Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
mitten im Strome gelegener Jnsel mit einer ge-wissen Anzahl Volcks ankamen. Der Par- the betheuerte: daß er mit dem Römischen Vol- cke/ welchem er so gar seine zwey liebsten Söhne freywillig anvertr auet hätte/ die Freundschafft zu er halten verlangete/ Cajus hingegen hatte e- ben so wenig Lust die Würffel einer Schlacht auf den Teppicht zu werfen/ und also wurden sie mit einander eins: daß zwar des Tigranes Sohn Artavasdes Armenischer König sey/ und so wol den Parthischen Großherrn/ als den Kayser für seine Oberherren erkennen/ die Atropaten und Acilisenische Landschafft mit der festen Stadt Artagera aber Phraaten für die Kriegs-Kosten eigenthümlich verbleiben solte. Dieser Friede ward mit zwey prächtigen Gastmahlen/ derer das erste Cajus an dem Syrischen Ufer des Flusses dem Phraates/ das andere auff dem Ar- menischen Phraates dem Cajus zu ehren hielt/ beschlossen. Als auch sie durch den Wein er- wärmet/ und mit einander verträulich worden/ weiste Phraates dem Cajus unterschiedene ge- heime Schreiben/ darinnen Marcus Lollius/ welchen doch Augustus dem Cajus zu seinem ge- heimsten Rathe und Obersten Hoffmeister zu- gegeben hatte/ ihm gegen ein grosses Stücke Goldes alle Römische Kräfften und Anschläge verrathen hatte; welchem Cajus alsofort Gifft beybringen ließ. Als nun derogestalt alles strit- tige abgethan zu seyn schien/ kam von Artaxata diese seltzame Zeitung: daß so bald Censorinus mit dem grösten Theile seines Volcks aus selbi- ger Stadt auff einen Anschlag ausgegangen wäre/ hätte die Königin Laodice sich Artavas- dens entbrochen/ und in den Anaitischen Tem- pel geflüchtet; auch auff des Königs Wiederfo- derung zu entbieten lassen: Sie wolte lieber in der Einsamkeit/ als in dem Bette eines Ohn- mächtigen so viel kalte Nächte zubringen. Wie nun Artavasdes sie mit gewaffneter Hand hät- te wollen aus dem Tempelnehmen/ hätte sein jüngerer Bruder Gotarzes und nebst ihm eine [Spaltenumbruch] gute Anzahl Armenischer Edelleute dem Köni- ge mit entblösten Degen abgetrieben; ja Go- tarzes sich alsofort in den Reichs-Rath verfügt/ und in wenig Stunden wider Artavasden ein Urthel ausbracht/ Krafft dessen er für unfähig des Reichs und der Eh erkennet; in ein auff dem Caspischen Meere entferntes Eyland wegge- schlept/ Gotarzes hingegen auff den Thron/ und Laodice in sein Bette erhoben worden. Censori- nus wäre zwar mit seinem Volcke zurück geeilt/ Gotarzes aber habe ihm die Pforten verschlos- sen; Vologeses hätte ihn auch mit einem Theile Armenier und Parthen überfallen/ und mit grossem Verlust aus dem Felde geschlagen/ also daß von den zwey Legionen ihrer wenig in das Gebürge entronnen wären. Diese unvermu- thete Veränderung warff einen neuen Zanck- Apffel auff den Teppicht/ und veranlaste den Cajus: daß nach dem ihm einige einhielten/ er habe sich durch so grosse den Parthen gethane Verwilligung/ insonderheit durch Abtretung der