Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht an den Leser.
chen: daß wie nicht alle Sachen allen gefallen; ja das grosse Welt-Licht die
Sonne selbst von den Persen angebetet/ von den Mohren hingegen verfluchet
wird; noch die besten Speisen iedwedem Munde schmecken; also auch dieser un-
ser Arminius nicht nach eines ieden Gehirne eingerichtet seyn; sondern ein
ieder nach seiner Einbildung/ oder nach der Gewogenheit zu dessen Verfasser
gut oder böse davon urtheilen/ und also ihm nicht besser gehen werde/ als des
Jupiters Bildnüße/ umb dessen Kopff die Spinnen ihr Gewebe ziehen. Denn/
denen Ungeduldigen oder allzu vieles Qvecksilber-habenden wird vermuthlich
diese Schreibens-Art zu weitläufftig/ den Ungelehrten zu hoch und historisch/
den Scheinheiligen zu frey/ denen Welt-gesinnten mit zu vieler Weltweißheit
und geistlichen Sachen angefüllet/ denen übrigen aber auf diese oder jene Art
nicht recht seyn/ und da oder dort seine Fehler haben; also/ daß man wol mit
dem Ausonius Ursach zu sagen haben möchte: wem dieses unser Spiel nicht ge-
fällig ist/ der lese es mcht; oder wenn er es gelesen/ so vergesse er es wieder;
der so er es nicht vergessen möchte/ so verzeihe er uns.

Allein es wolle der hochgeneigte Leser nur gedencken: daß ein Mensch kei-
ner Englischen Krafft fahig ist; ja auch dem Fleische der Heiligen selber
Schwachheiten anhangen: und daß man das jenige Buch/ welches lauter
gleichgewogene Leser oder Liebhaber bekommen/ und allen Menschen gefallen
wird/ unter die sieben Wunderwercke der Welt zehlen/ desselben Verfasser aber
zum Oberhaupt und Richter aller Bücherschreiber setzen werde. Viel/ die der-
gleichen Geschicht-Bücher verachtet/ haben weder selber was bessers zu schrei-
ben/ noch sonst durch ihr Beyspiel die Welt frömmer zu machen gewust. Man
hat auch noch niemals weder gehört noch gelesen: daß es aus ihrem Haupte
Gold geregnet hätte/ vielleicht/ weil kein Bergwerck darinnen gewesen. Denn
ein ieder mag sich nur bescheiden: daß zwar alle Meere Schaum und Sand/
aber nicht Perlen und Korallen herfür bringen können.

Schlüßlich aber wolle ja niemand meinen: daß unser Uhrheber die Zeit
nur bloß allein an dieses Werck oder seine Poetische Getichte gewendet habe.
Wer von seiner andern Arbeit und Ampts-Verrichtungen Zeugnüs begehret/
denselben wollen wir nicht allein an das Breßlauische Raty-Hauß/
und den berühmten Welt-klugen Herrn Frantz Freyherrn von Nesselrode/
den Mäcenas dieser Zeit/ sondern auch an die jenigen/ so ihn gekennet/ gewie-
sen haben; als welche hoffentlich ohne alle Heucheley oder Partheyligkeit ihm

