Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Göttern abbat. Die Fürstin Thußnelda fielSaloninen in die Rede: diese Geschichte ist gewiß seltzam und denckwürdig/ aber noch mehr wunderns-werth düncken mich die erzehlten Stern-Mahle zu seyn. Wiewohl ich weiß/ daß Käyser Augustus so/ wie etliche seiner Vor- fahren/ den gestirnten Bär auff der Brust habe/ und ich erinnere mich/ daß in Sarmatien ein Geschlechte sey/ in welchem alle eine Bären- Tatze mit aus Mutterleibe bringen. Saloni- ne begegnete ihr: die beständige Fortpflantzung einerley Zeichens rührte Zweiffelsfrey aus kei- nem andern Ursprunge/ als woher die so gemeine Aehnligkeit der Eltern und Kinder käme. Sie hätte aber einst von einem Chaldeer gehöret: Daß ieder Mensch desselbigen Gestirns Merck- mahle an sich trüge/ was bey seiner Geburt gleich auffginge; die Unachtsamkeit aber der Leute liesse es aus der acht solche wahrzunehmen. Erato wolte nach so langem Zuhören endlich auch einmahl ihre Zunge lösen/ und fing an: Die Natur spielte in Muscheln/ welche an Vielheit der Farben und künstlicher Vermi- schung die Gemählde des Apelles wegstechen; an Steinen/ darinnen man nicht nur gantze Landschafften/ sondern auch völlige Geschichte sehe; an Pflantzen/ welche Schaafe und andere Thiere/ ja Menschen männ- und weiblichen Geschlechts abbildeten; im Gesäme/ im Ge- würme so wunderlich; also wäre sich so sehr nicht zu verwundern/ daß in der kleinen Welt-Karte der gantzen Natur dem Menschen man so seltza- me Bildungen antreffe. Sie hätte sich iederzeit noch mehr verwundert über etlichen einem und dem andern Geschlechte angestammten Wür- ckungen; als daß die Ophiogenes im Hellespont die Schlangenbisse mit blosser Anrührung der Hand/ die Psyllen in Africa mit dem Speichel geheilet/ daß die Einwohner der Stadt Tenty- ra in Egypten eine angebohrne Gewalt die Crocodile zu zähmen haben; daß Exagonus zu Rom/ als er in ein gantz Faß voll Schlangen ge- [Spaltenumbruch] worffen/ ihnen alle Krafft zu schaden genommen; daß der Epirotische König Pyrrhus mit seiner grossen Zähe durch blosses Anrühren alle Schwäre des Mundes/ und die Könige in Gal- lien biß auff des Jnduciomarus Söhne mit dem Finger alle Kröpffe vertrieben. Saloni- ne lächelte/ und sagte: Jch würde durch die Aus- führung dieser seltzamen Würckungen/ welche fast in allen Welt-Geschöpffen zu finden sind/ verhindert werden/ den Faden meiner Erzeh- lung abzuschneiden; also muß ich mit ihrer gnä- digen Erlaubniß vollends nicht zurück lassen:daß der unglückselige Polemon zwischen den Umar- mungen und Küssen seines Sohnes den Geist ausbließ/ das Pontische Kriegs-Heer aber Ario- barzanen unter dem Namen des zweyten Pole- mon für ihr Haupt/ und also die Uberwinder ih- ren Gefangenen für ihren König erklärten. Hingegen trug Artafernes/ als er sahe/ daß das weibliche Geschlechte der Erato schwerlich län- ger verschwiegen bleiben konte/ den Armeni- ern für[:] Sie hätten die Heldenthaten ihres Ar- taxias numehr gesehen/ von welchem er aber nicht verhalten könte/ daß nach dem Verlust des warhafften Fürsten Artaxias ihr König seine Tochter Erato für seinen Sohn auffer- zogen habe. Alleine die Klugheit und Tapf- ferkeit/ die zwey Grund-Seulen der Königrei- che/ wären so wohl ein als anderm Geschlech- te gemein. Das Frauenzimmer