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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] endlich ja so weit/ daß sie sich zwar nicht der Trau-
rigkeit/ iedoch der Verzweifelung entbrach/ und
mit uns berathschlagte: Wo wir denn unsere
Flucht hinnehmen solten? Artafernes schlug die
volckreiche Stadt Phasis für/ dahin sie in sechs
Tagen zum längsten schiffen/ und wegen der da-
selbst der Kauffmannschafft halben sich aufhal-
tender unzehlichen Frembdlinge unerkennet
bleiben könten. Das umbliegende Land Col-
chis habe Mithridates Eupator seinen eigenen
Königen zum ersten abgezwungen/ sey auch her-
nach mit dem Bosphorischen Reiche auf den
König Polemon kommen. Von daraus kön-
ten sie in wenig Tagen über das Moschische Ge-
bürge in Armenien gelangen/ und wohin sie der
Lauff des neuen Krieges beruffen würde. Denn
es solte ja die Fürstin Erato nicht die Hoffnung
ihr väterlich Reich wieder zu behaupten fahren
lassen. Als er mit dem Tiridates aus Parthen
in Syrien sicher ankommen/ dieser aber in Hi-
spanien zum Käyser/ der daselbst wider die Can-
tabrer und Asturier gekrieget/ gezogen wäre/
hätte er uns fast in der halben Welt/ auch zu Si-
nope aufgesucht/ und als er uns nir gends finden
können/ sich in Armenien gewaget/ auch daselbst
eine so tief eingewurtzelte Liebe gegen das Geblü-
te des Artaxias/ hingegen einen so grossen Haß
wider den ausländischen Ariobarzanes ange-
troffen/ daß zum Aufruhre der Armeniern nichts
als ein Haupt oder Anführer mangelte. Wir
schifften also mit gutem Winde nach Phasis/
ländeten den siebenden Tag daselbst an/ nach
dem so wol ich als Erato uns wieder für Män-
ner ausgekleidet hatten. Der Königliche Stadt-
halter in Colchis war Bardanes/ des alten vom
Mithridates dahin gesetzten Moaphernes
Sohn/ ein Mann von grosser Tapfer- und
Leutseligkeit. Weil nun ohne diß gantz Colchis
von geflüchteten Armentern/ die die Meden/
entweder weil sie Ausländer/ oder allzu aufge-
blasen und wollüstig waren/ zu ihren Oberher-
ren nicht vertragen konten/ erfüllet war/ trugen
[Spaltenumbruch] wir kein Bedencken uns ebenfalls für verjagte
Armenier auszugeben/ sonderlich/ da eben selbi-
gen Tag mit uns die Post vom angekündigten
Kriege Ariobarzanens nach Sinope kam.
Bardanes machte alle ersinnliche Anstalt aus
denen am schwartzen Meere gelegenen Land-
schafften/ die ihm alle biß an den Mund des
Flusses Tanais anvertrauet waren/ ein mächti-
ges Kriegsheer aufzubringen/ und/ weil er wohl
verstund/ daß Armenien nicht leichter als durch
Armenien bezwungen werden konte/ zoheer die-
se durch Freundligkeit und grosse Vertröstun-
gen an sich/ wohl wissende/ daß ein gutes Wort
eines höhern so viel gilt/ als eine Wolthat eines
Menschen/ der unsers gleichen ist/ und ein
freundlicher Anblick eines Fürsten überwiege
ein ansehnliches Geschencke eines Bürgers.
