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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] dahin zu folgen/ wohin ihn sein Stern oder Un-
stern leiten würde. Auf allem Fall würden sie
und sein Gewissen ihm zeugen/ daß er sein
Schwerd in kein unschuldiges Blut der Par-
then getaucht habe. Die Fürstin Jsmene fing
hierüber laut an zu ruffen: Hilf Himmel! aus
was für Blödsinnigkeit hat der so berühmte Ti-
ridates/ ehe er völlig überwunden worden/ seine
so getreue Unterthanen diesem Wüterich auff
die Schlachtbanck liefern/ sich selbst aber der
Herrschafft enteusern können? Einem Könige
thut es ja nicht so weh sterben/ als seiner Hoheit
entsetzt werden. Denn jenes ist nur eine Em-
pfindung eines Augenblicks/ dieses aber ein un-
aufhörlicher Todt/ und das überbliebene Athem-
holen ein stetes Seufzen. Salonine antwortete:
Eben dieser Meinung wären die getreuen Par-
then gewest. Denn dem Kriegsvolcke gien-
gen über dieser seltzamen Entschlüssung die Au-
gen über/ die Obersten umarmten seine Knie/
reichten ihm die Hände/ weisten ihre Narben
und baten: Er möchte doch das so getreue Heer/
die so wol verdienten und der Wunden gewohn-
te Parthen nicht verlassen/ und in des Wüte-
richs Hände ungerochen fallen lassen. Es sey
besser widrigen Zufällen begegnen/ als auswei-
chen. Tapffere Leute müsten mehr Hoffnung
schöpffen/ als das Unglücke dräuen könte/ und
die Furchtsamen eilten nur zu kleinmüthiger
Verzweiffelung. Sie wären entschlossen mit
einem so frommen Fürsten zu leben und zu ster-
ben. Alleine Tiridates hatte als ein kluger
Fürst schon seine übrige/ und des Phraates
Kräfften gegen einander auf die Wage gelegt/
und daraus die Unmöglichkeit seinem Feinde
fruchtbar die Stirne zu bieten erkennet. Die
Chimeren der Herrschens-Begierde streichen
zwar leicht auch der Unmögligkeit eine Farbe
an/ und die Anbeter des blinden Glückes ver-
leiten die Fürsten leicht zu tollkühnen Entschlüs-
sungen; aber ein kluger Fürst hält es für keine
Schande dem Blitze des Himmels auszuwei-
[Spaltenumbruch] chen/ und der Gelegenheit zu erwarten sich wie-
der in Stand zu setzen und in Bügel zu heben/
insonderheit aber in einer verzweiffelten Sache
das Bürger-Blut zu sparen. Phraatens
Grausamkeit hätte die Zeit mit dem Schim-
mel der Vergessenheit überzogen/ und die lü-
sterne Liebe der Neuigkeit das Volck mit
Phraaten verbunden. Weil nun aber ein
Wüterich so wenig als ein Tiegerthier nicht
von seiner wilden Art lassen/ ja sein mit Blut
erworbenes Reich ohne Mord nicht behaupten
kan/ der veränderliche Pöfel aber/ als ein Ca-
meleon unter den Menschen/ und ein Thier/
das den Wirbel des Unbestandes zu seinem An-
gelsterne braucht/ so geschwinde hasset/ als lie-
bet; meinte Tiridates/ es würde Phraates bald
erkennet werden/ und also seine Herrschafft so
wenig als die Zuneigung der Parthen keinen
Bestand haben/ und er also mit mehr Ruhm/ und
wenigerm Blute den Königlichen Stul wieder
besteigen können. Diesemnach er denn seinen
Getreuen zur Antwort gab: Er nehme ihre
großmüthige Erklärung zu Danck auf/ und da
noch einige Hoffnung dem Vaterlande zu helf-
fen übrig wäre/ würde er mit Freuden sich für
selbtes aufopffern. Alleine er hätte es nun schon
mit dem Glücke versucht/ und das Verhäng-
niß kennen lernen. Möchte er auch gleich durch
ihre Tugend Kron und Zepter behaupten kön-
nen/ so würde diese Eitelkeit doch durch so viel
edles Blut allzu theuer gekaufft seyn. Es sey
besser sie dem Vaterlande zum besten erhalten/
als es ihm rühmlich wäre für seine Bürde ie-
manden zu verderben. Sie hätten Ehre ge-
nung davon/ daß ihre Treue alles mit ihm aus-
zustehen wäre willens gewest. Dahero solten
sie nicht länger ihrer Wolfarth und seiner Be-
ständigkeit am Wegestehen. Traute aber ein
und ander nicht beym Phraates Gnade zu fin-
den/ so wäre er nicht darwider/ daß derselbe ihm
nachfolgte/ und an seinem Glücke Theil hätte.