habe das Hertz eben da/ wo es die Männer hätten/ und dieser ihres wäre von keinem bessern Zeuge als jener. Jhre weichen Hände wären nicht nur für Sei- de und Wolle gewiedmet/ sondern auch zu den Schwerdtern und Lantzen geschickt. Ja man spürte die absondere Schickung des göttlichen Verhängnißes/ daß wenn dieses ein zu Grun- de sinckendes Reich wieder auffrichten wolle/ selbtes weder die Armen der Riesen/ noch die Köpffe der Staatsklugen/ sondern zu Demüthi- gung der Sieger/ zu Erholung der Uberwunde- nen/ zu Wieder bringung der Freyheit/ und Er-
Drittes Buch [Spaltenumbruch]
Goͤttern abbat. Die Fuͤrſtin Thußnelda fielSaloninen in die Rede: dieſe Geſchichte iſt gewiß ſeltzam und denckwuͤrdig/ aber noch mehr wunderns-werth duͤncken mich die erzehlten Stern-Mahle zu ſeyn. Wiewohl ich weiß/ daß Kaͤyſer Auguſtus ſo/ wie etliche ſeiner Vor- fahren/ den geſtirnten Baͤr auff der Bruſt habe/ und ich erinnere mich/ daß in Sarmatien ein Geſchlechte ſey/ in welchem alle eine Baͤren- Tatze mit aus Mutterleibe bringen. Saloni- ne begegnete ihr: die beſtaͤndige Fortpflantzung einerley Zeichens ruͤhrte Zweiffelsfrey aus kei- nem andeꝛn Urſprunge/ als woheꝛ die ſo gemeine Aehnligkeit der Eltern und Kinder kaͤme. Sie haͤtte aber einſt von einem Chaldeer gehoͤret: Daß ieder Menſch deſſelbigen Geſtirns Merck- mahle an ſich truͤge/ was bey ſeiner Geburt gleich auffginge; die Unachtſamkeit aber der Leute lieſſe es aus der acht ſolche wahrzunehmen. Erato wolte nach ſo langem Zuhoͤren endlich auch einmahl ihre Zunge loͤſen/ und fing an: Die Natur ſpielte in Muſcheln/ welche an Vielheit der Farben und kuͤnſtlicher Vermi- ſchung die Gemaͤhlde des Apelles wegſtechen; an Steinen/ darinnen man nicht nur gantze Landſchafften/ ſondern auch voͤllige Geſchichte ſehe; an Pflantzen/ welche Schaafe und andere Thiere/ ja Menſchen maͤnn- und weiblichen Geſchlechts abbildeten; im Geſaͤme/ im Ge- wuͤrme ſo wunderlich; alſo waͤre ſich ſo ſehr nicht zu verwundern/ daß in der kleinen Welt-Karte der gantzen Natur dem Menſchen man ſo ſeltza- me Bildungen antreffe. Sie haͤtte ſich iederzeit noch mehr verwundert uͤber etlichen einem und dem andern Geſchlechte angeſtammten Wuͤr- ckungen; als daß die Ophiogenes im Helleſpont die Schlangenbiſſe mit bloſſer Anruͤhrung der Hand/ die Pſyllen in Africa mit dem Speichel geheilet/ daß die Einwohner der Stadt Tenty- ra in Egypten eine angebohrne Gewalt die Crocodile zu zaͤhmen haben; daß Exagonus zu Rom/ als er in ein gantz Faß voll Schlangen ge- [Spaltenumbruch] worffen/ ihnen alle Krafft zu ſchaden genom̃en; daß der Epirotiſche Koͤnig Pyrrhus mit ſeiner groſſen Zaͤhe durch bloſſes Anruͤhren alle Schwaͤre des Mundes/ und die Koͤnige in Gal- lien biß auff des Jnduciomarus Soͤhne mit dem Finger alle Kroͤpffe vertrieben. Saloni- ne laͤchelte/ und ſagte: Jch wuͤrde durch die Aus- fuͤhrung dieſer ſeltzamen Wuͤrckungen/ welche faſt in allen Welt-Geſchoͤpffen zu finden ſind/ verhindert werden/ den Faden meiner Erzeh- lung abzuſchneiden; alſo muß ich mit ihrer gnaͤ- digen Erlaubniß vollends nicht zuruͤck laſſẽ:daß der ungluͤckſelige Polemon zwiſchen den Umar- mungen und Kuͤſſen ſeines Sohnes den Geiſt ausbließ/ das Pontiſche Kriegs-Heer aber Ario- barzanen unter dem Namen des zweyten Pole- mon fuͤr ihr Haupt/ und alſo die Uberwinder