Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
gen Jungfrauen/ die die Begierde der Tugendund ein grosses Absehen ihrer Eltern in ein Mannsbild verstellet hat/ wider die Falschheit des Sinorix ein Zeugniß: daß sie nicht Maßa- barzanes/ weniger der verfolgte Artaxias sey. Der guthertzigen Königin fielen die Thränen aus den Augen/ und sie kunte sich nicht enthal- ten/ daß sie nicht die Erato mit hundert Küssen umhalsete; Arsinoe aber blieb hierbey voll Nachdenckens unbewegt gleichsam als eine Marmel-Seule stehen/ verlohr sich auch un- vermerckt aus dem Zimmer. Die Königin befahl hierauff alsofort ihrem Frauenzimmer: daß sie den eingebildeten Maßabarzanes also- fort ihrer Tugend gemäß auffs prächtigste an- kleiden musten. Als dieses in möglichster Eil vollbracht ward/ nahm die Königin diese Für- stin bey der Hand/ und führte sie in das Köni- gliche Zimmer/ darinnen die verlassenen Per- sonen mit Ungedult den verlangten Ausschlag erwarteten. Dieser aber als sie nun den ein- gebildeten Artaxias in ein Frauenzimmer ver- wandelt/ und die unfehlbare Warheit aus de- nen mit Fleiß halb entblößten Brüsten sahen/ verwirrte nicht nur den König und die Rö- mer/ sondern auch den Sinnates/ und inson- derheit den Sinorix; daß jene kein Wort re- den konten/ dieser aber für Scham und Schan- de sich augenblicks aus dem Zimmer ent- brach. Der König ward über diesem Eben- theuer hertzlich erfreuet/ die Römer aber und gantz Sinope verwundernd über der Schön- heit und Tapfferkeit dieser zwar unbekandten Fürstin; welche aber ihren hohen Stand durch ihre Tugend genugsam ausführete. Sinorix ließ sich nicht mehr schauen/ und Sinnates mu- ste mit einer Nase abziehen. Erato aber erfreu- te sich über so glücklichem Ausschlage/ dem Sie- ge ihrer Klugheit. Denn diese ist die Hebam- me der Glückseligkeit und Vergnügung. Eines allein lag ihr noch auff dem Hertzen/ nehmlich die Sorge über der an Arsinoen verspührten [Spaltenumbruch] hefftigen Veränderung. Zumal da Erato/ welche nunmehr in dem Königlichen Frauenzimmer blei- ben muste/ und von der Königin alle ersinnliche Gnaden/ von der Fürstin Arsinoe aber noch hefftigere Liebesbezeugungen genaaß/ gleichwol an ihr eine ungewöhnliche Traurigkeit verspür- te. Diese verwandelte sich in wenigen Tagen in eine Kranckheit/ und machte sie gar bettläge- rig. Endlich wuchs die Unpäßligkeit so sehr/ daß die Aertzte an ihrer Wiedergenesung zu zweif- feln anfingen; worüber der gantze Hoff in un- ermäßliches Trauren versetzet ward. Taurus und Silanus hatten selbst mit dieser so anmu- thigen Fürstin ein hertzliches Mitleiden; und weil sie den berühmten Artzt Cornelius Celsus/ welchen man seiner Fürtreffligkeit wegen den Lateinischen Hippocrates nennte/ bey sich hatten/ ward er endlich auch zu Rathe gezogen. Dieser aber konte so wenig als die andern sich in die Kranckheit finden/ weniger bey solcher Un- wissenheit helffen. Nach hunderterley Anmer- ckungen ihrer