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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] Bey welchen erstern Geistes Regung Socrates
auf der rechten/ bey des andern auf der lincken
Seiten genieset haben soll; so scheinet doch diß/
was Olorenen begegnet/ keine weder ihrem noch
des Friedebalds Geiste anständige Verrichtung
zu seyn; zumal das weibliche Geschlechte nur
die Juno zu seiner allgemeinen Beschirmerin/
nicht aber/ wie ieder Mann/ absondere Schutz-
Geister haben soll/ und Friedebalds erschienener
Geist nicht ihm selbst/ sondern andern Men-
schen/ nemlich Olorenen und Riamen seine Dien-
ste abgeliefert/ da doch die Geister sonst Frem-
den/ ja auch Freunden ehe aufsätzig zu seyn
scheinen. Massen Augustens Geist des Anto-
nius zu unterdrücken auch damals bemüht ge-
west/ als beyde gleich noch in grosser Verträulig-
keit lebten. Zeno begegnete Rhemetalcen: Er
wäre der gäntzlichen Meynung/ wüste auch kei-
nen Grund einer bessern aufzufinden/ daß Her-
tzog Friedebalds Schutz-Geist und kein anderer
Olorenen diesen Liebes-Dienst erzeiget habe.
Sintemal unzweifelbar wäre/ daß die getreuen
Schutz-Geister nicht/ wie insgemein die Men-
schen/ ihr Freundschaffts-Band mit dem Lebens-
Fadem zerreissen/ sondern auch ihren Verstor-
benen/ ja den faulen Leichen wolzuthun beäm-
sigt wären/ wie der Geist zu Athen/ der den
Athenodor umb die Beerdigung der gefesselten
Glieder ersuchet/ und derselbe Geist/ der aus dem
abgehauenen Kopfe des Priesters Cercidas re-
dete/ und seine Mörder zu Ausübung der Ra-
che offenbarte. Ob auch schon zwischen Augu-
stens und des Antonius Geiste einige Gram-
schafft sich ereignet haben soll; so werden selbte
Zweifels-frey die hernach ausgebrochene Tod-
Feindschafft Augustens und des Antonius vor-
gesehen haben. Sintemal die Götter diese
Geister nicht nur mit der Wissenschafft künfti-
ger Dinge begabten/ sondern sie auch zu Werck-
zeugen ihrer Offenbarungen brauchten. Diese
hätten in Thessalien durch die Tauben/ in Lybien
durch den Widder/ zu Delphis aus dem Drey-
[Spaltenumbruch] Fusse geweissagt/ und wären der sonst stummen
Dinge redende Zunge gewest. Massen denn
die Griechen festiglich geglaubt/ daß/ als die Py-
thia so viel für dem König Philipp wahrsagte/
sein Schutz-Geist durch ihren Mund geredet
habe. Ja dieser Werck wäre noch/ die geopfer-
ten Thiere derogestalt zuzubereiten/ daß sie mit
den künftigen Begebenheiten übereinstimmeten/
so gar/ daß die Eingeweide auf den Altären
mehrmals ohne Lungen und Hertzen ge-
funden würden/ ohne welche doch ein Thier un-
möglich leben könte. Endlich wäre dieses Gei-
stes der Olorene erwiesene Gewogenheit für ei-
nen dem Friedebald selbst geleisteten Dienst zu
achten; weil ein eifriger Liebhaber seiner Buhl-
schafft mehv/ als ihm selbst/ wol wil/ und die Liebe
der von denen irrdischen Leibern entladenen
Seelen alles eitlen Rauches befreyet/ und reiner/
als der Lebenden/ seyn soll. Also hätte die Lie-
be des Vaterlandes/ die Theseus zu Griechen-
