Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
ren zu Ehren etliche Schauspiele halten wolte/uns in den Schauplatz auch einfanden. Wir kamen gleich dem Könige und dem Statilius Taurus und Junius Silanus/ welchem jener mit unser Verwunderung die Oberstelle einge- räumt hatte/ gegen über zu stehen. Unferne davon befand sich auch die Königin Dynamis/ mit ihrer wohlgewachsenen Tochter Arsinoe. Mitten im Schauplatze standen zwey Mar- mel-Säulen/ auf der einen war das Bild Au- gustens/ auf der andern des Vipsanius Agrip- pa aus Corinthischem Ertzte. Jn den Schau- spielen wurden erstlich Wölffe/ Luchse/ Bären/ Panther und Löwen zum Kampffe aufgefüh- ret/ hernach aber ward der Schauplatz durch et- liche tausend durcheinander spritzende Röhren wol zwölf Schuh hoch mit Wasser angefüllet/ und aus dem einen Gatter ein Crocodil/ aus einem andern ein Delfin heraus gelassen. Es ist unbeschreiblich/ wie hefftigen Grimm diese zwar von der Natur mit ungleichen Kräfften/ aber mit gleichverbitterter Feindschafft ausge- rüsteten Thiere gegen einander bey ihrer ersten Erblickung bezeugten. Der Crocodil ver- folgte den Delfin aufs euserste/ dieser aber tauch- te bald unter das Wasser/ bald wich er auf die Seite/ also/ daß jener wegen seines starrenden Rück grades/ und weil er sich mit dem gantzen Leibe nicht ohne Langsamkeit umwenden kon- te/ den Delfin zu ereilen nicht vermochte. Hin- gegen spitzte der Delfin seine auf dem Rücken habende scharffe Flüßfeder/ und nach einer lan- gen und lustigen Jagt gerieth es ihm unter dem Wasser so wol/ daß er dieses sein einiges Waf- fen dem sonst unverletzlichem Crocodil in den Bauch stieß/ worvon er mit einem grossen Stro- me Blutes das gantze Gewässer anfärbete/ und mit dem wieder abgelassenen Wasser todt auf dem trockenen Boden zu liegen kam. Bey diesen vielfältigen Kurtzweilen machte ihm ein neben mir sitzender Edelmann Gelegenheit mit mir zu sprechen/ und seine Frcundligkeit ver- [Spaltenumbruch] anlaste mich auch ein und anders von ihm zu er- forschen. Dieser erzehlte mir/ daß diese zwey Römische Rathsherren/ nach dem der König in Lycaonien und Gallo-Grecien Amyntas ge- storben wären/ mit Ausschlüssung seiner Söhne selbige Länder für den Römischen Rath einge- zogen hätten. Weil denn sie nach Sinope ih- ren Weg zugenommen/ wäre er nebst dem ei- nen Lycaonischen Fürsten nachgefolgt/ um den bey den Römern hochangesehenen König Po- lemon um eine Fürbitte zu ersuchen/ daß doch des Amyntas Kindern wo nicht gar/ doch ein Theil ihres väterlichen Reiches gelassen werden möchte. Jch ward erfreuet über dieser Nach- richt/ sintemal König Artaxias mit dem Amyn- tas in verträulicher Freundschafft gelebt hatte/ gleichwol aber wolte ich mich/ wer wir wären/ nicht bald bloß geben/ sondern meldete auf seine höfliche Erkündigung/ wir wären Edelleute aus Albanien/ welche aus blosser Begierde frembde Länder zubeschauen/ für wenig Tagen in Sinope ankommen