Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Friedebalds eigener Geist oder Seele Olore-nen wohlgethan habe. Sintemahl wir von den Jndischen und Chaldeischen Weisen diese gründliche Lehre angenommen/ daß alle Gei- ster/ insonderheit aber die Seelen der Menschen unsterblich sind/ und daß diese alles dis/ was bey ihrem irrdischen Leben fürgegangen/ im Gedächtnisse behalten. Massen die Seele auch nur alleine der gantze Mensch/ sein Leib aber nur der Seele Kercker und Grab ist/ durch welchen als ein düsternes Wesen sie das Licht der Warheit zu erkiesen nur verhindert wird. Bey so gestalten Sachen ist kein Wunder/ daß der erledigte Geist nach dem Tode des Leibes so viel thätiger sey; und bezeuget die öffte- re Erfahrung/ wie unruhig der Entleibten Geister um ihre Gräber zu schwärmen/ der Gottlosen Gespenster ihre Wohnungen zube- unruhigen/ der frommen Seelen die betrüb- ten zu trösten mehrmahls bemüht sind. Weß- wegen nicht nur die Griechen die Erstlinge ihrer Früchte/ und die Römer der verstorbenen Seelen täglich Wein und Weyrauch opffern/ von ihrem Tische ihnen Brosamen lieffern/ sondern auch andere Völcker ihnen Kräntze winden und Altäre bauen. Ja da die Zau- berer durch vergossenes Blut und Galle die Er- scheinung der Seelen zu wege bringen; Wie vielmehr soll nicht eine so hefftige Regung/ als die festeste Verknüpffung der Seelen/ nehm- lich die Liebe ist/ so viel zu würcken mächtig seyn? Zeno antwortete: Es wäre die Beruffung der Geister eine Blendung oder Betrug/ sintemal weder Steine/ Kräuter noch Beschwerungen einigen Zwang über die Geister hätten/ wiewol die Bösen zuweilen die Abergläubigen mit ihrer gehorsamen Erscheinung bethörten/ und aus de- nen von Menschen geschnitzten Bildern rede- ten/ gleich als wenn sie von ihnen in irrdische Behältnisse eingesperret werden könten. Da- her ging es mit selbter insgemein wie mit denen zweyen Gottesschändern her/ derer einer sich in [Spaltenumbruch] Saturn/ der andere in Anubis verstellet hätte/ um mit denen in die Tempel kommenden Frau- en ihre geile Lust zu büssen/ und die schändliche Unzucht noch mit dem Scheine der Andacht zu überfirnßen. Uberdiß hätte zwar der Geist des Delphischen Apollo nicht für gar langer Zeit aus seinem Dreyfuße geruffen: Er wäre nur ein Sonnenstaub und das geringste Theil des gros- sen Gottes/ dessen Nahme unaussprechlich/ des- sen ewiges Wesen ein unerschaffenes Feuer/ und doch das Band der gantzen Welt wäre. Er Apollo wäre sterblich/ ja er stürbe gleich/ weil das Licht der göttlichen Flamme ihn ausleschte. Auch hätte ein Geist bey dem Eylande Paxi dem Thamus offenbahret/ daß der grosse Pan ein Fürst unter den Geistern gestorben wäre. Gleichwohl aber gebe er willig nach/ daß die Seelen der Verstorbenen allerdings unsterblich wären/ ob er zwar der Egyptier Meinung dem Buchstaben nach nicht beypflichtete/ daß die Seele schon für dem Leibe ein absonderes himm- lisches Wesen wäre/ und durch den gestirnten Krebs/ als die eine Pforte der stockenden Son- ne sich in den menschlichen Leib herab lasse/ weil sie sonst von Gott und dem himmlischen Wesen ihre gehabte Wissenschafft