land trug/ so viel gewürcket/ daß sein Schutz-
Geist in der Marathonischen Schlacht wider
die Persen gestritten/ ob schon Griechenland/
wie Rom die Vesta/ und Persien einen feurigen
Engel/ und andere Länder andere allgemeine
Schutz-Geister gehabt/ welche/ der gemeinen
Meynung nach von den 2. grossen Welt-Lichtern
und den 12. himmlischen Zeichen ihre Bewegung
haben sollen. Welcher Meynung denn zum
Behelf dienet/ daß Malovends Erzehlung nach
dieser Geist beständig Hertzog Friedebalds Ge-
stalt behalten habe; zumal solche Geister wegen
ihrer grossen Zuneigung nicht leicht eine frembde
Gestalt anzunehmen würdigen/ und ihren dün-
nen Luft-Leib darmit gegen den sterblichen Au-
gen sichtbar machen. Malovend brach ein:
Jch solte dieser letzt-angezogenen Gestalt halber
meynen/ daß kein Schutz-Geist/ welche an Be-
wahrung der nicht nur von bösen Geistern/ son-
dern auch aber gläubischen Zauberern mehrmals
angefochtenen Leichen und Todten-Gebeine ge-
nung zu thun haben/ sondern vielmehr Hertzog

Frie-

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] Bey welchen erſtern Geiſtes Regung Socrates
auf der rechten/ bey des andern auf der lincken
Seiten genieſet haben ſoll; ſo ſcheinet doch diß/
was Olorenen begegnet/ keine weder ihrem noch
des Friedebalds Geiſte anſtaͤndige Verrichtung
zu ſeyn; zumal das weibliche Geſchlechte nur
die Juno zu ſeiner allgemeinen Beſchirmerin/
nicht aber/ wie ieder Mann/ abſondere Schutz-
Geiſter haben ſoll/ und Friedebalds erſchienener
Geiſt nicht ihm ſelbſt/ ſondern andern Men-
ſchen/ nemlich Olorenen und Riamen ſeine Dien-
ſte abgeliefert/ da doch die Geiſter ſonſt Frem-
den/ ja auch Freunden ehe aufſaͤtzig zu ſeyn
ſcheinen. Maſſen Auguſtens Geiſt des Anto-
nius zu unterdruͤcken auch damals bemuͤht ge-
weſt/ als beyde gleich noch in groſſer Vertraͤulig-
keit lebten. Zeno begegnete Rhemetalcen: Er
waͤre der gaͤntzlichen Meynung/ wuͤſte auch kei-
nen Grund einer beſſern aufzufinden/ daß Her-
tzog Friedebalds Schutz-Geiſt und kein anderer
Olorenen dieſen Liebes-Dienſt erzeiget habe.
Sintemal unzweifelbar waͤre/ daß die getreuen
Schutz-Geiſter nicht/ wie insgemein die Men-
ſchen/ ihr Freundſchaffts-Band mit dem Lebens-
Fadem zerreiſſen/ ſondern auch ihren Verſtor-
benen/ ja den faulen Leichen wolzuthun beaͤm-
ſigt waͤren/ wie der Geiſt zu Athen/ der den
Athenodor umb die Beerdigung der gefeſſelten
Glieder erſuchet/ und derſelbe Geiſt/ der aus dem
abgehauenen Kopfe des Prieſters Cercidas re-
dete/ und ſeine Moͤrder zu Ausuͤbung der Ra-
che offenbarte. Ob auch ſchon zwiſchen Augu-
ſtens und des Antonius Geiſte einige Gram-
ſchafft ſich ereignet haben ſoll; ſo werden ſelbte
Zweifels-frey die hernach ausgebrochene Tod-
Feindſchafft Auguſtens und des Antonius vor-
geſehen haben. Sintemal die Goͤtter dieſe
Geiſter nicht nur mit der Wiſſenſchafft kuͤnfti-
ger Dinge begabten/ ſondern ſie auch zu Werck-
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haͤtten in Theſſalien durch die Tauben/ in Lybien
durch den Widder/ zu Delphis aus dem Drey-