wären; bezeugte gleich- wol gegen ihm möglichste Zuneigung mit ihm in mehrere Kundschafft zu gerathen. Hierauf fiel ich auf die zwey Säulen/ und fragte inson- derheit: Warum des Agrippa Bildnüß in die- sem Schauplatze gesetzt worden? Der Lycao- nier/ der sich Meherdates nennen ließ/ antwor- tete mir: Polemon hätte wohl Ursache beyde Bildnüsse zweyfach in den Schauplatz zu setzen/ weil er beyden das Besitzthum des Bosphori- schen Reichs zu dancken hätte. Denn mir wür- de vielleicht wissend seyn/ daß der gewesene Per- gamenische König Mithridates des Darius Sohn/ der in Egypten ihm treulich beygestan- den war/ dem Julius Cäsar seine wunderschöne Schwester Dynamis zu seiner Ergetzligkeit ü- bergeben/ hingegen habe der Käyser ihm nach dem überwundenen Pharnaces Galatien ge- schenckt/ auch ihm wider des Pharnaces Bos- phorischen Landvogt Asander/ ungeachtet er seinem Herrn meineydig worden und auf der Römer
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
ren zu Ehren etliche Schauſpiele halten wolte/uns in den Schauplatz auch einfanden. Wir kamen gleich dem Koͤnige und dem Statilius Taurus und Junius Silanus/ welchem jener mit unſer Verwunderung die Oberſtelle einge- raͤumt hatte/ gegen uͤber zu ſtehen. Unferne davon befand ſich auch die Koͤnigin Dynamis/ mit ihrer wohlgewachſenen Tochter Arſinoe. Mitten im Schauplatze ſtanden zwey Mar- mel-Saͤulen/ auf der einen war das Bild Au- guſtens/ auf der andern des Vipſanius Agrip- pa aus Corinthiſchem Ertzte. Jn den Schau- ſpielen wurden erſtlich Woͤlffe/ Luchſe/ Baͤren/ Panther und Loͤwen zum Kampffe aufgefuͤh- ret/ hernach aber ward der Schauplatz durch et- liche tauſend durcheinander ſpritzende Roͤhren wol zwoͤlf Schuh hoch mit Waſſer angefuͤllet/ und aus dem einen Gatter ein Crocodil/ aus einem andern ein Delfin heraus gelaſſen. Es iſt unbeſchreiblich/ wie hefftigen Grimm dieſe zwar von der Natur mit ungleichen Kraͤfften/ aber mit gleichverbitterter Feindſchafft ausge- ruͤſteten Thiere gegen einander bey ihrer erſten Erblickung bezeugten. Der Crocodil ver- folgte den Delfin aufs euſerſte/ dieſer aber tauch- te bald unter das Waſſer/ bald wich er auf die Seite/ alſo/ daß jener wegen ſeines ſtarrenden Ruͤck grades/ und weil er ſich mit dem gantzen Leibe nicht ohne Langſamkeit umwenden kon- te/ den Delfin zu ereilen nicht vermochte. Hin- gegen ſpitzte der Delfin ſeine auf dem Ruͤcken habende ſcharffe Fluͤßfeder/ und nach einer lan- gen und luſtigen Jagt gerieth es ihm unter dem Waſſer ſo wol/ daß er dieſes ſein einiges Waf- fen dem ſonſt unverletzlichem Crocodil in den Bauch ſtieß/ worvon er mit einem groſſen Stro- me Blutes das gantze Gewaͤſſer anfaͤrbete/ und mit dem wieder abgelaſſenen Waſſer todt auf dem trockenen Boden zu liegen kam. Bey dieſen vielfaͤltigen Kurtzweilen machte ihm ein neben mir ſitzender Edelmann Gelegenheit mit mir zu ſprechen/ und ſeine Frcundligkeit ver- [Spaltenumbruch] anlaſte mich auch ein und anders von