Hiermit gab er und Artafernes dem Pferde die

Spor-

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] dahin zu folgen/ wohin ihn ſein Stern oder Un-
ſtern leiten wuͤrde. Auf allem Fall wuͤrden ſie
und ſein Gewiſſen ihm zeugen/ daß er ſein
Schwerd in kein unſchuldiges Blut der Par-
then getaucht habe. Die Fuͤrſtin Jſmene fing
hieruͤber laut an zu ruffen: Hilf Himmel! aus
was fuͤr Bloͤdſinnigkeit hat der ſo beruͤhmte Ti-
ridates/ ehe er voͤllig uͤberwunden worden/ ſeine
ſo getreue Unterthanen dieſem Wuͤterich auff
die Schlachtbanck liefern/ ſich ſelbſt aber der
Herrſchafft enteuſern koͤnnen? Einem Koͤnige
thut es ja nicht ſo weh ſterben/ als ſeiner Hoheit
entſetzt werden. Denn jenes iſt nur eine Em-
pfindung eines Augenblicks/ dieſes aber ein un-
aufhoͤrlicheꝛ Todt/ und das uͤberbliebene Athem-
holen ein ſtetes Seufzen. Salonine antwortete:
Eben dieſer Meinung waͤren die getreuen Par-
then geweſt. Denn dem Kriegsvolcke gien-
gen uͤber dieſer ſeltzamen Entſchluͤſſung die Au-
gen uͤber/ die Oberſten umarmten ſeine Knie/
reichten ihm die Haͤnde/ weiſten ihre Narben
und baten: Er moͤchte doch das ſo getreue Heer/
die ſo wol verdienten und der Wunden gewohn-
te Parthen nicht verlaſſen/ und in des Wuͤte-
richs Haͤnde ungerochen fallen laſſen. Es ſey
beſſer widrigen Zufaͤllen begegnen/ als auswei-
chen. Tapffere Leute muͤſten mehr Hoffnung
ſchoͤpffen/ als das Ungluͤcke draͤuen koͤnte/ und
die Furchtſamen eilten nur zu kleinmuͤthiger
Verzweiffelung. Sie waͤren entſchloſſen mit
einem ſo frommen Fuͤrſten zu leben und zu ſter-
ben. Alleine Tiridates hatte als ein kluger
Fuͤrſt ſchon ſeine uͤbrige/ und des Phraates
Kraͤfften gegen einander auf die Wage gelegt/
und daraus die Unmoͤglichkeit ſeinem Feinde
fruchtbar die Stirne zu bieten erkennet. Die
Chimeren der Herrſchens-Begierde ſtreichen
zwar leicht auch der Unmoͤgligkeit eine Farbe
an/ und die Anbeter des blinden Gluͤckes ver-
leiten die Fuͤrſten leicht zu tollkuͤhnen Entſchluͤſ-
ſungen; aber ein kluger Fuͤrſt haͤlt es fuͤr keine
Schande dem Blitze des Himmels auszuwei-
[Spaltenumbruch] chen/ und der Gelegenheit zu erwarten ſich wie-
der in Stand zu ſetzen und in Buͤgel zu heben/
inſonderheit aber in einer verzweiffelten Sache
das Buͤrger-Blut zu ſparen. Phraatens
Grauſamkeit haͤtte die Zeit mit dem Schim-
mel der Vergeſſenheit uͤberzogen/ und die luͤ-
ſterne Liebe der Neuigkeit das Volck mit
Phraaten verbunden. Weil nun aber ein
Wuͤterich ſo wenig als ein Tiegerthier nicht
von ſeiner wilden Art laſſen/ ja ſein mit Blut
erworbenes Reich ohne Mord nicht behaupten
kan/ der veraͤnderliche Poͤfel aber/ als ein Ca-
meleon unter den Menſchen/ und ein Thier/