ih- ren Gefangenen fuͤr ihren Koͤnig erklaͤrten. Hingegen trug Artafernes/ als er ſahe/ daß das weibliche Geſchlechte der Erato ſchwerlich laͤn- ger verſchwiegen bleiben konte/ den Armeni- ern fuͤr[:] Sie haͤtten die Heldenthaten ihres Ar- taxias numehr geſehen/ von welchem er aber nicht verhalten koͤnte/ daß nach dem Verluſt des warhafften Fuͤrſten Artaxias ihr Koͤnig ſeine Tochter Erato fuͤr ſeinen Sohn auffer- zogen habe. Alleine die Klugheit und Tapf- ferkeit/ die zwey Grund-Seulen der Koͤnigrei- che/ waͤren ſo wohl ein als anderm Geſchlech- te gemein. Das Frauenzimmer habe das Hertz eben da/ wo es die Maͤnner haͤtten/ und dieſer ihres waͤre von keinem beſſern Zeuge als jener. Jhre weichen Haͤnde waͤren nicht nur fuͤr Sei- de und Wolle gewiedmet/ ſondern auch zu den Schwerdtern und Lantzen geſchickt. Ja man ſpuͤrte die abſondere Schickung des goͤttlichen Verhaͤngnißes/ daß wenn dieſes ein zu Grun- de ſinckendes Reich wieder auffrichten wolle/ ſelbtes weder die Armen der Rieſen/ noch die Koͤpffe der Staatsklugen/ ſondern zu Demuͤthi- gung der Sieger/ zu Erholung der Uberwunde- nen/ zu Wieder bringung der Freyheit/ und Er-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0346" n="294"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Buch</hi></fw><lb/><cb/> Goͤttern abbat. Die Fuͤrſtin Thußnelda fiel<lb/> Saloninen in die Rede: dieſe Geſchichte iſt<lb/> gewiß ſeltzam und denckwuͤrdig/ aber noch mehr<lb/> wunderns-werth duͤncken mich die erzehlten<lb/> Stern-Mahle zu ſeyn. Wiewohl ich weiß/<lb/> daß Kaͤyſer Auguſtus ſo/ wie etliche ſeiner Vor-<lb/> fahren/ den geſtirnten Baͤr auff der Bruſt habe/<lb/> und ich erinnere mich/ daß in Sarmatien ein<lb/> Geſchlechte ſey/ in welchem alle eine Baͤren-<lb/> Tatze mit aus Mutterleibe bringen. Saloni-<lb/> ne begegnete ihr: die beſtaͤndige Fortpflantzung<lb/> einerley Zeichens ruͤhrte Zweiffelsfrey aus kei-<lb/> nem andeꝛn Urſprunge/ als woheꝛ die ſo gemeine<lb/> Aehnligkeit der Eltern und Kinder kaͤme. Sie<lb/> haͤtte aber einſt von einem Chaldeer gehoͤret:<lb/> Daß ieder Menſch deſſelbigen Geſtirns Merck-<lb/> mahle an ſich truͤge/ was bey ſeiner Geburt<lb/> gleich auffginge; die Unachtſamkeit aber der<lb/> Leute lieſſe es aus der acht ſolche wahrzunehmen.<lb/> Erato wolte nach ſo langem Zuhoͤren endlich<lb/> auch einmahl ihre Zunge loͤſen/ und fing an:<lb/> Die Natur ſpielte in Muſcheln/ welche an<lb/> Vielheit der Farben und kuͤnſtlicher Vermi-<lb/> ſchung die Gemaͤhlde des Apelles wegſtechen;<lb/> an Steinen/ darinnen man nicht nur gantze<lb/> Landſchafften/ ſondern auch voͤllige Geſchichte<lb/> ſehe; an Pflantzen/ welche Schaafe und andere<lb/> Thiere/ ja Menſchen maͤnn- und weiblichen<lb/> Geſchlechts abbildeten; im Geſaͤme/ im Ge-<lb/> wuͤrme ſo wunderlich; alſo waͤre ſich ſo ſehr nicht<lb/> zu verwundern/ daß in der kleinen Welt-Karte<lb/> der gantzen Natur dem Menſchen man ſo ſeltza-<lb/> me Bildungen antreffe. Sie haͤtte ſich iederzeit<lb/> noch mehr verwundert uͤber etlichen einem und<lb/> dem andern Geſchlechte angeſtammten Wuͤr-<lb/> ckungen; als daß die Ophiogenes im Helleſpont<lb/> die Schlangenbiſſe mit bloſſer Anruͤhrung der<lb/> Hand/ die Pſyllen in Africa mit dem Speichel<lb/> geheilet/ daß die Einwohner der Stadt Tenty-<lb/> ra in Egypten eine