das
d

Vorbericht an den Leſer.
chen: daß wie nicht alle Sachen allen gefallen; ja das groſſe Welt-Licht die
Sonne ſelbſt von den Perſen angebetet/ von den Mohren hingegen verfluchet
wird; noch die beſten Speiſen iedwedem Munde ſchmecken; alſo auch dieſer un-
ſer Arminius nicht nach eines ieden Gehirne eingerichtet ſeyn; ſondern ein
ieder nach ſeiner Einbildung/ oder nach der Gewogenheit zu deſſen Verfaſſer
gut oder boͤſe davon urtheilen/ und alſo ihm nicht beſſer gehen werde/ als des
Jupiters Bildnuͤße/ umb deſſen Kopff die Spinnen ihr Gewebe ziehen. Denn/
denen Ungeduldigen oder allzu vieles Qveckſilber-habenden wird vermuthlich
dieſe Schreibens-Art zu weitlaͤufftig/ den Ungelehrten zu hoch und hiſtoriſch/
den Scheinheiligen zu frey/ denen Welt-geſinnten mit zu vieler Weltweißheit
und geiſtlichen Sachen angefuͤllet/ denen uͤbrigen aber auf dieſe oder jene Art
nicht recht ſeyn/ und da oder dort ſeine Fehler haben; alſo/ daß man wol mit
dem Auſonius Urſach zu ſagen haben moͤchte: wem dieſes unſer Spiel nicht ge-
faͤllig iſt/ der leſe es mcht; oder wenn er es geleſen/ ſo vergeſſe er es wieder;
der ſo er es nicht vergeſſen moͤchte/ ſo verzeihe er uns.

Allein es wolle der hochgeneigte Leſer nur gedencken: daß ein Menſch kei-
ner Engliſchen Krafft fahig iſt; ja auch dem Fleiſche der Heiligen ſelber
Schwachheiten anhangen: und daß man das jenige Buch/ welches lauter
gleichgewogene Leſer oder Liebhaber bekommen/ und allen Menſchen gefallen
wird/ unter die ſieben Wunderwercke der Welt zehlen/ deſſelben Verfaſſer aber
zum Oberhaupt und Richter aller Buͤcherſchreiber ſetzen werde. Viel/ die der-
gleichen Geſchicht-Buͤcher verachtet/ haben weder ſelber was beſſers zu ſchrei-
ben/ noch ſonſt durch ihr Beyſpiel die Welt froͤmmer zu machen gewuſt. Man
hat auch noch niemals weder gehoͤrt noch geleſen: daß es aus ihrem Haupte
Gold geregnet haͤtte/ vielleicht/ weil kein Bergwerck darinnen geweſen. Denn
ein ieder mag ſich nur beſcheiden: daß zwar alle Meere Schaum und Sand/
aber nicht Perlen und Korallen herfuͤr bringen koͤnnen.

Schluͤßlich aber wolle ja niemand meinen: daß unſer Uhrheber die Zeit
nur bloß allein an dieſes Werck oder ſeine Poetiſche Getichte gewendet habe.
Wer von ſeiner andern Arbeit und Ampts-Verrichtungen Zeugnuͤs begehret/
denſelben wollen wir nicht allein an das Breßlauiſche Raty-Hauß/
und den beruͤhmten Welt-klugen Herrn Frantz Freyherrn von Neſſelrode/
den Maͤcenas dieſer Zeit/ ſondern auch an die jenigen/ ſo ihn gekennet/ gewie-
ſen haben; als welche hoffentlich ohne alle Heucheley oder Partheyligkeit ihm

