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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Jch bilde mir ein/ daß das Schwerdt und Bo-
gen der behertzten Thomiris/ als sie des uner-
sättlichen Cyrus Kopf in die Wanne voll Blut
geworffen; daß der Spieß und die Sebel der
grossen Semiramis/ als sie alle königliche Ze-
pter Asiens unter ihre Füsse trat/ nicht so unan-
ständlich gewesen sind. Auch düncket mich/
daß Omphale/ wenn ihr Hercules die Löwen-
Haut umgegeben/ nicht so sehr verstellet wor-
den sey/ als wenn er ihre Spindel genommen/
oder Sardanapal Polster genehet/ und Tep-
pichte gestückt hat. Thußnelda fiel der Köni-
gin bey/ und meldete/ daß die Sitten Deutsch-
landes/ welches iederzeit hertzhaffte Weiber mit
in die Schlachten genommen/ der Königin
selbst das Wort redeten. Der Feldherr be-
gegnete ihnen/ er könte sie nicht verdencken/
daß beyde ihre eigene und noch so frische Thaten
vertheidigten; alleine die allgemeine Gewon-
heit/ die mit der Natur in einem Alter wäre/
hätte die Weiber zu häußlichen Sorgen/ ja die
Natur ihre Leibes-Beschaffenheit zum Kinder
gebähren bestimmet. Die Fürstin Thußnel-
de wolte diesen Einwurff hintertreiben/ die Kö-
nigin aber fiel ihr in die Rede: Was höre ich?
Haben diese zarten Glieder auch iemahls Waf-
fen geführet? Thußnelde verstummte über die-
ser Frage/ und gab mit ihrem bestürtzten Still-
schweigen ihr eine verjahende/ der Feldherr a-
ber diese deutliche Antwort: Es wäre nicht an-
ders/ sie hätte mit in der Schlacht/ und zwar
zweyfach unglückselig gefochten/ indem sie erst-
lich auf sie die Königin/ hernach auf ihren eige-
nen Vater zu treffen kommen. Die Königin
fing also fort an: Sie wüste nicht/ ob sie es für
Ernst oder Schertz annehmen solte/ und ob
Thußnelde der Ritter wäre/ der sie überwun-
den hätte? Thußnelda fing säufzende an: Es
wäre/ leider! wol wahr/ sie könte ihr zweyfach
Unglück nicht läugnen/ und ihre Beleidigung
bey so einer holdreichen Königin nimmermehr
genung abbitten. Aber sie hätte sich über sie
[Spaltenumbruch] keiner Uberwindung zu rühmen; denn sie wä-
re nicht durch ihrer Feindin Tapfferkeit/ son-
dern durch einen blossen Fehltritt des Pferdes
verunglückt. Kein Zufall aber vermöchte sich
eines Sieges über ein Helden-Gemüthe zu
rühmen. Die Königin umarmte und küste
hierüber Thusnelden so empfindlich/ daß sie
daraus ihre hefftige Zuneigung allzugewiß
warnehmen konte. Jch erfreue mich/ rief sie/
daß ich von einer solchen Göttin überwunden
worden. Und was meinet nun der Feldherr/
verstattet ihm die Sitten seines Vaterlandes/
erlaubet ihm seine Liebe einer solchen Heldin
den Gebrauch der Waffen abzuerkennen? Jch
gebe gerne nach/ daß nicht alleine die niedrigen
Seelen ihr Hauß versorgen/ sondern auch die
geistigen ein Auge darauf haben sollen. Aber
Häußligkeit und Tugend stehet so wol neben
einander/ als die streitbaren Amazonen aus
der lincken Brust die Kinder säugten/ und/
wo die rechte gestanden/ den Bogen ansetz-
ten/ welche sie mit mehrerm Ruhm wegge-
brennet/ als die thun/ welche dem weiblichen
Geschlechte die Waffen nehmen/ das ist/ ihnen
das Hertz aus dem Leibe reissen/ und die Hände
von Armen hauen. Hertzog Herrmann er-
klärte sich hierauf: Es wäre seine Meinung
nicht alle streitbare Frauen in die Acht zu erklä-
ren/ oder daß keine zu den Waffen geschickt wä-
re/ ihm träumen zu lassen. Des letztern Jrr-
thums würden ihn beyde anwesende Heldin-
nen überführen/ und durch das erstere müste er
manches Reich vieler Siege und seiner Wohl-
farth berauben. Allein es wäre gleichwol ei-
ne seltene Begebenheit/ daß ein Frauenzimmer
mit einem so unerschrockenen Geiste/ mit einem
anständigen Eyfer/ und demselben Feuer/ wel-
ches einen Helden oftmals/ besonders in grossen
Gefährligkeiten/ auser ihm selbst und über die
Schrancken sterblicher Entschlüssungen verse-
tzen müsse/ versor get sey. Daher müste man
aus einer Schwalbe keinen Sommer/ und aus

weni-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Jch bilde mir ein/ daß das Schwerdt und Bo-
gen der behertzten Thomiris/ als ſie des uner-
ſaͤttlichen Cyrus Kopf in die Wanne voll Blut
geworffen; daß der Spieß und die Sebel der
groſſen Semiramis/ als ſie alle koͤnigliche Ze-
pter Aſiens unter ihre Fuͤſſe trat/ nicht ſo unan-
ſtaͤndlich geweſen ſind. Auch duͤncket mich/
daß Omphale/ wenn ihr Hercules die Loͤwen-
Haut umgegeben/ nicht ſo ſehr verſtellet wor-
den ſey/ als wenn er ihre Spindel genommen/
oder Sardanapal Polſter genehet/ und Tep-
pichte geſtuͤckt hat. Thußnelda fiel der Koͤni-
gin bey/ und meldete/ daß die Sitten Deutſch-
landes/ welches iederzeit hertzhaffte Weiber mit
in die Schlachten genommen/ der Koͤnigin
ſelbſt das Wort redeten. Der Feldherr be-
gegnete ihnen/ er koͤnte ſie nicht verdencken/
daß beyde ihre eigene und noch ſo friſche Thaten
vertheidigten; alleine die allgemeine Gewon-
heit/ die mit der Natur in einem Alter waͤre/
haͤtte die Weiber zu haͤußlichen Sorgen/ ja die
Natur ihre Leibes-Beſchaffenheit zum Kinder
gebaͤhren beſtimmet. Die Fuͤrſtin Thußnel-
de wolte dieſen Einwurff hintertreiben/ die Koͤ-
nigin aber fiel ihr in die Rede: Was hoͤre ich?