Veränderung nahm er wahr/ daß wenn einige von dem Frauenzimmer/ und dar- unter Erato ums Bette standen/ der Puls schnel- ler zu schlagen anfing/ ihre Farbe und gantze Beschaffenheit sich änderte. Gleichwohl aber konte er hieraus ihm wenig nehmen/ noch auff den Grund kommen. Nach dem er aber mit Fleiß anmer ckte/ daß dieser Umstand allezeit ei- nerley Veränderung machte/ und die Königin bey sich täglich vermindernden Lebens-Hoff- nung sehr erbärmlich thät/ ihr die Haare aus- rauffte/ den Göttern und der Natur fluchte/ ihre Kleider zerriß; diese eine Stieff-Mutter schalt/ welche dem Menschen bey seiner Geburt nur deshalben den Verstand entziehe/ daß er das gute des anfangenden Lebens nicht recht genüße/ bey dem Sterben aber gebe/ daß er die Bitterkeit des Todes so viel mehr schme- cken müste/ zohe dieser nachdenckliche Artzt die Königin auff die Seite/ entdeckte ihr sei- ne Anmerckung und sagte: Er hielte es mehr
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
gen Jungfrauen/ die die Begierde der Tugendund ein groſſes Abſehen ihrer Eltern in ein Mannsbild verſtellet hat/ wider die Falſchheit des Sinorix ein Zeugniß: daß ſie nicht Maßa- barzanes/ weniger der verfolgte Artaxias ſey. Der guthertzigen Koͤnigin fielen die Thraͤnen aus den Augen/ und ſie kunte ſich nicht enthal- ten/ daß ſie nicht die Erato mit hundert Kuͤſſen umhalſete; Arſinoe aber blieb hierbey voll Nachdenckens unbewegt gleichſam als eine Marmel-Seule ſtehen/ verlohr ſich auch un- vermerckt aus dem Zimmer. Die Koͤnigin befahl hierauff alſofort ihrem Frauenzimmer: daß ſie den eingebildeten Maßabarzanes alſo- fort ihrer Tugend gemaͤß auffs praͤchtigſte an- kleiden muſten. Als dieſes in moͤglichſter Eil vollbracht ward/ nahm die Koͤnigin dieſe Fuͤr- ſtin bey der Hand/ und fuͤhrte ſie in das Koͤni- gliche Zimmer/ darinnen die verlaſſenen Per- ſonen mit Ungedult den verlangten Ausſchlag erwarteten. Dieſer aber als ſie nun den ein- gebildeten Artaxias in ein Frauenzimmer ver- wandelt/ und die unfehlbare Warheit aus de- nen mit Fleiß halb entbloͤßten Bruͤſten ſahen/ verwirrte nicht nur den Koͤnig und die Roͤ- mer/ ſondern auch den Sinnates/ und inſon- derheit den Sinorix; daß jene kein Wort re- den konten/ dieſer aber fuͤr Scham und Schan- de ſich augenblicks aus dem Zimmer ent- brach. Der Koͤnig ward uͤber dieſem Eben- theuer hertzlich erfreuet/ die Roͤmer aber und gantz Sinope verwundernd uͤber der Schoͤn- heit und Tapfferkeit dieſer zwar unbekandten Fuͤrſtin; welche aber ihren hohen Stand durch ihre Tugend genugſam ausfuͤhrete. Sinorix ließ ſich nicht mehr ſchauen/ und Sinnates mu- ſte mit einer Naſe abziehen. Erato aber erfreu- te ſich uͤber ſo gluͤcklichem Ausſchlage/ dem Sie- ge ihrer Klugheit. Denn dieſe iſt die Hebam- me der Gluͤckſeligkeit und Vergnuͤgung. Eines allein lag ihr noch auff dem Hertzen/ nehmlich die Sorge uͤber der an Arſinoen verſpuͤhrten [Spaltenumbruch] hefftigen Veraͤndeꝛung. Zumal