das
d
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorbericht an den Le&#x017F;er.</hi></fw><lb/>
chen: daß wie nicht alle Sachen allen gefallen; ja das gro&#x017F;&#x017F;e Welt-Licht die<lb/>
Sonne &#x017F;elb&#x017F;t von den Per&#x017F;en angebetet/ von den Mohren hingegen verfluchet<lb/>
wird; noch die be&#x017F;ten Spei&#x017F;en iedwedem Munde &#x017F;chmecken; al&#x017F;o auch die&#x017F;er un-<lb/>
&#x017F;er <hi rendition="#fr">Arminius</hi> nicht nach eines ieden Gehirne eingerichtet &#x017F;eyn; &#x017F;ondern ein<lb/>
ieder nach &#x017F;einer Einbildung/ oder nach der Gewogenheit zu de&#x017F;&#x017F;en Verfa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
gut oder bo&#x0364;&#x017F;e davon urtheilen/ und al&#x017F;o ihm nicht be&#x017F;&#x017F;er gehen werde/ als des<lb/>
Jupiters Bildnu&#x0364;ße/ umb de&#x017F;&#x017F;en Kopff die Spinnen ihr Gewebe ziehen. Denn/<lb/>
denen Ungeduldigen oder allzu vieles Qveck&#x017F;ilber-habenden wird vermuthlich<lb/>
die&#x017F;e Schreibens-Art zu weitla&#x0364;ufftig/ den Ungelehrten zu hoch und hi&#x017F;tori&#x017F;ch/<lb/>
den Scheinheiligen zu frey/ denen Welt-ge&#x017F;innten mit zu vieler Weltweißheit<lb/>
und gei&#x017F;tlichen Sachen angefu&#x0364;llet/ denen u&#x0364;brigen aber auf die&#x017F;e oder jene Art<lb/>
nicht recht &#x017F;eyn/ und da oder dort &#x017F;eine Fehler haben; al&#x017F;o/ daß man wol mit<lb/>
dem Au&#x017F;onius Ur&#x017F;ach zu &#x017F;agen haben mo&#x0364;chte: wem die&#x017F;es un&#x017F;er Spiel nicht ge-<lb/>
fa&#x0364;llig i&#x017F;t/ der le&#x017F;e es mcht; oder wenn er es gele&#x017F;en/ &#x017F;o verge&#x017F;&#x017F;e er es wieder;<lb/>
der &#x017F;o er es nicht verge&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte/ &#x017F;o verzeihe er uns.</p><lb/>
        <p>Allein es wolle der hochgeneigte Le&#x017F;er nur gedencken: daß ein Men&#x017F;ch kei-<lb/>
ner Engli&#x017F;chen Krafft fahig i&#x017F;t; ja auch dem Flei&#x017F;che der Heiligen &#x017F;elber<lb/>
Schwachheiten anhangen: und daß man das jenige Buch/ welches lauter<lb/>
gleichgewogene Le&#x017F;er oder Liebhaber bekommen/ und allen Men&#x017F;chen gefallen<lb/>
wird/ unter die &#x017F;ieben Wunderwercke der Welt zehlen/ de&#x017F;&#x017F;elben Verfa&#x017F;&#x017F;er aber<lb/>
zum Oberhaupt und Richter aller Bu&#x0364;cher&#x017F;chreiber &#x017F;etzen werde. Viel/ die der-<lb/>
gleichen Ge&#x017F;chicht-Bu&#x0364;cher verachtet/ haben weder &#x017F;elber was be&#x017F;&#x017F;ers zu &#x017F;chrei-<lb/>
ben/ noch &#x017F;on&#x017F;t durch ihr Bey&#x017F;piel die Welt fro&#x0364;mmer zu machen gewu&#x017F;t. Man<lb/>
hat auch noch niemals weder geho&#x0364;rt noch gele&#x017F;en: daß es aus ihrem Haupte<lb/>
Gold geregnet ha&#x0364;tte/ vielleicht/ weil kein Bergwerck darinnen gewe&#x017F;en. Denn<lb/>
ein ieder mag &#x017F;ich nur be&#x017F;cheiden: daß zwar alle Meere Schaum und Sand/<lb/>
aber nicht Perlen und Korallen herfu&#x0364;r bringen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Schlu&#x0364;ßlich aber wolle ja niemand meinen: daß un&#x017F;er Uhrheber die Zeit<lb/>
nur bloß allein an die&#x017F;es Werck oder &#x017F;eine Poeti&#x017F;che Getichte gewendet habe.<lb/>
Wer von &#x017F;einer andern Arbeit und Ampts-Verrichtungen Zeugnu&#x0364;s begehret/<lb/>
