Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Als er nun zu den Scythen ferner zu fliehenfür gehabt/ wäre ihm Scribonia mit heissen Thränen zu Fusse gefallen/ und ihn beweglichst ersuchet/ daß er entweder ihre Eh offenbar ma- chen/ oder sie und ihr Kind tödten möchte. Al- leine er wäre darzu nicht zu bereden gewest/ son- dern er habe ihr/ und ihrem noch an ihren Brü- sten hängendem Sohne Scribonius auff den Todesfall gegenwärtiges Zeugnüß/ daß Scri- bonia seine Gemahlin/ und diß Kind sein Sohn wäre/ ertheilet. Dieser ausführliche Brief hat- te einen grossen Schein/ und wie Käyser Augu- stus sich vorher hierdurch bethören lassen/ also war keiner unter den Reichs-Räthen/ der nicht diesem Scribonius Glauben beymaß. Der Königin Dynamis aber alleine wolte diß nicht in Kopf. Dahero nahm diß schlauhe Weib den Brief selbst in ihre Hände/ und nach dem sie alle Buchstaben aufs genaueste betrachtet/ fing sie in einem Augenblicke über laut an zu ruffen: Es glaube niemand diesem Verfälscher/ dessen Be- trug numehr am Tage liegt. Als nun alle Augen und Ohren auf sie richteten/ redete sie ferner: Sehet/ dieser Brief soll nach der ver- lohrnen Schlacht bey dem Berge Scotius/ und als der Käyser mit dem P. Servilius Jsau- ricus Bürgermeister in Rom gewest/ geschrieben seyn; Da doch der Jnhalt dieses Brieffes sich grossen Theils etliche Jahr hernach/ und wie Qvintus Fufius/ und Q. Calenus die Bür ger- meister-Würde vertreten hat/ zugetragen. Die Anwesenden erinnerten sich dessen alsofort/ sahen aber mehrer Gewißheit halber in den Zeit-Registern nach/ welche mit der Königin Einwurffe überein traffen. Hingegen ver- stummete Scribonius bey so unverhoft entdeck- ter Falschheit/ wuste auch/ wie sehr er sich be- mühete/ nichts/ welches den Stich halten kon- te/ aufzubringen. Endlich erbot er sich diesen in dem blossen Umstande der Zeit bestehenden Jrrthum durch andere Uhrkunden zu verbes- [Spaltenumbruch] sern/ und erlangte damit Urlaub aus dem Reichs- Rathe zu gehen. Er aber verwandelte seine Be- weiß-Führung in eine offenbare Flucht aus der Stadt Panticapeum/ zohe sein im Lande ver- legtes Kriegs-Volck zusammen/ und meinte seine Gewalt und Heyrath mit den Waffen zu rechtfertigen/ weil seine Rechts-Gründe nicht den Stich halten konten. Die Reichs-Stän- de griffen durch Aufmunterung zur Gegen- wehr/ machten auch die gantze Begebenheit dem Vipsanius Agrippa/ der damals gleich zu Chalcedon sich befand/ zu wissen/ und baten die- ses unwürdigen Königs entübrigt zu seyn. A- grippa trug alsofort dem anwesenden Könige Polemon/ der seinem Vater Mithridates in- zwischen im Pontischen Reiche gefolget war/ auf/ wider den Scribonius den Bosphorern Hülffe zu leisten. Wie aber Polemon in solches Land ankam/ hatten sie schon selbst den Scribo- nius an dem Flusse Psychrus zwischen dem Co- raxischen Gebürge gefangen bekommen/ und von ihm diß Bekäntnüß ausgepresset: Er sey ein Freygelassener des Vedius Pollio gewest/ und habe Bekandtschafft gehabt mit demselben/ welcher sich zu Rom