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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] es nicht länger gegen die Römer zu halten ge-
traute/ dieser treue Diener mit samt sich einä-
scherte. Weil aber weder Parthen noch Rö-
mer dem Gotarzes gut waren/ ward dieser
Zwytrachts-Axt noch ein Stiel gefunden/ daß
Ariobarzanes der König in Meden/ zu welchem
ohne diß wegen seiner fürtrefflichen Leibes-Ge-
stalt/ und tapfferen Gemüthes die Armenier ihr
Hertze trugen/ auf die dem Artavasdes behan-
delte Bedingungen das Königreich Armenien
haben solte. Dieser erschien nach weniger Zeit
in beyden Lägern/ legte auch wegen Armenien
so wol den Parthen/ als den Römern die Hul-
digung ab. Die empfangene Wunde hinge-
gen machte des Cajus Leib nicht alleine zu
Kriegs-Ubungen/ und das Gemüthe zu nach-
dencklichen Rathschlägen gantz ungeschickt/
sondern als er mit Unwillen wider seinen ge-
machten Schluß nach Rom zurück kehren solte/
starb er davon in der Syrischen Stadt Lincyra
Emesa/ allwo sein Grabmahl noch mit einer
viereckichten Spitz-Säule/ aus dessen Fusse ein
Brunn entspringt/ zu sehen/ und daran zu le-
sen ist:

Dem Abgott des August/ des Röm'schen Halb-Gott's Bei-
nen
Gibt dieser schlechte Sand und Qvell ein Grabmahl ab.
Die Nachwelt schelte nicht des Cajus seltzam Grab!
Der Todt ist ja nur Staub/ das Leben nichts als weinen.

Als diese seltzame Umwechselungen sich in Ar-
menien ereigneten/ ließ das Glücke nicht ab/
auch mit der Fürstin Erato und mir seine Kurtz-
weil zu treiben. Die schlimmen Zeitungen
unsers verwirrten Vaterlandes/ und insonder-
heit der Todt der grossen Olympia erschollen in
die gantze Welt/ und hiemit auch für unsere
Ohren. Alleine die zwar noch so zarte/ aber
behertze Erato vertrug alle diese Ambos-Schlä-
ge des drückenden Verhängnüsses mit unver-
ändertem Gesichte/ und unerschrockenen Her-
tzen. Wenn ich sie trösten solte/ kam sie selbst
meiner Schwachheit zu Hülffe/ und hielt mir
ein: Alle Dinge und Begebenheiten in der
[Spaltenumbruch] Welt hätten zweyerley Antlitze/ und wenn et-
was einem abscheulich fürkäme/ rührte es nur
daher/ daß man selbtes nicht vor/ sondern hin-
terwärts ansehe. Der Verlust ihres Reiches
schiene der Ehrsucht ein unermäßlicher Scha-
de zu seyn; Dieser aber entbürdete ihr Gemü-
the von einer Zentner-Last tausend unruhiger
Sorgen. Der Todt ihrer Mutter käme wei-
bischer Wehmuth für als ein unerträgliches
Hertzeleid; aber die Tugend/ als die Sonne der
kleinern Welt/ kröne ihre Leiche in ihren bey-
den Himmels-Zirckeln/ nemlich in dem Ge-
wissen/ und in dem Urthel der Menschen mit
unverwelckenden Siegs-Kronen. Ja der
durch die Brüste ihrer leiblichen Mutter fah-
rende Dolch käme ihrer Empfindligkeit nicht
häßlich für/ nachdem er von dem glüenden Ei-
sen/ welches dem Artabazen durch die Adern
dringet/ einen so herrlichen Glantz bekommt/
und die Rache sich in dem höchsten Blute des
Bruder-Mörders/ welches das Oel der Be-
leidigten ist/ so annehmlich abkühlet. Uberdiß
zohe ihr die holdselige Erato fast aus allen Bit-
terkeiten eine Ergötzligkeit/ und ihre Bedräng-
nüß ward fast mit ieder einlauffenden Nachricht
erleichtert/ wenn sie hörete/ wie keiner der un-
rechtmäßigen Besitzer ihres väterlichen Thro-
nes feste sitzen bliebe/ sondern immer einer dem
andern das Hefft aus den Händen winde. Da-
her/ ob wir wol uns anfangs ziemlich eingezo-
gen hielten/ indem wir nicht wusten/ wessen wir
uns zum Könige Polemon/ weil er von den Rö-
mern für einen Freund und Bundsgenossen
aufgenommen war/ zu versehen hatten/ so war
uns doch unsere Einsamkeit erträglich. Denn
weil alleine die Laster schrecklich sind/ und mit
ihrer Langsamkeit an den Hertzen ihrer eignen
Liebhaber nagen/ war unsere Unschuld alle-
zeit wohl gemuthet/ und diese machte uns so
behertzt/ daß wir einsmahls/ als wir hörten/
daß der König Polemon zweyen von Rom
nach Sinope angekommenen Rathsher-