da Erato/ welche nunmehr in dem Koͤniglichen Frauenzim̃er blei- ben muſte/ und von der Koͤnigin alle erſinnliche Gnaden/ von der Fuͤrſtin Arſinoe aber noch hefftigere Liebesbezeugungen genaaß/ gleichwol an ihr eine ungewoͤhnliche Traurigkeit verſpuͤr- te. Dieſe verwandelte ſich in wenigen Tagen in eine Kranckheit/ und machte ſie gar bettlaͤge- rig. Endlich wuchs die Unpaͤßligkeit ſo ſehr/ daß die Aertzte an ihrer Wiedergeneſung zu zweif- feln anfingen; woruͤber der gantze Hoff in un- ermaͤßliches Trauren verſetzet ward. Taurus und Silanus hatten ſelbſt mit dieſer ſo anmu- thigen Fuͤrſtin ein hertzliches Mitleiden; und weil ſie den beruͤhmten Artzt Cornelius Celſus/ welchen man ſeiner Fuͤrtreffligkeit wegen den Lateiniſchen Hippocꝛates nennte/ bey ſich hatten/ ward er endlich auch zu Rathe gezogen. Dieſer aber konte ſo wenig als die andern ſich in die Kranckheit finden/ weniger bey ſolcher Un- wiſſenheit helffen. Nach hunderterley Anmer- ckungen ihrer Veraͤnderung nahm er wahr/ daß wenn einige von dem Frauenzimmer/ und dar- unter Erato ums Bette ſtanden/ der Puls ſchnel- ler zu ſchlagen anfing/ ihre Farbe und gantze Beſchaffenheit ſich aͤnderte. Gleichwohl aber konte er hieraus ihm wenig nehmen/ noch auff den Grund kommen. Nach dem er aber mit Fleiß anmer ckte/ daß dieſer Umſtand allezeit ei- nerley Veraͤnderung machte/ und die Koͤnigin bey ſich taͤglich vermindernden Lebens-Hoff- nung ſehr erbaͤrmlich thaͤt/ ihr die Haare aus- rauffte/ den Goͤttern und der Natur fluchte/ ihre Kleider zerriß; dieſe eine Stieff-Mutter ſchalt/ welche dem Menſchen bey ſeiner Geburt nur deshalben den Verſtand entziehe/ daß er das gute des anfangenden Lebens nicht recht genuͤße/ bey dem Sterben aber gebe/ daß er die Bitterkeit des Todes ſo viel mehr ſchme- cken muͤſte/ zohe dieſer nachdenckliche Artzt die Koͤnigin auff die Seite/ entdeckte ihr ſei- ne Anmerckung und ſagte: Er hielte es mehr
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Drittes Buch
gen Jungfrauen/ die die Begierde der Tugend
und ein groſſes Abſehen ihrer Eltern in ein
Mannsbild verſtellet hat/ wider die Falſchheit
des Sinorix ein Zeugniß: daß ſie nicht Maßa-
barzanes/ weniger der verfolgte Artaxias ſey.
Der guthertzigen Koͤnigin fielen die Thraͤnen
aus den Augen/ und ſie kunte ſich nicht enthal-
ten/ daß ſie nicht die Erato mit hundert Kuͤſſen
umhalſete; Arſinoe aber blieb hierbey voll
Nachdenckens unbewegt gleichſam als eine
Marmel-Seule ſtehen/ verlohr ſich auch un-
vermerckt aus dem Zimmer. Die Koͤnigin
befahl hierauff alſofort ihrem Frauenzimmer:
daß ſie den eingebildeten Maßabarzanes alſo-
fort ihrer Tugend gemaͤß auffs praͤchtigſte an-
kleiden muſten. Als dieſes in moͤglichſter Eil
vollbracht ward/ nahm die Koͤnigin dieſe Fuͤr-
ſtin bey der Hand/ und fuͤhrte ſie in das Koͤni-
gliche Zimmer/ darinnen die verlaſſenen Per-
ſonen mit Ungedult den verlangten Ausſchlag
erwarteten. Dieſer aber als ſie nun den ein-
