Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
sinoens alle andere Absehen/ also: daß die Arme-nische Botschafft wegen der verlangten Auslief- ferung des Artaxias abschlägliche Antwort kriegte. Alleine das Unglück wolte der Red- ligkeit dieses tapffern Königs nicht aus dem Wege treten. Denn noch selbigen Tag lieffen vom Tiberius Schreiben ein/ welche dem Po- lemon die Ausfolgung des Artaxias beweglich einhielten/ und die Römischen Rathsherren be- fehlichten darzu eusserst beförderlich zu seyn. Po- lemon erschrack über des Tiberius Brieffe/ noch mehr aber über des Taurus und Silanus heff- tigem Fürtrage. Gleichwohl aber sätzte er ih- nen entgegen: Er versehe sich zu ihnen als Römern nicht/ daß sie ihn nöthigen würden die Gast- Götter seines Hauses zu beleidigen/ und daß er dem Artaxias einmahl gegebene Königliche Wort: Er möchte bey ihm sichern Auffenthalt haben/ brechen solte. Treu und Glauben wä- re zu Rom ein solches Heiligthum/ welches da- selbst auch denen gehalten würde/ welche gleich solches vorher verletzet/ und ob schon dem gemei- nen Wesen daraus einiges Unheil zugehangen. Sie hätten den Hanno/ der auff der Römer Wort zu ihnen kommen/ unverhindert zurück gelassen/ ungeachtet die Carthaginenser den Ge- sandten und Bürgermeister Cornelius Asina in Ketten geschlossen hatten. Wie möchte man denn ihm zumuthen seinen Gast und Freund zu bestricken. Zumahl ihm unbewust wäre: daß dieser Artaxias die Römer iemahls beleidiget/ ein Sohn aber nicht Theil an der Schuld seines Vaters hätte. Antiochus hätte eh wider den mit den Römern gemachten Friedens-Schluß handeln/ als an seinem Gaste dem Hannibal durch seine Ausfolgung eine Leichtsinnigkeit be- gehen wollen; indem er ihn gewarnigt sich aus dem Staube zu machen. Alleine die Römer setzten ihm entgegen/ Polemon hätte den Mas- sabazanes/ für den er sich fälschlich ausgege- ben/ keinem Artaxias die Gast-Freyheit er- laubet. Man habe nicht nur auff die Ver- [Spaltenumbruch] sicherung seiner Feinde/ sondern auch derer zu dencken/ die es allem Ansehen nach werden/ und die gemeine Ruh stören könten. Frem- de Könige wären einem seine Feinde ausfolgen zu lassen nicht schuldig; und deßhalben wäre der Käyser Phraaten den Tiridates zu lieffern nicht schuldig gewest/ aber wohl die Bundge- nossen. Daher hätte Antiochus unrecht/ Pru- sias aber löblich gethan: daß er den Hannibal habe greiffen lassen/ und den Römischen Ge- sandten lieffern wollen/ wenn er ihnen nicht mit Gifft wäre zuvor kommen. Diesem setz- ten sie ausdrückliche Bedrohunger bey: daß/ nach dem Polemon hierdurch wider seine Bundgenossenschafft handelte/ würde er für ei- nen Beschirmer der Römischen Feinde ange- sehen werden. Polemon fand sich derogestalt zwischen Thür und Angel. Denn auff einer Seite stritte für uns seine Ehre und unsere Schutz-Göttin Arsinoe/ auff der andern Sei- ten wider uns die Furcht für der Römischen Macht/ und die Gefahr seines Königreichs. Wie nun diß alles uns zu Ohren kam/ entschloß sich E- rato lieber freywillig in die Gewalt ihres Fein- des/ als einen so redlichen König in so grosse Ge- fahr zu stürtzen; Ließ auch solches dem Könige ausdrücklich beybringen/ welcher inzwischen noch diesen Vorschlag ersonnen hatte: daß er auffden eussersten Fall den Artaxias nicht dem Tigranes/ sondern denen weniger grimmigen Römern mit Begleitung einer beweglichen Vor- schrifft an den Käyser und Tiberius ausfolgen lassen wolte. Endlich kam Erato und ich nach langer Uberlegung unsers bevorstehenden Un- glücks auff die Entschlüssung/ lieber die Heim- ligkeit ihres zum Erbarmniß mehr dienenden Geschlechts zu offenbaren/ als auff die mehr- mahls fehlgeschlagene Gnade der Römer zu fus- sen. Wie es nun an dem war/ daß Maßabar- zanes dem Taurus und Silanus eingehändi- get werden solte/ und für dem Könige und ihnen erschien/ fing er mit einer freudigen Anmuth an: Es
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
ſinoens alle andere Abſehen/ alſo: daß die Arme-niſche Botſchafft wegen der verlangten Auslief- ferung des Artaxias abſchlaͤgliche Antwort kriegte. Alleine das Ungluͤck wolte der Red- ligkeit dieſes tapffern Koͤnigs nicht aus dem Wege treten. Denn noch ſelbigen Tag lieffen vom Tiberius Schreiben ein/ welche dem Po- lemon die Ausfolgung des Artaxias beweglich einhielten/ und die Roͤmiſchen Rathsherren be- fehlichten darzu euſſerſt befoͤrderlich zu ſeyn. Po- lemon erſchrack uͤber des Tiberius Brieffe/ noch mehr aber uͤber des Taurus und Silanus heff- tigem Fuͤrtrage. Gleichwohl aber ſaͤtzte er ih- nen entgegen: Er verſehe ſich zu ihnẽ als Roͤmern nicht/ daß ſie ihn noͤthigen wuͤrden die Gaſt- Goͤtter ſeines Hauſes zu beleidigen/ und daß er dem Artaxias einmahl gegebene Koͤnigliche Wort: Er moͤchte bey ihm ſichern Auffenthalt haben/ brechen ſolte. Treu und Glauben waͤ- re zu Rom ein ſolches Heiligthum/ welches da- ſelbſt auch denen gehalten wuͤrde/ welche gleich ſolches vorher verletzet/ und ob ſchon dem gemei- nen Weſen daraus einiges Unheil zugehangen. Sie haͤtten den Hanno/ der auff der Roͤmer Wort zu ihnen kommen/ unverhindert zuruͤck gelaſſen/ ungeachtet die Carthaginenſer den Ge- ſandten und Buͤrgermeiſter Cornelius Aſina in Ketten geſchloſſen hatten. Wie moͤchte man denn ihm zumuthen ſeinen Gaſt und Freund zu beſtricken. Zumahl ihm unbewuſt waͤre: daß dieſer Artaxias die Roͤmer iemahls beleidiget/ ein Sohn aber nicht Theil an der Schuld ſeines Vaters haͤtte. Antiochus haͤtte eh wider den mit den Roͤmern gemachten Friedens-Schluß handeln/ als an ſeinem Gaſte dem Hannibal durch ſeine Ausfolgung eine Leichtſinnigkeit be- gehen wollen; indem er ihn gewarnigt ſich aus dem Staube zu machen. Alleine die Roͤmer ſetzten ihm entgegen/ Polemon haͤtte den Maſ- ſabazanes/ fuͤr den er ſich faͤlſchlich ausgege- ben/ keinem Artaxias die Gaſt-Freyheit er- laubet. Man habe nicht nur auff die Ver- [Spaltenumbruch] ſicherung ſeiner Feinde/ ſondern auch derer zu dencken/ die es allem Anſehen nach werden/ und die gemeine Ruh ſtoͤren koͤnten. Frem- de Koͤnige waͤren einem ſeine Feinde ausfolgen zu laſſen nicht ſchuldig; und deßhalben waͤre der Kaͤyſer Phraaten den Tiridates zu lieffern nicht ſchuldig geweſt/ aber wohl die Bundge- noſſen. Daher haͤtte Antiochus unrecht/ Pru- ſias aber loͤblich gethan: daß er den Hannibal habe greiffen laſſen/ und den Roͤmiſchen Ge- ſandten lieffern wollen/ wenn er ihnen nicht mit Gifft waͤre zuvor kommen. Dieſem ſetz- ten ſie ausdruͤckliche Bedrohunger bey: daß/ nach dem Polemon hierdurch wider ſeine Bundgenoſſenſchafft handelte/ wuͤrde er fuͤr ei- nen Beſchirmer der Roͤmiſchen Feinde ange- ſehen werden. Polemon fand ſich derogeſtalt zwiſchen Thuͤr und Angel. Denn auff einer Seite ſtritte fuͤr uns ſeine Ehre und unſere Schutz-Goͤttin Arſinoe/ auff der andern Sei- ten wider uns die Furcht fuͤr der Roͤmiſchen Macht/ und die Gefahr ſeines Koͤnigreichs. Wie nun diß alles uns zu Ohrẽ kam/ entſchloß ſich E- rato lieber freywillig in die Gewalt ihres Fein- des/ als einen ſo redlichen Koͤnig in ſo groſſe Ge- fahr zu ſtuͤrtzen; Ließ auch ſolches dem Koͤnige ausdruͤcklich beybringen/ welcher inzwiſchen noch dieſen Vorſchlag erſonnen hatte: daß er auffden euſſerſten Fall den Artaxias nicht dem Tigranes/ ſondern denen weniger grimmigen Roͤmern mit Begleitung einer beweglichẽ Vor- ſchrifft an den Kaͤyſer und Tiberius ausfolgen laſſen wolte. Endlich kam Erato und ich nach langer Uberlegung unſers bevorſtehenden Un- gluͤcks auff die Entſchluͤſſung/ lieber die Heim- ligkeit ihres zum Erbarmniß mehr dienenden Geſchlechts zu offenbaren/ als auff die mehr- mahls fehlgeſchlagene Gnade der Roͤmer zu fuſ- ſen. Wie es nun an dem war/ daß Maßabar- zanes dem Taurus und Silanus eingehaͤndi- get werden ſolte/ und fuͤr dem Koͤnige und ihnen erſchien/ fing er mit einer fꝛeudigen Anmuth an: Es
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Drittes Buch
ſinoens alle andere Abſehen/ alſo: daß die Arme-
niſche Botſchafft wegen der verlangten Auslief-
ferung des Artaxias abſchlaͤgliche Antwort
kriegte. Alleine das Ungluͤck wolte der Red-
ligkeit dieſes tapffern Koͤnigs nicht aus dem
Wege treten. Denn noch ſelbigen Tag lieffen
vom Tiberius Schreiben ein/ welche dem Po-
lemon die Ausfolgung des Artaxias beweglich
einhielten/ und die Roͤmiſchen Rathsherren be-
fehlichten darzu euſſerſt befoͤrderlich zu ſeyn. Po-
lemon erſchrack uͤber des Tiberius Brieffe/ noch
mehr aber uͤber des Taurus und Silanus heff-
tigem Fuͤrtrage. Gleichwohl aber ſaͤtzte er ih-
nen entgegen: Er verſehe ſich zu ihnẽ als Roͤmern
nicht/ daß ſie ihn noͤthigen wuͤrden die Gaſt-
Goͤtter ſeines Hauſes zu beleidigen/ und daß
er dem Artaxias einmahl gegebene Koͤnigliche
Wort: Er moͤchte bey ihm ſichern Auffenthalt
haben/ brechen ſolte. Treu und Glauben waͤ-
re zu Rom ein ſolches Heiligthum/ welches da-
ſelbſt auch denen gehalten wuͤrde/ welche gleich
ſolches vorher verletzet/ und ob ſchon dem gemei-
nen Weſen daraus einiges Unheil zugehangen.