[Spaltenumbruch] Fuſſe geweiſſagt/ und waͤren der ſonſt ſtummen
Dinge redende Zunge geweſt. Maſſen denn
die Griechen feſtiglich geglaubt/ daß/ als die Py-
thia ſo viel fuͤr dem Koͤnig Philipp wahrſagte/
ſein Schutz-Geiſt durch ihren Mund geredet
habe. Ja dieſer Werck waͤre noch/ die geopfer-
ten Thiere derogeſtalt zuzubereiten/ daß ſie mit
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mehrmals ohne Lungen und Hertzen ge-
funden wuͤrden/ ohne welche doch ein Thier un-
moͤglich leben koͤnte. Endlich waͤre dieſes Gei-
ſtes der Olorene erwieſene Gewogenheit fuͤr ei-
nen dem Friedebald ſelbſt geleiſteten Dienſt zu
achten; weil ein eifriger Liebhaber ſeiner Buhl-
ſchafft mehv/ als ihm ſelbſt/ wol wil/ und die Liebe
der von denen irrdiſchen Leibern entladenen
Seelen alles eitlen Rauches befreyet/ und reiner/
als der Lebenden/ ſeyn ſoll. Alſo haͤtte die Lie-
be des Vaterlandes/ die Theſeus zu Griechen-
land trug/ ſo viel gewuͤrcket/ daß ſein Schutz-
Geiſt in der Marathoniſchen Schlacht wider
die Perſen geſtritten/ ob ſchon Griechenland/
wie Rom die Veſta/ und Perſien einen feurigen
Engel/ und andere Laͤnder andere allgemeine
Schutz-Geiſter gehabt/ welche/ der gemeinen
Meynung nach von dẽ 2. groſſen Welt-Lichtern
und den 12. him̃liſchen Zeichen ihre Bewegung
haben ſollen. Welcher Meynung denn zum
Behelf dienet/ daß Malovends Erzehlung nach
dieſer Geiſt beſtaͤndig Hertzog Friedebalds Ge-
ſtalt behalten habe; zumal ſolche Geiſter wegen
ihrer groſſen Zuneigung nicht leicht eine frembde
Geſtalt anzunehmen wuͤrdigen/ und ihren duͤn-
nen Luft-Leib darmit gegen den ſterblichen Au-
gen ſichtbar machen. Malovend brach ein:
Jch ſolte dieſer letzt-angezogenen Geſtalt halber
meynen/ daß kein Schutz-Geiſt/ welche an Be-
wahrung der nicht nur von boͤſen Geiſtern/ ſon-
dern auch aber glaͤubiſchen Zauberern mehrmals
angefochtenen Leichen und Todten-Gebeine ge-
nung zu thun haben/ ſondern vielmehr Hertzog

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[168/0218] Anderes Buch Bey welchen erſtern Geiſtes Regung Socrates auf der rechten/ bey des andern auf der lincken Seiten genieſet haben ſoll; ſo ſcheinet doch diß/ was Olorenen begegnet/ keine weder ihrem noch des Friedebalds Geiſte anſtaͤndige Verrichtung zu ſeyn; zumal das weibliche Geſchlechte nur die Juno zu ſeiner allgemeinen Beſchirmerin/ nicht aber/ wie ieder Mann/ abſondere Schutz- Geiſter haben ſoll/ und Friedebalds erſchienener Geiſt nicht ihm ſelbſt/ ſondern andern Men- ſchen/ nemlich Olorenen und Riamen ſeine Dien- ſte abgeliefert/ da doch die Geiſter ſonſt Frem- den/ ja auch Freunden ehe aufſaͤtzig zu ſeyn ſcheinen. Maſſen Auguſtens Geiſt des Anto- nius zu unterdruͤcken auch damals bemuͤht ge- weſt/ als beyde gleich noch in groſſer Vertraͤulig- keit lebten. Zeno begegnete Rhemetalcen: Er waͤre der gaͤntzlichen Meynung/ wuͤſte auch kei- nen Grund einer beſſern aufzufinden/ daß Her- tzog Friedebalds Schutz-Geiſt und kein anderer Olorenen dieſen Liebes-Dienſt erzeiget habe. Sintemal