angebohrne Gewalt die<lb/> Crocodile zu zaͤhmen haben; daß Exagonus zu<lb/> Rom/ als er in ein gantz Faß voll Schlangen ge-<lb/><cb/> worffen/ ihnen alle Krafft zu ſchaden genom̃en;<lb/> daß der Epirotiſche Koͤnig Pyrrhus mit ſeiner<lb/> groſſen Zaͤhe durch bloſſes Anruͤhren alle<lb/> Schwaͤre des Mundes/ und die Koͤnige in Gal-<lb/> lien biß auff des Jnduciomarus Soͤhne mit<lb/> dem Finger alle Kroͤpffe vertrieben. Saloni-<lb/> ne laͤchelte/ und ſagte: Jch wuͤrde durch die Aus-<lb/> fuͤhrung dieſer ſeltzamen Wuͤrckungen/ welche<lb/> faſt in allen Welt-Geſchoͤpffen zu finden ſind/<lb/> verhindert werden/ den Faden meiner Erzeh-<lb/> lung abzuſchneiden; alſo muß ich mit ihrer gnaͤ-<lb/> digen Erlaubniß vollends nicht zuruͤck laſſẽ:daß<lb/> der ungluͤckſelige Polemon zwiſchen den Umar-<lb/> mungen und Kuͤſſen ſeines Sohnes den Geiſt<lb/> ausbließ/ das Pontiſche Kriegs-Heer aber Ario-<lb/> barzanen unter dem Namen des zweyten Pole-<lb/> mon fuͤr ihr Haupt/ und alſo die Uberwinder ih-<lb/> ren Gefangenen fuͤr ihren Koͤnig erklaͤrten.<lb/> Hingegen trug Artafernes/ als er ſahe/ daß das<lb/> weibliche Geſchlechte der Erato ſchwerlich laͤn-<lb/> ger verſchwiegen bleiben konte/ den Armeni-<lb/> ern fuͤr<supplied>:</supplied> Sie haͤtten die Heldenthaten ihres Ar-<lb/> taxias numehr geſehen/ von welchem er aber<lb/> nicht verhalten koͤnte/ daß nach dem Verluſt<lb/> des warhafften Fuͤrſten Artaxias ihr Koͤnig<lb/> ſeine Tochter Erato fuͤr ſeinen Sohn auffer-<lb/> zogen habe. Alleine die Klugheit und Tapf-<lb/> ferkeit/ die zwey Grund-Seulen der Koͤnigrei-<lb/> che/ waͤren ſo wohl ein als anderm Geſchlech-<lb/> te gemein. Das Frauenzimmer habe das Hertz<lb/> eben da/ wo es die Maͤnner haͤtten/ und dieſer<lb/> ihres waͤre von keinem beſſern Zeuge als jener.<lb/> Jhre weichen Haͤnde waͤren nicht nur fuͤr Sei-<lb/> de und Wolle gewiedmet/ ſondern auch zu den<lb/> Schwerdtern und Lantzen geſchickt. Ja man<lb/> ſpuͤrte die abſondere Schickung des goͤttlichen<lb/> Verhaͤngnißes/ daß wenn dieſes ein zu Grun-<lb/> de ſinckendes Reich wieder auffrichten wolle/<lb/> ſelbtes weder die Armen der Rieſen/ noch die<lb/> Koͤpffe der Staatsklugen/ ſondern zu Demuͤthi-<lb/> gung der Sieger/ zu Erholung der Uberwunde-<lb/> nen/ zu Wieder bringung der Freyheit/ und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Er-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [294/0346]
Drittes Buch
Goͤttern abbat. Die Fuͤrſtin Thußnelda fiel
Saloninen in die Rede: dieſe Geſchichte iſt
gewiß ſeltzam und denckwuͤrdig/ aber noch mehr
wunderns-werth duͤncken mich die erzehlten
Stern-Mahle zu ſeyn. Wiewohl ich weiß/
daß Kaͤyſer Auguſtus ſo/ wie etliche ſeiner Vor-
fahren/ den geſtirnten Baͤr auff der Bruſt habe/
und ich erinnere mich/ daß in Sarmatien ein
Geſchlechte ſey/ in welchem alle eine Baͤren-
Tatze mit aus Mutterleibe bringen. Saloni-
ne begegnete ihr: die beſtaͤndige Fortpflantzung
einerley Zeichens ruͤhrte Zweiffelsfrey aus kei-
nem andeꝛn Urſprunge/ als woheꝛ die ſo gemeine
Aehnligkeit der Eltern und Kinder kaͤme. Sie
haͤtte aber einſt von einem Chaldeer gehoͤret:
Daß ieder Menſch deſſelbigen Geſtirns Merck-
mahle an ſich truͤge/ was bey ſeiner Geburt
gleich auffginge; die Unachtſamkeit aber der
Leute lieſſe es aus der acht ſolche wahrzunehmen.