ren
Erster Theil. J i

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] es nicht laͤnger gegen die Roͤmer zu halten ge-
traute/ dieſer treue Diener mit ſamt ſich einaͤ-
ſcherte. Weil aber weder Parthen noch Roͤ-
mer dem Gotarzes gut waren/ ward dieſer
Zwytrachts-Axt noch ein Stiel gefunden/ daß
Ariobarzanes der Koͤnig in Meden/ zu welchem
ohne diß wegen ſeiner fuͤrtrefflichen Leibes-Ge-
ſtalt/ und tapfferen Gemuͤthes die Armenier ihr
Hertze trugen/ auf die dem Artavasdes behan-
delte Bedingungen das Koͤnigreich Armenien
haben ſolte. Dieſer erſchien nach weniger Zeit
in beyden Laͤgern/ legte auch wegen Armenien
ſo wol den Parthen/ als den Roͤmern die Hul-
digung ab. Die empfangene Wunde hinge-
gen machte des Cajus Leib nicht alleine zu
Kriegs-Ubungen/ und das Gemuͤthe zu nach-
dencklichen Rathſchlaͤgen gantz ungeſchickt/
ſondern als er mit Unwillen wider ſeinen ge-
machten Schluß nach Rom zuruͤck kehren ſolte/
ſtarb er davon in der Syriſchen Stadt Lincyra
Emeſa/ allwo ſein Grabmahl noch mit einer
viereckichten Spitz-Saͤule/ aus deſſen Fuſſe ein
Brunn entſpringt/ zu ſehen/ und daran zu le-
ſen iſt:

Dem Abgott des Auguſt/ des Roͤm’ſchen Halb-Gott’s Bei-
nen
Gibt dieſer ſchlechte Sand und Qvell ein Grabmahl ab.
Die Nachwelt ſchelte nicht des Cajus ſeltzam Grab!
Der Todt iſt ja nur Staub/ das Leben nichts als weinen.