des Antonius und der Octavia Sohn zu seyn gerühmt/ Augustus a- ber zur Ruderbanck hätte schmieden lassen. Nach der Zeit wäre er in Asien kommen/ und hätte gesehen/ wie glückselig ein seinem Be- düncken nach wenig verschmitzter Cappadocier die Person des Königs Ariarathes gespielet/ und mit seiner blossen Aehnligkeit dessen fast al- le Morgenländer überredet hätte/ da doch mehr als zu gewiß war/ daß Marcus Antonius bey Einsetzung des Königs Archelaus den Aria- rathes hingerichtet hatte. Diese zwey Ver- fälscher hätten ihm die Bahn gebrochen/ und das Bildnüß des Mithridates/ dem er ähn- lich zu seyn vermeinet/ zu seiner Erfindung sich für des Pharnaces Sohn auszugeben/ An- laß gegeben. Worauf sie denn diesem Scri- bonius
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Als er nun zu den Scythen ferner zu fliehenfuͤr gehabt/ waͤre ihm Scribonia mit heiſſen Thraͤnen zu Fuſſe gefallen/ und ihn beweglichſt erſuchet/ daß er entweder ihre Eh offenbar ma- chen/ oder ſie und ihr Kind toͤdten moͤchte. Al- leine er waͤre darzu nicht zu bereden geweſt/ ſon- dern er habe ihr/ und ihrem noch an ihren Bruͤ- ſten haͤngendem Sohne Scribonius auff den Todesfall gegenwaͤrtiges Zeugnuͤß/ daß Scri- bonia ſeine Gemahlin/ und diß Kind ſein Sohn waͤre/ ertheilet. Dieſer ausfuͤhrliche Brief hat- te einen groſſen Schein/ und wie Kaͤyſer Augu- ſtus ſich vorher hierdurch bethoͤren laſſen/ alſo war keiner unter den Reichs-Raͤthen/ der nicht dieſem Scribonius Glauben beymaß. Der Koͤnigin Dynamis aber alleine wolte diß nicht in Kopf. Dahero nahm diß ſchlauhe Weib den Brief ſelbſt in ihre Haͤnde/ und nach dem ſie alle Buchſtaben aufs genaueſte betrachtet/ fing ſie in einem Augenblicke uͤber laut an zu ruffen: Es glaube niemand dieſem Verfaͤlſcher/ deſſen Be- trug numehr am Tage liegt. Als nun alle Augen und Ohren auf ſie richteten/ redete ſie ferner: Sehet/ dieſer Brief ſoll nach der ver- lohrnen Schlacht bey dem Berge Scotius/ und als der Kaͤyſer mit dem P. Servilius Jſau- ricus Buͤrgermeiſter in Rom geweſt/ geſchrieben ſeyn; Da doch der Jnhalt dieſes Brieffes ſich groſſen Theils etliche Jahr hernach/ und wie Qvintus Fufius/ und Q. Calenus die Buͤr ger- meiſter-Wuͤrde vertreten hat/ zugetragen. Die Anweſenden erinnerten ſich deſſen alſofort/ ſahen aber mehrer Gewißheit halber in den Zeit-Regiſtern nach/ welche mit der Koͤnigin Einwurffe uͤberein traffen. Hingegen ver- ſtummete Scribonius bey ſo unverhoft entdeck- ter Falſchheit/ wuſte auch/ wie ſehr er ſich be- muͤhete/ nichts/ welches den Stich halten kon- te/ aufzubringen. Endlich erbot er ſich dieſen in dem bloſſen Umſtande der Zeit beſtehenden Jrrthum durch andere Uhrkunden zu verbeſ- [Spaltenumbruch] ſeꝛn/ und eꝛlangte damit Uꝛlaub aus dem Reichs- Rathe zu gehen. Er aber verwandelte ſeine Be- weiß-Fuͤhrung in eine offenbare Flucht aus der Stadt Panticapeum/ zohe ſein im Lande ver- legtes Kriegs-Volck zuſammen/ und meinte ſeine Gewalt und Heyrath mit den Waffen zu rechtfertigen/ weil ſeine Rechts-Gruͤnde nicht den Stich