vortheilhafftigen Stadt Artagera überei- let/ er den Parthischen Stadthalter Donnes Adduus zu bestechen/ und zu Ubergebung der ihm anvertrauten Festung Thospia zu verleiten trachtete. Dieser nahm den Schein der Ver- rätherey an/ und bestimmte einen gewissen Ort zu Behandlung des Wercks. Wie nun Don- nes bey der Zusammenkunfft sechs hundert Ta- lent zu seiner Belohnung forderte/ dieses aber dem Cajus vervielte/ reichte ihm Donnes ein Verzeichniß/ darinnen die zu Thospia ver- wahrten grossen Schätze auffgezeichnet waren; und als Cajus sich in solchen begierig ersahe/ versetzte ihm Donnes eine hefftige Wunde ins Haupt/ worvon er zu Boden fiel; und ehe die entfernten Römer herbey kommen kunten/ schwung er sich auff sein flüchtiges Pferdt/ auff welchem er zweiffelsfrey entronnen wäre/ wenn er nicht mit selbtem gestürtzet hätte. Gleichwohl aber erreichte er noch ein von den Parthen besetztes festes Schloß/ welches als er es
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
mitten im Strome gelegener Jnſel mit einer ge-wiſſen Anzahl Volcks ankamen. Der Par- the betheuerte: daß er mit dem Roͤmiſchen Vol- cke/ welchem er ſo gar ſeine zwey liebſten Soͤhne freywillig anvertr auet haͤtte/ die Freundſchafft zu er halten verlangete/ Cajus hingegen hatte e- ben ſo wenig Luſt die Wuͤrffel einer Schlacht auf den Teppicht zu werfen/ und alſo wurden ſie mit einander eins: daß zwar des Tigranes Sohn Artavasdes Armeniſcher Koͤnig ſey/ und ſo wol den Parthiſchen Großherrn/ als den Kayſer fuͤr ſeine Oberherren erkeñen/ die Atropaten und Aciliſeniſche Landſchafft mit der feſten Stadt Artagera aber Phraaten fuͤr die Kriegs-Koſten eigenthuͤmlich verbleiben ſolte. Dieſer Friede ward mit zwey praͤchtigen Gaſtmahlen/ derer das erſte Cajus an dem Syriſchen Ufer des Fluſſes dem Phraates/ das andere auff dem Ar- meniſchen Phraates dem Cajus zu ehren hielt/ beſchloſſen. Als auch ſie durch den Wein er- waͤrmet/ und mit einander vertraͤulich worden/ weiſte Phraates dem Cajus unterſchiedene ge- heime Schreiben/ darinnen Marcus Lollius/ welchen doch Auguſtus dem Cajus zu ſeinem ge- heimſten Rathe und Oberſten Hoffmeiſter zu- gegeben hatte/ ihm gegen ein groſſes Stuͤcke Goldes alle Roͤmiſche Kraͤfften und Anſchlaͤge verrathen hatte; welchem Cajus alſofort Gifft beybringen ließ. Als nun derogeſtalt alles ſtrit- tige abgethan zu ſeyn ſchien/ kam von Artaxata dieſe ſeltzame Zeitung: daß ſo bald Cenſorinus mit dem groͤſten Theile ſeines Volcks aus ſelbi- ger Stadt auff einen Anſchlag ausgegangen waͤre/ haͤtte die Koͤnigin Laodice ſich Artavas- dens entbrochen/ und in den Anaitiſchen Tem- pel gefluͤchtet; auch auff des Koͤnigs Wiederfo- derung zu entbieten laſſen: Sie wolte lieber in der Einſamkeit/ als in dem Bette eines Ohn- maͤchtigen ſo viel kalte Naͤchte zubringen. Wie nun Artavasdes ſie mit gewaffneter Hand haͤt- te wollen aus dem Tempelnehmen/ haͤtte ſein juͤngerer Bruder Gotarzes und nebſt ihm eine [Spaltenumbruch] gute Anzahl