den&#x017F;elben wollen wir nicht allein an das <hi rendition="#fr">Breßlaui&#x017F;che Raty-Hauß/</hi><lb/>
und den beru&#x0364;hmten Welt-klugen Herrn <hi rendition="#fr">Frantz</hi> Freyherrn von <hi rendition="#fr">Ne&#x017F;&#x017F;elrode/</hi><lb/>
den Ma&#x0364;cenas die&#x017F;er Zeit/ &#x017F;ondern auch an die jenigen/ &#x017F;o ihn gekennet/ gewie-<lb/>
&#x017F;en haben; als welche hoffentlich ohne alle Heucheley oder Partheyligkeit ihm<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">d</fw><fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0029] Vorbericht an den Leſer. chen: daß wie nicht alle Sachen allen gefallen; ja das groſſe Welt-Licht die Sonne ſelbſt von den Perſen angebetet/ von den Mohren hingegen verfluchet wird; noch die beſten Speiſen iedwedem Munde ſchmecken; alſo auch dieſer un- ſer Arminius nicht nach eines ieden Gehirne eingerichtet ſeyn; ſondern ein ieder nach ſeiner Einbildung/ oder nach der Gewogenheit zu deſſen Verfaſſer gut oder boͤſe davon urtheilen/ und alſo ihm nicht beſſer gehen werde/ als des Jupiters Bildnuͤße/ umb deſſen Kopff die Spinnen ihr Gewebe ziehen. Denn/ denen Ungeduldigen oder allzu vieles Qveckſilber-habenden wird vermuthlich dieſe Schreibens-Art zu weitlaͤufftig/ den Ungelehrten zu hoch und hiſtoriſch/ den Scheinheiligen zu frey/ denen Welt-geſinnten mit zu vieler Weltweißheit und geiſtlichen Sachen angefuͤllet/ denen uͤbrigen aber auf dieſe oder jene Art nicht recht ſeyn/ und da oder dort ſeine Fehler haben; alſo/ daß man wol mit dem Auſonius Urſach zu ſagen haben moͤchte: wem dieſes unſer Spiel nicht ge- faͤllig iſt/ der leſe es mcht; oder wenn er es geleſen/ ſo vergeſſe er es wieder; der ſo er es nicht vergeſſen moͤchte/ ſo verzeihe er uns. Allein es wolle der hochgeneigte Leſer nur gedencken: daß ein Menſch kei- ner Engliſchen Krafft fahig iſt; ja auch dem Fleiſche der Heiligen ſelber Schwachheiten anhangen: und daß man das jenige Buch/ welches lauter gleichgewogene Leſer oder Liebhaber bekommen/ und allen Menſchen gefallen wird/ unter die ſieben Wunderwercke der Welt zehlen/ deſſelben Verfaſſer aber zum Oberhaupt und Richter aller Buͤcherſchreiber ſetzen werde. Viel/ die der- gleichen Geſchicht-Buͤcher verachtet/ haben weder ſelber was beſſers zu ſchrei- ben/ noch ſonſt durch ihr Beyſpiel die Welt froͤmmer zu machen gewuſt. Man hat auch noch niemals weder gehoͤrt noch geleſen: daß es aus ihrem Haupte Gold geregnet haͤtte/ vielleicht/ weil kein Bergwerck darinnen geweſen. Denn ein ieder mag ſich nur beſcheiden: daß zwar alle Meere Schaum und Sand/ aber nicht Perlen und Korallen herfuͤr bringen koͤnnen. Schluͤßlich aber wolle ja niemand meinen: daß unſer Uhrheber die Zeit nur bloß allein an dieſes Werck oder ſeine Poetiſche Getichte gewendet habe. Wer von ſeiner andern Arbeit und Ampts-Verrichtungen Zeugnuͤs begehret/ denſelben wollen wir nicht allein an das Breßlauiſche Raty-Hauß/ und den beruͤhmten Welt-klugen Herrn Frantz Freyherrn von Neſſelrode/ den Maͤcenas dieſer Zeit/ ſondern auch an die jenigen/ ſo ihn gekennet/ gewie- ſen haben; als welche hoffentlich ohne alle Heucheley oder Partheyligkeit ihm das d

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/29
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/29>, abgerufen am 03.12.2024.