halten konten. Die Reichs-Staͤn- de griffen durch Aufmunterung zur Gegen- wehr/ machten auch die gantze Begebenheit dem Vipſanius Agrippa/ der damals gleich zu Chalcedon ſich befand/ zu wiſſen/ und baten die- ſes unwuͤrdigen Koͤnigs entuͤbrigt zu ſeyn. A- grippa trug alſofort dem anweſenden Koͤnige Polemon/ der ſeinem Vater Mithridates in- zwiſchen im Pontiſchen Reiche gefolget war/ auf/ wider den Scribonius den Boſphorern Huͤlffe zu leiſten. Wie aber Polemon in ſolches Land ankam/ hatten ſie ſchon ſelbſt den Scribo- nius an dem Fluſſe Pſychrus zwiſchen dem Co- raxiſchen Gebuͤrge gefangen bekommen/ und von ihm diß Bekaͤntnuͤß ausgepreſſet: Er ſey ein Freygelaſſener des Vedius Pollio geweſt/ und habe Bekandtſchafft gehabt mit demſelben/ welcher ſich zu Rom des Antonius und der Octavia Sohn zu ſeyn geruͤhmt/ Auguſtus a- ber zur Ruderbanck haͤtte ſchmieden laſſen. Nach der Zeit waͤre er in Aſien kommen/ und haͤtte geſehen/ wie gluͤckſelig ein ſeinem Be- duͤncken nach wenig verſchmitzter Cappadocier die Perſon des Koͤnigs Ariarathes geſpielet/ und mit ſeiner bloſſen Aehnligkeit deſſen faſt al- le Morgenlaͤnder uͤberredet haͤtte/ da doch mehr als zu gewiß war/ daß Marcus Antonius bey Einſetzung des Koͤnigs Archelaus den Aria- rathes hingerichtet hatte. Dieſe zwey Ver- faͤlſcher haͤtten ihm die Bahn gebrochen/ und das Bildnuͤß des Mithridates/ dem er aͤhn- lich zu ſeyn vermeinet/ zu ſeiner Erfindung ſich fuͤr des Pharnaces Sohn auszugeben/ An- laß gegeben. Worauf ſie denn dieſem Scri- bonius
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Drittes Buch
Als er nun zu den Scythen ferner zu fliehen
fuͤr gehabt/ waͤre ihm Scribonia mit heiſſen
Thraͤnen zu Fuſſe gefallen/ und ihn beweglichſt
erſuchet/ daß er entweder ihre Eh offenbar ma-
chen/ oder ſie und ihr Kind toͤdten moͤchte. Al-
leine er waͤre darzu nicht zu bereden geweſt/ ſon-
dern er habe ihr/ und ihrem noch an ihren Bruͤ-
ſten haͤngendem Sohne Scribonius auff den
Todesfall gegenwaͤrtiges Zeugnuͤß/ daß Scri-
bonia ſeine Gemahlin/ und diß Kind ſein Sohn
waͤre/ ertheilet. Dieſer ausfuͤhrliche Brief hat-
te einen groſſen Schein/ und wie Kaͤyſer Augu-
ſtus ſich vorher hierdurch bethoͤren laſſen/ alſo
war keiner unter den Reichs-Raͤthen/ der nicht
dieſem Scribonius Glauben beymaß. Der
Koͤnigin Dynamis aber alleine wolte diß nicht
in Kopf. Dahero nahm diß ſchlauhe Weib den
Brief ſelbſt in ihre Haͤnde/ und nach dem ſie alle
Buchſtaben aufs genaueſte betrachtet/ fing ſie in
einem Augenblicke uͤber laut an zu ruffen: Es
glaube niemand dieſem Verfaͤlſcher/ deſſen Be-
trug numehr am Tage liegt. Als nun alle
Augen und Ohren auf ſie richteten/ redete ſie
ferner: Sehet/ dieſer Brief ſoll nach der ver-
lohrnen Schlacht bey dem Berge Scotius/
und als der Kaͤyſer mit dem P. Servilius Jſau-
ricus Buͤrgermeiſter in Rom geweſt/ geſchrieben
ſeyn; Da doch der Jnhalt dieſes Brieffes ſich
groſſen Theils etliche Jahr hernach/ und wie
Qvintus Fufius/ und Q. Calenus die Buͤr ger-
meiſter-Wuͤrde vertreten hat/ zugetragen.