Als dieſe ſeltzame Umwechſelungen ſich in Ar-
menien ereigneten/ ließ das Gluͤcke nicht ab/
auch mit der Fuͤrſtin Erato und mir ſeine Kurtz-
weil zu treiben. Die ſchlimmen Zeitungen
unſers verwirrten Vaterlandes/ und inſonder-
heit der Todt der groſſen Olympia erſchollen in
die gantze Welt/ und hiemit auch fuͤr unſere
Ohren. Alleine die zwar noch ſo zarte/ aber
behertze Erato vertrug alle dieſe Ambos-Schlaͤ-
ge des druͤckenden Verhaͤngnuͤſſes mit unver-
aͤndertem Geſichte/ und unerſchrockenen Her-
tzen. Wenn ich ſie troͤſten ſolte/ kam ſie ſelbſt
meiner Schwachheit zu Huͤlffe/ und hielt mir
ein: Alle Dinge und Begebenheiten in der
[Spaltenumbruch] Welt haͤtten zweyerley Antlitze/ und wenn et-
was einem abſcheulich fuͤrkaͤme/ ruͤhrte es nur
daher/ daß man ſelbtes nicht vor/ ſondern hin-
terwaͤrts anſehe. Der Verluſt ihres Reiches
ſchiene der Ehrſucht ein unermaͤßlicher Scha-
de zu ſeyn; Dieſer aber entbuͤrdete ihr Gemuͤ-
the von einer Zentner-Laſt tauſend unruhiger
Sorgen. Der Todt ihrer Mutter kaͤme wei-
biſcher Wehmuth fuͤr als ein unertraͤgliches
Hertzeleid; aber die Tugend/ als die Sonne der
kleinern Welt/ kroͤne ihre Leiche in ihren bey-
den Himmels-Zirckeln/ nemlich in dem Ge-
wiſſen/ und in dem Urthel der Menſchen mit
unverwelckenden Siegs-Kronen. Ja der
durch die Bruͤſte ihrer leiblichen Mutter fah-
rende Dolch kaͤme ihrer Empfindligkeit nicht
haͤßlich fuͤr/ nachdem er von dem gluͤenden Ei-
ſen/ welches dem Artabazen durch die Adern
dringet/ einen ſo herrlichen Glantz bekommt/
und die Rache ſich in dem hoͤchſten Blute des
Bruder-Moͤrders/ welches das Oel der Be-
leidigten iſt/ ſo annehmlich abkuͤhlet. Uberdiß
zohe ihr die holdſelige Erato faſt aus allen Bit-
terkeiten eine Ergoͤtzligkeit/ und ihre Bedraͤng-
nuͤß ward faſt mit ieder einlauffenden Nachricht
erleichtert/ wenn ſie hoͤrete/ wie keiner der un-
rechtmaͤßigen Beſitzer ihres vaͤterlichen Thro-
nes feſte ſitzen bliebe/ ſondern immer einer dem
andern das Hefft aus den Haͤnden winde. Da-
her/ ob wir wol uns anfangs ziemlich eingezo-
gen hielten/ indem wir nicht wuſten/ weſſen wir
uns zum Koͤnige Polemon/ weil er von den Roͤ-
mern fuͤr einen Freund und Bundsgenoſſen
aufgenommen war/ zu verſehen hatten/ ſo war
uns doch unſere Einſamkeit ertraͤglich. Denn
weil alleine die Laſter ſchrecklich ſind/ und mit
ihrer Langſamkeit an den Hertzen ihrer eignen
Liebhaber nagen/ war unſere Unſchuld alle-
zeit wohl gemuthet/ und dieſe machte uns ſo
behertzt/ daß wir einsmahls/ als wir hoͤrten/
daß der Koͤnig Polemon zweyen von Rom
nach Sinope angekommenen Rathsher-