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gelſterne braucht/ ſo geſchwinde haſſet/ als lie-
bet; meinte Tiridates/ es wuͤrde Phraates bald
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wenig als die Zuneigung der Parthen keinen
Beſtand haben/ und eꝛ alſo mit mehꝛ Ruhm/ und
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Getreuen zur Antwort gab: Er nehme ihre
großmuͤthige Erklaͤrung zu Danck auf/ und da
noch einige Hoffnung dem Vaterlande zu helf-
fen uͤbrig waͤre/ wuͤrde er mit Freuden ſich fuͤr
ſelbtes aufopffern. Alleine er haͤtte es nun ſchon
mit dem Gluͤcke verſucht/ und das Verhaͤng-
niß kennen lernen. Moͤchte er auch gleich durch
ihre Tugend Kron und Zepter behaupten koͤn-
nen/ ſo wuͤrde dieſe Eitelkeit doch durch ſo viel
edles Blut allzu theuer gekaufft ſeyn. Es ſey
beſſer ſie dem Vaterlande zum beſten erhalten/
als es ihm ruͤhmlich waͤre fuͤr ſeine Buͤrde ie-
manden zu verderben. Sie haͤtten Ehre ge-
nung davon/ daß ihre Treue alles mit ihm aus-
zuſtehen waͤre willens geweſt. Dahero ſolten
ſie nicht laͤnger ihrer Wolfarth und ſeiner Be-
ſtaͤndigkeit am Wegeſtehen. Traute aber ein
und ander nicht beym Phraates Gnade zu fin-
den/ ſo waͤre er nicht darwider/ daß derſelbe ihm
nachfolgte/ und an ſeinem Gluͤcke Theil haͤtte.
Hiermit gab er und Artafernes dem Pferde die

Spor-
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[236/0288] Drittes Buch dahin zu folgen/ wohin ihn ſein Stern oder Un- ſtern leiten wuͤrde. Auf allem Fall wuͤrden ſie und ſein Gewiſſen ihm zeugen/ daß er ſein Schwerd in kein unſchuldiges Blut der Par- then getaucht habe. Die Fuͤrſtin Jſmene fing hieruͤber laut an zu ruffen: Hilf Himmel! aus was fuͤr Bloͤdſinnigkeit hat der ſo beruͤhmte Ti- ridates/ ehe er voͤllig uͤberwunden worden/ ſeine ſo getreue Unterthanen dieſem Wuͤterich auff die Schlachtbanck liefern/ ſich ſelbſt aber der Herrſchafft enteuſern koͤnnen? Einem Koͤnige thut es ja nicht ſo weh ſterben/ als ſeiner Hoheit entſetzt werden. Denn jenes iſt nur eine Em- pfindung eines Augenblicks/ dieſes aber ein un- aufhoͤrlicheꝛ Todt/ und das uͤberbliebene Athem- holen ein ſtetes Seufzen. Salonine antwortete: Eben dieſer Meinung waͤren die getreuen Par- then geweſt. Denn dem Kriegsvolcke gien- gen uͤber dieſer ſeltzamen Entſchluͤſſung die Au- gen uͤber/ die Oberſten umarmten ſeine Knie/ reichten ihm die Haͤnde/ weiſten ihre Narben und baten: Er moͤchte doch das ſo getreue Heer/ die ſo wol verdienten und der Wunden gewohn- te Parthen nicht verlaſſen/ und in des Wuͤte- richs Haͤnde ungerochen fallen laſſen. Es ſey beſſer widrigen Zufaͤllen begegnen/ als auswei- chen. Tapffere Leute muͤſten mehr Hoffnung ſchoͤpffen/ als das Ungluͤcke