Hiemit gediegen auch wir in seine Freundschafft/
und genossen von ihm alle Ehre. Wie wir
aber nach dem allenthalben so kundbaren Kriege
eine so grosse Uberkunft der Armenier wahrnah-
men/ welche alle lieber Pontisch als Medisch seyn
wolten/ wurden wir schlüssig uns der Armeni-
schen Gräntze zu nähern; erwehlten also unsere
Wohnstadt zu Jdeeßa einer Stadt in dem Mo-
schischen Gebürge/ wo der vom Phrixus der
Morgenröthe zu Ehren gebauete Tempel uns
nicht allein zu unser Andacht/ und wegen der da-
selbst berühmten Weissagungen zur Richtschnur
unsers Vorhabens/ sondern auch auf allem Fall
zur Sicherheit dienen konte. Daselbst zohe E-
rato alsofort die Larve vom Gesichte/ und gab sich
den Armeniern für den jungen Artaxias zu er-
kennen. Es ist unglaublich/ wie in so weniger
Zeit diese aller Mittel/ als der Spann-Adern
des Krieges entblössete Fürstin ein Heer versamm-
lete/ welches sich im Felde zu weisen nicht schä-
men dorfte. König Polemon hörte diesen Ab-
fall der Armenier/ und die Herfürthuung des
geflüchteten Artaxias nicht mit geringer
Vergnügung/ befahl dem Bardanes selbtem
nicht allein allen Vorschub zu thun/ sondern

auch

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] endlich ja ſo weit/ daß ſie ſich zwar nicht der Trau-
rigkeit/ iedoch der Verzweifelung entbrach/ und
mit uns berathſchlagte: Wo wir denn unſere
Flucht hinnehmen ſolten? Artafernes ſchlug die
volckreiche Stadt Phaſis fuͤr/ dahin ſie in ſechs
Tagen zum laͤngſten ſchiffen/ und wegen der da-
ſelbſt der Kauffmannſchafft halben ſich aufhal-
tender unzehlichen Frembdlinge unerkennet
bleiben koͤnten. Das umbliegende Land Col-
chis habe Mithridates Eupator ſeinen eigenen
Koͤnigen zum erſten abgezwungen/ ſey auch her-
nach mit dem Boſphoriſchen Reiche auf den
Koͤnig Polemon kommen. Von daraus koͤn-
ten ſie in wenig Tagen uͤber das Moſchiſche Ge-
buͤrge in Armenien gelangen/ und wohin ſie der
Lauff des neuen Krieges beruffen wuͤrde. Denn
es ſolte ja die Fuͤrſtin Erato nicht die Hoffnung
ihr vaͤterlich Reich wieder zu behaupten fahren
laſſen. Als er mit dem Tiridates aus Parthen
in Syrien ſicher ankommen/ dieſer aber in Hi-
ſpanien zum Kaͤyſer/ der daſelbſt wider die Can-
tabrer und Aſturier gekrieget/ gezogen waͤre/
haͤtte er uns faſt in der halben Welt/ auch zu Si-
nope aufgeſucht/ und als er uns nir gends finden
koͤnnen/ ſich in Armenien gewaget/ auch daſelbſt
eine ſo tief eingewurtzelte Liebe gegen das Gebluͤ-
te des Artaxias/ hingegen einen ſo groſſen Haß
wider den auslaͤndiſchen Ariobarzanes ange-
troffen/ daß zum Aufruhre der Armeniern nichts
als ein Haupt oder Anfuͤhrer mangelte. Wir
ſchifften alſo mit gutem Winde nach Phaſis/
laͤndeten den ſiebenden Tag daſelbſt an/ nach
dem ſo wol ich als Erato uns wieder fuͤr Maͤn-
ner ausgekleidet hatten. Der Koͤnigliche Stadt-
halter in Colchis war Bardanes/ des alten vom
Mithridates dahin geſetzten Moaphernes
Sohn/ ein Mann von groſſer Tapfer- und
Leutſeligkeit. Weil nun ohne diß gantz Colchis
von gefluͤchteten Armentern/ die die Meden/
entweder weil ſie Auslaͤnder/ oder allzu aufge-
blaſen und wolluͤſtig waren/ zu ihren Oberher-
ren nicht vertragen konten/ erfuͤllet war/ trugen
[Spaltenumbruch] wir kein Bedencken uns ebenfalls fuͤr verjagte
Armenier auszugeben/ ſonderlich/ da eben ſelbi-
gen Tag mit uns die Poſt vom angekuͤndigten
Kriege Ariobarzanens nach Sinope kam.
Bardanes machte alle erſinnliche Anſtalt aus
denen am ſchwartzen Meere gelegenen Land-
ſchafften/ die ihm alle biß an den Mund des
Fluſſes Tanais anvertrauet waren/ ein maͤchti-
ges Kriegsheer aufzubringen/ und/ weil er wohl
verſtund/ daß Armenien nicht leichter als durch
Armenien bezwungen werden konte/ zoheer die-
ſe durch Freundligkeit und groſſe Vertroͤſtun-
gen an ſich/ wohl wiſſende/ daß ein gutes Wort
eines hoͤhern ſo viel gilt/ als eine Wolthat eines
Menſchen/ der unſers gleichen iſt/ und ein
freundlicher Anblick eines Fuͤrſten uͤberwiege
ein anſehnliches Geſchencke eines Buͤrgers.
Hiemit gediegen auch wir in ſeine Freundſchafft/
und genoſſen von ihm alle Ehre. Wie wir
aber nach dem allenthalben ſo kundbaren Kriege
eine ſo groſſe Uberkunft der Armenier wahrnah-
men/ welche alle lieber Pontiſch als Mediſch ſeyn
wolten/ wurden wir ſchluͤſſig uns der Armeni-
ſchen Graͤntze zu naͤhern; erwehlten alſo unſere
Wohnſtadt zu Jdeeßa einer Stadt in dem Mo-
ſchiſchen Gebuͤrge/ wo der vom Phrixus der
Morgenroͤthe zu Ehren gebauete Tempel uns
nicht allein zu unſer Andacht/ und wegen der da-
ſelbſt beruͤhmten Weiſſagungen zur Richtſchnur
unſers Vorhabens/ ſondern auch auf allem Fall
zur Sicherheit dienen konte. Daſelbſt zohe E-
rato alſofort die Larve vom Geſichte/ und gab ſich
den Armeniern fuͤr den jungen Artaxias zu er-
kennen. Es iſt unglaublich/ wie in ſo weniger
Zeit dieſe aller Mittel/ als der Spann-Adern
des Krieges entbloͤſſete Fuͤrſtin ein Heer verſam̃-
lete/ welches ſich im Felde zu weiſen nicht ſchaͤ-
men dorfte. Koͤnig Polemon hoͤrte dieſen Ab-
fall der Armenier/ und die Herfuͤrthuung des
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nicht allein allen Vorſchub zu thun/ ſondern

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[288/0340] Drittes Buch endlich ja ſo weit/ daß ſie ſich zwar nicht der Trau- rigkeit/ iedoch der Verzweifelung entbrach/ und mit uns berathſchlagte: Wo wir denn unſere Flucht hinnehmen ſolten? Artafernes ſchlug die volckreiche Stadt Phaſis fuͤr/ dahin ſie in ſechs Tagen zum laͤngſten ſchiffen/ und wegen der da- ſelbſt der Kauffmannſchafft halben ſich aufhal- tender unzehlichen Frembdlinge unerkennet bleiben koͤnten. Das umbliegende Land Col- chis habe Mithridates Eupator ſeinen eigenen Koͤnigen zum erſten abgezwungen/ ſey auch her- nach mit dem Boſphoriſchen Reiche auf den Koͤnig Polemon kommen. Von daraus koͤn- ten ſie in wenig Tagen uͤber das Moſchiſche Ge- buͤrge in Armenien gelangen/ und wohin ſie der Lauff des neuen Krieges beruffen wuͤrde. Denn es ſolte ja die Fuͤrſtin Erato nicht die Hoffnung ihr vaͤterlich Reich wieder zu behaupten fahren laſſen. Als er mit dem Tiridates aus Parthen in Syrien ſicher ankommen/ dieſer aber in Hi- ſpanien zum Kaͤyſer/ der daſelbſt wider die Can- tabrer und Aſturier gekrieget/ gezogen waͤre/ haͤtte er uns faſt in der halben Welt/ auch zu Si- nope