unzweifelbar waͤre/ daß die getreuen Schutz-Geiſter nicht/ wie insgemein die Men- ſchen/ ihr Freundſchaffts-Band mit dem Lebens- Fadem zerreiſſen/ ſondern auch ihren Verſtor- benen/ ja den faulen Leichen wolzuthun beaͤm- ſigt waͤren/ wie der Geiſt zu Athen/ der den Athenodor umb die Beerdigung der gefeſſelten Glieder erſuchet/ und derſelbe Geiſt/ der aus dem abgehauenen Kopfe des Prieſters Cercidas re- dete/ und ſeine Moͤrder zu Ausuͤbung der Ra- che offenbarte. Ob auch ſchon zwiſchen Augu- ſtens und des Antonius Geiſte einige Gram- ſchafft ſich ereignet haben ſoll; ſo werden ſelbte Zweifels-frey die hernach ausgebrochene Tod- Feindſchafft Auguſtens und des Antonius vor- geſehen haben. Sintemal die Goͤtter dieſe Geiſter nicht nur mit der Wiſſenſchafft kuͤnfti- ger Dinge begabten/ ſondern ſie auch zu Werck- zeugen ihrer Offenbarungen brauchten. Dieſe haͤtten in Theſſalien durch die Tauben/ in Lybien durch den Widder/ zu Delphis aus dem Drey- Fuſſe geweiſſagt/ und waͤren der ſonſt ſtummen Dinge redende Zunge geweſt. Maſſen denn die Griechen feſtiglich geglaubt/ daß/ als die Py- thia ſo viel fuͤr dem Koͤnig Philipp wahrſagte/ ſein Schutz-Geiſt durch ihren Mund geredet habe. Ja dieſer Werck waͤre noch/ die geopfer- ten Thiere derogeſtalt zuzubereiten/ daß ſie mit den kuͤnftigen Begebenheiten uͤbereinſtimmeten/ ſo gar/ daß die Eingeweide auf den Altaͤren mehrmals ohne Lungen und Hertzen ge- funden wuͤrden/ ohne welche doch ein Thier un- moͤglich leben koͤnte. Endlich waͤre dieſes Gei- ſtes der Olorene erwieſene Gewogenheit fuͤr ei- nen dem Friedebald ſelbſt geleiſteten Dienſt zu achten; weil ein eifriger Liebhaber ſeiner Buhl- ſchafft mehv/ als ihm ſelbſt/ wol wil/ und die Liebe der von denen irrdiſchen Leibern entladenen Seelen alles eitlen Rauches befreyet/ und reiner/ als der Lebenden/ ſeyn ſoll. Alſo haͤtte die Lie- be des Vaterlandes/ die Theſeus zu Griechen- land trug/ ſo viel gewuͤrcket/ daß ſein Schutz- Geiſt in der Marathoniſchen Schlacht wider die Perſen geſtritten/ ob ſchon Griechenland/ wie Rom die Veſta/ und Perſien einen feurigen Engel/ und andere Laͤnder andere allgemeine Schutz-Geiſter gehabt/ welche/ der gemeinen Meynung nach von dẽ 2. groſſen Welt-Lichtern und den 12. him̃liſchen Zeichen ihre Bewegung haben ſollen. Welcher Meynung denn zum Behelf dienet/ daß Malovends Erzehlung nach dieſer Geiſt beſtaͤndig Hertzog Friedebalds Ge- ſtalt behalten habe; zumal ſolche Geiſter wegen ihrer groſſen Zuneigung nicht leicht eine frembde Geſtalt anzunehmen wuͤrdigen/ und ihren duͤn- nen Luft-Leib darmit gegen den ſterblichen Au- gen ſichtbar machen. Malovend brach ein: Jch ſolte dieſer letzt-angezogenen Geſtalt halber meynen/ daß kein Schutz-Geiſt/ welche an Be- wahrung der nicht nur von boͤſen Geiſtern/ ſon- dern auch aber glaͤubiſchen Zauberern mehrmals angefochtenen Leichen und Todten-Gebeine ge- nung zu thun haben/ ſondern vielmehr Hertzog Frie-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/218>, abgerufen am 26.11.2024.