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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] lust selbst nicht so feind/ als die Feinde des un-
schuldigen Epicurus gerne wolten/ von denen
sie sich wunderte/ daß sie nicht den Schöpffer
der Welt meisterten/ weil er nicht den gan-
tzen Erdkreiß entweder unter dem frostigen
Bär/ oder unter den alles versengenden Hund-
Stern gesetzet/ oder daß er es nicht allezeit
Winter seyn/ und statt der Rosen Disteln/
statt des Weines Schleen/ statt der Granaten
Holtzäpffel wachsen habe lassen. Der Tapf-
ferkeit Absehen ziele allezeit auff den Sieg/
dieser aber wäre von der Ergetzligkeit unab-
trennlich. Es hätten weder für Alters/ noch
heute zu Tage nur diese Schlachten gewonnen/
und Städte erobert/ welche Hände wie Horn/
und Gesichter wie Löwen gehabt/ welche die
Sonnen-Hitze ausgetrocknet/ und die Kälte
abgehärtet habe. Die alten Persier wären
die grösten Zärtlinge/ aber die hertzhafftesten U-
berwinder anderer Völcker gewest. Die Hel-
den/ welche bey Marathon des gantzen Asiens
Kräffte erlegt/ hätten eitel gekräuselte Haare/
eingebalsamte Leiber/ und seidene Röcke an-
gehabt. Der grosse Alexander hätte mehr-
mahls in allen Wollüsten sich gebadet/ auff ein-
mahl vier hundert Heerführer auff güldenen
Sesseln und auffgebreitetem Purper gespei-
set/ und bey dem Grabe des weisen Alanus de-
nen/ die am meisten trincken würden/ ansehn-
liche Preiße auffgesetzt. Der berühmte Welt-
weise Xenocrates hätte durch seinen Sieg im
Trincken eine vom Dionysius auffgesetzte gül-
dene Krone erworben. Die klugen Könige
der Egyptier hätten ihren Gemahlinnen der
Stadt Antylla Einkünffte zu Zierrathen ih-
rer Gürtel gewidmet. Jhm selbst nicht gram/
und gleichwohl hertzhafft seyn/ seiner Gele-
genheit/ und gleichwohl der Waffen pflegen/
könte so wohl bey einander stehen/ als die Ro-
se bey den Dornen/ als das Honig bey dem
Stachel der Bienen. Warum solten die
nutzbaren Früchte/ die annehmlichen Blätter
[Spaltenumbruch] an den Bäumen/ die Tugend ihren Firnß die
Anmuth hassen? Das Hertze selbst/ der Sitz der
Tapfferkeit wäre beynahe das weicheste Glied
am Menschen/ dessen Fleisch keine Spann-A-
dern und Knochen/ weniger Klauen noch Zähne
hätte. Diesem nach liesse sie ihr nicht ausreden:
Es könne sich ein Helden-Geist eben so wohl mit
einem zarten Leibe vertragen/ als ein schneiden-
tes Schwerdt in eine Sammtene Scheide ste-
cken; Es möge ein Sieger seine Hände wohl in
rüchende Handschuch stecken/ und ein Uberwin-
der der Welt unter einem Goldgestückten Zelte
seyn. Mit einem Worte: Mich dünckt/ die Tu-
gend könne die Wollust zwar nicht zu ihrer Hof-
meisterin/ wohl aber zu ihrer Gespielin vertra-
gen/ und sie sehe sauer/ wenn man sie gar zur
Magd/ oder zum Scheusale machen wil.

Der Feldherr ward ie länger ie mehr ver-
wundernd über dieser Königin tieffsinnigen
Schlüssen/ und derselben artiger Ausdrückung;
gab daher gegen ihr zu verstehen/ er gäbe ihr in
alle wege Beyfall/ daß die Tapfferkeit nicht eben
rauh und wilde seyn/ Eicheln oder rohes Fleisch
essen/ unter freyem Himmel oder auff stets um-
irrenden Wagen wohnen/ aus Ochsen-Häuten
Häuser bauen/ nackt oder in Hanffenen Kitteln
gehen müße:; Sondern die Tugend könne gar
wohl ihrer Gelegenheit pflegen/ das Frauen-
zimmer sich ihrer Tugend anmassen. Alleine
die Erfahrung habe leider gewiesen/ daß die zu-
läßliche Beqvemligkeit leicht aus dem Geschirre
schlage/ die Ergetzung sich in eine häßliche Up-
pigkeit verwandele. Die Gewächse/ welche in
Nesseln sich lange hielten/ verfaulten alsobald in
Blumen. Griechenland wäre an Witz und
Großmüthigkeit allen Völckern überlegen ge-
west/ biß ihre Ordnung zum Uberfluße/ der Uber-
fluß zur Wollust/ die Wollust zum Laster wor-
den wäre; Und des Aristophanes in einem
Schauspiele fürgestellte Frösche/ oder des So-
phocles Antigone mehr/ als der Krieg wider den
Xerxes kostete. Die Gallier solten für Zei-