draͤuen koͤnte/ und die Furchtſamen eilten nur zu kleinmuͤthiger Verzweiffelung. Sie waͤren entſchloſſen mit einem ſo frommen Fuͤrſten zu leben und zu ſter- ben. Alleine Tiridates hatte als ein kluger Fuͤrſt ſchon ſeine uͤbrige/ und des Phraates Kraͤfften gegen einander auf die Wage gelegt/ und daraus die Unmoͤglichkeit ſeinem Feinde fruchtbar die Stirne zu bieten erkennet. Die Chimeren der Herrſchens-Begierde ſtreichen zwar leicht auch der Unmoͤgligkeit eine Farbe an/ und die Anbeter des blinden Gluͤckes ver- leiten die Fuͤrſten leicht zu tollkuͤhnen Entſchluͤſ- ſungen; aber ein kluger Fuͤrſt haͤlt es fuͤr keine Schande dem Blitze des Himmels auszuwei- chen/ und der Gelegenheit zu erwarten ſich wie- der in Stand zu ſetzen und in Buͤgel zu heben/ inſonderheit aber in einer verzweiffelten Sache das Buͤrger-Blut zu ſparen. Phraatens Grauſamkeit haͤtte die Zeit mit dem Schim- mel der Vergeſſenheit uͤberzogen/ und die luͤ- ſterne Liebe der Neuigkeit das Volck mit Phraaten verbunden. Weil nun aber ein Wuͤterich ſo wenig als ein Tiegerthier nicht von ſeiner wilden Art laſſen/ ja ſein mit Blut erworbenes Reich ohne Mord nicht behaupten kan/ der veraͤnderliche Poͤfel aber/ als ein Ca- meleon unter den Menſchen/ und ein Thier/ das den Wirbel des Unbeſtandes zu ſeinem An- gelſterne braucht/ ſo geſchwinde haſſet/ als lie- bet; meinte Tiridates/ es wuͤrde Phraates bald erkennet werden/ und alſo ſeine Herrſchafft ſo wenig als die Zuneigung der Parthen keinen Beſtand haben/ und eꝛ alſo mit mehꝛ Ruhm/ und wenigerm Blute den Koͤniglichen Stul wieder beſteigen koͤnnen. Dieſemnach er denn ſeinen Getreuen zur Antwort gab: Er nehme ihre großmuͤthige Erklaͤrung zu Danck auf/ und da noch einige Hoffnung dem Vaterlande zu helf- fen uͤbrig waͤre/ wuͤrde er mit Freuden ſich fuͤr ſelbtes aufopffern. Alleine er haͤtte es nun ſchon mit dem Gluͤcke verſucht/ und das Verhaͤng- niß kennen lernen. Moͤchte er auch gleich durch ihre Tugend Kron und Zepter behaupten koͤn- nen/ ſo wuͤrde dieſe Eitelkeit doch durch ſo viel edles Blut allzu theuer gekaufft ſeyn. Es ſey beſſer ſie dem Vaterlande zum beſten erhalten/ als es ihm ruͤhmlich waͤre fuͤr ſeine Buͤrde ie- manden zu verderben. Sie haͤtten Ehre ge- nung davon/ daß ihre Treue alles mit ihm aus- zuſtehen waͤre willens geweſt. Dahero ſolten ſie nicht laͤnger ihrer Wolfarth und ſeiner Be- ſtaͤndigkeit am Wegeſtehen. Traute aber ein und ander nicht beym Phraates Gnade zu fin- den/ ſo waͤre er nicht darwider/ daß derſelbe ihm nachfolgte/ und an ſeinem Gluͤcke Theil haͤtte. Hiermit gab er und Artafernes dem Pferde die Spor-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/288>, abgerufen am 22.11.2024.