weil die heftigen Gemuͤths-
Regungen der Ausfarth der verwirrten Lebens-
Geiſter nichts minder eine Pforte oͤfneten/ als
eine Verwundung dem ausſchuͤſſenden Gebluͤ-
te/ dadurch die Seele nach und nach verſchwin-
de. Alſo waͤre zu Rom eine Mutter uͤber der
unverhofften Erblickung ihres fuͤr todt gehalte-
nen Sohnes fuͤr Freuden erblichen. Und der
dem Sophocles aufgeſetzte Lorber-Krantz/ weil
eines ſeiner Trauerſpiele fuͤr andern den Preiß
behalten/ waͤre ihm ſo toͤdtlich/ als das Gifft
dem Socrates geweſt. Bey ſo geſtalten Sa-
chen/ da keine Kraͤuter-Artzneyen des Gemuͤ-
thes waͤren/ wuͤrde am rathſamſten ſeyn/ an
ſtatt der Menſchen himmliſche Huͤlffe zu ſuchen.
Auf der Druyden hieruͤber eingeholtes Gut-
achten/ ließ Marcomir beyde Krancken in einen
uhralten Tempel des Eſculapius/ welcher in ei-
nem Jahr mit dem zu Carthago ſoll gebaut ſeyn/
bringen/ ſelbigem durch die dem Heiligthum
vorſtehende Dauniſche und Calabriſche Prieſter
auf dem Grabe des Podalir ſieben Widder
opffern/ und auf derſelben Felle beyde Fuͤrſtin-
nen legen. Es iſt wunderns werth/ daß die/
welche ſo viel Zeit kein Auge zugemacht/ dieſe
gantze Nacht in einen ſanften Schlaf verfielen.
Olorene erwachte zum erſten/ iedoch erſt mit der
aufgehenden Sonne/ und kurtz nach ihr auch
Riame. Beyde wuſten nicht/ wie ſie dahin kom-
men/ ob ſie noch in der Welt oder unter irrdi-
ſchen Gruͤften bey den abgelebten Geiſtern
ſchwebeten. Nach gegeneinander erfolgter
Befragung erzehlte Olorene/ ſie wuͤſte nicht/
obs ihr getraͤumet/ oder ob der Geiſt des ertrun-
ckenen Hertzog Friedebalds ihr wahrhaftig er-
ſchienen waͤre. Dieſer haͤtte ihr mit klaͤglicher
Gebaͤrdung erzehlet/ daß ſein Schiff durch
Unvorſichtigkeit der Bootsleute an einen Fel-
ſen gelauffen und zerborſten/ er aber ertruncken
waͤre. Er dulde aber nunmehr unertraͤgliche
Schmertzen/ weil ihre und Riamens Seufftzer
ſeine Ruh ſtoͤrten/ und ihre Thraͤnen ihm eitel
bittere Wermuth einſchenckten. Dahero bete
er ſie mit gefaltenen Haͤnden/ ſie ſolte mit ſo un-
beſonnener Traurigkeit nicht ihren verſtorbe-
nen Liebhaber peinigen/ nicht ihrem lebenden
Marck und Bein ausſaugen/ nicht das gemei-
ne Heil hindern/ noch aus uͤbermaͤßigem Hertze-
leide unzeitigen Ruhm/ und ihren vom Ver-
haͤngnuͤſſe noch nicht ausgeſteckten Tod ſuchen.
Riame antwortete ihr/ diß koͤnte kein Traum/
oder
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |