Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Todes durch viel Bemühung zu erretten nichtvermocht; als welcher selbst an das Spinnwerck der Parcen nichts anders/ als ein Sclave an die Fässel angebunden/ und dem Verhängnüsse/ welches er einmal als ein Gesetze dem Himmel für geschrieben hätte/ allezeit zu folgen schuldig/ und also einer Nothwendigkeit unterworffen wäre. Zumal Unwissenheit/ und Veränderun- gen des Willens einer Gottheit unanständige Schwachheiten wären. Dieses wäre der äl- teste Glaube in der Welt; und daher finde man niemals in denen vermerckten Versammlun- gen der Götter/ die blinde und unbeständige Göttin des Glückes/ welche mit dem Verhäng- nüsse nicht bestehen könte/ sondern nur ein Ge- spenste irrdischer Gedancken wäre. Die aber/ die sie endlich zu einer Tochter des Jupiters machten/ hätten damit nichts anders angedeu- tet; als daß die vom Verhängnüsse geschlossene Nothwendigkeit in den Augen der unwissenden Menschen ein Zufall des Glückes schiene zu seyn. Dahero der kluge und tapffere Ti- motheus seine grosse Thaten durchaus nicht für ein Geschencke des Glückes/ noch diß für eine Gottheit erkennen wolte; Sondern/ als seine Neider ihn als einen Schlaffenden abmahlten/ bey welchem das Glücke Wache hielte/ in einem Netze allerhand Festungen an sich züge/ und ih- ren Fang in des Timotheus Schoß ausschütte- te/ begegnete er ihnen mit dieser scharffsinnigen Antwort: Hätte er diß schlaffende ausgerich- tet/ was würde er allererst ausüben/ wenn er wachen würde? Salonine warf ein: Der viel grössere Timoleon/ der das sich erschütternde Sicilien auf festen Fuß gesetzt/ und das feste Carthago erschüttert/ hätte alle seine Siege dem Glücke gedanckt. Die Römer hätten sie für ihre erstgebohrne Gottheit verehret/ ihr die meisten Priester und Heiligthümer gewiedmet/ ihr grössere Kräffte als der Tugend zugeetgnet/ und sie für die oberste Uhrheberin des Römi- schen Reichs erkennet. Zu Smyrna hätte sie [Spaltenumbruch] ihr eine Himmels-Kugel auf dem Haupte tra- gendes/ und ein Horn des Uberflusses haltendes Bild in einem herrlichen Tempel aubeten se- hen; welches die Priester selbst dahin ausgedeu- tet hätten/ daß sie alles beherrschte und fruchtbar machte. Die Königin Erato hielt sich numehr auch genöthigt ihr Wort dazu zu geben/ und fing an: Es ist unglaublich/ daß Timoleon/ die Römer/ oder einige Weltweise iemahls unter dem Nahmen des Glückens diß/ was der Pöfel daraus macht/ verstanden habe. Denn dieser nennet alles diß/ was ungewiß ist/ das Glücke; bildet ihm auch ein/ alles diß sey Ungewißheit/ was das Verhängnüß entweder für menschli- chen Augen verbirgt/ oder ihr blödes Gesichte nicht erkiesen kan. Da hingegen alle Klugen/ welche iemahls das Glücke als was göttliches angebetet/ gegläubt haben: daß eben diß/ was auf der Erde das Glücke heist/ im Himmel das Verhängnüß oder die göttliche Versehung ge- nennt werde. Hätte der angezogene Timo- leon alles sein Beginnen blinden Zufällen zu- geeignet/ würde er schwerlich eines Priesters Traum sich haben bewegen lassen/ auf einem ab- sondern Schiffe die Ceres und Proserpina in seinem Kriegs-Zuge nach Sicilien zu führen. Er würde selbst nach Delphis nicht gereiset seyn/ und dem Apollo seine Andacht aufgeopf- fert/ weniger würde ihn daselbst im Tempel zu einem Glücks-Zeichen eine Opfer-Binde von den aufgehenckten Geschencken sein Haupt um- schlinget/ und er gleichsam von der verehrten Gottheit einen Sieges-Krantz zu vorher über- kommen haben. Die Römer hätten aus kei- nem andern Absehen dem Glücke als einer erstgebohrnen/ ferner als einer starcken/ als ei- ner vielbrüstigen/ und als einer himmlischen Göttin so viel Tempel gebaut; als in dem ersten die ewige/ in dem andern die allmächtige/ in dem dritten die milde Gottheit der Versehung/ in dem letzten aber ihren Uhrsprung abzubilden; als welche von den meisten Menschen alleine ange- Erster Theil. P p
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Todes durch viel Bemuͤhung zu erretten nichtvermocht; als welcher ſelbſt an das Spinnwerck der Parcen nichts anders/ als ein Sclave an die Faͤſſel angebunden/ und dem Verhaͤngnuͤſſe/ welches er einmal als ein Geſetze dem Himmel fuͤr geſchrieben haͤtte/ allezeit zu folgen ſchuldig/ und alſo einer Nothwendigkeit unterworffen waͤre. Zumal Unwiſſenheit/ und Veraͤnderun- gen des Willens einer Gottheit unanſtaͤndige Schwachheiten waͤren. Dieſes waͤre der aͤl- teſte Glaube in der Welt; und daher finde man niemals in denen vermerckten Verſammlun- gen der Goͤtter/ die blinde und unbeſtaͤndige Goͤttin des Gluͤckes/ welche mit dem Verhaͤng- nuͤſſe nicht beſtehen koͤnte/ ſondern nur ein Ge- ſpenſte irrdiſcher Gedancken waͤre. Die aber/ die ſie endlich zu einer Tochter des Jupiters machten/ haͤtten damit nichts anders angedeu- tet; als daß die vom Verhaͤngnuͤſſe geſchloſſene Nothwendigkeit in den Augen der unwiſſenden Menſchen ein Zufall des Gluͤckes ſchiene zu ſeyn. Dahero der kluge und tapffere Ti- motheus ſeine groſſe Thaten durchaus nicht fuͤr ein Geſchencke des Gluͤckes/ noch diß fuͤr eine Gottheit erkennen wolte; Sondern/ als ſeine Neider ihn als einen Schlaffenden abmahlten/ bey welchem das Gluͤcke Wache hielte/ in einem Netze allerhand Feſtungen an ſich zuͤge/ und ih- ren Fang in des Timotheus Schoß ausſchuͤtte- te/ begegnete er ihnen mit dieſer ſcharffſinnigen Antwort: Haͤtte er diß ſchlaffende ausgerich- tet/ was wuͤrde er allererſt ausuͤben/ wenn er wachen wuͤrde? Salonine warf ein: Der viel groͤſſere Timoleon/ der das ſich erſchuͤtternde Sicilien auf feſten Fuß geſetzt/ und das feſte Carthago erſchuͤttert/ haͤtte alle ſeine Siege dem Gluͤcke gedanckt. Die Roͤmer haͤtten ſie fuͤr ihre erſtgebohrne Gottheit verehret/ ihr die meiſten Prieſter und Heiligthuͤmer gewiedmet/ ihr groͤſſere Kraͤffte als der Tugend zugeetgnet/ und ſie fuͤr die oberſte Uhrheberin des Roͤmi- ſchen Reichs erkennet. Zu Smyrna haͤtte ſie [Spaltenumbruch] ihr eine Himmels-Kugel auf dem Haupte tra- gendes/ und ein Horn des Uberfluſſes haltendes Bild in einem herrlichen Tempel aubeten ſe- hen; welches die Prieſter ſelbſt dahin ausgedeu- tet haͤtten/ daß ſie alles beherrſchte und fruchtbar machte. Die Koͤnigin Erato hielt ſich numehr auch genoͤthigt ihr Wort dazu zu geben/ und fing an: Es iſt unglaublich/ daß Timoleon/ die Roͤmer/ oder einige Weltweiſe iemahls unter dem Nahmen des Gluͤckẽs diß/ was der Poͤfel daraus macht/ verſtanden habe. Denn dieſer nennet alles diß/ was ungewiß iſt/ das Gluͤcke; bildet ihm auch ein/ alles diß ſey Ungewißheit/ was das Verhaͤngnuͤß entweder fuͤr menſchli- chen Augen verbirgt/ oder ihr bloͤdes Geſichte nicht erkieſen kan. Da hingegen alle Klugen/ welche iemahls das Gluͤcke als was goͤttliches angebetet/ geglaͤubt haben: daß eben diß/ was auf der Erde das Gluͤcke heiſt/ im Himmel das Verhaͤngnuͤß oder die goͤttliche Verſehung ge- nennt werde. Haͤtte der angezogene Timo- leon alles ſein Beginnen blinden Zufaͤllen zu- geeignet/ wuͤrde er ſchwerlich eines Prieſters Traum ſich haben bewegen laſſen/ auf einem ab- ſondern Schiffe die Ceres und Proſerpina in ſeinem Kriegs-Zuge nach Sicilien zu fuͤhren. Er wuͤrde ſelbſt nach Delphis nicht gereiſet ſeyn/ und dem Apollo ſeine Andacht aufgeopf- fert/ weniger wuͤrde ihn daſelbſt im Tempel zu einem Gluͤcks-Zeichen eine Opfer-Binde von den aufgehenckten Geſchencken ſein Haupt um- ſchlinget/ und er gleichſam von der verehrten Gottheit einen Sieges-Krantz zu vorher uͤber- kommen haben. Die Roͤmer haͤtten aus kei- nem andern Abſehen dem Gluͤcke als einer erſtgebohrnen/ ferner als einer ſtarcken/ als ei- ner vielbruͤſtigen/ und als einer himmliſchen Goͤttin ſo viel Tempel gebaut; als in dem erſten die ewige/ in dem andern die allmaͤchtige/ in dem dritten die milde Gottheit der Verſehung/ in dem letzten aber ihren Uhrſprung abzubilden; als welche von den meiſten Menſchen alleine ange- Erſter Theil. P p
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Arminius und Thußnelda.
Todes durch viel Bemuͤhung zu erretten nicht
vermocht; als welcher ſelbſt an das Spinnwerck
der Parcen nichts anders/ als ein Sclave an die
Faͤſſel angebunden/ und dem Verhaͤngnuͤſſe/
welches er einmal als ein Geſetze dem Himmel
fuͤr geſchrieben haͤtte/ allezeit zu folgen ſchuldig/
und alſo einer Nothwendigkeit unterworffen
waͤre. Zumal Unwiſſenheit/ und Veraͤnderun-
gen des Willens einer Gottheit unanſtaͤndige
Schwachheiten waͤren. Dieſes waͤre der aͤl-
teſte Glaube in der Welt; und daher finde man
niemals in denen vermerckten Verſammlun-
gen der Goͤtter/ die blinde und unbeſtaͤndige
Goͤttin des Gluͤckes/ welche mit dem Verhaͤng-
nuͤſſe nicht beſtehen koͤnte/ ſondern nur ein Ge-
ſpenſte irrdiſcher Gedancken waͤre. Die aber/
die ſie endlich zu einer Tochter des Jupiters
machten/ haͤtten damit nichts anders angedeu-
tet; als daß die vom Verhaͤngnuͤſſe geſchloſſene
Nothwendigkeit in den Augen der unwiſſenden
Menſchen ein Zufall des Gluͤckes ſchiene zu
ſeyn. Dahero der kluge und tapffere Ti-