Sie haͤtten den Hanno/ der auff der Roͤmer
Wort zu ihnen kommen/ unverhindert zuruͤck
gelaſſen/ ungeachtet die Carthaginenſer den Ge-
ſandten und Buͤrgermeiſter Cornelius Aſina in
Ketten geſchloſſen hatten. Wie moͤchte man
denn ihm zumuthen ſeinen Gaſt und Freund zu
beſtricken. Zumahl ihm unbewuſt waͤre: daß
dieſer Artaxias die Roͤmer iemahls beleidiget/
ein Sohn aber nicht Theil an der Schuld ſeines
Vaters haͤtte. Antiochus haͤtte eh wider den
mit den Roͤmern gemachten Friedens-Schluß
handeln/ als an ſeinem Gaſte dem Hannibal
durch ſeine Ausfolgung eine Leichtſinnigkeit be-
gehen wollen; indem er ihn gewarnigt ſich aus
dem Staube zu machen. Alleine die Roͤmer
ſetzten ihm entgegen/ Polemon haͤtte den Maſ-
ſabazanes/ fuͤr den er ſich faͤlſchlich ausgege-
ben/ keinem Artaxias die Gaſt-Freyheit er-
laubet. Man habe nicht nur auff die Ver-
ſicherung ſeiner Feinde/ ſondern auch derer zu
dencken/ die es allem Anſehen nach werden/
und die gemeine Ruh ſtoͤren koͤnten. Frem-
de Koͤnige waͤren einem ſeine Feinde ausfolgen
zu laſſen nicht ſchuldig; und deßhalben waͤre der
Kaͤyſer Phraaten den Tiridates zu lieffern
nicht ſchuldig geweſt/ aber wohl die Bundge-
noſſen. Daher haͤtte Antiochus unrecht/ Pru-
ſias aber loͤblich gethan: daß er den Hannibal
habe greiffen laſſen/ und den Roͤmiſchen Ge-
ſandten lieffern wollen/ wenn er ihnen nicht
mit Gifft waͤre zuvor kommen. Dieſem ſetz-
ten ſie ausdruͤckliche Bedrohunger bey: daß/
nach dem Polemon hierdurch wider ſeine
Bundgenoſſenſchafft handelte/ wuͤrde er fuͤr ei-
nen Beſchirmer der Roͤmiſchen Feinde ange-
ſehen werden. Polemon fand ſich derogeſtalt
zwiſchen Thuͤr und Angel. Denn auff einer
Seite ſtritte fuͤr uns ſeine Ehre und unſere
Schutz-Goͤttin Arſinoe/ auff der andern Sei-
ten wider uns die Furcht fuͤr der Roͤmiſchen
Macht/ und die Gefahr ſeines Koͤnigreichs. Wie
nun diß alles uns zu Ohrẽ kam/ entſchloß ſich E-
rato lieber freywillig in die Gewalt ihres Fein-
des/ als einen ſo redlichen Koͤnig in ſo groſſe Ge-
fahr zu ſtuͤrtzen; Ließ auch ſolches dem Koͤnige
ausdruͤcklich beybringen/ welcher inzwiſchen
noch dieſen Vorſchlag erſonnen hatte: daß er
auffden euſſerſten Fall den Artaxias nicht dem
Tigranes/ ſondern denen weniger grimmigen
Roͤmern mit Begleitung einer beweglichẽ Vor-
ſchrifft an den Kaͤyſer und Tiberius ausfolgen
laſſen wolte. Endlich kam Erato und ich nach
langer Uberlegung unſers bevorſtehenden Un-
gluͤcks auff die Entſchluͤſſung/ lieber die Heim-
ligkeit ihres zum Erbarmniß mehr dienenden
Geſchlechts zu offenbaren/ als auff die mehr-
mahls fehlgeſchlagene Gnade der Roͤmer zu fuſ-
ſen. Wie es nun an dem war/ daß Maßabar-
zanes dem Taurus und Silanus eingehaͤndi-
get werden ſolte/ und fuͤr dem Koͤnige und ihnen
erſchien/ fing er mit einer fꝛeudigen Anmuth an:
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/310>, abgerufen am 26.06.2024. |