Erato wolte nach ſo langem Zuhoͤren endlich
auch einmahl ihre Zunge loͤſen/ und fing an:
Die Natur ſpielte in Muſcheln/ welche an
Vielheit der Farben und kuͤnſtlicher Vermi-
ſchung die Gemaͤhlde des Apelles wegſtechen;
an Steinen/ darinnen man nicht nur gantze
Landſchafften/ ſondern auch voͤllige Geſchichte
ſehe; an Pflantzen/ welche Schaafe und andere
Thiere/ ja Menſchen maͤnn- und weiblichen
Geſchlechts abbildeten; im Geſaͤme/ im Ge-
wuͤrme ſo wunderlich; alſo waͤre ſich ſo ſehr nicht
zu verwundern/ daß in der kleinen Welt-Karte
der gantzen Natur dem Menſchen man ſo ſeltza-
me Bildungen antreffe. Sie haͤtte ſich iederzeit
noch mehr verwundert uͤber etlichen einem und
dem andern Geſchlechte angeſtammten Wuͤr-
ckungen; als daß die Ophiogenes im Helleſpont
die Schlangenbiſſe mit bloſſer Anruͤhrung der
Hand/ die Pſyllen in Africa mit dem Speichel
geheilet/ daß die Einwohner der Stadt Tenty-
ra in Egypten eine angebohrne Gewalt die
Crocodile zu zaͤhmen haben; daß Exagonus zu
Rom/ als er in ein gantz Faß voll Schlangen ge-
worffen/ ihnen alle Krafft zu ſchaden genom̃en;
daß der Epirotiſche Koͤnig Pyrrhus mit ſeiner
groſſen Zaͤhe durch bloſſes Anruͤhren alle
Schwaͤre des Mundes/ und die Koͤnige in Gal-
lien biß auff des Jnduciomarus Soͤhne mit
dem Finger alle Kroͤpffe vertrieben. Saloni-
ne laͤchelte/ und ſagte: Jch wuͤrde durch die Aus-
fuͤhrung dieſer ſeltzamen Wuͤrckungen/ welche
faſt in allen Welt-Geſchoͤpffen zu finden ſind/
verhindert werden/ den Faden meiner Erzeh-
lung abzuſchneiden; alſo muß ich mit ihrer gnaͤ-
digen Erlaubniß vollends nicht zuruͤck laſſẽ:daß
der ungluͤckſelige Polemon zwiſchen den Umar-
mungen und Kuͤſſen ſeines Sohnes den Geiſt
ausbließ/ das Pontiſche Kriegs-Heer aber Ario-
barzanen unter dem Namen des zweyten Pole-
mon fuͤr ihr Haupt/ und alſo die Uberwinder ih-
ren Gefangenen fuͤr ihren Koͤnig erklaͤrten.
Hingegen trug Artafernes/ als er ſahe/ daß das
weibliche Geſchlechte der Erato ſchwerlich laͤn-
ger verſchwiegen bleiben konte/ den Armeni-
ern fuͤr: Sie haͤtten die Heldenthaten ihres Ar-
taxias numehr geſehen/ von welchem er aber
nicht verhalten koͤnte/ daß nach dem Verluſt
des warhafften Fuͤrſten Artaxias ihr Koͤnig
ſeine Tochter Erato fuͤr ſeinen Sohn auffer-
zogen habe. Alleine die Klugheit und Tapf-
ferkeit/ die zwey Grund-Seulen der Koͤnigrei-
che/ waͤren ſo wohl ein als anderm Geſchlech-
te gemein. Das Frauenzimmer habe das Hertz
eben da/ wo es die Maͤnner haͤtten/ und dieſer
ihres waͤre von keinem beſſern Zeuge als jener.
Jhre weichen Haͤnde waͤren nicht nur fuͤr Sei-
de und Wolle gewiedmet/ ſondern auch zu den
Schwerdtern und Lantzen geſchickt. Ja man
ſpuͤrte die abſondere Schickung des goͤttlichen
Verhaͤngnißes/ daß wenn dieſes ein zu Grun-
de ſinckendes Reich wieder auffrichten wolle/
ſelbtes weder die Armen der Rieſen/ noch die
Koͤpffe der Staatsklugen/ ſondern zu Demuͤthi-
gung der Sieger/ zu Erholung der Uberwunde-
nen/ zu Wieder bringung der Freyheit/ und
Er-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/346 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/346>, abgerufen am 26.06.2024. |