ihm zu er- forſchen. Dieſer erzehlte mir/ daß dieſe zwey Roͤmiſche Rathsherren/ nach dem der Koͤnig in Lycaonien und Gallo-Grecien Amyntas ge- ſtorben waͤren/ mit Ausſchluͤſſung ſeiner Soͤhne ſelbige Laͤnder fuͤr den Roͤmiſchen Rath einge- zogen haͤtten. Weil denn ſie nach Sinope ih- ren Weg zugenommen/ waͤre er nebſt dem ei- nen Lycaoniſchen Fuͤrſten nachgefolgt/ um den bey den Roͤmern hochangeſehenen Koͤnig Po- lemon um eine Fuͤrbitte zu erſuchen/ daß doch des Amyntas Kindern wo nicht gar/ doch ein Theil ihres vaͤterlichen Reiches gelaſſen werden moͤchte. Jch ward erfreuet uͤber dieſer Nach- richt/ ſintemal Koͤnig Artaxias mit dem Amyn- tas in vertraͤulicher Freundſchafft gelebt hatte/ gleichwol aber wolte ich mich/ wer wir waͤren/ nicht bald bloß geben/ ſondern meldete auf ſeine hoͤfliche Erkuͤndigung/ wir waͤren Edelleute aus Albanien/ welche aus bloſſer Begierde frembde Laͤnder zubeſchauen/ fuͤr wenig Tagen in Sinope ankommen waͤren; bezeugte gleich- wol gegen ihm moͤglichſte Zuneigung mit ihm in mehrere Kundſchafft zu gerathen. Hierauf fiel ich auf die zwey Saͤulen/ und fragte inſon- derheit: Warum des Agrippa Bildnuͤß in die- ſem Schauplatze geſetzt worden? Der Lycao- nier/ der ſich Meherdates nennen ließ/ antwor- tete mir: Polemon haͤtte wohl Urſache beyde Bildnuͤſſe zweyfach in den Schauplatz zu ſetzen/ weil er beyden das Beſitzthum des Boſphori- ſchen Reichs zu dancken haͤtte. Denn mir wuͤr- de vielleicht wiſſend ſeyn/ daß der geweſene Per- gameniſche Koͤnig Mithridates des Darius Sohn/ der in Egypten ihm treulich beygeſtan- den war/ dem Julius Caͤſar ſeine wunderſchoͤne Schweſter Dynamis zu ſeiner Ergetzligkeit uͤ- bergeben/ hingegen habe der Kaͤyſer ihm nach dem uͤberwundenen Pharnaces Galatien ge- ſchenckt/ auch ihm wider des Pharnaces Boſ- phoriſchen Landvogt Aſander/ ungeachtet er ſeinem Herrn meineydig worden und auf der Roͤmer
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Drittes Buch
ren zu Ehren etliche Schauſpiele halten wolte/
uns in den Schauplatz auch einfanden. Wir
kamen gleich dem Koͤnige und dem Statilius
Taurus und Junius Silanus/ welchem jener
mit unſer Verwunderung die Oberſtelle einge-
raͤumt hatte/ gegen uͤber zu ſtehen. Unferne
davon befand ſich auch die Koͤnigin Dynamis/
mit ihrer wohlgewachſenen Tochter Arſinoe.
Mitten im Schauplatze ſtanden zwey Mar-
mel-Saͤulen/ auf der einen war das Bild Au-
guſtens/ auf der andern des Vipſanius Agrip-
pa aus Corinthiſchem Ertzte. Jn den Schau-
ſpielen wurden erſtlich Woͤlffe/ Luchſe/ Baͤren/
Panther und Loͤwen zum Kampffe aufgefuͤh-
ret/ hernach aber ward der Schauplatz durch et-
liche tauſend durcheinander ſpritzende Roͤhren
wol zwoͤlf Schuh hoch mit Waſſer angefuͤllet/
und aus dem einen Gatter ein Crocodil/ aus
einem andern ein Delfin heraus gelaſſen. Es
iſt unbeſchreiblich/ wie hefftigen Grimm dieſe
zwar von der Natur mit ungleichen Kraͤfften/
aber mit gleichverbitterter Feindſchafft ausge-