Haben dieſe zarten Glieder auch iemahls Waf-
fen gefuͤhret? Thußnelde verſtummte uͤber die-
ſer Frage/ und gab mit ihrem beſtuͤrtzten Still-
ſchweigen ihr eine verjahende/ der Feldherr a-
ber dieſe deutliche Antwort: Es waͤre nicht an-
ders/ ſie haͤtte mit in der Schlacht/ und zwar
zweyfach ungluͤckſelig gefochten/ indem ſie erſt-
lich auf ſie die Koͤnigin/ hernach auf ihren eige-
nen Vater zu treffen kommen. Die Koͤnigin
fing alſo fort an: Sie wuͤſte nicht/ ob ſie es fuͤr
Ernſt oder Schertz annehmen ſolte/ und ob
Thußnelde der Ritter waͤre/ der ſie uͤberwun-
den haͤtte? Thußnelda fing ſaͤufzende an: Es
waͤre/ leider! wol wahr/ ſie koͤnte ihr zweyfach
Ungluͤck nicht laͤugnen/ und ihre Beleidigung
bey ſo einer holdreichen Koͤnigin nimmermehr
genung abbitten. Aber ſie haͤtte ſich uͤber ſie
[Spaltenumbruch] keiner Uberwindung zu ruͤhmen; denn ſie waͤ-
re nicht durch ihrer Feindin Tapfferkeit/ ſon-
dern durch einen bloſſen Fehltritt des Pferdes
verungluͤckt. Kein Zufall aber vermoͤchte ſich
eines Sieges uͤber ein Helden-Gemuͤthe zu
ruͤhmen. Die Koͤnigin umarmte und kuͤſte
hieruͤber Thuſnelden ſo empfindlich/ daß ſie
daraus ihre hefftige Zuneigung allzugewiß
warnehmen konte. Jch erfreue mich/ rief ſie/
daß ich von einer ſolchen Goͤttin uͤberwunden
worden. Und was meinet nun der Feldherr/
verſtattet ihm die Sitten ſeines Vaterlandes/
erlaubet ihm ſeine Liebe einer ſolchen Heldin
den Gebrauch der Waffen abzuerkennen? Jch
gebe gerne nach/ daß nicht alleine die niedrigen
Seelen ihr Hauß verſorgen/ ſondern auch die
geiſtigen ein Auge darauf haben ſollen. Aber
Haͤußligkeit und Tugend ſtehet ſo wol neben
einander/ als die ſtreitbaren Amazonen aus
der lincken Bruſt die Kinder ſaͤugten/ und/
wo die rechte geſtanden/ den Bogen anſetz-
ten/ welche ſie mit mehrerm Ruhm wegge-
brennet/ als die thun/ welche dem weiblichen
Geſchlechte die Waffen nehmen/ das iſt/ ihnen
das Hertz aus dem Leibe reiſſen/ und die Haͤnde
von Armen hauen. Hertzog Herrmann er-
klaͤrte ſich hierauf: Es waͤre ſeine Meinung
nicht alle ſtreitbare Frauen in die Acht zu erklaͤ-
ren/ oder daß keine zu den Waffen geſchickt waͤ-
re/ ihm traͤumen zu laſſen. Des letztern Jrr-
thums wuͤrden ihn beyde anweſende Heldin-
nen uͤberfuͤhren/ und durch das erſtere muͤſte er
manches Reich vieler Siege und ſeiner Wohl-
farth berauben. Allein es waͤre gleichwol ei-
ne ſeltene Begebenheit/ daß ein Frauenzimmer
mit einem ſo unerſchrockenen Geiſte/ mit einem
anſtaͤndigen Eyfer/ und demſelben Feuer/ wel-
ches einen Helden oftmals/ beſonders in groſſen
Gefaͤhrligkeiten/ auſer ihm ſelbſt und uͤber die
Schrancken ſterblicher Entſchluͤſſungen verſe-
tzen muͤſſe/ verſor get ſey. Daher muͤſte man
aus einer Schwalbe keinen Sommer/ und aus

weni-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/251>, abgerufen am 22.11.2024.