nicht so gar verlieren würden; also auch hinfällt/ daß sie beym Tode durch die andere Pforte nehmlich den Steinbock wieder empor klimmen/ und sich feste in Himmel versperren. Jnzwischen scheint es doch eben so wohl ein ungereimter Aberglau- be zu seyn/ daß die Menschen sich in umschwer- mende Geister verwandeln/ als daß der Ver- storbenen Seelen/ nach Vergessung des leibli- chen Ungemachs/ wieder in die Bande ihrer ver- weseten Leiber kehren sollen. Und lasse ich mich nicht bereden/ daß die Seelen der Tugendhaff- ten sich viel mehr um unsere Eitelkeiten/ daran so viel sündliches klebet/ bekümmern solten. Denn ob selbten freylich zwar die Schwachheit der Vergeßligkeit/ und die Entäuserung aller Liebe nicht beyzumessen ist/ so sind selbte doch mit was wich- Erster Theil. Y
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Friedebalds eigener Geiſt oder Seele Olore-nen wohlgethan habe. Sintemahl wir von den Jndiſchen und Chaldeiſchen Weiſen dieſe gruͤndliche Lehre angenommen/ daß alle Gei- ſter/ inſonderheit aber die Seelen der Menſchen unſterblich ſind/ und daß dieſe alles dis/ was bey ihrem irrdiſchen Leben fuͤrgegangen/ im Gedaͤchtniſſe behalten. Maſſen die Seele auch nur alleine der gantze Menſch/ ſein Leib aber nur der Seele Kercker und Grab iſt/ durch welchen als ein duͤſternes Weſen ſie das Licht der Warheit zu erkieſen nur verhindert wird. Bey ſo geſtalten Sachen iſt kein Wunder/ daß der erledigte Geiſt nach dem Tode des Leibes ſo viel thaͤtiger ſey; und bezeuget die oͤffte- re Erfahrung/ wie unruhig der Entleibten Geiſter um ihre Graͤber zu ſchwaͤrmen/ der Gottloſen Geſpenſter ihre Wohnungen zube- unruhigen/ der frommen Seelen die betruͤb- ten zu troͤſten mehrmahls bemuͤht ſind. Weß- wegen nicht nur die Griechen die Erſtlinge ihrer Fruͤchte/ und die Roͤmer der verſtorbenen Seelen taͤglich Wein und Weyrauch opffern/ von ihrem Tiſche ihnen Broſamen lieffern/ ſondern auch andere Voͤlcker ihnen Kraͤntze winden und Altaͤre bauen. Ja da die Zau- berer durch vergoſſenes Blut und Galle die Er- ſcheinung der Seelen zu wege bringen; Wie vielmehr ſoll nicht eine ſo hefftige Regung/ als die feſteſte Verknuͤpffung der Seelen/ nehm- lich die Liebe iſt/ ſo viel zu wuͤrcken maͤchtig ſeyn? Zeno antwortete: Es waͤre die Beruffung der Geiſter eine Blendung oder Betrug/ ſintemal weder Steine/ Kraͤuter noch Beſchwerungen einigen Zwang uͤber die Geiſter haͤtten/ wiewol die Boͤſen zuweilen die Aberglaͤubigen mit ihrer gehorſamen Erſcheinung bethoͤrten/ und aus de- nen von Menſchen geſchnitzten Bildern rede- ten/ gleich als wenn ſie von ihnen in irrdiſche Behaͤltniſſe eingeſperret werden koͤnten. Da- her ging es mit ſelbter insgemein wie mit denen zweyen Gottesſchaͤndern her/ derer einer ſich in [Spaltenumbruch] Saturn/ der andere in Anubis verſtellet haͤtte/ um mit denen in die Tempel kommenden Frau- en ihre geile Luſt zu buͤſſen/ und die ſchaͤndliche Unzucht noch mit dem Scheine der Andacht zu uͤberfirnßen. Uberdiß haͤtte zwar der Geiſt des Delphiſchen Apollo nicht fuͤr gar langeꝛ Zeit aus ſeinem Dreyfuße geruffen: Er waͤre nur ein Sonnenſtaub und das