gebildeten Artaxias in ein Frauenzimmer ver-
wandelt/ und die unfehlbare Warheit aus de-
nen mit Fleiß halb entbloͤßten Bruͤſten ſahen/
verwirrte nicht nur den Koͤnig und die Roͤ-
mer/ ſondern auch den Sinnates/ und inſon-
derheit den Sinorix; daß jene kein Wort re-
den konten/ dieſer aber fuͤr Scham und Schan-
de ſich augenblicks aus dem Zimmer ent-
brach. Der Koͤnig ward uͤber dieſem Eben-
theuer hertzlich erfreuet/ die Roͤmer aber und
gantz Sinope verwundernd uͤber der Schoͤn-
heit und Tapfferkeit dieſer zwar unbekandten
Fuͤrſtin; welche aber ihren hohen Stand durch
ihre Tugend genugſam ausfuͤhrete. Sinorix
ließ ſich nicht mehr ſchauen/ und Sinnates mu-
ſte mit einer Naſe abziehen. Erato aber erfreu-
te ſich uͤber ſo gluͤcklichem Ausſchlage/ dem Sie-
ge ihrer Klugheit. Denn dieſe iſt die Hebam-
me der Gluͤckſeligkeit und Vergnuͤgung. Eines
allein lag ihr noch auff dem Hertzen/ nehmlich
die Sorge uͤber der an Arſinoen verſpuͤhrten
hefftigen Veraͤndeꝛung. Zumal da Erato/ welche
nunmehr in dem Koͤniglichen Frauenzim̃er blei-
ben muſte/ und von der Koͤnigin alle erſinnliche
Gnaden/ von der Fuͤrſtin Arſinoe aber noch
hefftigere Liebesbezeugungen genaaß/ gleichwol
an ihr eine ungewoͤhnliche Traurigkeit verſpuͤr-
te. Dieſe verwandelte ſich in wenigen Tagen
in eine Kranckheit/ und machte ſie gar bettlaͤge-
rig. Endlich wuchs die Unpaͤßligkeit ſo ſehr/ daß
die Aertzte an ihrer Wiedergeneſung zu zweif-
feln anfingen; woruͤber der gantze Hoff in un-
ermaͤßliches Trauren verſetzet ward. Taurus
und Silanus hatten ſelbſt mit dieſer ſo anmu-
thigen Fuͤrſtin ein hertzliches Mitleiden; und
weil ſie den beruͤhmten Artzt Cornelius Celſus/
welchen man ſeiner Fuͤrtreffligkeit wegen den
Lateiniſchen Hippocꝛates nennte/ bey ſich hatten/
ward er endlich auch zu Rathe gezogen. Dieſer
aber konte ſo wenig als die andern ſich in die
Kranckheit finden/ weniger bey ſolcher Un-
wiſſenheit helffen. Nach hunderterley Anmer-
ckungen ihrer Veraͤnderung nahm er wahr/ daß
wenn einige von dem Frauenzimmer/ und dar-
unter Erato ums Bette ſtanden/ der Puls ſchnel-
ler zu ſchlagen anfing/ ihre Farbe und gantze
Beſchaffenheit ſich aͤnderte. Gleichwohl aber
konte er hieraus ihm wenig nehmen/ noch auff
den Grund kommen. Nach dem er aber mit
Fleiß anmer ckte/ daß dieſer Umſtand allezeit ei-
nerley Veraͤnderung machte/ und die Koͤnigin
bey ſich taͤglich vermindernden Lebens-Hoff-
nung ſehr erbaͤrmlich thaͤt/ ihr die Haare aus-
rauffte/ den Goͤttern und der Natur fluchte/
ihre Kleider zerriß; dieſe eine Stieff-Mutter
ſchalt/ welche dem Menſchen bey ſeiner Geburt
nur deshalben den Verſtand entziehe/ daß er
das gute des anfangenden Lebens nicht recht
genuͤße/ bey dem Sterben aber gebe/ daß er
die Bitterkeit des Todes ſo viel mehr ſchme-
cken muͤſte/ zohe dieſer nachdenckliche Artzt
die Koͤnigin auff die Seite/ entdeckte ihr ſei-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/312>, abgerufen am 16.07.2024. |