motheus ſeine groſſe Thaten durchaus nicht fuͤr
ein Geſchencke des Gluͤckes/ noch diß fuͤr eine
Gottheit erkennen wolte; Sondern/ als ſeine
Neider ihn als einen Schlaffenden abmahlten/
bey welchem das Gluͤcke Wache hielte/ in einem
Netze allerhand Feſtungen an ſich zuͤge/ und ih-
ren Fang in des Timotheus Schoß ausſchuͤtte-
te/ begegnete er ihnen mit dieſer ſcharffſinnigen
Antwort: Haͤtte er diß ſchlaffende ausgerich-
tet/ was wuͤrde er allererſt ausuͤben/ wenn er
wachen wuͤrde? Salonine warf ein: Der viel
groͤſſere Timoleon/ der das ſich erſchuͤtternde
Sicilien auf feſten Fuß geſetzt/ und das feſte
Carthago erſchuͤttert/ haͤtte alle ſeine Siege
dem Gluͤcke gedanckt. Die Roͤmer haͤtten ſie
fuͤr ihre erſtgebohrne Gottheit verehret/ ihr die
meiſten Prieſter und Heiligthuͤmer gewiedmet/
ihr groͤſſere Kraͤffte als der Tugend zugeetgnet/
und ſie fuͤr die oberſte Uhrheberin des Roͤmi-
ſchen Reichs erkennet. Zu Smyrna haͤtte ſie
ihr eine Himmels-Kugel auf dem Haupte tra-
gendes/ und ein Horn des Uberfluſſes haltendes
Bild in einem herrlichen Tempel aubeten ſe-
hen; welches die Prieſter ſelbſt dahin ausgedeu-
tet haͤtten/ daß ſie alles beherrſchte und fruchtbar
machte. Die Koͤnigin Erato hielt ſich numehr
auch genoͤthigt ihr Wort dazu zu geben/ und
fing an: Es iſt unglaublich/ daß Timoleon/ die
Roͤmer/ oder einige Weltweiſe iemahls unter
dem Nahmen des Gluͤckẽs diß/ was der Poͤfel
daraus macht/ verſtanden habe. Denn dieſer
nennet alles diß/ was ungewiß iſt/ das Gluͤcke;
bildet ihm auch ein/ alles diß ſey Ungewißheit/
was das Verhaͤngnuͤß entweder fuͤr menſchli-
chen Augen verbirgt/ oder ihr bloͤdes Geſichte
nicht erkieſen kan. Da hingegen alle Klugen/
welche iemahls das Gluͤcke als was goͤttliches
angebetet/ geglaͤubt haben: daß eben diß/ was
auf der Erde das Gluͤcke heiſt/ im Himmel das
Verhaͤngnuͤß oder die goͤttliche Verſehung ge-
nennt werde. Haͤtte der angezogene Timo-
leon alles ſein Beginnen blinden Zufaͤllen zu-
geeignet/ wuͤrde er ſchwerlich eines Prieſters
Traum ſich haben bewegen laſſen/ auf einem ab-
ſondern Schiffe die Ceres und Proſerpina in
ſeinem Kriegs-Zuge nach Sicilien zu fuͤhren.
Er wuͤrde ſelbſt nach Delphis nicht gereiſet
ſeyn/ und dem Apollo ſeine Andacht aufgeopf-
fert/ weniger wuͤrde ihn daſelbſt im Tempel zu
einem Gluͤcks-Zeichen eine Opfer-Binde von
den aufgehenckten Geſchencken ſein Haupt um-
ſchlinget/ und er gleichſam von der verehrten
Gottheit einen Sieges-Krantz zu vorher uͤber-
kommen haben. Die Roͤmer haͤtten aus kei-
nem andern Abſehen dem Gluͤcke als einer
erſtgebohrnen/ ferner als einer ſtarcken/ als ei-
ner vielbruͤſtigen/ und als einer himmliſchen
Goͤttin ſo viel Tempel gebaut; als in dem erſten
die ewige/ in dem andern die allmaͤchtige/ in dem
dritten die milde Gottheit der Verſehung/ in
dem letzten aber ihren Uhrſprung abzubilden;
als welche von den meiſten Menſchen alleine
ange-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/349>, abgerufen am 26.06.2024. |