geringſte Theil des groſ- ſen Gottes/ deſſen Nahme unausſprechlich/ deſ- ſen ewiges Weſen ein unerſchaffenes Feuer/ und doch das Band der gantzen Welt waͤre. Er Apollo waͤre ſterblich/ ja er ſtuͤrbe gleich/ weil das Licht der goͤttlichen Flamme ihn ausleſchte. Auch haͤtte ein Geiſt bey dem Eylande Paxi dem Thamus offenbahret/ daß der groſſe Pan ein Fuͤrſt unter den Geiſtern geſtorben waͤre. Gleichwohl aber gebe er willig nach/ daß die Seelen der Verſtorbenen allerdings unſterblich waͤren/ ob er zwar der Egyptier Meinung dem Buchſtaben nach nicht beypflichtete/ daß die Seele ſchon fuͤr dem Leibe ein abſonderes himm- liſches Weſen waͤre/ und durch den geſtirnten Krebs/ als die eine Pforte der ſtockenden Son- ne ſich in den menſchlichen Leib herab laſſe/ weil ſie ſonſt von Gott und dem himmliſchen Weſen ihre gehabte Wiſſenſchafft nicht ſo gar verlieren wuͤrden; alſo auch hinfaͤllt/ daß ſie beym Tode durch die andere Pforte nehmlich den Steinbock wieder empor klimmen/ und ſich feſte in Himmel verſperren. Jnzwiſchen ſcheint es doch eben ſo wohl ein ungereimter Aberglau- be zu ſeyn/ daß die Menſchen ſich in umſchwer- mende Geiſter verwandeln/ als daß der Ver- ſtorbenen Seelen/ nach Vergeſſung des leibli- chen Ungemachs/ wieder in die Bande ihrer ver- weſeten Leiber kehren ſollen. Und laſſe ich mich nicht bereden/ daß die Seelen der Tugendhaff- ten ſich viel mehr um unſere Eitelkeiten/ daran ſo viel ſuͤndliches klebet/ bekuͤmmern ſolten. Deñ ob ſelbten freylich zwar die Schwachheit der Vergeßligkeit/ und die Entaͤuſerung aller Liebe nicht beyzumeſſen iſt/ ſo ſind ſelbte doch mit was wich- Erſter Theil. Y
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Arminius und Thußnelda.
Friedebalds eigener Geiſt oder Seele Olore-
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den Jndiſchen und Chaldeiſchen Weiſen dieſe
gruͤndliche Lehre angenommen/ daß alle Gei-
ſter/ inſonderheit aber die Seelen der Menſchen
unſterblich ſind/ und daß dieſe alles dis/ was
bey ihrem irrdiſchen Leben fuͤrgegangen/
im Gedaͤchtniſſe behalten. Maſſen die Seele
auch nur alleine der gantze Menſch/ ſein Leib
aber nur der Seele Kercker und Grab iſt/ durch
welchen als ein duͤſternes Weſen ſie das Licht
der Warheit zu erkieſen nur verhindert wird.
Bey ſo geſtalten Sachen iſt kein Wunder/ daß
der erledigte Geiſt nach dem Tode des Leibes
ſo viel thaͤtiger ſey; und bezeuget die oͤffte-
re Erfahrung/ wie unruhig der Entleibten
Geiſter um ihre Graͤber zu ſchwaͤrmen/ der
Gottloſen Geſpenſter ihre Wohnungen zube-
unruhigen/ der frommen Seelen die betruͤb-
ten zu troͤſten mehrmahls bemuͤht ſind. Weß-
wegen nicht nur die Griechen die Erſtlinge
ihrer Fruͤchte/ und die Roͤmer der verſtorbenen
Seelen taͤglich Wein und Weyrauch opffern/
von ihrem Tiſche ihnen Broſamen lieffern/
ſondern auch andere Voͤlcker ihnen Kraͤntze
winden und Altaͤre bauen. Ja da die Zau-
berer durch vergoſſenes Blut und Galle die Er-
ſcheinung der Seelen zu wege bringen; Wie
vielmehr ſoll nicht eine ſo hefftige Regung/ als
die feſteſte Verknuͤpffung der Seelen/ nehm-
lich die Liebe iſt/ ſo viel zu wuͤrcken maͤchtig ſeyn?
