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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Tauben zum Opfer abgeschlachtet/ und zu der
Vermählung schreiten wollen/ hätte Arsinoe/ an
statt/ daß sie nach Gewohnheit der Bräute der
Göttin lincke Hand fassen und küssen sollen/ ih-
ren Fisch-Schwantz mit beyden Händen umb-
griffen/ und geschworen/ daß sie ehe sterben/ als
Ariobarzanen vermählt seyn wollen. Hier-
auf wäre sie in das Behältnüß der Priester ge-
gangen/ König Polemon ihr dahin nachgefolgt.
Wie sie nun eine gute Weile darinnen verschlos-
sen gewesen/ und Ariobarzanen in vollem Grimm/
das Volck aber in heftigem Verlangen des Aus-
gangs hinterlassen hätten/ wäre ein Priester her-
aus kommen/ und Ariobarzanen bescheidentlich
fürgetragen: Es hätte sich eine wichtige Hinder-
nüß ereignet/ daß die Heyrath ihren Fortgang
nicht erreichen könte. Ariobarzanes hätte also-
fort gefragt: Ob auch Polemon solche billigte?
Als solches der Priester verjahet/ wäre er für
Zorne schäumende aus dem Tempel gerennet/
und/ nach dem er sich kaum eine halbe Stunde
auf der Königlichen Burg verweilet/ wäre er
mit allen den Seinigen aus Sinope gezogen.
Polemon hätte Abschied von ihm nehmen/ ihn
auch/ als er länger zu bleiben nicht beredet wer-
den können/ begleiten wollen: Ariobarzanesaber
hätte ihn nicht einst für sich zu lassen gewürdigt/
sondern Fluch und Dräuen ausgeschüttet. Diese
Zeitungen konten wir nun unschwer auslegen:
daß Arsinoe vom Armidas für Monimen ange-
nommen/ und in sein Schiff aus Jrrthum kom-
men/ hernach von ihr ihr Geschlechte eröffnet wor-
den wäre. Den dritten Tag kam Artafernes selbst
zu rücke/ und erzehlte uns ferner: daß nach Ario-
barzanes Wegzuge kein Mensch weder in noch
aus der Burg gelassen/ gleichwohl von einen ver-
trauten Freund/ den er vorhin zu Sinope kennen
lernen/ berichtet werden wollen: Es müste ein groß
Geheimnüß entdeckt seyn/ ja man muthmassete
gar/ daß Dynamis und Arsinoe schon todt wä-
ren. Eine Stunde für seinem Abzug wäre ein
Herold von Ariobarzanen in Sinope kommen/
[Spaltenumbruch] und habe auf dem grossen Platze für der Burg
mit hellem Halse geruffen: Höre Jupiter/ höret
ihr Pontischen Völcker/ der Meden und Arme-
nier König/ der mit eurem ein Bündnüß zu ma-
chen hieher kommen/ auch seine Tochter zur Ge-
mahlin zu erlangen versichert/ hernach geäffet/
und nicht einst die Ursache solcher Reue zu erfay-
ren gewürdigt worden/ wil die ihm angethane
Schmach durch einen gerechten Krieg rächen.
Hiermit habe er das mit dem Polemon neu auf-
gerichtete Bündnüß heraus genommen/ zerris-
sen/ und eine Lantze in das Burg-Thor geworf-
fen. Der König habe auch noch selbige Stun-
de diese Fehde durch schleunige Posten in seine
Länder verkündiget/ und sich allenthalben zur
Gegenwehre zu rüsten anbefohlen. Wir alle
waren hierüber aufs äuserste bestürtzt/ Erato
aber wolte sich über dem verlauteten Tode Ar-
sinoens/ oder vielmehr ihres geliebten Zeno gar
nicht trösten lassen. Wir redeten ihr aufs be-
weglichste ein/ hielten ihr für: Wie die Götter
sie zeither offt aus augenscheinlichem Untergan-
ge erlöset/ sie auch alle Stürme des Unglücks [mit]
ihrer Großmüthigkeit überwunden hätte. Es
wäre nicht genung durch einen unvergleichli-
chen Anfang sich zum Gotte machen/ hernach
die Hände sincken/ und die menschlichen
Schwachheiten blicken lassen. Ein schöner
Kopf und ein heßlicher Schwantz machte die
Sirenen zum Ungeheuer. Ehre und Ruhm
veralterten nicht weniger/ als andere irrdische
Dinge; denn die Gesetze der Zeit vertrügen kei-
ne Ausschlüssung. So wohl der Adler als
Phönix müsten sich verjüngen umb ihren Vor-
zug zu behaupten/ ja die Sonne selbst alle Tage
eine andere Bahn erkiesen/ wormit die stete Neu-
igkeit sie beym Ansehen erhielte/ und gleichwohl
hätten so viel Weltweisen ihr eine Ver geringe-
rung beygemessen. Für diesem Abfalle hätte
die Tugend keine Befreyung/ so bald sie zuzu-
nehmen aufhörete/ nehme sie wie der Monde ab.
Diese geschärffte Einredungen brachten sie