ruͤſteten Thiere gegen einander bey ihrer erſten
Erblickung bezeugten. Der Crocodil ver-
folgte den Delfin aufs euſerſte/ dieſer aber tauch-
te bald unter das Waſſer/ bald wich er auf die
Seite/ alſo/ daß jener wegen ſeines ſtarrenden
Ruͤck grades/ und weil er ſich mit dem gantzen
Leibe nicht ohne Langſamkeit umwenden kon-
te/ den Delfin zu ereilen nicht vermochte. Hin-
gegen ſpitzte der Delfin ſeine auf dem Ruͤcken
habende ſcharffe Fluͤßfeder/ und nach einer lan-
gen und luſtigen Jagt gerieth es ihm unter dem
Waſſer ſo wol/ daß er dieſes ſein einiges Waf-
fen dem ſonſt unverletzlichem Crocodil in den
Bauch ſtieß/ worvon er mit einem groſſen Stro-
me Blutes das gantze Gewaͤſſer anfaͤrbete/ und
mit dem wieder abgelaſſenen Waſſer todt auf
dem trockenen Boden zu liegen kam. Bey
dieſen vielfaͤltigen Kurtzweilen machte ihm ein
neben mir ſitzender Edelmann Gelegenheit mit
mir zu ſprechen/ und ſeine Frcundligkeit ver-
anlaſte mich auch ein und anders von ihm zu er-
forſchen. Dieſer erzehlte mir/ daß dieſe zwey
Roͤmiſche Rathsherren/ nach dem der Koͤnig in
Lycaonien und Gallo-Grecien Amyntas ge-
ſtorben waͤren/ mit Ausſchluͤſſung ſeiner Soͤhne
ſelbige Laͤnder fuͤr den Roͤmiſchen Rath einge-
zogen haͤtten. Weil denn ſie nach Sinope ih-
ren Weg zugenommen/ waͤre er nebſt dem ei-
nen Lycaoniſchen Fuͤrſten nachgefolgt/ um den
bey den Roͤmern hochangeſehenen Koͤnig Po-
lemon um eine Fuͤrbitte zu erſuchen/ daß doch
des Amyntas Kindern wo nicht gar/ doch ein
Theil ihres vaͤterlichen Reiches gelaſſen werden
moͤchte. Jch ward erfreuet uͤber dieſer Nach-
richt/ ſintemal Koͤnig Artaxias mit dem Amyn-
tas in vertraͤulicher Freundſchafft gelebt hatte/
gleichwol aber wolte ich mich/ wer wir waͤren/
nicht bald bloß geben/ ſondern meldete auf ſeine
hoͤfliche Erkuͤndigung/ wir waͤren Edelleute
aus Albanien/ welche aus bloſſer Begierde
frembde Laͤnder zubeſchauen/ fuͤr wenig Tagen
in Sinope ankommen waͤren; bezeugte gleich-
wol gegen ihm moͤglichſte Zuneigung mit ihm
in mehrere Kundſchafft zu gerathen. Hierauf
fiel ich auf die zwey Saͤulen/ und fragte inſon-
derheit: Warum des Agrippa Bildnuͤß in die-
ſem Schauplatze geſetzt worden? Der Lycao-
nier/ der ſich Meherdates nennen ließ/ antwor-
tete mir: Polemon haͤtte wohl Urſache beyde
Bildnuͤſſe zweyfach in den Schauplatz zu ſetzen/
weil er beyden das Beſitzthum des Boſphori-
ſchen Reichs zu dancken haͤtte. Denn mir wuͤr-
de vielleicht wiſſend ſeyn/ daß der geweſene Per-
gameniſche Koͤnig Mithridates des Darius
Sohn/ der in Egypten ihm treulich beygeſtan-
den war/ dem Julius Caͤſar ſeine wunderſchoͤne
Schweſter Dynamis zu ſeiner Ergetzligkeit uͤ-
bergeben/ hingegen habe der Kaͤyſer ihm nach
dem uͤberwundenen Pharnaces Galatien ge-
ſchenckt/ auch ihm wider des Pharnaces Boſ-
phoriſchen Landvogt Aſander/ ungeachtet er
ſeinem Herrn meineydig worden und auf der
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/302>, abgerufen am 26.06.2024. |