ren
Erſter Theil. J i
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[249/0301] Arminius und Thußnelda. es nicht laͤnger gegen die Roͤmer zu halten ge- traute/ dieſer treue Diener mit ſamt ſich einaͤ- ſcherte. Weil aber weder Parthen noch Roͤ- mer dem Gotarzes gut waren/ ward dieſer Zwytrachts-Axt noch ein Stiel gefunden/ daß Ariobarzanes der Koͤnig in Meden/ zu welchem ohne diß wegen ſeiner fuͤrtrefflichen Leibes-Ge- ſtalt/ und tapfferen Gemuͤthes die Armenier ihr Hertze trugen/ auf die dem Artavasdes behan- delte Bedingungen das Koͤnigreich Armenien haben ſolte. Dieſer erſchien nach weniger Zeit in beyden Laͤgern/ legte auch wegen Armenien ſo wol den Parthen/ als den Roͤmern die Hul- digung ab. Die empfangene Wunde hinge- gen machte des Cajus Leib nicht alleine zu Kriegs-Ubungen/ und das Gemuͤthe zu nach- dencklichen Rathſchlaͤgen gantz ungeſchickt/ ſondern als er mit Unwillen wider ſeinen ge- machten Schluß nach Rom zuruͤck kehren ſolte/ ſtarb er davon in der Syriſchen Stadt Lincyra Emeſa/ allwo ſein Grabmahl noch mit einer viereckichten Spitz-Saͤule/ aus deſſen Fuſſe ein Brunn entſpringt/ zu ſehen/ und daran zu le- ſen iſt: Dem Abgott des Auguſt/ des Roͤm’ſchen Halb-Gott’s Bei- nen Gibt dieſer ſchlechte Sand und Qvell ein Grabmahl ab. Die Nachwelt ſchelte nicht des Cajus ſeltzam Grab! Der Todt iſt ja nur Staub/ das Leben nichts als weinen. Als dieſe ſeltzame Umwechſelungen ſich in Ar- menien ereigneten/ ließ das Gluͤcke nicht ab/ auch mit der Fuͤrſtin Erato und mir ſeine Kurtz- weil zu treiben. Die ſchlimmen Zeitungen unſers verwirrten Vaterlandes/ und inſonder- heit der Todt der groſſen Olympia erſchollen in die gantze Welt/ und hiemit auch fuͤr unſere Ohren. Alleine die zwar noch ſo zarte/ aber behertze Erato vertrug alle dieſe Ambos-Schlaͤ- ge des druͤckenden Verhaͤngnuͤſſes mit unver- aͤndertem Geſichte/ und unerſchrockenen Her- tzen. Wenn ich ſie troͤſten ſolte/ kam ſie ſelbſt meiner Schwachheit zu Huͤlffe/ und hielt mir ein: Alle Dinge und Begebenheiten in der Welt haͤtten zweyerley Antlitze/ und wenn et- was einem abſcheulich fuͤrkaͤme/ ruͤhrte es nur daher/ daß man ſelbtes nicht vor/ ſondern hin- terwaͤrts anſehe. Der Verluſt ihres Reiches ſchiene der Ehrſucht ein unermaͤßlicher Scha- de zu ſeyn; Dieſer aber entbuͤrdete ihr Gemuͤ- the von einer Zentner-Laſt tauſend unruhiger Sorgen. Der Todt ihrer Mutter kaͤme wei- biſcher Wehmuth fuͤr als ein unertraͤgliches Hertzeleid; aber die Tugend/ als die Sonne der kleinern Welt/ kroͤne ihre Leiche in ihren bey- den Himmels-Zirckeln/ nemlich in dem Ge- wiſſen/ und in dem Urthel der Menſchen mit unverwelckenden Siegs-Kronen. Ja der durch die Bruͤſte ihrer leiblichen Mutter fah- rende Dolch kaͤme ihrer Empfindligkeit nicht haͤßlich fuͤr/ nachdem er von dem gluͤenden Ei- ſen/ welches dem Artabazen durch die Adern dringet/ einen ſo herrlichen Glantz bekommt/ und die Rache ſich in dem hoͤchſten Blute des Bruder-Moͤrders/ welches das Oel der Be- leidigten iſt/ ſo annehmlich abkuͤhlet. Uberdiß zohe ihr die holdſelige Erato faſt aus allen Bit- terkeiten eine Ergoͤtzligkeit/ und ihre Bedraͤng- nuͤß ward faſt mit ieder einlauffenden Nachricht erleichtert/ wenn ſie hoͤrete/ wie keiner der un- rechtmaͤßigen Beſitzer ihres vaͤterlichen Thro- nes feſte ſitzen bliebe/ ſondern immer einer dem andern das Hefft aus den Haͤnden winde. Da- her/ ob wir wol uns anfangs ziemlich eingezo- gen hielten/ indem wir nicht wuſten/ weſſen wir uns zum Koͤnige Polemon/ weil er von den Roͤ- mern fuͤr einen Freund und Bundsgenoſſen aufgenommen war/ zu verſehen hatten/ ſo war uns doch unſere Einſamkeit ertraͤglich. Denn weil alleine die Laſter ſchrecklich ſind/ und mit ihrer Langſamkeit an den Hertzen ihrer eignen Liebhaber nagen/ war unſere Unſchuld alle- zeit wohl gemuthet/ und dieſe machte uns ſo behertzt/ daß wir einsmahls/ als wir hoͤrten/ daß der Koͤnig Polemon zweyen von Rom nach Sinope angekommenen Rathsher- ren Erſter Theil. J i

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/301>, abgerufen am 22.11.2024.