Die Anweſenden erinnerten ſich deſſen alſofort/
ſahen aber mehrer Gewißheit halber in den
Zeit-Regiſtern nach/ welche mit der Koͤnigin
Einwurffe uͤberein traffen. Hingegen ver-
ſtummete Scribonius bey ſo unverhoft entdeck-
ter Falſchheit/ wuſte auch/ wie ſehr er ſich be-
muͤhete/ nichts/ welches den Stich halten kon-
te/ aufzubringen. Endlich erbot er ſich dieſen
in dem bloſſen Umſtande der Zeit beſtehenden
Jrrthum durch andere Uhrkunden zu verbeſ-
ſeꝛn/ und eꝛlangte damit Uꝛlaub aus dem Reichs-
Rathe zu gehen. Er aber verwandelte ſeine Be-
weiß-Fuͤhrung in eine offenbare Flucht aus der
Stadt Panticapeum/ zohe ſein im Lande ver-
legtes Kriegs-Volck zuſammen/ und meinte
ſeine Gewalt und Heyrath mit den Waffen zu
rechtfertigen/ weil ſeine Rechts-Gruͤnde nicht
den Stich halten konten. Die Reichs-Staͤn-
de griffen durch Aufmunterung zur Gegen-
wehr/ machten auch die gantze Begebenheit
dem Vipſanius Agrippa/ der damals gleich zu
Chalcedon ſich befand/ zu wiſſen/ und baten die-
ſes unwuͤrdigen Koͤnigs entuͤbrigt zu ſeyn. A-
grippa trug alſofort dem anweſenden Koͤnige
Polemon/ der ſeinem Vater Mithridates in-
zwiſchen im Pontiſchen Reiche gefolget war/
auf/ wider den Scribonius den Boſphorern
Huͤlffe zu leiſten. Wie aber Polemon in ſolches
Land ankam/ hatten ſie ſchon ſelbſt den Scribo-
nius an dem Fluſſe Pſychrus zwiſchen dem Co-
raxiſchen Gebuͤrge gefangen bekommen/ und
von ihm diß Bekaͤntnuͤß ausgepreſſet: Er ſey
ein Freygelaſſener des Vedius Pollio geweſt/
und habe Bekandtſchafft gehabt mit demſelben/
welcher ſich zu Rom des Antonius und der
Octavia Sohn zu ſeyn geruͤhmt/ Auguſtus a-
ber zur Ruderbanck haͤtte ſchmieden laſſen.
Nach der Zeit waͤre er in Aſien kommen/ und
haͤtte geſehen/ wie gluͤckſelig ein ſeinem Be-
duͤncken nach wenig verſchmitzter Cappadocier
die Perſon des Koͤnigs Ariarathes geſpielet/
und mit ſeiner bloſſen Aehnligkeit deſſen faſt al-
le Morgenlaͤnder uͤberredet haͤtte/ da doch mehr
als zu gewiß war/ daß Marcus Antonius bey
Einſetzung des Koͤnigs Archelaus den Aria-
rathes hingerichtet hatte. Dieſe zwey Ver-
faͤlſcher haͤtten ihm die Bahn gebrochen/ und
das Bildnuͤß des Mithridates/ dem er aͤhn-
lich zu ſeyn vermeinet/ zu ſeiner Erfindung
ſich fuͤr des Pharnaces Sohn auszugeben/ An-
laß gegeben. Worauf ſie denn dieſem Scri-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/304>, abgerufen am 26.06.2024. |