Armeniſcher Edelleute dem Koͤni- ge mit entbloͤſten Degen abgetrieben; ja Go- tarzes ſich alſofort in den Reichs-Rath verfuͤgt/ und in wenig Stunden wider Artavasden ein Urthel ausbracht/ Krafft deſſen er fuͤr unfaͤhig des Reichs und der Eh erkennet; in ein auff dem Caſpiſchen Meere entferntes Eyland wegge- ſchlept/ Gotarzes hingegen auff den Thron/ und Laodice in ſein Bette erhoben worden. Cenſori- nus waͤre zwar mit ſeinem Volcke zuruͤck geeilt/ Gotarzes aber habe ihm die Pforten verſchloſ- ſen; Vologeſes haͤtte ihn auch mit einem Theile Armenier und Parthen uͤberfallen/ und mit groſſem Verluſt aus dem Felde geſchlagen/ alſo daß von den zwey Legionen ihrer wenig in das Gebuͤrge entronnen waͤren. Dieſe unvermu- thete Veraͤnderung warff einen neuen Zanck- Apffel auff den Teppicht/ und veranlaſte den Cajus: daß nach dem ihm einige einhielten/ er habe ſich durch ſo groſſe den Parthen gethane Verwilligung/ inſonderheit durch Abtretung der vortheilhafftigen Stadt Artagera uͤberei- let/ er den Parthiſchen Stadthalter Donnes Adduus zu beſtechen/ und zu Ubergebung der ihm anvertrauten Feſtung Thoſpia zu verleiten trachtete. Dieſer nahm den Schein der Ver- raͤtherey an/ und beſtim̃te einen gewiſſen Ort zu Behandlung des Wercks. Wie nun Don- nes bey der Zuſammenkunfft ſechs hundert Ta- lent zu ſeiner Belohnung forderte/ dieſes aber dem Cajus vervielte/ reichte ihm Donnes ein Verzeichniß/ darinnen die zu Thoſpia ver- wahrten groſſen Schaͤtze auffgezeichnet waren; und als Cajus ſich in ſolchen begierig erſahe/ verſetzte ihm Donnes eine hefftige Wunde ins Haupt/ worvon er zu Boden fiel; und ehe die entfernten Roͤmer herbey kommen kunten/ ſchwung er ſich auff ſein fluͤchtiges Pferdt/ auff welchem er zweiffelsfrey entronnen waͤre/ wenn er nicht mit ſelbtem geſtuͤrtzet haͤtte. Gleichwohl aber erreichte er noch ein von den Parthen beſetztes feſtes Schloß/ welches als er es
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Drittes Buch
mitten im Strome gelegener Jnſel mit einer ge-
wiſſen Anzahl Volcks ankamen. Der Par-
the betheuerte: daß er mit dem Roͤmiſchen Vol-
cke/ welchem er ſo gar ſeine zwey liebſten Soͤhne
freywillig anvertr auet haͤtte/ die Freundſchafft
zu er halten verlangete/ Cajus hingegen hatte e-
ben ſo wenig Luſt die Wuͤrffel einer Schlacht auf
den Teppicht zu werfen/ und alſo wurden ſie mit
einander eins: daß zwar des Tigranes Sohn
Artavasdes Armeniſcher Koͤnig ſey/ und ſo
wol den Parthiſchen Großherrn/ als den Kayſer
fuͤr ſeine Oberherren erkeñen/ die Atropaten und
Aciliſeniſche Landſchafft mit der feſten Stadt
Artagera aber Phraaten fuͤr die Kriegs-Koſten
eigenthuͤmlich verbleiben ſolte. Dieſer Friede
ward mit zwey praͤchtigen Gaſtmahlen/ derer
das erſte Cajus an dem Syriſchen Ufer des
Fluſſes dem Phraates/ das andere auff dem Ar-
meniſchen Phraates dem Cajus zu ehren hielt/
beſchloſſen. Als auch ſie durch den Wein er-
waͤrmet/ und mit einander vertraͤulich worden/