Zeno antwortete: Es waͤre die Beruffung der
Geiſter eine Blendung oder Betrug/ ſintemal
weder Steine/ Kraͤuter noch Beſchwerungen
einigen Zwang uͤber die Geiſter haͤtten/ wiewol
die Boͤſen zuweilen die Aberglaͤubigen mit ihrer
gehorſamen Erſcheinung bethoͤrten/ und aus de-
nen von Menſchen geſchnitzten Bildern rede-
ten/ gleich als wenn ſie von ihnen in irrdiſche
Behaͤltniſſe eingeſperret werden koͤnten. Da-
her ging es mit ſelbter insgemein wie mit denen
zweyen Gottesſchaͤndern her/ derer einer ſich in
Saturn/ der andere in Anubis verſtellet haͤtte/
um mit denen in die Tempel kommenden Frau-
en ihre geile Luſt zu buͤſſen/ und die ſchaͤndliche
Unzucht noch mit dem Scheine der Andacht zu
uͤberfirnßen. Uberdiß haͤtte zwar der Geiſt des
Delphiſchen Apollo nicht fuͤr gar langeꝛ Zeit aus
ſeinem Dreyfuße geruffen: Er waͤre nur ein
Sonnenſtaub und das geringſte Theil des groſ-
ſen Gottes/ deſſen Nahme unausſprechlich/ deſ-
ſen ewiges Weſen ein unerſchaffenes Feuer/
und doch das Band der gantzen Welt waͤre. Er
Apollo waͤre ſterblich/ ja er ſtuͤrbe gleich/ weil das
Licht der goͤttlichen Flamme ihn ausleſchte. Auch
haͤtte ein Geiſt bey dem Eylande Paxi dem
Thamus offenbahret/ daß der groſſe Pan ein
Fuͤrſt unter den Geiſtern geſtorben waͤre.
Gleichwohl aber gebe er willig nach/ daß die
Seelen der Verſtorbenen allerdings unſterblich
waͤren/ ob er zwar der Egyptier Meinung dem
Buchſtaben nach nicht beypflichtete/ daß die
Seele ſchon fuͤr dem Leibe ein abſonderes himm-
liſches Weſen waͤre/ und durch den geſtirnten
Krebs/ als die eine Pforte der ſtockenden Son-
ne ſich in den menſchlichen Leib herab laſſe/
weil ſie ſonſt von Gott und dem himmliſchen
Weſen ihre gehabte Wiſſenſchafft nicht ſo gar
verlieren wuͤrden; alſo auch hinfaͤllt/ daß ſie
beym Tode durch die andere Pforte nehmlich
den Steinbock wieder empor klimmen/ und ſich
feſte in Himmel verſperren. Jnzwiſchen ſcheint
es doch eben ſo wohl ein ungereimter Aberglau-
be zu ſeyn/ daß die Menſchen ſich in umſchwer-
mende Geiſter verwandeln/ als daß der Ver-
ſtorbenen Seelen/ nach Vergeſſung des leibli-
chen Ungemachs/ wieder in die Bande ihrer ver-
weſeten Leiber kehren ſollen. Und laſſe ich mich
nicht bereden/ daß die Seelen der Tugendhaff-
ten ſich viel mehr um unſere Eitelkeiten/ daran
ſo viel ſuͤndliches klebet/ bekuͤmmern ſolten. Deñ
ob ſelbten freylich zwar die Schwachheit der
Vergeßligkeit/ und die Entaͤuſerung aller Liebe
nicht beyzumeſſen iſt/ ſo ſind ſelbte doch mit was
wich-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/219>, abgerufen am 16.07.2024. |