aufgeſucht/ und als er uns nir gends finden koͤnnen/ ſich in Armenien gewaget/ auch daſelbſt eine ſo tief eingewurtzelte Liebe gegen das Gebluͤ- te des Artaxias/ hingegen einen ſo groſſen Haß wider den auslaͤndiſchen Ariobarzanes ange- troffen/ daß zum Aufruhre der Armeniern nichts als ein Haupt oder Anfuͤhrer mangelte. Wir ſchifften alſo mit gutem Winde nach Phaſis/ laͤndeten den ſiebenden Tag daſelbſt an/ nach dem ſo wol ich als Erato uns wieder fuͤr Maͤn- ner ausgekleidet hatten. Der Koͤnigliche Stadt- halter in Colchis war Bardanes/ des alten vom Mithridates dahin geſetzten Moaphernes Sohn/ ein Mann von groſſer Tapfer- und Leutſeligkeit. Weil nun ohne diß gantz Colchis von gefluͤchteten Armentern/ die die Meden/ entweder weil ſie Auslaͤnder/ oder allzu aufge- blaſen und wolluͤſtig waren/ zu ihren Oberher- ren nicht vertragen konten/ erfuͤllet war/ trugen wir kein Bedencken uns ebenfalls fuͤr verjagte Armenier auszugeben/ ſonderlich/ da eben ſelbi- gen Tag mit uns die Poſt vom angekuͤndigten Kriege Ariobarzanens nach Sinope kam. Bardanes machte alle erſinnliche Anſtalt aus denen am ſchwartzen Meere gelegenen Land- ſchafften/ die ihm alle biß an den Mund des Fluſſes Tanais anvertrauet waren/ ein maͤchti- ges Kriegsheer aufzubringen/ und/ weil er wohl verſtund/ daß Armenien nicht leichter als durch Armenien bezwungen werden konte/ zoheer die- ſe durch Freundligkeit und groſſe Vertroͤſtun- gen an ſich/ wohl wiſſende/ daß ein gutes Wort eines hoͤhern ſo viel gilt/ als eine Wolthat eines Menſchen/ der unſers gleichen iſt/ und ein freundlicher Anblick eines Fuͤrſten uͤberwiege ein anſehnliches Geſchencke eines Buͤrgers. Hiemit gediegen auch wir in ſeine Freundſchafft/ und genoſſen von ihm alle Ehre. Wie wir aber nach dem allenthalben ſo kundbaren Kriege eine ſo groſſe Uberkunft der Armenier wahrnah- men/ welche alle lieber Pontiſch als Mediſch ſeyn wolten/ wurden wir ſchluͤſſig uns der Armeni- ſchen Graͤntze zu naͤhern; erwehlten alſo unſere Wohnſtadt zu Jdeeßa einer Stadt in dem Mo- ſchiſchen Gebuͤrge/ wo der vom Phrixus der Morgenroͤthe zu Ehren gebauete Tempel uns nicht allein zu unſer Andacht/ und wegen der da- ſelbſt beruͤhmten Weiſſagungen zur Richtſchnur unſers Vorhabens/ ſondern auch auf allem Fall zur Sicherheit dienen konte. Daſelbſt zohe E- rato alſofort die Larve vom Geſichte/ und gab ſich den Armeniern fuͤr den jungen Artaxias zu er- kennen. Es iſt unglaublich/ wie in ſo weniger Zeit dieſe aller Mittel/ als der Spann-Adern des Krieges entbloͤſſete Fuͤrſtin ein Heer verſam̃- lete/ welches ſich im Felde zu weiſen nicht ſchaͤ- men dorfte. Koͤnig Polemon hoͤrte dieſen Ab- fall der Armenier/ und die Herfuͤrthuung des gefluͤchteten Artaxias nicht mit geringer Vergnuͤgung/ befahl dem Bardanes ſelbtem nicht allein allen Vorſchub zu thun/ ſondern auch

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/340>, abgerufen am 22.11.2024.