weiſte Phraates dem Cajus unterſchiedene ge-
heime Schreiben/ darinnen Marcus Lollius/
welchen doch Auguſtus dem Cajus zu ſeinem ge-
heimſten Rathe und Oberſten Hoffmeiſter zu-
gegeben hatte/ ihm gegen ein groſſes Stuͤcke
Goldes alle Roͤmiſche Kraͤfften und Anſchlaͤge
verrathen hatte; welchem Cajus alſofort Gifft
beybringen ließ. Als nun derogeſtalt alles ſtrit-
tige abgethan zu ſeyn ſchien/ kam von Artaxata
dieſe ſeltzame Zeitung: daß ſo bald Cenſorinus
mit dem groͤſten Theile ſeines Volcks aus ſelbi-
ger Stadt auff einen Anſchlag ausgegangen
waͤre/ haͤtte die Koͤnigin Laodice ſich Artavas-
dens entbrochen/ und in den Anaitiſchen Tem-
pel gefluͤchtet; auch auff des Koͤnigs Wiederfo-
derung zu entbieten laſſen: Sie wolte lieber in
der Einſamkeit/ als in dem Bette eines Ohn-
maͤchtigen ſo viel kalte Naͤchte zubringen. Wie
nun Artavasdes ſie mit gewaffneter Hand haͤt-
te wollen aus dem Tempelnehmen/ haͤtte ſein
juͤngerer Bruder Gotarzes und nebſt ihm eine
gute Anzahl Armeniſcher Edelleute dem Koͤni-
ge mit entbloͤſten Degen abgetrieben; ja Go-
tarzes ſich alſofort in den Reichs-Rath verfuͤgt/
und in wenig Stunden wider Artavasden ein
Urthel ausbracht/ Krafft deſſen er fuͤr unfaͤhig
des Reichs und der Eh erkennet; in ein auff dem
Caſpiſchen Meere entferntes Eyland wegge-
ſchlept/ Gotarzes hingegen auff den Thron/ und
Laodice in ſein Bette erhoben worden. Cenſori-
nus waͤre zwar mit ſeinem Volcke zuruͤck geeilt/
Gotarzes aber habe ihm die Pforten verſchloſ-
ſen; Vologeſes haͤtte ihn auch mit einem Theile
Armenier und Parthen uͤberfallen/ und mit
groſſem Verluſt aus dem Felde geſchlagen/ alſo
daß von den zwey Legionen ihrer wenig in das
Gebuͤrge entronnen waͤren. Dieſe unvermu-
thete Veraͤnderung warff einen neuen Zanck-
Apffel auff den Teppicht/ und veranlaſte
den Cajus: daß nach dem ihm einige einhielten/
er habe ſich durch ſo groſſe den Parthen gethane
Verwilligung/ inſonderheit durch Abtretung
der vortheilhafftigen Stadt Artagera uͤberei-
let/ er den Parthiſchen Stadthalter Donnes
Adduus zu beſtechen/ und zu Ubergebung der
ihm anvertrauten Feſtung Thoſpia zu verleiten
trachtete. Dieſer nahm den Schein der Ver-
raͤtherey an/ und beſtim̃te einen gewiſſen Ort zu
Behandlung des Wercks. Wie nun Don-
nes bey der Zuſammenkunfft ſechs hundert Ta-
lent zu ſeiner Belohnung forderte/ dieſes aber
dem Cajus vervielte/ reichte ihm Donnes ein
Verzeichniß/ darinnen die zu Thoſpia ver-
wahrten groſſen Schaͤtze auffgezeichnet waren;
und als Cajus ſich in ſolchen begierig erſahe/
verſetzte ihm Donnes eine hefftige Wunde
ins Haupt/ worvon er zu Boden fiel; und ehe
die entfernten Roͤmer herbey kommen kunten/
ſchwung er ſich auff ſein fluͤchtiges Pferdt/ auff
welchem er zweiffelsfrey entronnen waͤre/
wenn er nicht mit ſelbtem geſtuͤrtzet haͤtte.
Gleichwohl aber erreichte er noch ein von den
Parthen beſetztes feſtes Schloß/ welches als er
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/300>, abgerufen am 26.06.2024. |