endlich

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Tauben zum Opfer abgeſchlachtet/ und zu der
Vermaͤhlung ſchreiten wollen/ haͤtte Arſinoe/ an
ſtatt/ daß ſie nach Gewohnheit der Braͤute der
Goͤttin lincke Hand faſſen und kuͤſſen ſollen/ ih-
ren Fiſch-Schwantz mit beyden Haͤnden umb-
griffen/ und geſchworen/ daß ſie ehe ſterben/ als
Ariobarzanen vermaͤhlt ſeyn wollen. Hier-
auf waͤre ſie in das Behaͤltnuͤß der Prieſter ge-
gangen/ Koͤnig Polemon ihr dahin nachgefolgt.
Wie ſie nun eine gute Weile darinnen verſchloſ-
ſen geweſen/ und Ariobarzanen in vollem Grim̃/
das Volck aber in heftigem Verlangen des Aus-
gangs hinterlaſſen haͤtten/ waͤre ein Prieſter her-
aus kommen/ und Ariobarzanen beſcheidentlich
fuͤrgetragen: Es haͤtte ſich eine wichtige Hinder-
nuͤß ereignet/ daß die Heyrath ihren Fortgang
nicht erreichen koͤnte. Ariobarzanes haͤtte alſo-
fort gefragt: Ob auch Polemon ſolche billigte?
Als ſolches der Prieſter verjahet/ waͤre er fuͤr
Zorne ſchaͤumende aus dem Tempel gerennet/
und/ nach dem er ſich kaum eine halbe Stunde
auf der Koͤniglichen Burg verweilet/ waͤre er
mit allen den Seinigen aus Sinope gezogen.
Polemon haͤtte Abſchied von ihm nehmen/ ihn
auch/ als er laͤnger zu bleiben nicht beredet wer-
den koͤnnen/ begleiten wollen: Ariobarzanesaber
haͤtte ihn nicht einſt fuͤr ſich zu laſſen gewuͤrdigt/
ſondern Fluch und Draͤuen ausgeſchuͤttet. Dieſe
Zeitungen konten wir nun unſchwer auslegen:
daß Arſinoe vom Armidas fuͤr Monimen ange-
nommen/ und in ſein Schiff aus Jrrthum kom-
mẽ/ hernach von ihr ihr Geſchlechte eroͤffnet wor-
den waͤre. Den drittẽ Tag kam Artafernes ſelbſt
zu ruͤcke/ und erzehlte uns ferner: daß nach Ario-
barzanes Wegzuge kein Menſch weder in noch
aus der Burg gelaſſen/ gleichwohl von einẽ ver-
trauten Freund/ den er vorhin zu Sinope kennen
lernẽ/ berichtet werdẽ wollen: Es muͤſte ein groß
Geheimnuͤß entdeckt ſeyn/ ja man muthmaſſete
gar/ daß Dynamis und Arſinoe ſchon todt waͤ-
ren. Eine Stunde fuͤr ſeinem Abzug waͤre ein
Herold von Ariobarzanen in Sinope kommen/
[Spaltenumbruch] und habe auf dem groſſen Platze fuͤr der Burg
mit hellem Halſe geruffen: Hoͤre Jupiter/ hoͤret
ihr Pontiſchen Voͤlcker/ der Meden und Arme-
nier Koͤnig/ der mit eurem ein Buͤndnuͤß zu ma-
chen hieher kommen/ auch ſeine Tochter zur Ge-
mahlin zu erlangen verſichert/ hernach geaͤffet/
und nicht einſt die Urſache ſolcher Reue zu erfay-
ren gewuͤrdigt worden/ wil die ihm angethane
Schmach durch einen gerechten Krieg raͤchen.
Hiermit habe er das mit dem Polemon neu auf-
gerichtete Buͤndnuͤß heraus genommen/ zerriſ-
ſen/ und eine Lantze in das Burg-Thor geworf-
fen. Der Koͤnig habe auch noch ſelbige Stun-
de dieſe Fehde durch ſchleunige Poſten in ſeine
Laͤnder verkuͤndiget/ und ſich allenthalben zur
Gegenwehre zu ruͤſten anbefohlen. Wir alle
waren hieruͤber aufs aͤuſerſte beſtuͤrtzt/ Erato
aber wolte ſich uͤber dem verlauteten Tode Ar-
ſinoens/ oder vielmehr ihres geliebten Zeno gar
nicht troͤſten laſſen. Wir redeten ihr aufs be-
weglichſte ein/ hielten ihr fuͤr: Wie die Goͤtter
ſie zeither offt aus augenſcheinlichem Untergan-
ge erloͤſet/ ſie auch alle Stuͤrme des Ungluͤcks [mit]
ihrer Großmuͤthigkeit uͤberwunden haͤtte. Es
waͤre nicht genung durch einen unvergleichli-
chen Anfang ſich zum Gotte machen/ hernach
die Haͤnde ſincken/ und die menſchlichen
Schwachheiten blicken laſſen. Ein ſchoͤner
Kopf und ein heßlicher Schwantz machte die
Sirenen zum Ungeheuer. Ehre und Ruhm
veralterten nicht weniger/ als andere irrdiſche
Dinge; denn die Geſetze der Zeit vertruͤgen kei-
ne Ausſchluͤſſung. So wohl der Adler als
Phoͤnix muͤſten ſich verjuͤngen umb ihren Vor-
zug zu behaupten/ ja die Sonne ſelbſt alle Tage
eine andere Bahn erkieſen/ wormit die ſtete Neu-
igkeit ſie beym Anſehen erhielte/ und gleichwohl
haͤtten ſo viel Weltweiſen ihr eine Ver geringe-
rung beygemeſſen. Fuͤr dieſem Abfalle haͤtte
die Tugend keine Befreyung/ ſo bald ſie zuzu-
nehmen aufhoͤrete/ nehme ſie wie der Monde ab.
Dieſe geſchaͤrffte Einredungen brachten ſie

endlich
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/339>, abgerufen am 22.11.2024.