ten

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] luſt ſelbſt nicht ſo feind/ als die Feinde des un-
ſchuldigen Epicurus gerne wolten/ von denen
ſie ſich wunderte/ daß ſie nicht den Schoͤpffer
der Welt meiſterten/ weil er nicht den gan-
tzen Erdkreiß entweder unter dem froſtigen
Baͤr/ oder unter den alles verſengenden Hund-
Stern geſetzet/ oder daß er es nicht allezeit
Winter ſeyn/ und ſtatt der Roſen Diſteln/
ſtatt des Weines Schleen/ ſtatt der Granaten
Holtzaͤpffel wachſen habe laſſen. Der Tapf-
ferkeit Abſehen ziele allezeit auff den Sieg/
dieſer aber waͤre von der Ergetzligkeit unab-
trennlich. Es haͤtten weder fuͤr Alters/ noch
heute zu Tage nur dieſe Schlachten gewonnen/
und Staͤdte erobert/ welche Haͤnde wie Horn/
und Geſichter wie Loͤwen gehabt/ welche die
Sonnen-Hitze ausgetrocknet/ und die Kaͤlte
abgehaͤrtet habe. Die alten Perſier waͤren
die groͤſten Zaͤrtlinge/ aber die hertzhaffteſten U-
berwinder anderer Voͤlcker geweſt. Die Hel-
den/ welche bey Marathon des gantzen Aſiens
Kraͤffte erlegt/ haͤtten eitel gekraͤuſelte Haare/
eingebalſamte Leiber/ und ſeidene Roͤcke an-
gehabt. Der groſſe Alexander haͤtte mehr-
mahls in allen Wolluͤſten ſich gebadet/ auff ein-
mahl vier hundert Heerfuͤhrer auff guͤldenen
Seſſeln und auffgebreitetem Purper geſpei-
ſet/ und bey dem Grabe des weiſen Alanus de-
nen/ die am meiſten trincken wuͤrden/ anſehn-
liche Preiße auffgeſetzt. Der beruͤhmte Welt-
weiſe Xenocrates haͤtte durch ſeinen Sieg im
Trincken eine vom Dionyſius auffgeſetzte guͤl-
dene Krone erworben. Die klugen Koͤnige
der Egyptier haͤtten ihren Gemahlinnen der
Stadt Antylla Einkuͤnffte zu Zierrathen ih-
rer Guͤrtel gewidmet. Jhm ſelbſt nicht gram/
und gleichwohl hertzhafft ſeyn/ ſeiner Gele-
genheit/ und gleichwohl der Waffen pflegen/
koͤnte ſo wohl bey einander ſtehen/ als die Ro-
ſe bey den Dornen/ als das Honig bey dem
Stachel der Bienen. Warum ſolten die
nutzbaren Fruͤchte/ die annehmlichen Blaͤtter
[Spaltenumbruch] an den Baͤumen/ die Tugend ihren Firnß die
Anmuth haſſen? Das Hertze ſelbſt/ der Sitz der
Tapfferkeit waͤre beynahe das weicheſte Glied
am Menſchen/ deſſen Fleiſch keine Spann-A-
dern und Knochen/ weniger Klauen noch Zaͤhne
haͤtte. Dieſem nach lieſſe ſie ihr nicht ausreden:
Es koͤnne ſich ein Helden-Geiſt eben ſo wohl mit
einem zarten Leibe vertragen/ als ein ſchneiden-
tes Schwerdt in eine Sammtene Scheide ſte-
cken; Es moͤge ein Sieger ſeine Haͤnde wohl in
ruͤchende Handſchuch ſtecken/ und ein Uberwin-
der der Welt unter einem Goldgeſtuͤckten Zelte
ſeyn. Mit einem Worte: Mich duͤnckt/ die Tu-
gend koͤnne die Wolluſt zwar nicht zu ihrer Hof-
meiſterin/ wohl aber zu ihrer Geſpielin vertra-
gen/ und ſie ſehe ſauer/ wenn man ſie gar zur
Magd/ oder zum Scheuſale machen wil.

Der Feldherr ward ie laͤnger ie mehr ver-
wundernd uͤber dieſer Koͤnigin tieffſinnigen
Schluͤſſen/ und derſelben artiger Ausdruͤckung;
gab daher gegen ihr zu verſtehen/ er gaͤbe ihr in
alle wege Beyfall/ daß die Tapfferkeit nicht eben
rauh und wilde ſeyn/ Eicheln oder rohes Fleiſch
eſſen/ unter freyem Himmel oder auff ſtets um-
irrenden Wagen wohnen/ aus Ochſen-Haͤuten
Haͤuſer bauen/ nackt oder in Hanffenen Kitteln
gehen muͤße:; Sondern die Tugend koͤnne gar
wohl ihrer Gelegenheit pflegen/ das Frauen-
zimmer ſich ihrer Tugend anmaſſen. Alleine
die Erfahrung habe leider gewieſen/ daß die zu-
laͤßliche Beqvemligkeit leicht aus dem Geſchirre
ſchlage/ die Ergetzung ſich in eine haͤßliche Up-
pigkeit verwandele. Die Gewaͤchſe/ welche in
Neſſeln ſich lange hielten/ verfaulten alſobald in
Blumen. Griechenland waͤre an Witz und
Großmuͤthigkeit allen Voͤlckern uͤberlegen ge-
weſt/ biß ihre Ordnung zum Uberfluße/ der Ubeꝛ-
fluß zur Wolluſt/ die Wolluſt zum Laſter wor-
den waͤre; Und des Ariſtophanes in einem
Schauſpiele fuͤrgeſtellte Froͤſche/ oder des So-
phocles Antigone mehr/ als der Krieg wider den
Xerxes koſtete. Die Gallier ſolten fuͤr Zei-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/256>, abgerufen am 22.11.2024.